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der menschheit ganzer jammer...

Jahrestag: 103 jüdische Menschen besteigen am 10. Juli 1942 am Hauptbahnhof einen Zug, angeblich in Richtung Warschau. Eine von ihnen ist die Bielefelderin Thekla Lieber. Ihre Postkarten sind ein letztes Lebenszeichen. Sie bringen Jahrzehnte später eine schreckliche Wahrheit ans Licht...


Erste Deportation nach Auschwitz
begann in Bielefeld

Von Christine Panhorst | NW

Es ist ein Freitag, heute vor 77 Jahren. Am 10. Juli 1942 startet ein Zug vom Bielefelder Bahnhof. In den Waggons: 103 Menschen Jüdinnen und Juden aus dem Gestapobezirk Bielefeld sowie aus Münster, Dortmund und Osnabrück. Das Ziel ist Warschau, so macht man sie glauben. Die Gestapo gestattet ihnen, unterwegs Postkarten zu schreiben. Es sind letzte Lebenszeichen, die Jahrzehnte später eine Spurensuche ermöglichen. An ihrem Ende steht eine schreckliche Gewissheit: Ankunftsort ist damals nicht Warschau, sondern das neue „Zentrum der Massenvernichtung“.

Der Deportationszug aus Bielefeld, das legen jüngste Forschungen nahe, ist der erste
große Transport im Deutschen Reich, der das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
anfährt. Mehr als 1.000 Jüdinnen und Juden werden aus ihren Familien gerissen und
nach Stopps in Hamburg, Ludwigslust, Berlin und Magdeburg verschleppt. Zugleich ist
es die einzige Deportation vom Startbahnhof Bielefeld, bei der es später keine
Überlebenden geben wird.

Diese Postkarte beginnt Bielefelderin Thekla Lieber am 12. Juli 1942 „kurz vor Berlin“:

Foto:
Sammlung Kai-Uwe von Hollen


„12 – kurz vor Berlin. Meine Lieben! Sicher habt Ihr meine diversen Karten erhalten.

Bisher geht es uns gut, sind sehr betreut. Fahre mit Frau Jakobs aus Sögel mit Tochter
Frau de Vries und Kind. Das Wetter ist herrlich. Allmählich beginnt’s, dass man sich
gewöhnt, ist gut, dass man viel schläft und die Zeit wenigstens nicht nachdenkt. (. . .)
Wir halten und wieder besteigen Hunderte Gefährten diesen unendlich langen Zug. Der Menschheit ganzer Jammer ist zu sehen. Montag werden wird, wenn’s
gut geht, am Ziel sein.
Braucht Euch nicht zu betrüben, so Gott will, wird’s schon werden. Seid nochmals
herzlich gegrüßt und geküßt von Eurer Mutter“

. . . schreibt die Bielefelderin Thekla Lieber am 12. Juli 1942 aus dem Deportationszug
bei Berlin.

Jener Freitag im Juli 1942 ist ein Auftakt zum dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte und Bielefelder Stadtgeschichte. Davon erzählen eindrücklich in Zeilen voller Angst und Hoffnung, Sorge und Liebe die Nachrichten der Deportierten – wie die der Bielefelderin Thekla Lieber.

An der Ritterstraße (heute Ecke Notpfortenstraße) hat die Geschäftsfrau ursprünglich
einen Handel mit Öfen, Eisen- und Haushaltswaren betrieben, der in der
Reichspogromnacht zerstört wird. „Macht euch keinen Kummer um mich, bleibt Ihr
nur gesund“, schreibt die 60-Jährige zwei Tage vor Abfahrt des Zuges auf einer
Postkarte an Tochter und Schwiegersohn in Brüssel. Den Bescheid zur Deportation hat
sie kurz zuvor plötzlich erhalten.

Sie reise über Hamburg, weiß Lieber schon früh. Das Ziel sei Warschau, notiert sie auf
einer ihrer Karten, die sie im Sammellager Kyffhäuser am Kesselbrink schreibt (heute
Standort der Restetruhe). „Ich hoffe, dass, so Gott will, mir die Seelenkräfte verbleiben,
alles zu überwinden.“

Letzte Lebenszeichen: Die Bielefelderin Thekla Lieber, geb. Heine, (*1882)
führte mit ihrem Mann ursprünglich ein Geschäftshaus an der Ritterstraße. Aus
dem Deportationszug darf sie noch Postkarten an Tochter und Schwiegersohn
schreiben, die nach Brüssel flohen.                            Foto: Sammlung Brigitte Decker
Sechs ihrer Postkarten wird ihre geflohene Tochter durch den Krieg retten. Eine davon
schreibt ihr die Mutter aus dem Zug bei Hamburg. Das Kartenschreiben ist den
Deportierten – das ist ungewöhnlich – offenbar gestattet. In ihren Karten berichten sie
zudem von „warmem Essen“ und „allerlei Verpflegung“ unterwegs. Immer heißt es:
Warschau.

