Foto: Tagesspiegel - Maria Mercedes Hering |
Selten hat eine Hauswand so die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt wie die Fassade der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Hellersdorf. Wochenlang stritt das halbe Land vor einem Jahr über die Entscheidung, das Gedicht „avenidas“ zu übermalen. Das Feuilleton debattierte, in sozialen Medien machten Werk und Wut die Runde, selbst CDU-Politiker Jens Spahn twitterte Eugen Gomringers Verse.
Jetzt hat die Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte das Gedicht wieder an einer Hauswand in der Nähe der ASH angebracht. Es solle dadurch einen „würdigen Rahmen“ erhalten und „untrennbar“ mit Hellersdorf verbunden bleiben, erklärt Vorstand Andrej Eckhardt die Motivation der Genossenschaft.
Untrennbar gehört die neue Installation auch zu ihrer Nachbarschaft: Nach Angaben der Grüne Mitte ist das Werk „an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang“ lesbar, weil die Buchstaben nachts von hinten beleuchtet werden. „Wir finden, dass das Gedicht [...] auch in Deutsch und Spanisch eine Leichtigkeit widerspiegelt und ein Gefühl der Lebensfreude vermittelt“, schreibt Eckhardt.
Ein offener Brief des Vorstands zeigt, wie tief die Abneigung gegen die „avenidas“-Kritiker bis heute ist. Eckhardt spricht von „absurden sexistischen Vorwürfen von Studentinnen“, denen Gomringers Werk „geopfert“ worden sei. „Wie werden sich die wahren Sexismus-Opfer (Gewalt, Missbrauch) dabei gefühlt haben, angesichts dieser Debatte?“
Die Hochschule nahm die Nachricht vom „avenidas“-Comeback in der Nachbarschaft gelassen auf. Sie freue sich, wenn Werke von Trägern des Alice-Salomon-Poetikpreises im öffentlichen Raum sichtbar seien, teilte eine Sprecherin mit. Bei der Wohnungsgenossenschaft bedanke man sich „herzlich“.
ich will hier die ganze geschichte bezüglich dieses unschuldigen gedichts gar nicht mehr rekapitulieren - in diesem blog kannst du unter "avenidas" einiges dazu finden oder in den feuilletons aller großen medien vor gut einem jahr ... ein paar persönliche stellungnahmen dazu habe ich inzwischen hier aus dem blog gelöscht - weil es mich damals derartig einseitig gefangennahm, dass ich mich bewusst mit einem rigorosen schnitt anderweitig orientieren musste ... -
ja - man kann sich da hineinsteigern: hineingesteigert haben sich diese zwei #me-too-streiterinnen in der hochschule, als sie in ein unschuldiges gedicht einen popanz malten - als der/oder die betrachter*innen einer typischen straßenszene auf den ramblas in barcelona plötzlich als eine art "lüstling(e)" wahrgenommen wurde(n).
ich wenigstens werde ab jetzt nicht schamvoll die augen senken, wenn mir eine frau entgegenkommt - und von alleen und blumen etwa werde ich nicht "keusch" meinen blick abwenden - schon gar nicht auf den ramblas von barcelona.
aber was ist das ergebnis jetzt - nach einem jahr der argumente hinüber und hernüber: ist jetzt das zweisprachige, nachts hinterleuchtete gedicht an einem gebäude der "grünen mitte" - immer noch ganz in der nähe der hochschule - jetzt ein kompromiss - oder eine bleibend sichtbare kriegserklärung? hat sich irgendeine seite durchgesetzt - und ist das jetzt "demokratie", wie die leitung der alice-salomon-hochschule immer wieder beteuert?
die "kleine" greta thunberg aus schweden hat es auf ihrem asperger-syndrom-hintergrund wesentlich cleverer angestellt, zivilcourage wieder gesellschaftsfähig zu machen: sie hat mit der "zukunft unserer umwelt" einfach das umfassendere thema besetzt - und keine nischenmeinung - sie wurde zum "vorbild" für viele schüler in der westlichen welt - sicherlich auch um "halblegal" freitagmorgens die schule zu schwänzen und so das wochenende zu verlängern.
okay - wir haben ja schon viele bewegungen wieder scheitern sehen: die 68er-bewegungen, die occupy- und die attac-bewegungen - und die pegida-bewegung auf der rechten seite bröckelt etwas stiller vor sich hin oder geht in der afd auf ... - aber z.b. die "grünen" sind aus diesen "graswurzel-bewegungen" mit emporgewachsen und zur zeit immerhin in umfragen die zweitstärkste politische kraft in deutschland ...
wenn sich aber eine öffentliche - also auch mit meinen steuergeldern finanzierte "hoch"schule - hauptsächlich für zukünftige sozialarbeiter*innen mit pädagogischen aufgaben in der öffentlichkeit - derartig von einer kleinstgruppe erpressen lässt - und das dann um der anmeldungen und um "des rufes" willen als "demokratischen prozess" bekundet, unterliegt sie meiner meinung nach einem gefährlichen missverständnis: die demokratie ist nämlich auch kein selbstbedienungsladen: ach da empfindest du etwas missverständlich ? - okay - streichen wir über ... - einfach mit noch missverständlicherem ...
und ich habe gestern - in einem rückblick - einen tatsächlichen demokratischen prozess um die (nur vorübergehende) gestaltung einer hausfassade noch einmal nachvollziehen können: die verhüllung des reichstages durch das künstlerehepaar christo und jeanne-claude - vor jetzt 25 jahren: mit einer abstimmung im parlament - und gegen den widerstand von ganz prominenten köpfen wie schäuble und hemut kohl - und mit einem tatsächlichen event für 16 millionen euro, finanziert von den künstlern durch die einnahmen ihrer vermarktung des events (übertragungsrechte, bildrechte usw.) ... - also für den steuerzahler für nothing: und wieviele menschen sind deshalb damals nach berlin gepilgert - und haben da geld ausgegeben ...
die übertünchte fassade |
die alice-salomon-hochschule sagt nun, man habe ihre erzwungene umgestaltung der fassade mit der übertünchung des gomriner gedichts und dem anbringen von neuen noch wesentlich kryptischeren zeilen aus "ihrem instandsetzungs-etat" beglichen ... - aber als steuerfinanzierte institution unterliegt sie meines erachtens nicht nur ihrer ureigen geprägten hier absurden "demokratischen" überzeugung - sondern eben auch einer öffentlichen kontrolle - zumal ja auch die fassade offentlich sichtbar ist...
vor allem auch auf dem hintergrund der eigenen vergangenheit in nazi-deutschland - als die namenspatronin alice salomon als jüdin ausreisen musste, und die dann unter neuer strammer nsdap-nahen führung in eine "schule für volkspflege" umbenannt wurde - und sicherlich manche nsv-gemeindepflegerinnen ("braune schwestern") ausgebildet hat - und die nach dem krieg "sich nur zögernd" (s. wikipedia) dem "reeducations-program" der amerikanischen siegermacht beugte und daraufhin nur sehr spröde sich auch öffnen musste für junge männer ...: männer - das waren - und sind offensichtlich - immer noch die "anderen" - etwas ziemlich fremdes und deutlich unterpriveligiertes an dieser ursprünglichen frauenbildungsstätte aus dem jahre 1908 ... -
frauen wurden also nicht immer und überall und in allen berufszweigen benachteiligt - sozialarbeit und pflege dominierte eindeutig die frau - auch in den führungsetagen - aber niemand wurde zu einer solchen ausbildung verpflichtet !...
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