"

BLOG 070 @ichbinsophiescholl


eine neue instagram-serie zeigt ein virtuelles tagebuch unter @ichbinsophiescholl - um sophie kennenzulernen und in ihr leben einzutauchen - und gleichzeitig zu erleben, wie diese generation tickt, der ja auch erna kronshage angehört ... >>> click zur ankündigung im "tagesspiegel"


 

BLOG 069 Pressefreiheit ist ein Grundrecht

Zum Tag der Pressefreiheit hat der namibische Künstler Rudolf Seibeb ein Motiv für deutsche Zeitungen gefertigt. Heute jährt sich zum 30. Mal die Erklärung von Windhoek, einer Forderung nach freien Medien in Afrika und in aller Welt – und einer der Ursprünge für den von der UNESCO ausgerufenen 
Press Freedom Day. 

Foto: BDZV

BLOG 068: glattweg

click

Eine neue Seite auf der Website:
https://www.eddywieand-sinedi.de/sophie-erna-konfliktgeneration/


Erna Kronshage ist nur eineinhalb Jahre jünger als 
Sophie Scholl, von der jetzt zum 100.Geburtstag und dem 80. Todestag die Mutmaßungen zu Leben und Schicksal und Charakter mal wieder ungebremst  - links & rechts - ins Kraut schießen.

 

Und Erna gehört eben dieser gleichen Generation an: diese jungen Frauen, die in den "Goldenen Zwanzigern" nach dem Ersten Krieg in die Inflation hineingeboren werden - mit jazzigem Boogie-Woogie oder Be-Bop aus dem Volksempfänger-Radio oder von der Grammophonplatte - und den Fotos vielleicht von Josephine Baker in der alten ausgefransten zigmal durchblätterten Illustrierten Zeitung - die jungen heranwachsenden Frauen, die jetzt vielleicht zum ersten Mal mit einer gewissen "emanzipatorischen Selbstbewusstheit" ausgestattet ihr ureigenes Leben gestalten und in die Hand nehmen wollen.

 

Erna ist natürlich gegenüber Sophie in gewisser Weise nur ein unakademischer "Bauerntrampel" in der Provinz - "von's Land". Und während Sophie sich über philosophische Zeitfragen den Kopf zerbricht, muss Erna als "Haustochter" mit dem Waschbrett hinterm Bauernhaus die grobe Leinenwäsche am Ziehbrunnen scheuern und durchwwalken und wringen, um sie so mühsam zu säubern - im Haus gibt es keinen Wasserkran - und kein Badezimmer - sondern da war die Pumpe hinten auf der Deele - und die Waschschüssel mit Kernseife und das Abtrocklaken.

 

Und doch ahnt Erna wahrscheinlich etwas von dieser "anderen Welt", parallel - nur einen relativ kleinen Milieusprung entfernt - zur gleichen Zeit - auf der anderen Seite dieser gleichen Lebensmedaille.

 

Da will sie hin - dafür lässt sie sich von ihrer großen Schwester zurechtschminken und abpudern für das teure Porträt im "Atelier" beim Photographen mit der Plattenkamera in der Kreisgemeinde - wohin sie sich acht Kilometer weit mit dem Fahrrad auf den Weg macht: in dieser Ahnung, dass ihr tägliches Einerlei in der elterlichen Landwirtschaft doch nicht "das Leben" in seiner Fülle sein kann.

 

Erna will da raus, will mehr, "will unter intelligenten Menschen sein", wie sie das mal später in der Heilanstalt formuliert - ist auf dem Sprung ...


 

- Aber dann unten - da ganz unten - schlägt sie ohne jeden Halt ganz hart auf ...


