"

hast du hanna silber gesehen???

Ein Stück nur nicht für die Bühne

Autor David Gieselmann macht Zuschauer zu „Regisseuren“ seiner Video-Produktion

Von Burgit Hörttrich | WESTFALEN-BLATT


Autor David Gieselmann (Foto: vimeo-cover)
Einfach eine Schauspiel- oder Operninszenierung filmen und jetzt, in Corona-Zeiten, online kostenlos für Theaterliebhaber zugänglich machen – das machen (fast) alle Häuser inzwischen. Autor David Gieselmann, seit mehreren Jahren dem Theater Bielefeld verbunden („Falscher Hase“, „Die Oppelts haben ihr Haus verkauft“, die Auftragsproduktion „Spin“ und die vierteilige Theater-Serie „Sissy Murnau“) geht da aber einen besonderen Weg: Er hat ein Stück geschrieben, das nur online, nur zu Hause, angeschaut werden kann: mit 40 Monologen und drei Zweier-Szenen. Unter den Darstellern sind allein elf, die am Theater Bielefeld beschäftigt sind oder waren.

Das Video-Theaterstück heißt „Hanna Silber“ und es dreht sich (ähnlich wie „Sissy Murnau“) ums Verschwinden. Pop-Sängerin Hanna Silber ist nach einem Auftritt in der TV-Late-Night-Show von Moderator Filip Reis spurlos verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Jemand sucht sie mit Hilfe von Video-Telefonaten, befragt Weggefährten, Medienberater, Sozialarbeiter, Versicherungsvertreter, Musiker, Eventmanagerin, Farbberaterin, Songwriter, Vocal Coach und Fans. Die Kriminalpolizei wird eingeschaltet in Gestalt von Kommissarin Karla Schmidt-Dinkel, gespielt von Doreen Nixdorf, Mitglied des Bielefelder Schauspielensembles.

In trockenem Amtsdeutsch schildert sie, was an verdächtigen Indizien in der Wohnung der Hanna Silber gefunden wurde: nämlich nichts.

Doreen Nixdorf und ihre Schauspieler-Kollegen haben die Texte von Autor David Gieselmann selbst in Szene gesetzt: im eigenen Wohnzimmer, in der Küche, draußen. Die technische Ausstattung: Laptop-Kameras und Handys.

Der Zuschauer kann sich aus den Szenen – mal drei, mal fünf, mal sieben Minuten lang – selbst eine Reihenfolge zusammenbauen. Das Verblüffende: In den Monologen kommen auf irgendeine Weise wieder dieselben Versatzstücke, Indizien, vor: eine Band namens Bilderbuch, Bouldern, eine teure Flasche Chardonnay („34 Euro, stellen Sie sich das mal vor!“).

Prof. Dr. Rudolf Sieghart (Thomas Wolff), der einen Lehrstuhl für Populärkultur inne hat, versucht, den Aufenthaltsort von Hanna Silber aus deren Liedtexten heraus zu filtern und kommt dabei auf die französischen Alpen. Soziologe Hans-Jochen Whitfeld (Thomas Wehling) macht rein wissenschaftlich deutlich, dass Hanna Silber verschwunden ist, um sich wichtig zu machen. Sein Tipp: Gar nicht nach ihr suchen, dann taucht sie schon wieder auf. Niemand der Befragten weiß, wo die Sängerin tatsächlich ist, keiner aber kann der Versuchung widerstehen, doch eine Meinung dazu zu äußern.

Mal mehr oder weniger deutlich, wird eines jedoch klar: Niemand mag Hanna Silber. Man ist allerdings finanziell von ihr abhängig und sie bezahlt gut, betont auch Songwriter Linus Tomaric (Jakob Walser). Gut, was Hanna Silber will, liegt eigentlich unter seinem künstlerischen Anspruch, aber was soll’s: Hauptsache, die Kohle stimmt. Dabei, lässt Vocal Coach Geslinde von Sudhoff (Nicole Lipphold) durchklingen, kann Hanna Silber gar nicht singen. Wenn sich das trotzdem anders anhören sollte, dann ist das einzig ihr, Geslinde von Sudhoff, zu verdanken.


