»Es tut mir so leid, dass Sie so allein waren.« Diese Worte ließen mich nicht los. Sie wurden kürzlich in einem privaten Austausch mit einer der mutigen Frauen geschrieben, die die #MeToo-Bewegung in den USA leiteten. Irgendwie kamen sie von ihr - eine Art Anerkennung auf einer tiefen, seelenvollen Verständnisebene - und landeten auf eine Weise, die die alten Wunden aufbrach und mich zu Tränen riss. Ja, ich hatte 1998 viele Unterstützungsschreiben erhalten. Und ja (Gott sei Dank!), ich hatte meine Familie und Freunde, die mich unterstützten. Aber im Großen und Ganzen war ich allein gewesen. So. Sehr. Allein. Öffentlich allein - am allermeisten von der Schlüsselfigur in der Krise verlassen, die mich tatsächlich gut und innig kannte. Dass ich Fehler gemacht habe, darin können wir uns alle einig sein. Aber in diesem Meer der Einsamkeit zu schwimmen war schrecklich... «
Monica Lewinsky - in einem Essay fürs Magazin "Vanity Fair" unter dem Titel "#MeToo und ich"
frau monica lewinsky - 2018 abgebildet im "vanity fair" magazine |
Was wurde aus... Monica Lewinsky?
Monica Lewinskys Affäre mit Bill Clinton löste 1998 das letzte Impeachment eines US-Präsidenten aus. Sie litt jahrelang - und findet sich nun erneut im Rampenlicht.
Aus New York berichtet Marc Pitzke | Der Spiegel
Monica Lewinsky wollte diesmal eigentlich lieber außen vor bleiben. "Eilmeldung", twitterte sie noch im Dezember: "Ihr könnt über das Impeachment reden, ohne mich zu taggen."
Es sollte nicht sein.
Das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump weckte so schon genug Erinnerungen an das vorherige gegen Bill Clinton, das sich um dessen Affäre mit Lewinsky gedreht hatte. Als dann auch noch Ex-Sonderermittler Ken Starr, der Clintons Impeachment 1998 auslöste, in Trumps Anwaltsteam eintrat, konnte sie sich nicht länger verstecken. Der alte Skandal, der ihren Ruf und fast ihr Leben zerstört hatte, wurde erneut breitgetreten.
"Und, was gab's heute in den Nachrichten?", scherzte Lewinsky, als der Senatsprozess gegen Trump begann. Galgenhumor.
Dabei war das damals gar nicht lustig, nicht für sie. Lewinsky war 24, als sie zum Synonym für Sex im Weißen Haus wurde und zur Zielscheibe von Hass und Häme - ein Meme, bevor es Memes gab. "Mein Leben würde nie mehr so sein wie vorher", sagte sie später. "Das Leben, das ich als Privatperson hatte, würde zu Ende sein."
Sie brauchte Jahrzehnte, um das sexistische Image loszuwerden, das ihr andere verpasst hatten, und fand erst in der #MeToo-Ära ihre Stimme, als Frauenrechtlerin und Aktivistin gegen Mobbing.
Ein Aptraum begann
Heute ist sie 46, weit entfernt vom Bild der liebeshungrigen Praktikantin, das Clintons Team von ihr zeichnete, mit ihrem eigenen Zutun. Für die "Los Angeles Times" - die ihr 1999 noch die Schlagzeile "Opfer oder Füchsin?" gewidmet hatte - gehört sie zur Riege der "berüchtigten" Amerikanerinnen wie O.-J.-Simpson-Anklägerin Marcia Clark und Eisläuferin Tonya Harding, die von Lachnummern zu "Heldinnen der Popkultur" geworden seien.
Als Heldin galt sie kaum, als ihre Liaison mit Clinton 1998 aufflog. Sie hatte sich einer Freundin anvertraut, der Sekretärin Linda Tripp, die ihre Telefonate aufzeichnete. Die Tonbänder wurden an die Presse und an Starr lanciert, Clinton bestritt alles vor laufenden Kameras und dann auch unter Eid, der Rest "ist Geschichte".
Für Lewinsky begann ein Alptraum. Paparazzi jagten sie und ihre Familie. Ihre Zukunftspläne waren zerstört, sie hatte Gerichtspsychologie studieren wollen. Das Weiße Haus, allen voran First Lady Hillary Clinton, dämonisierte sie, die Rechten machten sie zur Leitfigur ihres Kulturkriegs gegen den Präsidenten.
"Ich war alleine", erinnerte sich Lewinsky zum 20. Jahrestag in einem Essay fürs Magazin "Vanity Fair" unter dem Titel "#MeToo und ich". "In diesem Meer des Alleinseins zu schwimmen war furchterregend."
Der "Lewinsky-Skandal" - niemand sprach vom "Clinton-Skandal" - war zwei Jahre lang das Thema für die Amerikaner. Die Sketchshow "Saturday Night Live" porträtierte Lewinsky als dummes Flittchen. Ihr Kleid mit Clintons DNA wurde zum Kultobjekt.
