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Christo ist tot - sein "spin" wird uns fehlen


christo starb 84-jährig in new york - sein lebenstraum, den "arc de triomphe" in paris zu "verpacken", wird nun posthum 2021 unter einem besonderen stern stehen...

christo & jeanne claude - das war der inbegriff der sichtbaren verwandlungen in echtzeit. was sie schufen, waren wunder in zeitlupe: der eingepackte reichstag in berlin, die ölfässer-pyramide in london, eine ölfassmauer in oberhausen, christos orangene wasserstege in italien. das war jeweils eine wahrnehmungsveränderung, ein neues schauen, ein neuer "augenblick".


und diese begriffe wie "profil gewinnen" oder "eindruck hinterlassen" - "be-eindrucken" treffen auf ihn ja besonders zu. er meinte in einem interview, er könne keinen computer bedienen, das sei ihm zu abstrakt, zu digital, zu virtuell - er brauche etwas "handfestes", tatsächliches, reales, fühlbares.

und damit machten sich christo und seine jeanne claude ans werk - und verpackten die welt, verschleierten sie, schufen neue blickwinkel und eröffneten ganz neue sichtschneisen auf zuvor bekannte möbilierungen öffentlicher plätze oder schillernder wasserflächen.

ganz früher kamen mir christo & jeanne-claude einfach nur verrückt und spinnerisch-überdreht vor: und das soll "kunst" sein ???, wenn sie ihre aktionen starteten - und dann signierte und bemalte fotodrucke davon verkauften.

ich musste mich erst einmal in diese art von umwelt-veränderungen und verhüllungen und erstaunen hineinversetzen - und musste lernen, die jeweilig neuen anblicke altbekannter flecken zu entdecken und zu genießen - und diese horizonterweiterungen als innere bereicherung "verbuchen" lernen.

das mussten ja auch die menschen in berlin als der reichstag verhüllt wurde, gegen den widerstand von mächtigen bürgerinitiativen und interessenverbände oder parteien. selbst ein stockkonservativer helmut kohl musste damals schließlich überzeugt werden. - 

doch dann überzeugte das ergebnis von 1995, als christo & jeanne claude mehrere wochen den reichstag mit silberfolie abdeckten und einschnürten, was rasch zu einem publikumsmagneten in der neuen gesamtdeutschen hauptstadt wurde: fünf millionen menschen haben sich das angeschaut - und letztlich die kosten pekuniär und ideell locker wieder eingespielt.

ja - christos kunst war ausgefallen und extravagant und spektakulär, aber auch einzigartig und fast zart & lyrisch faszinierend. die welt feierte den „verpackungskünstler“ - obwohl gerade diese bezeichnung für seine kreativität viel zu kurz greift.

diese signierten fotodrucke von seinen projekten zieren bis heute viele wände in ganz unterschiedlichem vielfältigen wohnambiente. ich denke nicht, dass ihr "wert" jetzt nachlassen wird - eher das gegenteil wird der fall sein, denn oft steigert ja ein künstler seinen "gebrauchswert" auf auktionen nach seinem tod. 

als nächstes wollte christo den „arc de triomphe“ in paris verhüllen. dazu werden wir ihn nun nicht mehr erleben können. ja - christo wird fehlen - nicht nur in paris - und sein "spin" wird fehlen in dieser nüchternen virtuellen jetzt wieder immer kleinteiliger ausgerichteten welt.


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