Unterdessen führt die Fahrt weiter über Berlin und Magdeburg, an jedem Stopp
steigen Hunderte Menschen zu. Die Witwe Lieber aus Bielefeld schwankt am 12. Juli
zwischen Hoffen und Bangen: „Das Wetter ist herrlich. Allmählich beginnt’s, dass man
sich gewöhnt. (. . .) Wir halten, und wieder besteigen Hunderte Gefährten diesen
unendlich langen Zug. Der Menschheit ganzer Jammer ist zu sehen.“ Es ist ihre letzte
Karte.

Das letzte dokumentierte Lebenszeichen der Deportierten des Bielefelder Zuges
stammt von den Schwestern Clara Lorch (60) und Meta Meyer (53) aus Bad
Lippspringe. Ihre Karte ist in Oppeln abgestempelt – gut 140 Kilometer vor Auschwitz.
Der Rest sind Indizien einer bewussten Täuschung: Mal taucht das Ziel „Warschau“,
mal das Ziel „Auschwitz“ in offiziellen Unterlagen zu diesem Transport auf. Ein Koffer,
der in Auschwitz-Birkenau in einer Ausstellung zu sehen ist, gehört einem in Hamburg
Zugestiegenen. Angehörige senden schon 1942 auf Verdacht Briefe nach Auschwitz
oder erhalten auf Nachfragen hin den Hinweis „Auschwitz/Krakau“.
Abfahrtsort ins Ungewisse: Vorherige Depotationen aus
Bielefeld hatten Warschau oder Riga zum Ziel, wie auch der
Transport am 23.Dezember 1941, der fotografisch dokumentiert
ist. Foto: Stadtarchiv Bielefeld 

Die letzte Gewissheit fehlt. Zu viele Dokumente wurden kurz vor Kriegsende in
Bielefeld vernichtet.

Was bekannt ist: dass sich SS-Reichsführer Heinrich Himmler eine Woche nach Abfahrt
des Bielefelder Zuges das neue Vernichtungslager vorführen lässt.

Postkarten sind Puzzleteile der Vergangenheit: Die Bielefelder Forscher können anhand abgestempelter Postkarten belegen, dass der Zug über Hamburg, Ludwigslust, Berlin, Magdeburg und Breslau bis nach Oppeln in Polen fuhr. Hier verliert sich seine Spur - 140 Kilometer vor Auschwitz.                                                                      Grafik: Schultheiss - Daten: von Hollen, Decker, Freier



  • Der Text ist entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Martin Decker sowie unter Verwendung von Materialien der Holocaustforscher Martin Decker, Kai-Uwe von Hollen und Thomas Freier.


Quelle: Neue Westfälische, 10.7.2019, Lokales S. 17

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„das vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.“, hat christa wolf einen ursprünglichen satz von william faulkner weitergeführt. 

und ein bundestagsabgeordneter, der 2019 im deutschen bundestag sitzt, hat ja die gesamte ns-zeit mit all ihrem morden und leiden einfach mal zu einem "vogelschiss" abqualifiziert und heruntergespielt, den wir endlich bitteschön mal vergessen und verdrängen sollen.

da ist es schon ungeheuer wichtig, dass eine zeitung zum jahrestag der abfahrt des ersten durchgehenden deportationszuges nach auschwitz aus bielefeld vor 77 jahren eine ganze lokalseite zur dokumentation dieses vorganges nutzt - und am mahnmal vor dem bielefelder hauptbahnhof heute die namen von 103 deportierten aus bielefeld verlesen werden - es gab keine überlebenden. und vorgelesen werden auch die postkarten-texte dieser menschen, die sie während dieser fahrt in die ungewissheit und letztendlich in den tod an ihre lieben schrieben - erstmals beteiligt sich auch an dieser gedenkveranstaltung ein muslimischer verein, die "kreuzberger initiative gegen antisemitismus und islamfeindlichkeit" bielefeld (kgia).

