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gefangen im "alternativuniversum"

aus einem ZEIT-Interview mit Peter Pomerantsev: "Die massenhafte Verbreitung von Bullshit ist das Problem"

Peter Pomerantsev hat ein fabelhaftes Sachbuch über Desinformation und Wirklichkeitsverzerrungen auf Social Media geschrieben. Welche Wirkung hat da die Corona-Pandemie?

Das Interview führte: Dirk Peitz | DIE ZEIT

  • Der Brite Peter Pomerantsev ist Senior Fellow am Institute of Global Affairs der London School of Economics und schreibt als Autor regelmäßig insbesondere für "The Atlantic" und die "London Review of Books". Sein zweites Buch "This Is Not Propaganda: Adventures in the War Against Reality" (Faber & Faber, 2019) ist soeben in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Das ist keine Propaganda" bei DVA erschienen. Das Gespräch fand per Videoanruf auf Skype statt.


"Wir brauchen ein radikal transparenteres Netz"

ZEIT ONLINE: Wenn man also Uninformiertheit, Dummheit oder womöglich böse Absichten nicht regulieren kann, weil es davon einfach zu viel gibt auf der Welt und das meiste davon absolut legal ist – was lässt sich dann regulieren?

Pomerantsev: Das dem Netz Eigene. Das Problem ist nicht der einzelne Bullshit, den Leute posten, sondern die massenhafte Verbreitung von Bullshit. Gerade von absichtsvoll ausgedachtem, das beginnt mit der unkontrollierten Trollfarm, deren Botschaften auf Social Media in hohem Maße und auf nichtorganischem Wege verstärkt werden. Das ließe sich verbieten. Die Plattformanbieter könnten ein solches Verbot auch durchsetzen oder wenigstens einen Warnhinweis über Posts schreiben: "Diese Information, deren Wahrheitsgehalt der Plattformanbieter nicht prüfen konnte oder wollte, wurde durch diese Personen oder jene Gruppen weiterverbreitet."

ZEIT ONLINE: Was ist mit den Algorithmen, die manche Inhalte fördern und andere nicht?

Pomerantsev: Es bräuchte eine öffentliche Aufsicht für Algorithmen. Es wäre auch möglich, transparent zu machen, warum eine bestimmte Information von Algorithmen bevorzugt behandelt wird. Das betrifft neben reinen Falschinformationen auch die Verbreitung extremer oder extremistischer Positionen. Es ist völlig eindeutig, dass etwa die YouTube-Algorithmen krassen Content belohnen – es ist ein Designfeature dieser Algorithmen, dass sie Nutzer bevorzugt etwa auf verschwörungstheoretische Inhalte leiten, weil die Leute die wahnsinnig gut klicken. Es wäre YouTube oder seinem Mutterkonzern Google sehr einfach möglich, einen eher BBC-artigen Algorithmus zu benutzen, der einen ausbalancierten Mix von Inhalten ausspielt, wenn man Worte wie "Covid-19" oder "Krieg in Syrien" eintippt.

ZEIT ONLINE: Braucht es so etwas wie Algorithmenbildung für alle?

Pomerantsev: Wir können jedenfalls alle kaum nachvollziehen, wie die Informationsumgebungen gestaltet sind, aus denen wir Inhalte beziehen. Dieser Zustand an sich ist eine Form von unsichtbarer Zensur. Um überhaupt kritikfähig zu werden gegenüber dem, was wir da sehen und lesen, müssen wir verstehen, warum es uns in unsere Feeds hineinläuft. Mehr noch als ein Verständnis für die Verbreitung von Informationen braucht es ein radikal transparenteres Netz als das, mit dem wir es immer noch zu tun haben. Dafür bedürfte es den politischen Willen, das, was etwa Facebook und Google als ihr Geschäftsgeheimnis behandeln, ihr Algorithmendesign, zu brechen.

ZEIT ONLINE: Nun ließe sich argumentieren, dass wir gerade einen Moment erleben, in dem wissenschaftlich abgesicherte Fakten plötzlich im öffentlichen Diskurs eine ungeahnte Rolle spielen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind maßgebliche Ratgeber der Politik in der Pandemie, und sie sind sogar gezwungen, ihre Methoden, Rückschlüsse und Empfehlungen darzustellen und zu verteidigen. Virologen, Epidemiologen und Immunologen wie Anthony Fauci in den USA und Christian Drosten in Deutschland sind öffentliche Figuren geworden. Gibt es also womöglich eine Renaissance der Idee von Objektivität und Expertise?

Pomerantsev: Aber auch die führt nicht zu letzten Wahrheiten, was eine der interessanteren Erkenntnisse im Umgang mit dieser Pandemie ist. Es beginnt schon damit, dass die Beschreibung des Krankheitsbildes einer Covid-19-Infektion wiederholt verändert wurde, weil neue Informationen und Daten dies nahelegten. Objektivität, daran werden wir erinnert, meint keinen absoluten und unveränderlichen Zustand von Aussagen. Sie bezeichnet die bestverfügbare Menge von Informationen und deren Interpretation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dies zu kommunizieren ist Aufgabe von Medien.