"Hier kam Monica immer rein"
Das Trauma war zunächst aber persönlich. Lewinsky wurde mit posttraumatischem Stressyndrom diagnostiziert. "Als ob jede Schicht meiner Haut und meiner Identität abgerissen worden seien", sagte sie dem "Guardian". In dem Essay von 2018 fügte sie hinzu: "Und es ist nicht vorbei."
Sie entschuldigte sich mehrfach, zuerst bei Hillary Clinton und Tochter Chelsea, damals 13. Sie startete ein kleines Handtaschengeschäft. Sie hielt einen TED-Talk über "den Preis der Scham", der bisher mehr als 16 Millionen Online-Zuschauer fand.
Die #MeToo-Bewegung, die 2017 mit den Vorwürfen gegen den Produzenten Harvey Weinstein begann, gab ihrer Erfahrung neuen Kontext. Erst jetzt beginne sie die Rolle des Machtgefälles zwischen Präsident und Praktikantin zu verstehen, schrieb sie. Es ist ein Machtgefälle, das auch viele #MeToo-Leidensgeschichten prägt, ebenso wie die Verunglimpfung und Diskreditierung der Opfer.
2018 offenbarte sie sich für die TV-Dokumentation "The Clinton Affair" des Oscar-prämierten Filmemachers Alex Gibney. "Ich bereue es jeden Tag", sagte sie über den Skandal. "Es hat enorme Konsequenzen und Schmerzen verursachte." Dabei wies sie auch darauf hin, dass die meisten Bücher über den Skandal von Männern verfasst seien.
Bis heute nennen die Leute sie beim Vornamen, wie eine alte Bekannte. "Hier kam Monica immer rein", sagte Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, als er einem "Time"-Reporter neulich die Wand im Oval Office zeigte, in der früher eine Tür zum Nebenraum war.
Sie müht sich um Akzeptanz - und um Humor. Auf eine Twitter-Frage nach dem schlechtesten Karrieretip antwortete sie: "Ein Praktikum im Weißen Haus."
Dieses Jahr wird Lewinsky als Produzentin der neuesten Staffel der TV-Serie "American Crime Story" über den Clinton-Skandal firmieren. "Jahrzehntelang haben andere meine Rolle in dieser Story vereinnahmt", erklärte Lewinsky. Jetzt sei sie dran.
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ich habe die tage schon einmal an sie gedacht, als ich den vor gram gebeugten mr. weinstein mit seinem "vorgechobenen" rolli auf dem weg ins gerichtsgebäude auf einem foto sah. da fiel mir das "schicksal" um monica lewinsky ein, wie man jetzt - unter den neuen bedingungen der #me-too bewegung - wohl ihre rolle zu bewerten hätte.
galt sie doch in weiten kreisen in der welt bisher als "die verführerin", als diejenige, die den armen mr. clinton als präsident fast das amt gekostet hat.
und nur jetzt unter den neuen denk- und bewertungsprämissen der #me-too-bewegung wandelt sich ja dieses bild gründlich: monica lewinsky ist - wenigstens für mich - nicht mehr die schlange und der vamp - sondern, sie ist das einzige tatsächliche opfer in dieser affäre: benutzt von einem der damals mächtigsten männer dieser welt, wurde sie durch den dreck gezogen, nicht er.
man sprach auch immer von der "lewinsky-affäre", nie von dem "clinton-missbrauch", der das ja eigentlich war.
und wenn man heutzutage die inzwischen tausendfach offengelegten sexuellen übergriffe von kirchlichen ordensleuten und würdenträgern gegenüber abhängigen endlich auch öffentlich wahrnimmt - und die folgen dieser körperlichen und seelischen vergewaltigungen sieht und hört in einzelnen statements, dann wird vielleicht auch etwas von dem sichtbar, was die andere, die verborgene seite in dieser "affäre" war.
ein us-präsident und gestandener familienvater und vollblut-politprofi hat sein machtgefälle gegenüber einer kleinen praktikantin genutzt, um sie zu benutzen - und auch das war ja eine art missbrauch - amtsmissbrauch - und so zumindest im nachhinein so etwas wie vergewaltigung - auch wenn die 24-jährige frau lewinsky damals wohl nicht eindeutig "nein" sagte ...
monica lewinsky hat sich selbst aus diesem tiefen schlamassel gezogen, in das sie dadurch ja geraten war, weltweit bekannt im wahrsten sinne des wortes wie der "bunte hund": erniedrigt, beschmutzt und hechelnd und lefzend durch alle medien wie der letzte dreck gezogen.
aber sie hat es überlebt und hat sich mit therapien wieder aufgerappelt - ohne neue identität und "zeugenschutzprogramm" mit neuem pass und gesichts-op. - sondern als frau monica lewinsky - als eine wunderschöne frau.
monica lewinsky ist eine mutige frau, die unsere pure hochachtung verdient - und der man weltweit nicht wieder gutzumachendes unrecht angetan hat. und diese welt, die sich wie eine meute auf die damals 24-jährige stürzte, muss sich vor ihr schämen und sie um verzeihung bitten.
und nicht zuletzt hat die #me-too-bewegung diesen paradigemenwechsel auch bei mir ihr gegenüber bewirkt. danke.
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