das können dann hoffentlich auch viele schüler mitnehmen in den ferienstart in ein paar tagen - und vielleicht selbst mittels smart- oder i-phone oder tablet recherchieren, was mindestens genauso spannend und lehrreich ist als irgendein buntes 3-d-spiel, das auf dem display rauf und runter blinkt.

nein, wir dürfen uns nicht "fremd" stellen, wie christa wolf das ausgedrückt hat, wir dürfen uns nicht davon "abtrennen" oder es gar vergessen. wir sind es den opfern und ihrer würde auch nach 77 jahren immer noch und weiter bis in die zukunft schuldig, diese verirrungen eines ganzen volkes an sich herankommen zu lassen und zu durchleben: diese fast 18 stündige bahnfahrt zwischen hoffen und bangen  und dann der todesgewissheit für 1604 kilometer schienenstrecke, mit all den stationen und zusteige-halts: "wieder besteigen hunderte gefährten diesen unendlich langen zug", wie frau lieber das auf ihrer postkarte schreibt: "der menschheit ganzer jammer ist zu sehen" ... - das noch von wegen "vogelsch...".
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update:




















Gegen das Vergessen: Rund 80 Bielefelder erinnerten vor dem Hauptbahnhof an die Deportierten vom 10. Juli 1942. Martin Decker (Friedensgruppe) steht hier am Rednerpult. Foto: Mike-Dennis Müller | NW

wie man aus blitzen geld macht - 10-jährige lichtblitz-performance des ordnungsamt am bielefelder berg auf der a 2



WB


Das Millionending

Es blitzt und blitzt ohne Unterlass: Vor zehn Jahren ging die Radaranlage an der A 2 in Betrieb

Von Jens Heinze | WESTFALEN-BLATT/owl am sonntag

sundaycruiser.de
Bielefeld. Seit mehr als zehn Jahren hält das Blitzgewitter an, ein Ende ist nicht in Sicht: Der Blitzer am Berg, die Radaranlage in der Tempo-100-Zone an der A 2 in Fahrtrichtung Hannover, ist seit dem 11. Dezember 2008 aktiv. Ein Rückblick auf eine Erfolgsgeschichte für die Stadt Bielefeld, mit der zu Beginn keiner gerechnet hat.

Mit zwei trockenen Sätzen kündigte der damalige Stadtsprecher Dietmar Schlüter vor nunmehr gut zehn Jahren den Start für die digitale Radaranlage Traffistar S330 der Firma Jenoptik mit drei separaten Blitzern und ebenso vielen Kameras für jede Fahrbahn an. Was da keiner ahnte: Der emsige Blitzer am Berg (510 Fotos pro Tag im Zehn-Jahres-Durchschnitt) erlangte schnell bundesweit Berühmtheit, sogar das russische Fernsehen berichtete und eine Wirtschaftsdelegation aus Saudi-Arabien kam zum Ortstermin.

Betrieben wird der Blitzer am Bielefelder Berg an der kurvigen A-2-Gefällstrecke hinter der Talbrücke Lämershagen von Beginn an von der Stadt Bielefeld. Die Raserfotos gehen von der Anlage via verschlüsselter Internetverbindung an die Stadtverwaltung. Ausgewertet werden die Blitzerbilder von Mitarbeitern des hiesigen Ordnungsamtes. Die Verwarn- und Bußgelder, die quer durch Deutschland und Europa verschickt werden, müssen an die Kasse der Stadt gezahlt werden. Grundlage dafür ist das NRW-Gesetz zur Anpassung landesrechtlicher Straf- und Bußgeldvorschriften an das Bundesrecht, sagt Norman Rosenland, Geschäftsbereichsleiter Verkehrsordnungswidrigkeiten im Ordnungsamt.

Würde die Stadt Bielefeld den Blitzer an die Börse bringen, wären die Papiere heiß begehrt. Denn die Rendite ist einzigartig. Exakt 155.414 Euro hat die Anschaffung des Digitalblitzers vor zehn Jahren gekostet. Dazu kommen 11.765,01 Euro Installationskosten und etwa 60.000 Euro für neue Kameras im Jahr 2017, sagt Rosenland.

