Von wegen Krone der Schöpfung:
Wie wir Tiere ausbeuten
Seit Jahrhunderten fühlt sich der Mensch allen anderen Lebewesen überlegen. In der Zukunft wird er umdenken müssen.
VON WELF GROMBACHER | SÜDKURIER
Obwohl das Landwirtschaftsministerium den Bedarf an Fleisch, das halal (nach islamischem Recht erlaubt) oder koscher (in der jüdischen Relgion gestattet) ist, lediglich auf zehn Prozent schätzt, wurden 2011 in Frankreich 40 Prozent aller Rinder und 60 Prozent aller Schafe rituell geschächtet. Der Grund: Es war für die Schlachthöfe wirtschaftlicher, ohne Betäubung zu töten, statt zwei Schlachtketten (eine mit und eine ohne Narkose) zu betreiben.
Mit Motorsäge zerlegt
„Da die Tiere weniger als zwei Minuten haben, um auszubluten und das Bewusstsein zu verlieren“, schreibt der Religionswissenschaftler und Soziologe Frédéric Lenoir in seinem Buch „Offener Brief
an die Tiere und alle, die sie lieben“, „sind einige von ihnen noch bei Bewusstsein, wenn sie in die Zerteilkette kommen. Man steht also vor dem bestürzenden Anblick von Tieren, die an ihren Hinterbeinen aufgehängt und ausblutend ihren Schmerz herausbrüllen, während man beginnt, sie mit der Motorsäge zu zerlegen.“ Kein Wunder, dass Schlachthöfe so gut gesichert werden – würde doch kein Mensch mehr Fleisch essen, wenn er sich diese Fließbandschlachtung ansehen müsste.
Jedes Jahr werden 60 Milliarden Landtiere getötet. Dazu noch mal 500 bis 1000 Milliarden Meerestiere. Für 500 Gramm Garnelen müssen 13 Kilogramm Meerestiere sterben, die als Beifang wieder in die See gekippt werden. Lässt sich der Konsum da noch rechtfertigen? In Frankreich war Lenoirs „Offener Brief“ ein Bestseller. Das zeugt von einem neuen Bewusstsein, sollte man meinen. Doch weit gefehlt.
Foto: Jens Büttner, dpa |
Während im Westen der Konsum von rotem Fleisch zurückgeht, auch, weil Mediziner ein erhöhtes Darmkrebsrisiko und ein erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewiesen haben, ist der Verzehr in China in den vergangenen 20 Jahren um 600 Prozent gestiegen. In Anbetracht der Tatsache, dass es bald zehn Milliarden Menschen auf der Erde geben wird, kann sich jeder ausrechnen, dass ein Umdenken nötig ist. Zumal die Massentierhaltung auch ein Faktor beim Klimawandel ist. Bedarf es doch, um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren, derselben Fläche wie für 160 Kilogramm Kartoffeln. Ein Hektar Land kann demnach zwei Fleischfresser oder 50 Vegetarier ernähren.
Das Tier als Untertan
„Fleisch zu essen ist ein Privileg der reichen Länder, das auf Kosten armer Nationen geht“, so der Molekularbiologe Matthieu Ricard im „Plädoyer für die Tiere“. Experten wissen, wie sich das Welthunger-Problem lösen lässt. Nur die Bequemlichkeit steht im Weg. Um das schlechte Gewissen beiseite zu wischen und den Fleischkonsum zu rechtfertigen, hat der Mensch vor Jahrhunderten das Märchen erfunden, er sei die „Krone der Schöpfung“ und alle anderen Individuen ihm Untertan.
Mag der pastorale Stil von Lenoirs Buch auch nicht jeden ansprechen, so gibt der 1962 geborene Autor einen guten Überblick über unser Verhältnis zur Natur. Mit dem Übergang von der Alt- zur Jungsteinzeit veränderte sich der Blick auf die Tiere. Sah der Mensch sich zur Zeit der Jäger und Sammler noch als Teil einer göttlichen Natur, so machte er sich, als er sesshaft wurde, die Tiere Untertan. Bald betrachtet er sie als Ware. Nicht von ungefähr leitet sich das lateinische Wort für Geld (pecunia) von Vieh (pecus) ab. Religion und Philosophie halfen, Rechtfertigungen für das Ausbeuten anderer Wesen zu finden. Selbst Hinduismus und Buddhismus unterscheiden – biologisch nicht haltbar – zwischen Mensch und Tier.
Wissenschaftler wissen, dass Tiere eine Sprache haben und empathiefähig sind. Delfine rufen sich beim Namen. Kühe pflegen in der Herde Freundschaften. Affen haben Mitleid. In einer Studie wurde jedes Mal, wenn sich Schimpansen Futter nahmen, einem Artgenossen ein Stromstoß versetzt. Als sie das erkannten, zogen die meisten es vor zu verhungern. Nur weil Intelligenz mit menschlichen Maßstäben gemessen wurde, schnitten Tiere bei Tests lange schlechter ab. „Weil wir ihnen intelligente Fragen gestellt haben, sind ihre Antworten aussagekräftig geworden“, so Philosophin Vinciane Despret.
Für Descartes waren Tiere Maschinen
Während der Kirchenlehrer Augustinus den Tieren das Leiden absprach, der Philosoph René Descartes sie mit Maschinen gleichsetzte und der Aufklärer Immanuel Kant sie als Mittel zum Zweck sah, hat heute ein Umdenken stattgefunden. Schon Arthur Schopenhauer wollte Tiere nicht länger aus der allgemeinen Moral ausschließen: „Grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten.“
Anders als Tiere können Menschen sich nicht durch den Naturzustand rechtfertigen. Sie haben eine Ethik, eine Moral, die sie für ihr Tun verantwortlich macht. Nur der Mensch hat die Wahl, ob er Tiere töten will oder nicht. Ist es nicht das, was ihn zum Menschen macht?
Quelle: SÜDKURIER KONSTANZ
heute morgen - gegen 9.00 uhr - fuhr ich auf der regnerischen autobahn hinter einem viehtransporter, dessen lüftungsklappen alle geschlossenen waren. es war wohl eine leer-rückfahrt - nach abgeladener "tat", wahrscheinlich bei einer der großschlachtereien, aus dessen richtung er kam.
auf der mich "anblickenden" rückseite dieses transporters war die cartoonhafte zeichnung eines "lächelnden" schweinekopfs zu sehen - mit einer lustig-rosa umrissfarbe und blauen äugelein - und vielleicht sogar einem glücksklee im maul, aber vielleicht bilde ich mir den jetzt im nachhinein auch nur ein ...
aber ich habe beim überholen des transporters gleich gedacht, soooo lustig wie die zeichnung auf der rückseite wird den tieren in diesem massentransport, dieser finalen schweine-deportation, auf der hinfahrt zum schlachthof wohl nicht zumute gewesen sein - da war wohl nichts mit fröhlichen und glücklichen öck-öck-grunz ... - zumal ich mal irgendwo gelesen habe, dass die schlachttiere auf solchen transporten scheinbar schon eine "ahnung" davon hätten, wohin diese letzte fahrt ginge - natürlich auch, weil sie zuvor in ihrem dasein kaum zu einem solchen transport bewegt worden sind - und das ganze eben auch extrem ungewohnt und deshalb schon angsteinflößend sei ...
warum sich die meisten tiere also sträuben, statt mit "hurra" einzusteigen, hat sicherlich aber auch mit einem instinktiven "wissen" oder "ahnen" zu tun - der autor des aufsatzes, den ich da gelesen habe, und ich sind wenigstens davon weiterhin überzeugt ...
und ein früherer schulkamerad von mir, der auf einem schlachthof arbeitete "an vorderster front", konnte eben nicht - wie oben im artikel erwähnt - wie descartes diese tiere, denen er den garaus zu machen hatte, wie "maschinen" sehen: er hat sein relativ kurzes arbeitsleben lang versucht, diese ängstlich panischen letzten blicke der tiere, die sich in ihm festsetzten, nach feierabend mit alkohol zu betäuben und wieder loszuwerden und abzuschütteln: jeden tag und immer wieder - und er ist nicht alt geworden dabei - er ist früh wohl an leberzirrhose dann verstorben - nach einem längeren leberkoma ...
wir einfachen ab-und-zu-fleischverzehrer sind ja gut beim abspalten dieser damit zusammenhängenden bilder - wir lassen die gar nicht erst an uns herankommen oder aber beschäftigen uns weniger damit: und wenn ich morgen früh mein zwiebelmettbrötchen verzehre werde ich auch wahrscheinlich nicht just daran denken ...
und trotzdem - das leben muss ja weitergehen - wohl bekomm's - und nix für ungut - und chuat choan ...
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