Martin Kippenberger's
„The Happy End of Franz
Kafka’s ,Amerika‘“
Spätestens am Spiegelei kommt die
Sache in Fahrt. Es bildet eine Art
Tisch in einem Kreis aus bunten
Gleisen, auf denen zwei Schleudersitze
unter Regenschirmen fahren.
Regenschirm! Spitzweg! Da denkt
man gleich an Kunst, und
tatsächlich gehört das Karussell mit den
Schleudersitzen zu einer
Installation Martin Kippenbergers aus dem
Jahr 1991. „The Happy End of Franz
Kafka’s ,Amerika‘“, entworfen 1994
und für Essen ergänzt durch Möbel
aus der Villa Hügel, ist
Kippenbergers größtes Werk:
50 Kombinationen von Tischen und Stühlen auf
grünem Grund, dazu einzelne
Stühle und Tische, alles zwischen zwei
Tribünen, und überragt von vier
Wachtürmen – für Gefängniswärter,
Tennisschiedsrichter, Jäger
oder Bademeister. Es ist ein Arrangement,
das eine ebenso kompetitive wie
spielerische Note anschlägt
und das Publikum als Richter fest
einplant. Man streift vorbei an
einem vergrößerten Barbie-Tisch,
einem Tisch aus Spanplatten, die
einst den Rasen während eines
Papstbesuchs geschützt haben,
einem schrägen Pult, dass an einen
Sketch von Karl Valentin erinnert,
in dem dieser Tisch- und Stuhlbeine
immer zu viel kürzt, bis er auf
dem Boden sitzt. Kippenbergers
Mobiliar ist ein Setting für
massenhafte Open-Air-Bewerbungsgespräche.
In Kafkas unvollendetem Roman
„Amerika“ trifft nämlich der
junge Karl Roßmann aus Prag in
Oklahoma auf ein Theater, das auf
einem Plakat zum öffentlichen
Vorsprechen einlädt: „Jeder ist
willkommen! Wer Künstler werden
will, melde sich!“ Jedes Gespräch
ist eine Chance, kann aber auch in
einer Katastrophe enden, ein
50-faches Anbieten und Abschätzen, in
dem allein die Sitzhöhe alles
entscheiden kann. So wie der Arbeiter
müsse sich auch der Künstler anbieten,
so wie der eine werde auch der
andere bewertet. Beide gehen aufs
Ganze. Man muss eben Glück haben.
Die Ausstellung läuft bis zum
16. Mai, aber Zeitfenster für Tickets
lassen sich gerade nur bis zum 28.
März buchen. Ins Dasein geworfen
sind nicht nur Arbeitnehmer und
Künstler, sondern auch Museumsbesucher.
„The Happy End of Franz
Kafka’s ,Amerika‘“
Spätestens am Spiegelei kommt die
Sache in Fahrt. Es bildet eine Art
Tisch in einem Kreis aus bunten
Gleisen, auf denen zwei Schleudersitze
unter Regenschirmen fahren.
Regenschirm! Spitzweg! Da denkt
man gleich an Kunst, und
tatsächlich gehört das Karussell mit den
Schleudersitzen zu einer
Installation Martin Kippenbergers aus dem
Jahr 1991. „The Happy End of Franz
Kafka’s ,Amerika‘“, entworfen 1994
und für Essen ergänzt durch Möbel
aus der Villa Hügel, ist
Kippenbergers größtes Werk:
50 Kombinationen von Tischen und Stühlen auf
grünem Grund, dazu einzelne
Stühle und Tische, alles zwischen zwei
Tribünen, und überragt von vier
Wachtürmen – für Gefängniswärter,
Tennisschiedsrichter, Jäger
oder Bademeister. Es ist ein Arrangement,
das eine ebenso kompetitive wie
spielerische Note anschlägt
und das Publikum als Richter fest
einplant. Man streift vorbei an
einem vergrößerten Barbie-Tisch,
einem Tisch aus Spanplatten, die
einst den Rasen während eines
Papstbesuchs geschützt haben,
einem schrägen Pult, dass an einen
Sketch von Karl Valentin erinnert,
in dem dieser Tisch- und Stuhlbeine
immer zu viel kürzt, bis er auf
dem Boden sitzt. Kippenbergers
Mobiliar ist ein Setting für
massenhafte Open-Air-Bewerbungsgespräche.
In Kafkas unvollendetem Roman
„Amerika“ trifft nämlich der
junge Karl Roßmann aus Prag in
Oklahoma auf ein Theater, das auf
einem Plakat zum öffentlichen
Vorsprechen einlädt: „Jeder ist
willkommen! Wer Künstler werden
will, melde sich!“ Jedes Gespräch
ist eine Chance, kann aber auch in
einer Katastrophe enden, ein
50-faches Anbieten und Abschätzen, in
dem allein die Sitzhöhe alles
entscheiden kann. So wie der Arbeiter
müsse sich auch der Künstler anbieten,
so wie der eine werde auch der
andere bewertet. Beide gehen aufs
Ganze. Man muss eben Glück haben.
Die Ausstellung läuft bis zum
16. Mai, aber Zeitfenster für Tickets
lassen sich gerade nur bis zum 28.
März buchen. Ins Dasein geworfen
sind nicht nur Arbeitnehmer und
Künstler, sondern auch Museumsbesucher.
sonja zekri
S.16 FEUILLETON
Samstag/Sonntag, 27./28. März 2021, Nr. 72
Süddeutsche Zeitung
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Wochenendbonus
BLOG 042 a:
Mehr Staudenpflanze als Schamane
Catrin Lorch
Joseph Beuys schuf die Grundlage für die aktivistische Kunst. Die Ausstellungen, die sein Werk jetzt zeigen, sollten dringend offen bleiben
S.18 FEUILLETON
Samstag/Sonntag, 27./28. März 2021, Nr. 72
Süddeutsche Zeitung
Samstag/Sonntag, 27./28. März 2021, Nr. 72
Süddeutsche Zeitung
... & das ist auch die "america"-performance-gegenüberstellung der beiden wohl durchgeknalltesten deutschen künstler - & ob der sinn dahinter immer sinnhaft war, ist & bleibt liegt an dir und deinen (be)deutungsmustern: beuys & kippenberger ist das mittlerweile völlig schnurz - si...
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