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BLOG 018 - nachtijall

„Nein, wir sitzen nicht im selben Boot“, sagt der Soziologe Oliver Nachtwey. Wer in Armut lebt, hat die größere Corona-Gefahr.
FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/ IMAGO


auf seite 9 der süddeutschen zeitung vom 10.märz 2021 (feuilleton) stach mir dieses bild ins auge. ich mag bilder, die diese binsenwahrheit, dass ein bild mehr als 1000 worte aussagen kann, auf einen blick bestätigen.

und hier ist es ja, neben der zugeordneten original-bildunterschrift, geradezu ein ganzer roman - zumindest ein gesellschaftsroman, der sich hier darbietet und manifestiert und abzeichnet
.
diese werbung, die nun gar nicht zum milieu dieses verlassenen nachtlagers passen will - und wodurch tatsächlich welten zumindest ideell getrennt werdenbzw. aufeinanderprallen - sich übermannen oder unterfrauen.

dieses genussvolle "chocolaterie"-mampfen von der nobelmarke jan von werth, scheinbar mit kugeligen picasso-pralinen irgendwie im seifenblasenformat - das ist das, was ich da erkenne ... und daneben vielleicht modernere eheringe in einer juwelierwerbung - in weiß- und rotgold - und ganz toll ausgeleuchtet mit schattenzeichnungen vom feinsten - und dann davor ganz in echt jetzt dieses armselige lager, was jedoch trotz allem erstaunlich geordnet und irgendwie "gemacht" daherkommt.

was verbergen sich dahinter für geschichten - was denkt die oder der obdachlose* beim anblick der ringe, unter denen versucht wird, in den schlaf zu gleiten - und man hört ja direkt das geräuschvolle abschlecken der schokoladig pralinenbeschmierten finger zum lauten schnarchen des schläfers.

wann hat dieser nachtlager-mensch wohl zuletzt schokolade gegessen - teure schokolade, luxus-schokolade - zum reinen freizeit-vergnügen - einfach so - weil das geld dafür übrig war - oder weil es ein geschenk war - vielleicht auch ein erpressungsgeschenk - für oder wider  - der versuch einer vereinnahmung.

ach - gerda - die soll mir doch mit ihren pralinen vom leibe bleiben, die sie immer aus dem abfallcontainer fischt bei der firma werth daselbst, wo die etwas verformten und misslungenen stücke entsorgt werden.

da langt gerda besonders in der nachtschicht schon mal gerne zu - und bringt zwei drei verunglückte schachteln mit. "hab ich für dich besorgt", sagt sie dann möglichst beiläufig. "ist aber nur abfall - weißte ja. nicht dass du dir einbildest, bei mir wäre der wohlstand ausgebrochen ... nee - nee - gerda ernährt sich aus dem müllcontainer bei werths hinterm hof...

aber pass auf - das letzte mal hast du davon sodbrennen bekommen - vielleicht waren die schon etwas älter - oder bei der herstellung zu heiß geworden, dann verdampfen da wichtige inkridenzien drin, die dann die schoko weniger gut bekömmlich machen - in echt jetzt, hat mir der nachtchocolatier zugeraunt, der da dienst hat alle vierzehn tage.

der selbst hätte fast seinen beruf an den nagel hängen müssen, wegen dem ewigen sodbrennen, das er trotz pantoprazol 40 mg bekommt, weil sich diese luxusschokolade nicht mit dem billigen rotwein verträgt, den er abends zum essen trinkt ...

tja - wat dem eenen sin uhl - is dem annern sin nachtijall ... si