ZEIT ONLINE: Kehren wir damit in Zeiten einer Vorstellung von Objektivität zurück, wie sie zumindest früher die seriösen Fernsehnachrichten repräsentierten?

Pomerantsev: Ich halte das aus allerlei historischen, philosophischen, gesellschaftlichen Gründen für nahezu ausgeschlossen. Was aber nicht bedeutet, dass man nicht mehr an die Werte der Aufklärung glauben kann. Erkenntnis ist etwas, nachdem man streben sollte, das ist doch klar. Bestenfalls schärfen die Debatten, die wir nun über den Umgang mit der Pandemie führen, das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, wie notwendig faktenbasierte Diskurse sind. Dieses Virus und die politischen Entscheidungen zum Umgang damit betreffen uns alle, darum haben auch alle ein geradezu natürliches Interesse, an diesem Diskurs teilzunehmen.

ZEIT ONLINE: Eine pessimistischere Sichtweise könnte sein, dass wir nach den Wochen sozialer Isolation mutmaßlich nicht als andere, gar bessere Menschen wieder aus unseren Behausungen ins öffentliche Leben zurückkehren werden. Und dass die Debatten sich inhaltlich nur kurzzeitig verschoben haben, ihre strukturellen Bedingungen auf Facebook, Twitter, WhatsApp aber auch hinterher dieselben sein werden. Und die begünstigen Hetze und Hass.
Pomerantsev: Selbstverständlich werden Akteure, die wir freundlichen Menschen vielleicht nicht so sehr mögen, auch die Pandemie für ihre politische Zwecke einsetzen. Diese Gruppierungen sind nur gerade etwas stiller, auch weil ihnen gerade niemand zuhört. Ich habe nicht verfolgt, was die AfD in Deutschland derzeit verlautbart, aber diese Partei und ihre Anhänger verschwinden ja nicht einfach. In der deutschen Sprache gibt es den schönen Begriff Alternativuniversum, und in dem leben rund 15 Prozent der Bevölkerung in ihrem abgeschlossenen medialen Umfeld. Was dort weiter geschieht, wird interessant sein. Jeder Gegenstand der öffentlichen Debatte wird innerhalb ihrer strukturellen Bedingungen verarbeitet, und die haben sich durch Covid-19 nicht verändert. Sie werden es auch nicht.

ZEIT ONLINE: Wieso lassen die Social-Media-Plattformen auch diese Gelegenheit zur Selbstveränderung aus?

Pomerantsev: Die Erkenntnis aus den vergangenen vier Jahren seit der russischen Desinformationskampagne, die Donald Trump mit ins Amt geholfen hat, lautet auf Plattformen wie Facebook und Twitter bezogen: Sie haben es bis heute vermieden, ihre Strukturen grundsätzlich zu hinterfragen. Sie behandeln jede Kritik an ihnen weiter als ein PR-Problem. Wirklich gelernt haben sie nichts.

ZEIT ONLINE: Es geht also auch nach der Corona-Pandemie einfach so weiter mit den vielen Realitäten, der Desinformation, der Propaganda?

Pomerantsev: Ich würde mich gern vom Gegenteil überraschen lassen. Aber das wäre eben eine Überraschung.

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in diesem vielleicht insgesamt recht sonor klingenden und doch vielstimmigen millionenfachen chor von nach meinem dafürhalten "guter" meinungsweitergabe - bei eigener dezidierter stellungnahme - nur eine winzige räusper- und mitbrumm-stimme zu sein, ist, wenn man es so untergegeigt bekommt, wie von peter pomerantsev, vielleicht doch ein wenig deprimierend.

  • schließlich sitze ich hier über meine seiten und blogs zu meiner website stunde um stunde: und lese und schaue zunächst in den "guten medien":- und schreibe dann - und formuliere - und formuliere um - und hole mir bildliche anregungen zum thema aus dem netz, und "verfremde" die nach meinem jeweiligen gusto ("spontan - aus dem augenblick") um ihnen meinen stempel aufzudrücken - ein stempel, der meine aussagen zum thema mit unterstützen soll - oder eben satirisch aufbereiten soll - je nachdem - oder wo ich tacheles oder fraktur reden will - oder weitreichendere "zeichen setzen"...

pro tag sind es nun ca. 100 -150 user weltweit, die sich auf meine seiten verirren - kaum jemand gibt mir dazu irgendeine rückmeldung - und ich lese deshalb das "ankommen" meiner meinung, meiner gestalteten texte und bilder an der click- und einschaltquote ab.

auf die angezeigten herkunftstländer der interessenten auf meinen seiten kann ich nicht mehr viel geben, seitdem man ja anonym jeweils mit entsprechenden tools sein herkunftsland verschleiern und ändern kann.

aber mir macht dieses "mittun" in der globalität spaß: ich nehme teil - bin dabei - bilde mir meine meinung, bilde meine innere stimmung ab, und bilde mir manches mal darauf etwas ein. 

oder lösche einen beitrag schon mal nach geraumer zeit - weil ich ihn plötzlich grottenschlecht finde... - 

ja - ein zeitvertreib, eine daseinsregel, ein mitmachen, eine aktivität statt dumpfem stumpfsinn - 

und zeit vergeht - tempus fugit ...


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