Diese sechsstelligen Anschaffungskosten haben sich inzwischen im hohen achtstelligen Bereich rentiert. 62,22 Millionen Euro aus Verwarn- und Bußgeldern flossen vom 11. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2017 in die Stadtkasse.

Bis Anfang Dezember löste der Blitzer am Berg seit Bestehen 1,86 Millionen Mal aus. Fotografiert werden überwiegend rasende Pkw-Fahrer, obwohl die Radaranlage vorher zweimal auf Schildern angekündigt wird. Weil nicht jedes Foto verwertbar ist und die Kommune nur im Bereich der Europäischen Union Gelder eintreiben kann, blieben unter dem Strich 1,163 Millionen verwertbare Fälle übrig.

youtube - videostill - biele jojo


Zweck des Blitzers am Berg ist es nach Darstellung von Stadt und Polizei, einen Unfallschwerpunkt zu entschärfen. Auf diesem viel befahrenen Streckenabschnitt der A 2 mit durchschnittlich 46.400 Autos täglich kam es vor der Installation der Radaranlage immer wieder zu schweren Unfällen. Grund für jede zweite Karambolage im Bereich der vierprozentigen Gefällstrecke war überhöhte Geschwindigkeit, teilte der damalige Polizeipräsident Erwin Südfeld per Brief im Februar 2008 dem ehemaligen Oberbürgermeister Eberhard David mit. Die Zahl der Unfälle steige trotz des seit 1995 bestehenden Tempo-100-Limits, es gebe 19 Prozent mehr Schwerverletzte.

Am 23. Juni 2008 wurde der »Grundstein« für den Blitzer am Berg gelegt. Die Unfallkommission Autobahn (Polizei Bielefeld, Landesbetrieb Straßenbau NRW, Bezirksregierung Detmold) beschloss die Installation der Radaranlage. Dass sie korrekt funktioniert, dies wird vorm Amtsgericht Bielefeld bei Einspruchsverfahren gegen Bußgelder immer wieder bezweifelt. Nachgewiesen wurden Fehlfunktionen aber nie. »Mehr als 150 Gutachten – Radaranlage arbeitet fehlerfrei« hieß es am 22. Juli 2016 im WESTFALEN-BLATT. Unbestritten ist, dass manche Blitzerbilder hohen Unterhaltungswert haben. Der Jagdhornbläser am Steuer oder das Kind hinter dem Autolenkrad mit den Eltern als Beifahrer sind nur zwei Beispiele. Den Negativ-Rekord hält aktuell ein Raser, der 232 Kilometer in der Stunde bei erlaubtem Tempo 100 fuhr.

Das Blitzer-Fazit nach zehn Jahren zieht Norman Rosenland, der die Anlage seit dem Start begleitet. Nach Inbetriebnahme der Radaranlage habe es keine schweren Unfälle mehr gegeben. Das Geschwindigkeitsniveau auf der A 2 sei am Bielefelder Berg deutlich gesenkt worden. Inzwischen würden mehr Verwarngelder für geringfügige Tempoverstöße als Bußgelder für massive Überschreitungen erhoben.

Aber eine wichtige Frage bleibt nach einem Jahrzehnt offen. »Warum immer noch Tausende Autofahrer pro Woche geblitzt werden, das können wir auch nicht beantworten«, sagt Rosenland.

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Klagen ohne Ende: Blitzer am Berg ist bis heute umstritten

Abzocke, Gelddruckmaschine für die Stadt, ungeeignet, die Verkehrssicherheit zu erhöhen: Die Vorwürfe von Rasern auf der A 2 und ihren Anwälten gegen die Radaranlage sind ebenso lang wie vielfältig. Bis heute wird gegen den Blitzer am Berg geklagt. Aktuell hat das Oberverwaltungsgericht Münster damit zu tun. Nachdem ein Gütersloher Installateur mit seiner Klage gegen die Tempoüberwachung vor dem Verwaltungsgericht Minden gescheitert war, ging der Fall in die nächste Instanz zum Oberverwaltungsgericht. Das will im ersten Quartal nächsten Jahres entscheiden.

Inzwischen beschäftigt dieser Fall seit 2014 verschiedene Gerichte in Bielefeld, Minden und Münster. Das ist kein Einzelfall. Eineinhalb Jahre lang dauerte es beispielsweise, bis Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe im Frühjahr 2011 sein Urteil – Fahrverbot und Geldbuße – endlich akzeptierte. Der Adelige hatte bis zum Oberlandesgericht Hamm gekämpft.

Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe befindet sich in guter Gesellschaft. Abgelichtet vom Blitzer am Berg wurden unter anderem Dressur-Olympiasiegerin Isabelle Werth, der Maler Markus Lüpertz, der Sänger Peter Maffay und die Schauspielerin Simone Thomalla.

Ihre Fälle wurden überregional bekannt, weil diese Promis sich vor dem Amtsgericht Bielefeld in öffentlicher Verhandlung gegen ihre Strafen wehrten. Es gibt weitere Prominente, die ebenfalls auf der A 2 geblitzt wurden, heißt es vom Ordnungsamt. Ihre Fälle wurden aber nie öffentlich, weil diese Promis keinen Einspruch einlegten. hz

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Gnadenlos unterschätzt

Ex-Ordnungsamtsleiter Roland Staude über den Blitzer-Start

Bielefeld (hz). Roland Staude (53) war vor zehn Jahren, als der Blitzer am Berg in Betrieb ging, Ordnungsamtsleiter in Bielefeld. »Den 11. Dezember 2008 werde ich nicht vergessen. Das ist so, als wenn ein guter Freund Geburtstag hat«, sagt er im Rückblick.

Ein Fazit Staudes lautet: Die Auswirkungen des Blitzers wurden anfangs gnadenlos unterschätzt. 15.000 Fälle, so die erste Prognose, seien pro Jahr wegen der neuen Radaranlage an der A 2 zu bearbeiten. Dafür sollten drei Sachbearbeiter ausreichen, glaubte man bei der Stadt Bielefeld.

Die Realität sah völlig anders aus. »Allein in der ersten Woche gab es um die 7000 Blitzvorgänge«, erinnert sich Staude. 2009, im ersten vollen Blitzerjahr, wurden es schließlich 134.779 bußgeldpflichtige Verstöße, die die Stadt Bielefeld verfolgte. Verwarngelder bis 30 Euro wurden damals noch gar nicht erhoben. Auf einen Schlag, sagt Roland Staude, wurden 25 Mitarbeiter in der Bußgeldstelle des Ordnungsamtes gebraucht. 19 davon wurden neu eingestellt. Mehr als 500 Bewerbungen, »von der Kassiererin bis zum Verwaltungsdirektor der Post«, gingen auf die Stellenausschreibungen ein. Was heute der Computer macht, wurde vor zehn Jahren noch per Handarbeit erledigt. Staude: »Jedes Jahr gab es einen Kilometer laufende Akten.«

Das große Erwachen wegen des Blitzers am Berg gab es nicht nur bei der Stadt. »Auf Justiz rollt gewaltige Klagewelle zu« titelte das WESTFALEN-BLATT am 18. Juli 2009. Zu diesem Zeitpunkt waren 71.728 Bußgeldverfahren gegen Raser auf der Autobahn eingeleitet worden. Nicht jeder wollte widerstandslos zahlen. 3146 Autofahrer legten Einsprüche gegen die verhängten Bußgelder ein, gleich 896 dieser Verfahren wurden an das Amtsgericht Bielefeld abgegeben. Von Ende Juli 2009 an sollte vor dem Amtsgericht Bielefeld verhandelt werden. Die Folge: Richter mussten extra Sitzungstage einlegen.

WB/owl am sonntag, Sonntag, 06.Januar 2019 | S. 10



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trotz dieses geldregens seit 10 jahren sind unsere straßen hier zumindest an der peripherie in bi-sennestadt immer noch nicht saniert - und längst nicht alle schulen sanitär- und digitalmäßig auf dem neuesten stand - und die seit einem halben jahrhundert versprochene direkte stadtbahnanbindung wird im schneckentempo weiter ge- und verplant ...: frei nach dem motto: langsam patt kommt auch nach stadt ...

da bielefeld chronisch klamm ist, werden mit den rund 70 millionen in 10 jahren nur notdürftige löcher gestopft - nehme ich an - und arminia bielefeld hat man jetzt etwas über 1 million erlassen, damit sich der verein finanziell wieder etwas erholen kann nach der offensichtlichen misswirtschaft in all den vergangenen jahren ...

auch jetzt hat sich arminia vorzeitig vom funktionierenden trainer jeff saibene getrennt, und einen anderen trainer quasi zusätzlich eingestellt - und bei dieser vorübergehenden doppelbesetzung geht die million von der stadt schon fast wieder drauf - profi-fußball in unteren gefilden der ersten und der zweiten liga ist eine eigenartige zirkus-show...

