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stören - leugnen - provozieren


Eingangskomplex Buchenwald - Foto: Krautreporter.de
Neue Rechte zeigt sich in Gedenkstätten

Rechtsextreme treten anders als noch vor Jahren offen und erkennbar in Buchenwald auf, stören, leugnen und provozieren. Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge spricht über Ursachen und Lösungen für das Problem.

Von Svenja Ludwig | NW

Früher bekritzelten Rechte heimlich die Infotafeln mit Hakenkreuzen. 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Alliierten spazieren Neonazis ungeniert in rechten Modelabels, wo Nazis früher unzählige Menschen töteten. Dementsprechend alarmiert ist Volkhard Knigge, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. „Das Verhalten von bestimmten Gedenkstättenbesuchern hat sich seit dem Geländegewinn der AfD wahrnehmbar und nicht zum Guten verändert.“

Im Konzentrationslager Buchenwald waren zwischen 1937 und 1945 mehr als 250.000 Menschen inhaftiert, 50.000 davon überlebten nicht. Sie leisteten dort, wenige Kilometer von Weimar entfernt, oder in dem im Harz gelegenen Außenlager Dora Zwangsarbeit, wo unter Tage etwa die Vergeltungswaffe 2 gebaut wurde. 1944 ordneten die Nazis Dora dem Konzentrationslager Mittelbau zu.

Nicht die Zahl der rechtsextremen Vorfälle nehme zu, dafür aber seien die Rechten radikaler. „In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten“, berichtet Knigge. Auch antisemitische Sprüche oder Äußerungen wie „wären die Lager noch in Betrieb, hätten wir kein Ausländer-Problem“ ließen sich dort lesen. „Das ist ein ernst zu nehmendes Indiz, dass etwas wegbricht an Geschichtsbewusstsein, an mitmenschlicher Sensibilität und an politisch-demokratischer Orientierung.“

Den Weg dazu hat seiner Meinung nach die AfD geebnet. Dass der ehemalige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die nationalsozialistische Diktatur mit all ihren Verbrechen und Opfern als „Vogelschiss“ bezeichnete und der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke, eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, „hinterlässt Spuren“, sagt Knigge. Auch andere würden dadurch ermutigt zu „immer offenerem rechten und rechtsextremen Sprechen und Denken“, so Knigge.

Störungen von Besucherführungen

Und manchmal auch zu mehr. In der Gedenkstätte komme es immer wieder zu „gezielten, vorbereiteten Störungen von Besucherführungen“. Dabei schmuggelten sich Rechte unter Besuchergruppen und warteten einen günstigen Moment ab, um Opferzahlen infrage zu stellen oder den Holocaust gleich ganz zu leugnen. Häufig werde das gefilmt. So profilierten sich die Täter einerseits im eigenen Umfeld, so Knigge. Gleichzeitig sollten die anderen Besucher eingeschüchtert und lächerlich gemacht werden. „Das darf man sich natürlich nicht gefallen lassen.“

Als Reaktion auf derartige Vorfälle wurde die Besucherordnung verschärft – so darf niemand mehr rein, der rechte Modelabels trägt. Mitarbeiter trainieren, wie sie mit Störern umgehen. Die intensiv-pädagogischen Angebote wurden ausgebaut. Kontra bekommen die Rechten zudem noch von anderer Seite. „Unsere Besucherzahlen steigen und man hat den Eindruck, da kommen viele Menschen, die Flagge und Haltung zeigen und sich hinter die wahrhaftige Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit stellen wollen – das ist toll und ganz wichtig.“

Schmiedeisernes Einganstor Buchenwald mit dem makaber-zynischem "JEDEM DAS SEINE" - Foto:  alamy.de


"Terrain" zurückgewinnen

Denn um das Gelände, das die AfD vereinnahmt hat, zurückzugewinnen, müsse eine sehr klare und nicht verharmlosende Debatte geführt werden. „Man darf sich nicht scheuen zu sagen, dass zum Beispiel in der Person von Björn Höcke eine große Portion faschistischen Denkens steckt“, betont Knigge. Außerdem bräuchte es einen wehrhaften Rechtsstaat. „Damit die roten Linien klar sind, das geht nicht anders.“ Und schließlich sei Bildung notwendig. „Der Nationalsozialismus ist mittlerweile auch an Gymnasien auf ganz wenige Stündlein zusammengeschnürt, und viele Lehrer hoffen, dass Gedenkstätten das kompensieren – da muss man ansetzen“, sagt Knigge.

Teils sind es Schüler, die bei Führungen in der Gedenkstätte auffallen. „Ein großes Problem kann darin bestehen, dass es an Schulen AfD-affine Lehrer gibt, die natürlich ihr Geschichtsbild an die jungen Leute weitergeben und sie anstacheln, die entsprechenden relativierenden oder verleugnenden Fragen zu stellen“, sagt Knigge.

Auch andere Gedenkstätten betroffen

  • Nach einem Besuch der Gedenkstätte Buchenwald fielen im vergangenen Jahr vier Schüler auf, die im Bus Nazi-Lieder abspielten. Aber nicht nur die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald suchen Rechte immer wieder auf, um zu stören.
  • 2018 zweifelten Mitglieder einer AfD-Besuchergruppe in der Gedenkstätte Sachsenhausen unter anderem die Existenz von Gaskammern und den Holocaust an.
  • In der Gedenkstätte Dachau soll im vergangenen Jahr ein Berliner Youtuber Mitarbeiter angepöbelt und gegenüber Jugendlichen behauptet haben, sie würden dort angelogen.


Text: aus NEUE WESTFÄLISCHE, 23.Januar 2020, Seite 3




dialog oder "kante zeigen"? diese frage ist hierbei fast unentscheidbar - und muss wohl von fall zu fall immer wieder neu austariert werden. weil aus beiden haltungen auf rechte provokation eben diese rechten mit ihrer vernetzten propaganda in der hinterhand und im hinterland immer versuchen werden, kapital aus jedem klitzekleinen krumen zu schlagen - egal ob positiv oder negativ gemeint - in ihre richtung.

ein beitrag des dlf kultur aus 2018 vermittelt dieses ringen vor ort in der gedenkstättenarbeit:
volkhard knigge. der leiter der gedenkstätte buchenwald, hatte mit dem afd-abgeordneten brandner ein gespräch geführt und das bereut er nicht. er wollte eine schlagzeile wie „gedenkstättendirektor verweigert gespräch“ unbedingt vermeiden. doch dann ist brandner selbst vor die presse getreten und hat stolz verkündet, dass er in einen dialog mit dem gedenkstättendirektor treten werde, ohne die im vorhinein von knigge klar gestellten bedingungen für dieses gespräch zu erwähnen. damit sei klar gewesen, dass „vernunft hier nicht mit am tisch war“. 
das gespräch sei ausgegangen wie das berühmte "hornberger schießen". eine "vernünftige" auseinandersetzung zu sinn der gedenkstättenarbeit und zur deutschen geschichte überhaupt sei nicht möglich gewesen, weil sich herr brandner dem einfach verweigert hätte.
nun werde zwar ein hausverbot gegen brandner als privatmann nicht verhängt - was gegen herrn höcke schon vor zwei jahren ausgesprochen wurde wegen dessen abwertender haltung aller gedenkstättenarbeit und dem sinn und zweck von mahnmalen zur ns-zeit überhaupt.  
und dennoch sei es die klare haltung der kollegen in der gedenkstätte, so herr knigge, dass „wir hier eine 'rote linie' einziehen werden, wir werden in dieser weise nicht mehr mit afd-abgeordneten verkehren. wir sind historiker, wir wissen, wie rechtspopulistische bewegungen sich entfalten, wie ‚tricky‘ sie sein können. ich erwarte von menschen, die sich aus dem demokratischen spektrum herausbewegen, nicht mehr, dass man vernünftig mit ihnen reden kann“. 
die gedenkstättenarbeit habe sich in richtung beschäftigung mit den tätern entwickelt, mit der vorgeschichte des nationalsozialismus und dessen wiederaufscheinen heute. gedenkstätten würden, so knigge, viel stärker als orte gesehen, die „licht auf eine mögliche zukunft werfen“, nicht mehr nur auf die vergangenheit.

