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f. w. murnau - der fast vergessene filmpionier wurde vor 130 jahren geboren

Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau - Foto: Murnau-Nachlass




Der Vater der bewegten Kamera

Vor 130 Jahren wurde Friedrich Wilhelm Murnau in Bielefeld geboren

Von Judith Günther


Murnau war ein Pionier und für viele Regisseure ein Vorbild. Er verstand es, mit Licht und Schatten zu spielen und kräftige Bilder entstehen zu lassen. Heute vor 130 Jahren erblickte er das Licht der Welt in Bielefeld.

Er brach mit der Praxis, die Kamera auf ein Stativ zu stellen und wurde so zum Vater der bewegten Kamera. Viele seiner Kollegen drehten ausschließlich in Studios, Murnau aber zog es immer wieder in die freie Natur. Er brachte es mit seinem Talent bis nach Hollywood, doch in seiner Geburtsstadt Bielefeld blieb er lange vergessen.

Friedrich Wilhelm Murnau 
als Zweijähriger bei der 
Bielefelder Fotografin Elisabeth Dürsch - 
Foto: Murnau-Nachlass

Geboren wurde er am 28. Dezember 1888 unter dem Namen Friedrich Wilhelm Plumpe in der Bahnhofstraße 6. Sein Vater Heinrich Plumpe war hier Leiter einer Tuchfirma. Lange blieb die Familie nicht in Bielefeld. 1893 zog Murnau mit seinen Eltern und Geschwistern nach Kassel. Schon als Kind spielte er mit seinen vier Geschwistern Theater. Seine beiden Brüder bauten ihm sogar eine eigene Bühne, versehen mit Schnürboden, Versenkung und Beleuchtung, um dort sonntags Stücke aufzuführen, die während der Woche geprobt wurden.

Nach dem Abitur ging Murnau nach Berlin und Heidelberg, um dort zu studieren. In Heidelberg wurde der Regisseur und Theaterintendant Max Reinhardt (1873-1943) bei einer Theateraufführung von Studenten auf ihn aufmerksam, bot ihm ein Stipendium an und verschaffte dem gebürtigen Bielefelder eine Anstellung am Deutschen Theater in Berlin.

Zu dieser Zeit wechselte Friedrich Wilhelm seinen Nachnamen und nannte sich nun Murnau, nach einem Ort in Bayern, wo er wohl einen Urlaub mit einer Liebschaft verbrachte. Als sein Vater erfuhr, dass sein Sohn statt Lehrer nun Schauspieler wurde, weigerte er sich, ihn weiter finanziell zu unterstützen. Nachdem sich Murnau der Bühne zugewandt hatte, unterband er jeglichen Kontakt zu alten Freunden und zur Familie, nur bei seiner Mutter meldete er sich regelmäßig.

Dies änderte sich erst nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Murnau zunächst beim 1. Garderegiment in Potsdam eingesetzt war. Nach seiner Beförderung zum Offizier war er einige Zeit als Kompanieführer in Riga stationiert, bevor er sich freiwillig für die Luftwaffe meldete. Hier überlebte Murnau acht Flugzeugabstürze. Während eines Fluges bei schlechter Sicht landete er in der Schweiz und wurde interniert.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland widmete sich Murnau als Regisseur ganz dem Film. Einer seiner bekanntesten Filme erschien 1922 – »Nosferatu – eine Symphonie des Grauens«. Es war der erste bedeutende Vampirfilm und angelehnt an den Roman »Dracula« von Bram Stoker. Die Filme »Der letzte Mann« (1924), in dem zum ersten Mal die bewegte Kamera eingesetzt wurde, und »Faust – eine deutsche Volkssage« (1926) machten Murnau weiter bekannt, und auch Hollywood interessierte sich nun für ihn.

Ankündigung des Films 
»Tabu« - 
Foto: Stadtarchiv Bielefeld
Der Produzent William Fox holte den Deutschen 1926 in die Vereinigten Staaten. Hier durfte er frei und ohne Einmischungen an seinem ersten Film »Sunrise« arbeiten. Er bekam hervorragende Kritiken und gewann bei den ersten Oscarverleihungen 1929 gleich drei Trophäen. Ein großer Kassenschlager wurde der Film dennoch nicht.

Da »Sunrise« viel Geld gekostet hatte, aber nur wenig wieder einspielte, mischte sich Fox nunmehr in die Arbeit von Murnau ein. Der kündigte darauf seinen Vertrag bei Fox und machte sich mit einer Yacht auf in die Südsee, um dort frei von Zwängen einen Film zu drehen. Es sollte sein letzter sein. Am 11. März 1931 starb Murnau bei einem Autounfall in Santa Barbara, kurz vor der Premiere von »Tabu«.

Murnaus Bruder Robert Plumpe kümmerte sich nach dessen Tod um den Nachlass und ließ auch seine Leiche nach Deutschland überführen. In Berlin auf dem Südwestkirchhof Starnsdorf wurde Murnau beigesetzt. Robert Plumpe bemühte sich in den 1950er Jahren darum, mit Hilfe der Stadt ein Murnau-Archiv in Bielefeld zu verwirklichen, bekam aber keine Unterstützung seitens der Verwaltung.