also - diese ganze abgeblitzte knete geht direkt von der hand in den ewig hungrigen mund, denn auch die kunsthalle in bielefeld hat schon munterere jahre erlebt - und muss dringend saniert werden ... - oetker-pudding hin - oetker-pizza her ...

und man hat sich ja andernorts versucht über wasser zu halten, in dem man - so als gag - behauptete, bielefeld gäbe es gar nicht, doch spätestens mit den bußgeldbescheiden vom ordnungsamt und den gerichtsverfahren mit widerspenstigen geblitzten kraftfahrern aus dem in- und ausland konnte man auch diese verleugnungs-behauptung nicht länger aufrecht erhalten - und musste aus der deckung kommen ...

BI-Sparrenburg 
BI-Logo
bielefeld gibt es - und wie ... blitz-tausend noch einmal: und vor einiger zeit erfanden ein paar studenten sogar das schlagwort: "liebe💗feld" statt "bielefeld"... - das ist doch sowas von originell und niedlich - aber anstatt man dieses wortspiel nun entsprechend touristisch vermarktet, betätigt man sich lieber als a 2-straßenräuber - und macht sich auf diese weise für hunderttausende "unvergesslich" und be-lieb💗... und entwickelt stattdessen aus den 3 buchtaben b-i-e ein ganz staksig-abstraktes logo, das die ehrwürdige sparrenburg wohl abbilden soll ... - hoffentlich waren das kunststudenten im ersten semester, die dieses neue logo "entwickelten" - einer profi-grafikagentur - die dafür eventuell auch noch knete abzockt - ist ein solches gebilde auf alle fälle nicht würdig: "sechs - setzen" ...

aber - nix für ungut - immer chuat choan ...


f. w. murnau - der fast vergessene filmpionier wurde vor 130 jahren geboren

Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau - Foto: Murnau-Nachlass




Der Vater der bewegten Kamera

Vor 130 Jahren wurde Friedrich Wilhelm Murnau in Bielefeld geboren

Von Judith Günther


Murnau war ein Pionier und für viele Regisseure ein Vorbild. Er verstand es, mit Licht und Schatten zu spielen und kräftige Bilder entstehen zu lassen. Heute vor 130 Jahren erblickte er das Licht der Welt in Bielefeld.

Er brach mit der Praxis, die Kamera auf ein Stativ zu stellen und wurde so zum Vater der bewegten Kamera. Viele seiner Kollegen drehten ausschließlich in Studios, Murnau aber zog es immer wieder in die freie Natur. Er brachte es mit seinem Talent bis nach Hollywood, doch in seiner Geburtsstadt Bielefeld blieb er lange vergessen.

Friedrich Wilhelm Murnau 
als Zweijähriger bei der 
Bielefelder Fotografin Elisabeth Dürsch - 
Foto: Murnau-Nachlass

Geboren wurde er am 28. Dezember 1888 unter dem Namen Friedrich Wilhelm Plumpe in der Bahnhofstraße 6. Sein Vater Heinrich Plumpe war hier Leiter einer Tuchfirma. Lange blieb die Familie nicht in Bielefeld. 1893 zog Murnau mit seinen Eltern und Geschwistern nach Kassel. Schon als Kind spielte er mit seinen vier Geschwistern Theater. Seine beiden Brüder bauten ihm sogar eine eigene Bühne, versehen mit Schnürboden, Versenkung und Beleuchtung, um dort sonntags Stücke aufzuführen, die während der Woche geprobt wurden.

Nach dem Abitur ging Murnau nach Berlin und Heidelberg, um dort zu studieren. In Heidelberg wurde der Regisseur und Theaterintendant Max Reinhardt (1873-1943) bei einer Theateraufführung von Studenten auf ihn aufmerksam, bot ihm ein Stipendium an und verschaffte dem gebürtigen Bielefelder eine Anstellung am Deutschen Theater in Berlin.

Zu dieser Zeit wechselte Friedrich Wilhelm seinen Nachnamen und nannte sich nun Murnau, nach einem Ort in Bayern, wo er wohl einen Urlaub mit einer Liebschaft verbrachte. Als sein Vater erfuhr, dass sein Sohn statt Lehrer nun Schauspieler wurde, weigerte er sich, ihn weiter finanziell zu unterstützen. Nachdem sich Murnau der Bühne zugewandt hatte, unterband er jeglichen Kontakt zu alten Freunden und zur Familie, nur bei seiner Mutter meldete er sich regelmäßig.