die afd und mit ihnen die vom "steve-bennon-'algorhitmus'" verseuchten und infizierten propagandamäßig eingespannten rechten freaks überhaupt, die daneben ihre bots programmieren müssen, um im internet bei leserbriefen und meinungsforen "masse" vorzutäuschen, halten nach meiner beobachtung immer den fakt, den kern, das thema, im ungefähren schwebenden zustand, ohne festlegung, um im nächsten moment, das gegenteil des von ihnen trotzdem wahrgenommenen behaupten zu können. die entziehen sich also im dialog jedem "vernünftigen packendende" - und so gleiten sie argumentativ immer wieder irrlichternd davon.

auch die in der jungen handy-sprech-generationoft eingeschobene redefluss-floskel"... oder so" ist so ein indiz für diese "nirwana"-seuche. man legt sich damit nie genau und exakt fest - und hält sich bei kritischen nachfragen immer ein hintertürchen offen - ansonsten brüllt man "lügenpresse" oder "fake news".

konkret schaffen sie so ja eigentlich keine fakten - ihr ganzes gehabe ist ja show, um des klamauks willen - und dazu eine höhnische freude ("schaut mal her - das trauen wir uns zu sagen"...) und alle
differenzierten gegenargumente, faktisch belegt, perlen ohne jede auseinandersetzung damit als "feake news" ein fach ab, wie wasser auf einer fettigen oberfläche.

man kann das wunderbar studieren an der immer gleichen taktik von donald j. trump, der ja auch von steve bennon geschult wurde - und so dieses system des "immer-im-ungefähren-bleiben" wunderbar beherrscht.

er kündigt ja beispielsweise regelmäßig bestehende handelsverträge auf, mit der anschließenden drohung, hohe strafzölle auf die gegegenständlichen inhalte des vertrages zu erheben - und zwingt dann die gegenseite, die vertragspartner, zu einem jeweils neuen "deal", der den usa dann vermeintliche vorteile beschert, was aber zumeist nur luftnummern sind, die propagandistisch gekonnt über "fox news" oder "twitter" verkündet werden. - und viele, viel zu viele, tumbe amis bejubeln ihn - und meinen: endlich hat es "ihnen" mal "einer" gezeigt..., was eigentlich nur eine blase heißer luft in einer von allen realitäten abgeschotteten blasen-wahrnehmung einer virtuellen parallelwelt ist.

und das alles hält im konkreten aber trotzdem eine wirtschaft am laufen, die eigentlich nur noch ein "zuviel" und "zu teuer" produziert.

und diese taktik gewinnt in afd und in der geschulten rechten immer mehr zulauf - und entpuppt sich als eine art "grundgesetz", um feststehendes zum wanken zu bringen.

so geht man dann auch in die gedenkstätte und hinterfragt längst feststehende und bewiesene und zweifelsfrei erkundete tatsachen mit abwertenden fragen und "alles-in-zweifel-ziehen", ebenfalls als "fake news" zu brandmarken - eigentlich auch nur um unruhe zu stiften, denn man weiß es ja gar nicht besser - und die mühe einer tatsächlichen nachrecherche macht man sich sowieso gar nicht erst.

man tönt einfach nur dumpf vor sich und will so für labile menschen die realität ins ungewisse katapultieren, in irgendwelche unhaltbaren verschwörungstheorien - und man zweifelt mal ebenso den umfassenden holocaust 1933-1945 überhaupt an - und lacht sich heimlich dabei ins fäustchen, welche reaktionen des erschreckens man damit auslöst ... und kommt sich damit sehr beschlagen & clever vor, und kann damit seine gang und seine freundin vielleicht sogar beeindrucken...

dagegen hilft tatsächlich wohl nur "kante zeigen" - "rote linie" ziehen: bis hierher und nicht weiter - und hausverbot - und klarheit und wahrheit - und eine flexible reaktion auf jeden einzelfall...

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