_________________

jetzt zum 100. von sophie scholl gibt es eine menge literatur & stellungnahmen:

hier ein - für mich auch in bezug auf die ambivalenz in erna kronshage - erhellender ausschnitt aus einer rezension des buches von  dr. robert m. zoske: "Sophie Scholl: Es reut mich nichts: Porträt einer Widerständigen", propyläen verlag - 


"Sophie Scholl ist mit zunehmender historischer Distanz zu einer glattgebügelten Figur geworden, von verschiedenen Seiten vereinnahmt. Der Theologe Robert M. Zoske hat nun eine Biografie über sie verfasst, in der er mit der Mystifizierung bricht. „Sophie Scholl: Es reut mich nichts“, heißt dieses Porträt, in dem er sie als spannende, aber auch widersprüchliche, junge Frau charakterisiert. Zoske räumt zunächst mit der Annahme auf, Scholl sei bloß bis Mitte der 1930er-Jahre beim Bund deutscher Mädel (BDM), einer Teilorganisation der Hitlerjugend, aktiv gewesen – und das auch nur aus Pflichtgefühl. Stattdessen hätte sich Scholl bereits 1939, am Ende der regulären Dienstzeit problemlos vom BDM verabschieden können. Tat sie aber nicht. Aus ihren Korrespondenzen geht hervor, dass sie sich bis 1941 nicht grundsätzlich vom Nationalsozialismus abgewandt hatte.


Viele der heute noch präsenten Erinnerungen an Sophie und ihren Bruder Hans wurden nach Kriegsende von ihrer Schwester Inge Aicher-Scholl geprägt. Sie publizierte 1952 das Buch „Die Weiße Rose“, in dem Sophie Scholl die Rolle der selbstbewussten, emanzipierten Frau zuteil wurde, an der nichts unvorteilhaft, anstößig oder widersprüchlich war. Dabei hatte die vier Jahre ältere Aicher-Scholl laut Zoske viele Erinnerungen an ihre geliebte Schwester überzeichnet und „teils regelrecht verfälschend“ dargestellt.


Es gibt zum Beispiel keine Indizien dafür, dass Sophie Scholl während der letzten Stunden vor ihrer Hinrichtung tapfer gelächelt habe und mit aufrechtem Gang zum Schafott schritt, „ohne mit der Wimper zu zucken und noch einen Gruß an den unmittelbar folgenden Bruder auf den Lippen“, wie Inge Aicher-Scholl es behauptete. Es gibt auch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass Scholl schon als Kind durch besondere Intelligenz, „feine Eigenwilligkeit“ und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn aufgefallen war. Stattdessen, so beschreibt es Zoske, war Scholl ein ganz normales, lebensfrohes Mädchen, das eine große Begabung für Kunst und eine enge Bindung zu Gott hatte. Die Schule verabscheute sie. In ihrer Jugend eiferte Scholl keinen weiblichen Klischees hinterher, nahm sich eher unkonventionelle Frauen zum Vorbild. Sie trug einen jungenhaften Kurzhaarschnitt mit langer Strähne, die sie auf die linke Seite flippte. Sie bewunderte die Malerin Paula Modersohn-Becker, vielleicht auch, weil ihr deren Lebensstil „zwischen einer familiären Bodenständigkeit in Worpswede und dem avantgardistischen Aufbruch in Paris“ imponierte. Trotz dieses Freiheitsdrangs beschreibt Zoske Sophie Scholl auch als in sich gekehrte, in depressiven Stimmungen verweilende, junge Frau.


Scholls tiefer Glaube und die damit einhergehende christliche Sexualmoral stürzten sie immer wieder in Konflikte. Für Sophie Scholl kam das körperliche Verlangen einer Sünde gleich. In zahlreichen Briefen an ihren Freund rang sie mit der gegenseitigen Begierde und verbot sich, dieser nachzugeben. Trotzdem hatte Sophie Scholl Sex mit Fritz Hartnagel. Sie besorgten billige Ringe und quartierten sich in einem Hotel ein. Scholl rauchte, trank Wein und fuhr Auto. Sie lebte wild und asketisch, progressiv und bieder zugleich. Von Unsicherheiten und Bedenken zerrissen, gleichzeitig mit Renitenz erfüllt. Diese Widersprüche machen sie modern und nahbar – weil man sich eben nicht mit Anfang 20 schon vornimmt, sein Leben im Widerstand zu opfern." (aus: Joana Nietfeld: Widersprüche im Widerstand . Tagesspiegel / Kultur . Sonntag, 09.05.2021)



>>> Streit um das "politische Erbe" Sophie Scholls: click here

BLOG 067: mord

Tod von Menschen mit Behinderung

Ableistische* Gewalttat


Eine Mitarbeiterin eines Wohnheims in Potsdam soll vier Menschen mit Behinderung getötet haben. Betroffene äußern Kritik an der Berichterstattung.