Dies änderte sich erst nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Murnau zunächst beim 1. Garderegiment in Potsdam eingesetzt war. Nach seiner Beförderung zum Offizier war er einige Zeit als Kompanieführer in Riga stationiert, bevor er sich freiwillig für die Luftwaffe meldete. Hier überlebte Murnau acht Flugzeugabstürze. Während eines Fluges bei schlechter Sicht landete er in der Schweiz und wurde interniert.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland widmete sich Murnau als Regisseur ganz dem Film. Einer seiner bekanntesten Filme erschien 1922 – »Nosferatu – eine Symphonie des Grauens«. Es war der erste bedeutende Vampirfilm und angelehnt an den Roman »Dracula« von Bram Stoker. Die Filme »Der letzte Mann« (1924), in dem zum ersten Mal die bewegte Kamera eingesetzt wurde, und »Faust – eine deutsche Volkssage« (1926) machten Murnau weiter bekannt, und auch Hollywood interessierte sich nun für ihn.

Ankündigung des Films 
»Tabu« - 
Foto: Stadtarchiv Bielefeld
Der Produzent William Fox holte den Deutschen 1926 in die Vereinigten Staaten. Hier durfte er frei und ohne Einmischungen an seinem ersten Film »Sunrise« arbeiten. Er bekam hervorragende Kritiken und gewann bei den ersten Oscarverleihungen 1929 gleich drei Trophäen. Ein großer Kassenschlager wurde der Film dennoch nicht.

Da »Sunrise« viel Geld gekostet hatte, aber nur wenig wieder einspielte, mischte sich Fox nunmehr in die Arbeit von Murnau ein. Der kündigte darauf seinen Vertrag bei Fox und machte sich mit einer Yacht auf in die Südsee, um dort frei von Zwängen einen Film zu drehen. Es sollte sein letzter sein. Am 11. März 1931 starb Murnau bei einem Autounfall in Santa Barbara, kurz vor der Premiere von »Tabu«.

Murnaus Bruder Robert Plumpe kümmerte sich nach dessen Tod um den Nachlass und ließ auch seine Leiche nach Deutschland überführen. In Berlin auf dem Südwestkirchhof Starnsdorf wurde Murnau beigesetzt. Robert Plumpe bemühte sich in den 1950er Jahren darum, mit Hilfe der Stadt ein Murnau-Archiv in Bielefeld zu verwirklichen, bekam aber keine Unterstützung seitens der Verwaltung.

Obwohl Murnau nur knapp vier Jahre in Bielefeld verbrachte, werden ihm doch immer wieder westfälische Eigenheiten zugesprochen. So beschreibt Schauspieler Emil Jannings Murnau mit folgenden Worten: »Von den großen Erscheinungen des Films war Murnau der deutscheste. Westfale, gehemmt, streng mit sich selbst, gegen die anderen und streng in der Sache. Schroff nach außen, knabenhaft und gütig im Inneren. Von allem Regisseuren der stärkste Charakter, für keinen Kompromiß zu haben, unverführt vom Geld.«

Trotz seiner Verdienste für den deutschen Stummfilm blieb Murnau in seiner Geburtsstadt lange ein Unbekannter. Erst in den 1970er Jahren rückte er wieder ins Gedächtnis der Bielefelder. 1972 gründete die Volkshochschule das Murnau-Filmforum, um dort Filme der 1920er und 1930er Jahre zu zeigen. Zum 45. Todestag wurde eine Murnau-Gedenkwoche veranstaltet, das Kino »Kamera« zeigte eine Retrospektive mit acht Filmen Murnaus, und der Fotograf, Cineast und Murnau-Kenner Heinrich Gräfenstein bat die Stadt um weitere Mithilfe bei der Gedenkwoche. Er schlug die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Murnau vor, ebenso regte er an, eine Gedenktafel an das Haus in der Bahnhofstraße anzubringen, wo früher das Geburtshaus Murnaus stand.

