Was werden die Besucher der Biennale in Venedig zu dem Schiffswrack sagen, das 2015 mit vielen Hundert afrikanischen Migranten versank
Foto: Andrea Merola / EPA |
Während ein Haufen von Künstlern und Kuratoren vom Ufer aus zusah, wurde der große verrostete Schiffskörper mühsam zum alten Marinearsenal in Venedig an Land gebracht, diesmal einem der Schauplätze der Kunstbiennale der Stadt.
Das Wrack sind die Überreste einer der schockierendsten Tragödien des Mittelmeers, bei der insgesamt wohl 700 bis 1.100 Menschen umkamen.
Das Fischerboot sank in der Nacht vom 18. April 2015 zwischen Libyen und der italienischen Insel Lampedusa, nachdem es mit einem Schiff kollidiert war, das auf seinen Notruf hin zur Hilfe kommen wollte. Es gab nur 28 Überlebende. Die Leute an Bord waren größtenteils im Laderaum eingeschlossen, als das Boot kenterte.
Die Tragödie veranlasste den damaligen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi dazu, die Situation der Migranten zu vergleichen, die nach Europa gelangen wollen, mit dem Tod der bosnischen Muslime in Srebrenica während des Balkankonflikts.
„Vor zwanzig Jahren haben wir und Europa unsere Augen vor Srebrenica geschlossen. Heute ist es nicht möglich, die Augen wieder zu schließen und erst später an diese Ereignisse zu erinnern “, sagte er damals. Die Katastrophe ereignete sich nach dem Ende des Projekts Mare Nostrum, bei dem bis dahin auf Kosten von Italien und der EU in Not geratene Boote mit Migranten gerettet wurden.
Das Boot wurde nun zur Biennale nach Venedig gebracht, um eine düstere Erinnerung an diese Ereignisse in einem von dem schweizerisch-isländischen Künstler Christoph Büchel gestalteten Projekt zu vermitteln.
2016 wurde es von der italienischen Regierung geborgen und zum sizilianischen Marinestützpunkt Melilli gebracht, wo die im Bootsrumpf eingeschlossenen Leichen entfernt und identifiziert wurden - eine enorme Operation, an der Teams forensischer Pathologen und andere beteiligt waren. Der tunesische Kapitän des Schiffes, Mohammed Ali Malek, wurde später wegen Totschlags für schuldig befunden.
Die italienischen Behörden haben es jedoch schließlich am 29. April für das Projekt "Barca Nostra" (Unser Schiff) freigegeben, eine Partnerschaft zwischen Büchel, dem sizilianischen Stadtrat von Augusta und anderen - mit Venedig als erster Anlaufstelle. Langfristig ist geplant, dass das Schiff Teil eines "Erinnerungsgartens" in Augusta/Sizilien werden soll.
Büchel lehnt es ab, Interviews zu geben: aber eine veröffentlichte Pressemitteilung für "Barca Nostra" beschreibt das Schiffswrack als ein Relikt einer menschlichen Tragödie, aber auch als Denkmal für die aktuelle Migration, und die Hürden, echte und symbolische Grenzen zu überwinden - und damit die (Un)Möglichkeit des Menschenrechts für eine freie Informations- und Personenbewegung. Das Relikt unterstreiche einmal mehr, dass unsere gemeinsame Verantwortung für eine menschenwürdige Politik solche Wracks derzeit nicht verhindern könne ...
Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das drohende, verwundete Boot auf die Besucher der Biennale haben wird, der bedeutendsten internationalen Veranstaltung der Kunstwelt, die ab Samstag für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Es herrscht anhaltende Spannungen über die künstlerischen, politischen und humanitären Reaktionen auf die Migrationskrise.
Die Mitarbeiterin des Künstlers, die Kuratorin Maria Chiara di Trapani, sagte: „Wir leben in einem tragischen Moment ohne Erinnerung. Wir alle schauen auf die Nachrichten und es scheint so weit weg zu sein: jemand ist auf See tot - na und ? - und wir wechseln den Kanal."
Die physische Präsenz eines solchen Bootswracks könnte das ändern. Sie hofft, dass die Besucher der Biennale "Respekt dafür empfinden - und sie schweigend das Wrack betrachten werden - und sich mindestens zwei Minuten Zeit nehmen, um zuzuhören und nachzudenken".
Mit Textmaterialien von "The Guardian" und der "New York Times" | Fotos: Davide Levene, The Guardian
sich mindestens zwei Minuten Zeit nehmen, um zuzuhören und nachzudenken - meint die kuratorin des künstlers christoph büchel, frau di trapani, die mit dem künstler über viele hürden der besitz-klärung nun das alte schiffswrack bis november in das alte marine-arsenale nach venedig brachten, was man kurzerhand zum ausstellungsgelände der biennale umgewidmet hat.
ja - und auch da will man in anlehnung des kommentars des ollen fritz teufel vor 50 jahren bei der aufforderung, sich als achtung vor dem gericht von der anklagebank zu erheben, auch diese aktion hier ähnlich kommentieren: "ja - wenn es denn ('der wahrheitsfindung') - dem umdenken der europäischen politik jetzt zur 'europa-wahl' tatsächlich dient" ...
das wrack wird sicherlich mit das meistfotografierte objekt dieser biennale werden: selfies wird es auf instagram hageln: "darin sind über 1000 menschen eingepfercht gewesen und alle sind umgekommen und abgesoffen - schrecklich..." - das wird man teilen und schicken und beweinen - und dann wird man fortfahren: "und wie ist das wetter bei euch ?" ...
die frage ist ja - wenn politisch gemeinte kunst aufrütteln soll, wer oder was bewirkt denn das "rütteln" - das durchschütteln, die tatsächliche betroffenheit, hinter dem dann ein umdenken ein für allemal steht und eingeleitet wird und auch stattfindet - "in real life": etwa diese alte schiffs-"rostlaube" ??? - mit all den gedachten virtuellen wasserleichen über bord oder noch eingepfercht und eingesperrt im laderaum, die man nur mühsam und aufwendig mit forensischen pathologen und gerichtsmedizinern dann schlussendlich identifizieren konnte ... - und all das ist schon wieder 4 jahre her ...: ist damals die welt stehengeblieben? haben reiche familien etwa spontan vor betroffenheit millionen gespendet wie jetzt beim "notre-dame"-brandfiasko ... ???
tja - und diese winzigkleinen plastikteilchen in den fischen und den möwen aus den meeren vom müll dieser welt - ist das nicht schrecklich ? - da müsste doch endlich etwas getan werden...
und ich schalte auch gleich um - auf "dazn" - um liverpool - barcelona zu schauen ...
- und nix für ungut - und chuat choan -
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