Ableismuseine strukturell bedingte soziale Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten

POTSDAM taz | Nach dem gewaltsamen Tod von vier Menschen mit Behinderung am Mittwoch in einem Potsdamer Wohnheim haben viele Menschen in den sozialen Netzwerken ihre Anteilnahme mit den Angehörigen der Opfer bekundet. Er­mitt­le­r*in­nen klären nun den genauen Tathergang. Das Amtsgericht Potsdam hatte eine Pflege-Mitarbeiterin des Wohnheims, die unter dringendem Tatverdacht steht, in ein psychiatrisches Krankenhaus in Brandenburg/Havel eingewiesen.

 Während die Trauer über die entsetzliche Tat vorherrscht, äußern viele Menschen auch starke Kritik an der Berichterstattung über die Tat und fordern die Politik auf zu handeln und Gewalt in der Pflege zu thematisieren. Menschen mit Behinderungen seien täglich strukturellem Ableismus ausgesetzt.

 „Handeln statt Blumensträuße!“

 Alexander Ahrens, Geschäftsführer der Interessenvertretung „Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ fordert in einer Pressemitteilung den „umfassende Gewaltschutz in den Einrichtungen“, der eigentlich durch das Teilhabegesetz verbessert werden sollte. „Statt Beileidsbekundungen und Blumensträuße braucht es endlich entschlossenes politisches Handeln und Konsequenzen“, so Ahrens. Nicht nur in der Berichterstattung fehle „das Thematisieren von strukturellem und institutionellem Ableismus, Behindertenfeindlichkeit und Gewalt in derartigen Einrichtungen“, heißt es weiter.

 Ähnlich äußern sich andere Au­to­r*in­nen und Disability-Studies-Expert*innen. „Fassungslos, welche Fragen in der rbb abendschau Spezial NICHT gestellt wurden. Wie steht es um Gewalt in Heimen generell? Wie sind die Arbeitsbedingungen im Oberlinhaus? Stattdessen: Ein Werbefilm für's Oberlinhaus und danach „Ziemlich beste Freunde“, schreibt die freie Jour­na­lis­t*in und Fachautorin der Disability Studies Rebecca Maskos auf Twitter.

 Statt über die Opfer zu sprechen, wurde in der Abendschau über die Überforderung des Pflegepersonals gesprochen sowie ein Polizeipsychologe interviewt, der davon spricht, dass eine Motivation der Beschuldigten gewesen sein könnte „die Leute zu erlösen von Leiden, die vielleicht sogar unheilbar sind.“ Viele Menschen mit Behinderung und Ak­ti­vis­t*in­nen kritisierten die Aussage des Psychologen. „Das Einnehmen der Täter*innen-Perspektive entwertet das Leben derjenigen Menschen, die von der Gesellschaft behindert werden – in diesen Einrichtungen“, schreibt auch Ahrens.

 Auch die Autorin Laura Gehlhaar äußert Kritik an den verwendeten Begriffen in der Berichterstattung: „Medien & Politik, hört auf von den „besonders Schutzlosen“ oder „Schwächsten“ zu sprechen. Das ist #othering und #ableismus in seiner Höchstform! Ihr macht eine Spaltung in IHR und WIR auf. Hört auf damit!“

 Gewalt in der Pflege ist Tabuthema

Die öffentliche Kritik nach der schlimmen Tat in Potsdam greift auch auf, dass Gewalt in der Pflege immer noch als Tabuthema behandelt wird. „Tagtäglich erfahren behinderte und pflegebedürftige Menschen in derartigen Abhängigkeitsverhältnissen Gewalt in ihrer unterschiedlichsten Form“, schreibt die ISL. Diese Gewalt werde weder groß wahrgenommen noch häufig ernst genommen, da „vieles ganz selbstverständlich unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit und Nächstenliebe stattfindet“.

 Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert, Gewalt in der Pflege in Einrichtungen offen anzusprechen. „Wir brauchen auch in dieser Frage keine Tabuisierung, sondern eine Kultur des miteinander Redens und eine Kultur des Hinschauens“, sagte Vorstand Eugen Brysch.