Höhepunkt waren die Veranstaltungen zum 100. Geburtstag des einflussreichen Regisseurs. Am 26. Oktober 1988 begann das Murnau-Projekt, eine Kooperation von Volkshochschule und Kulturamt. Oberbürgermeister Klaus Schwickert sowie Kultusminister und Schirmherr des Projekts Hans Schwier hielten die Festansprachen und eröffneten die Gedenkausstellung.

Herausragend war vor allem die Verleihung des ersten Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreises, den Gräfenstein schon 1976 gefordert hatte. Die Bielefelder Bankenvereinigung hatte den mit 10.000 D-Mark dotierten Preis gestiftet, der französische Regisseur Eric Rohmer wurde erster Preisträger.

Die Bielefelder Zeitungen berichteten umfangreich über das Murnau-Projekt und lobten, dass der Regisseur nun endlich gewürdigt werde. Allerdings kritisierten sie auch, dass die Stadt so lange versäumt habe, ihren großen Sohn zu ehren. In seinem Kommentar im Westfalen-Blatt wunderte sich Klaus Struff über das Desinteresse der Verwaltung an Murnau. Sein Fazit: »Der Beitrag der Stadt Bielefeld ist schlichtweg armselig«.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Murnau gründete sich die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft. Ihr Ziel: »Die Förderung der Filmkunst in Vergangenheit und Gegenwart und besonders die Erhaltung, Erforschung und Verbreitung des Werkes von Friedrich Wilhelm Murnau«.

Seit 1989 veranstaltet die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft das Film- und Musikfest, bei dem Stummfilme, begleitet von Livemusik, gezeigt werden, und gibt eine Schriftenreihe heraus. Und natürlich ist sie auch an der Verleihung des Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreises beteiligt.

Eine makabre Merkwürdigkeit: Im Juli 2015 wurde Murnaus Grab aufgebrochen und sein einbalsamierter Kopf gestohlen. Bis heute bleibt er vermisst.

© WESTFALEN-BLATT Nr. 300, Freitag 28.Dezember 2018 - S. 11|BI-Kultur

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immer zu runden geburtstagen erinnert man sich an die großen dieser stadt. friedrich wilhelm murnau ist so jemand, der hier in bielefeld nicht so die richtige pr-gruppe und die richtigen sponsoren hinter sich hatte, um bekannter gemacht zu werden. der bielefelder cineast gräfenstein war in dieser hinsicht lange zeit ein einzelkämpfer zur bewahrung des andenkens an diesen großen filmpionier.

kino - das war ja auch lange zeit immer etwas anderes: kino zählte kaum zur hochkultur wie theater oder museumskunst - kino wurde rein gefühlsmäßig lange mit volkstümlichem tand, flitter-glitter und populistischem glemmer-ersatz für's "einfache volk" assoziiert.

und der ausdruck: "jetzt 'filmt' er aber wieder", war ja abfällig gemeint und bezeichnete eine überzogene flunkerei ... - und auch in unseren tagen bezeichnet ein artikel in der "zeit" die storys des reportage-fälschers claas relotius vom "spiegel" als "ganz großes kino" - also will sagen: alles geschönt und gelackt und leicht verdaulich und mit dem tatsächlichen leben manchmal bis zur unkenntlichkeit verrührt und 'dramatisiert' mit erfundenen spannungsbögen - alles "übertrieben" und "verkürzt" und "glattgebügelt"... 

mit schuld war hierbei aber auch der immense schaffensdrang der filmstudios in aller welt, die zum größten teil dann masse statt klasse produzierten und immer rascher "kohle" machen wollten - das kino galt mancherorts als "gelddruckmaschine": mit dem voschuss der produktionskosten ließ sich bei der anschließenden vermarktung in den kinoketten und den übertragungsrechten eine super rendite erwirtschaften: das volk fiel auf gewisse weise darauf herein und ließ sich von den cineastischen kunstformen des künstlich aufbereiteten "schalls & rauchs" einfach "blenden" ...

der film als tatsächliche kunstform schälte sich erst nach und nach heraus - als genügend material da war, um die spreu vom weizen zu trennen ...

hätte murnau in bielefeld doch nur eine besondere sorte vanillepudding zusammengemixt, wäre er hier sicherlich berühmter - oder wenn er für arminia auf torejagd gegangen wäre ...

aber so bleibt uns doch eben, diesen großen sohn der stadt immer wieder neu ins gedächtnis zu rufen - und bei youtube ist ein beträchtlich umfassendes filmschaffen murnaus eingestellt ...