Obwohl Murnau nur knapp vier Jahre in Bielefeld verbrachte, werden ihm doch immer wieder westfälische Eigenheiten zugesprochen. So beschreibt Schauspieler Emil Jannings Murnau mit folgenden Worten: »Von den großen Erscheinungen des Films war Murnau der deutscheste. Westfale, gehemmt, streng mit sich selbst, gegen die anderen und streng in der Sache. Schroff nach außen, knabenhaft und gütig im Inneren. Von allem Regisseuren der stärkste Charakter, für keinen Kompromiß zu haben, unverführt vom Geld.«

Trotz seiner Verdienste für den deutschen Stummfilm blieb Murnau in seiner Geburtsstadt lange ein Unbekannter. Erst in den 1970er Jahren rückte er wieder ins Gedächtnis der Bielefelder. 1972 gründete die Volkshochschule das Murnau-Filmforum, um dort Filme der 1920er und 1930er Jahre zu zeigen. Zum 45. Todestag wurde eine Murnau-Gedenkwoche veranstaltet, das Kino »Kamera« zeigte eine Retrospektive mit acht Filmen Murnaus, und der Fotograf, Cineast und Murnau-Kenner Heinrich Gräfenstein bat die Stadt um weitere Mithilfe bei der Gedenkwoche. Er schlug die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Murnau vor, ebenso regte er an, eine Gedenktafel an das Haus in der Bahnhofstraße anzubringen, wo früher das Geburtshaus Murnaus stand.

Höhepunkt waren die Veranstaltungen zum 100. Geburtstag des einflussreichen Regisseurs. Am 26. Oktober 1988 begann das Murnau-Projekt, eine Kooperation von Volkshochschule und Kulturamt. Oberbürgermeister Klaus Schwickert sowie Kultusminister und Schirmherr des Projekts Hans Schwier hielten die Festansprachen und eröffneten die Gedenkausstellung.

Herausragend war vor allem die Verleihung des ersten Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreises, den Gräfenstein schon 1976 gefordert hatte. Die Bielefelder Bankenvereinigung hatte den mit 10.000 D-Mark dotierten Preis gestiftet, der französische Regisseur Eric Rohmer wurde erster Preisträger.

Die Bielefelder Zeitungen berichteten umfangreich über das Murnau-Projekt und lobten, dass der Regisseur nun endlich gewürdigt werde. Allerdings kritisierten sie auch, dass die Stadt so lange versäumt habe, ihren großen Sohn zu ehren. In seinem Kommentar im Westfalen-Blatt wunderte sich Klaus Struff über das Desinteresse der Verwaltung an Murnau. Sein Fazit: »Der Beitrag der Stadt Bielefeld ist schlichtweg armselig«.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Murnau gründete sich die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft. Ihr Ziel: »Die Förderung der Filmkunst in Vergangenheit und Gegenwart und besonders die Erhaltung, Erforschung und Verbreitung des Werkes von Friedrich Wilhelm Murnau«.

Seit 1989 veranstaltet die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft das Film- und Musikfest, bei dem Stummfilme, begleitet von Livemusik, gezeigt werden, und gibt eine Schriftenreihe heraus. Und natürlich ist sie auch an der Verleihung des Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreises beteiligt.

Eine makabre Merkwürdigkeit: Im Juli 2015 wurde Murnaus Grab aufgebrochen und sein einbalsamierter Kopf gestohlen. Bis heute bleibt er vermisst.

© WESTFALEN-BLATT Nr. 300, Freitag 28.Dezember 2018 - S. 11|BI-Kultur

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immer zu runden geburtstagen erinnert man sich an die großen dieser stadt. friedrich wilhelm murnau ist so jemand, der hier in bielefeld nicht so die richtige pr-gruppe und die richtigen sponsoren hinter sich hatte, um bekannter gemacht zu werden. der bielefelder cineast gräfenstein war in dieser hinsicht lange zeit ein einzelkämpfer zur bewahrung des andenkens an diesen großen filmpionier.

kino - das war ja auch lange zeit immer etwas anderes: kino zählte kaum zur hochkultur wie theater oder museumskunst - kino wurde rein gefühlsmäßig lange mit volkstümlichem tand, flitter-glitter und populistischem glemmer-ersatz für's "einfache volk" assoziiert.

und der ausdruck: "jetzt 'filmt' er aber wieder", war ja abfällig gemeint und bezeichnete eine überzogene flunkerei ... - und auch in unseren tagen bezeichnet ein artikel in der "zeit" die storys des reportage-fälschers claas relotius vom "spiegel" als "ganz großes kino" - also will sagen: alles geschönt und gelackt und leicht verdaulich und mit dem tatsächlichen leben manchmal bis zur unkenntlichkeit verrührt und 'dramatisiert' mit erfundenen spannungsbögen - alles "übertrieben" und "verkürzt" und "glattgebügelt"... 

mit schuld war hierbei aber auch der immense schaffensdrang der filmstudios in aller welt, die zum größten teil dann masse statt klasse produzierten und immer rascher "kohle" machen wollten - das kino galt mancherorts als "gelddruckmaschine": mit dem voschuss der produktionskosten ließ sich bei der anschließenden vermarktung in den kinoketten und den übertragungsrechten eine super rendite erwirtschaften: das volk fiel auf gewisse weise darauf herein und ließ sich von den cineastischen kunstformen des künstlich aufbereiteten "schalls & rauchs" einfach "blenden" ...

der film als tatsächliche kunstform schälte sich erst nach und nach heraus - als genügend material da war, um die spreu vom weizen zu trennen ...

hätte murnau in bielefeld doch nur eine besondere sorte vanillepudding zusammengemixt, wäre er hier sicherlich berühmter - oder wenn er für arminia auf torejagd gegangen wäre ...

aber so bleibt uns doch eben, diesen großen sohn der stadt immer wieder neu ins gedächtnis zu rufen - und bei youtube ist ein beträchtlich umfassendes filmschaffen murnaus eingestellt ...





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