 Berichterstattung seit vielen Jahren stereotyp

Dass die Berichterstattung über Menschen mit Behinderung in vielen Fällen paternalistisch ist, kritisieren Ex­per­t*in­nen schon seit Jahren. Oft erschienen Texte ohne Stimmen von Betroffenen. Stattdessen würden Menschen mit Behinderungen fremd charakterisiert. Raul Krauthausen befand in seiner Diplomarbeit mit dem Titel „Zwischen Sorgenkind und Superkrüppel“ schon 2010, dass entweder über Menschen mit Behinderung berichtet werde, als wären sie Su­per­hel­d*in­nen, oder es wird eine „leidvolle Geschichte erzählt, wo gesagt wird, jemand „meistert tapfer sein Schicksal“, macht „trotz der Behinderung“ etwas“, so Krauthausen.

 Dass die Berichterstattung auch aktuell noch häufig stereotyp und diskriminierend ist, bemängeln die Disabililty Studies und viele Ak­ti­vis­t*in­nen regelmäßig. Diese befeuere Berührungsängste zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, statt sie abzubauen, so die Kritik. Auch nach der schrecklichen Nachricht aus dem Potsdamer Wohnheim hätten viele der Beileidsbekundungen von Po­li­ti­ke­r*in­nen und anderen Wörter wie „die Schutzbedürftigsten“ und „die Schwächsten“ verwendet. Das mache abermals ein „Die und Wir“ auf, kritisiert die Journalistin und Autorin Christiane Link.

 Die geeignetste Möglichkeit, wie Redaktionen einen sensibleren Themenumgang in Bezug auf Menschen mit Behinderung bekommen können und sie als selbstverständliche In­ter­view­part­ne­r*in­nen für vielfältige Themen einbeziehen und Klischees in ihren Artikeln verringern könnten, ist, den Zugang für Menschen mit Behinderung in den Journalismus zu erleichtern. Doch bereits in der Ausbildung gibt es Probleme. Etwa ist an Jour­na­lis­t*in­nen­schu­len das Lernmaterial bislang nicht barrierefrei, Menschen mit Behinderung werden dort bislang kaum ausgebildet.

taz

& aktuelles: hier & hier

aus: twitter com - t4.eu - click

es ist immer noch zumeist der blick von oben "auf die anderen - bemitleidenswerten - schwachen" - und ein kriminalpsychologe spricht von "erlösung von leid" ... da ist ja der begriff "gnadentod" von adolf hitler ideell nicht mehr ganz weit entfernt - und es wird sogar an ein "mitempfinden" mit oder sogar an eine "entschuldung" der mörderin, an ein "verstehen" appelliert ...

"inklusion" jedoch heißt nicht nur barrierefreies miteinanderlernen und das absenken von bordsteinen für rollstuhlfahrer*innen: inklusion ist die begegnung aller menschen auf augenhöhe im grenzenlosen miteinander.

ein amokschütze wird auch nicht danach beurteilt, ob sie / er stress am arbeitsplatz oder eine überforderung zuvor erlebt hat.

wer überfordert ist, entzieht sich der belastung, macht "blau", wird krank, lässt sich verleugnen usw.

die vermeintliche täterin ist mutter eines sohnes mit körperlichen beeinträchtigungen und arbeitete seit 20 jahren als pflegehelferin in dem gleichen wohnbereich - und hierin ist vielleicht eher ein psychologisches "übertragungsphänomen" zu konstatieren - wenn ich als küchenpsychologe da mal miträtseln darf ... aber das "entlastet" sie für mich in keinster weise. -

bemerkenswert ist ja auch ihr dreistes vorgehen: die morde gesteht sie zuhause ihrem ehemann, der dann die polizei alarmiert, in den wohnbereichen bemerkt man die taten zunächst gar nicht (aufsichtspflicht???) - die tatwaffe, wohl ein messer, ist auch 48 stunden nach der tat nicht aufzufinden - und zu dem ganzen geschehen schweigt sich die vermeintliche täterin schnurstracks in die forensische psychiatrie ein... - da ist zumindest eine menge raffinierter "rest"verstand und vorsätzliche vertuschung dabei ...

und es stellen sich fragen nach den systemischen strukturen der einrichtung: mit welchem stellenwert begegnet man wie den bewohnern und patienten und wie wird "inklusion" ideell und praktisch verwirklicht und gelebt - wie offen sind die systeme nach außen und innen? - fragt sich si...