Videostill von "Fine Rasmus, Farbberaterin" 
Köstlich ist auch die Szene, die Giesela und Andreas Post-Jakobs (ja, bei der Erfindung der Namen muss der Autor viel Spaß gehabt haben), Mitglieder des 122 Köpfe starken Hanna-Silber-Fanclubs, zeigen – gespielt von Guido Wachter und Katharina Solzbach, auch im echten Leben ein Paar. Sie mault herum, weil er jetzt, in Corona-Zeiten, vom Einkaufen kein Mehl mitgebracht hat, obwohl es das im Supermarkt gab, auch wenn sie gar nicht backen kann, während er anfänglich von Hanna Silber in höchsten Tönen schwärmt. Sie macht schnell klar, dass sie die Silber für eine dämliche Kuh hält, die ihnen beim Meet & Greet nach dem letzten Konzert noch nicht einmal ein Gläschen Chardonnay angeboten hat, sondern nur Automatenkaffee. Außerdem singt die Silber jetzt nur noch auf Englisch, das können die Post-Jakobs nun gar nicht ausstehen.

David Gieselmann hat die Texte gezielt für die Schauspieler geschrieben, mit denen er bereits zusammen gearbeitet hat. Ohne Auftrag – einfach, weil ihm die Decke auf den Kopf gefallen ist. Was den Schauspielern vermutlich ähnlich geht. Sie sind jedenfalls mit Enthusiasmus bei der Sache und bilden – mit Abstand – ein echtes Ensembe.

Das Publikum daheim wird dringend aufgefordert, immer mal wieder vorbei zu schauen, denn: Die Suche nach Hanna Silber geht weiter. Noch sind nicht alle Clips online. Alle hintereinander anzuschauen, würde allerdings auch mindestens eine lange Hanna-Silber-Nacht bedeuten. Dann lieber in Serie – selbstbestimmt.

Zu finden sind die Clips im Internet: vimeo.com/hannasilber






Autor David Gieselmann hat mit mehr als  40 Schauspielern das Video-Theaterstück „Hanna Silber“ umgesetzt. Dabei können Zuschauer die Szenen selbst zusammensetzen.

Text und Bild - wenn nicht anders angegeben: WESTFALEN-BLATT, 23.04.2020, S. 19: Kultur/TV


die #corona-abstinenz zeigt uns viele kreative ideen - besonders auch der schauspieler und theater-crews, die auch zu hause eingesperrt bleiben wie wir alle. und wenn man dann nicht los muss zu terminen und proben hat man eben zeit, eine zugeschickte text-sequenz mit anweisungen des autors mit dem eigenen smartphone aufzunehmen - was dann als eine szene sich einreiht in dieses etwas abgedrehte stück, auf der suche nach "hanna silber", eine abwesende im wahrsten sinne des wortes "vorübergehende" wohl ziemlich mittelmäßige popkünstlerin.

die #corona-abstinenz zeigt uns aber auch, mit welchen doch recht einfachen mitteln gute unterhaltung von hervorragenden schauspiel-profis sich produzieren und online stellen lässt, was dann schon erneut fragen für "nach der krise" nach den teuren tv-/radio-abgaben der öffentlich-rechtlichen aufwirft - und warum man die "lindenstraße" denn eigentlich eingestellt habe - es gebe nämlich schlimmeres...

aber zuviel von den handlungssequenzen will ich hier gar nicht verraten, sondern nur appetit machen, damit die eigene langeweile wirklich zu füllen, in dem man eben bei vimeo sich eine abfolge der einzelszenen nach eigenem gutdünken zusammenzustellen - und heute abend wieder anders - und morgen früh wieder neu gemixt - und morgen nacht, wenn du dich langsam mit im "hanna-silber-fieber" befindest und nicht einschlafen kannst, vielleicht bei einem glas "chardonnay", den teuren für 34 euro - nochmal anders - und vielleicht mit neuen inzwischen zusätzlich hochgeladenen schnipseln.

und ich habe gehört, hanna silber sei trotz corona-abstinenz hier im rewe gesehen worden, wie sie, bevor sie sich nach allen seiten abgesichert hatte, eine flasche vom teuren schampus in den mitgebrachten tragebeutel hat mitgehen lassen - ohne zu bezahlen: weil sie nämlich mit mund/nasenschutz angetan, einfach ein kleines päckchen "wrigley's spearmint chewing gum" auf das kassenlaufband legte, dieses mit scheckkarte bezahlte, und erneut wieder mal verschwand. 

draußen stand der wagen mit fahrer - und brauste mit quietschenden reifen richtung teuto - oder war es doch die a zwei? - davon.

ach - und ich persönlich - habe hanna auch nicht gesehen, obwohl ich sie ja inzwischen gut kenne - und sie mich schon lange - sagt sie...


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen