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es gibt so'ne und so'ne ...

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Emmanuel Todd analysiert die Menschheit 

Ist die Familie der Motor der Geschichte?

Von Thomas Speckmann | Tagesspiegel


Der Soziologe Emmanuel Todd ist bekannt für Thesengewitter. In "Traurige Moderne" behauptet er, die Familie sei die unbewusste Antriebskraft der Gesellschaft.

Emmanuel Todd hatte schon immer ein Händchen fürs Timing. Noch mitten im Kalten Krieg sagte er bereits 1976 in „La chute finale“ den Zusammenbruch der Sowjetunion voraus. Da er nur ein Jahrzehnt später recht behielt, wurde er nicht nur zu einem der prominentesten und meistdiskutierten Soziologen Frankreichs, sondern weltbekannt.

Es folgten Bücher, die den Nerv der Zeit und ihrer Leser trafen: Im Vorfeld des Irakkrieges 2003 und damit auf dem Höhepunkt der transatlantischen Diskussion über die Außen- und Sicherheitspolitik von George W. Bush junior schrieb Todd einen Nachruf auf die Weltmacht USA – ein Bestseller nicht zuletzt im Deutschland der rot-grünen Regierungsjahre. Hier konnte Todd 2008 einen weiteren Verkaufserfolg erzielen: In „Die unaufhaltsame Revolution“ beschwor er zusammen mit seinem Kollegen Youssef Courbage am Institut National d’Études Démographiques in Paris einen Siegeszug der Moderne in allen islamischen Ländern und schien zu Beginn des Arabischen Frühlings zwei Jahre später ebenfalls richtig zu liegen.

Doch man kann natürlich auch alles anders sehen. Und eben dies scheint genauso zum Geschäftsmodell von Todd zu gehören wie seine steilen Thesen. Kritik und Widerspruch sind schließlich gut für die Verkaufszahlen politischer Bücher. Lag Todd nicht mit seiner These vom Ende der Vereinigten Staaten als Weltmacht total daneben oder war sie nicht zumindest etwas voreilig? Folgte auf Bush nicht Obama, weit über Amerika und Europa hinaus als großer Präsident und Anführer der westlichen Welt verehrt? Und hatte sich die angeblich „unaufhaltsame Revolution“ der Moderne in den islamischen Ländern nicht einmal mehr als eine aufgehaltene gezeigt – ob in Ägypten, Libyen, im Iran oder der Türkei?

Gezielte Provokationen

Nach den Anschlägen von Paris im Januar 2015 steigerte Todd dann in „Wer ist Charlie?“ noch einmal seine Thesenfreude, indem er die von ihm in seiner Heimat nun stärker wahrgenommene Islamophobie mit dem Antisemitismus verglich. Schuld an dieser Entwicklung waren in seinen Augen die katholische Kirche, „Zombie-Katholen“ und die langen Schatten des Vichy-Regimes. Auch hier ließ das von Todd provozierte Echo nicht lange auf sich warten: Intellektuelle und Politiker gingen auf Distanz. Premierminister Manuel Valls kritisierte ihn scharf in „Le Monde“. Die kostenlose Werbung funktionierte erneut. Todd führte die Bestsellerliste an.

Nun ist er zurück mit einem Buch, dem nicht mehr Teile der Welt, die Sowjetunion, die USA, die islamischen Länder oder seine französische Heimat genug sind als Ausgangsbasen für seine Thesengewitter.
Jetzt geht es um die Menschheit an sich – und dies gleich von der Steinzeit bis heute. Seinem Objekt der Betrachtung nähert sich Todd, indem er es zunächst auseinander nimmt: Die Familie bildet für ihn die Grundeinheit der Menschheit. Daraus folgert er, dass Familienstrukturen der unbewusste Motor der Geschichte sind. Ob dies allerdings eine „bahnbrechende“ Erkenntnis ist, wie sich das Buch selbst lobt, dürfte zu bezweifeln sein. 
→ Die Menschheit lässt sich auch in eine noch kleinere Grundeinheit zerlegen: den Menschen. Daraus könnte man dann ebenso folgern, dass er der Motor der Geschichte sei. Und dies haben bereits Generationen von Historikern, Politologen und Soziologen getan.

Die Verschiedenheit der Nationen akzeptieren

Was also ist neu an der Geschichte der Menschheit, wie Todd sie erzählt? Es ist nicht seine Erzählung an sich. Es ist wieder einmal die damit verbundene These. Und auch diese klingt zunächst nicht wirklich neu: Für den Frieden in der Welt sei es dringend notwendig, die Hypothese von der Verschiedenheit der Nationen zu akzeptieren. Neu ist vielmehr die Begründung: Dies sei das Ergebnis der Differenzierung von Familiensystemen.

Wem diese Theorie zu praxisfern erscheint, dem gibt Todd aktuelle Beispiele an die Hand. Deutschlands Beharren auf Normen, auf gesetzlichen, haushaltspolitischen und monetären Regeln, führt er auf ein strukturelles Unbehagen bei den Spitzenpolitikern einer freien und dominanten Gesellschaft mit Stammfamilie zurück. Da er auch Japan einer solchen Familienstruktur zuordnet, stellt sich die Frage, warum Tokio dann nicht wie Berlin in Fragen der Haushaltspolitik handelt, sondern allmählich mit mehr als dem Doppelten seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist – so stark wie kein anderes Industrieland der Welt. Für diese entgegengesetzte Entwicklung muss es folglich andere Gründe geben als die Familienstrukturen von Gesellschaften.

Eine weitere aktuelle Beobachtung Emmanuel Todds sollte hingegen in der Tat zum Nachdenken anregen: Die schleichende Krise in der deutschen Politik nach der Bundestagswahl 2017, die wenig überrasche, wenn man das Verhalten der Wähler analysiere, und die Gelassenheit führender Politiker, die viel über nebensächliche Details ihrer Programme verhandelten, deuteten auf eine politische Klasse hin, die Mühe habe, zu einer Einigung, also zur einheitlichen Linie zu kommen, zu einem Projekt. Doch auch hier dürfte der Grund dafür nicht allein in der Familienstruktur Deutschlands zu suchen, sondern – wie eigentlich immer in der Geschichte der Menschheit – von vielfältiger Natur sein. Einem erfahrenen Soziologen wie Todd ist dies sicherlich bekannt.

  • Emmanuel Todd: Traurige Moderne. Aus dem Französischen von Werner Damson und Enrico Heinemann. C. H. Beck Verlag, München 2018. 537 S., 29,95 €.



die allerersten bezugspersonen üben immer auf die entwicklung eines jeden menschen einen immensen einfluss in jeder hinsicht aus - und natürlich sind es auch die gene, die da in uns wirken - und die wir je zur hälfte von vater und mutter "vererbt" und mit bekommen - von denen sich aber einige in der individuellen entwicklung im laufe der jahre dann verstärken und andere mehr oder weniger verkümmern: im guten ebenso wie im schlechten oder in krankhaften veranlagungen oder auch bei blendender gesundheit und einer starken abwehrkraft - soweit also die unleugbare überkommene kraft der familienbande und -verstrickungen - bis "in die dritte und vierte generation" ...

hinzu treten aber dann auch die soziologischen umwelteinflüsse, die mit den genetischen prägungen den charakter schließlich bestimmen - und mut und ängste fördern oder schwächen - je nachdem ...

in den orientalischen völkern, in den arabischstämmigen und auch jüdischen gemeinschaften, aber auch im asiatischen kastensystem, treten die familienbande oft noch stärker hervor - sie bilden in sich oftmals geschlossene familienclans, die sich durch einheirat ausbreiten und verschwägern - und ihren glauben weiterreichen und ihre weidegründe bzw. grundstücke "vererben" und dabei auf "blutsbande" pochen, was man unter rassisten dann ja auch kennt ..., was aber schnell zu genschädigungen durch "inzucht" führen kann - ähnlich wie hier im westen früher die gutsfamilien und der adel ... die durch einheirat und verschwägerung weidegründe, gutshöfe, besitztümer, grundstücke zusammenlegten, um dann allmählich eine nationale identität, ein nationalgebiet (fürstentümer, königreiche) begründeten, das gegen das eindringen "fremder" geschützt werden "musste". diese identitäten bildeten dann auch das gleiche idiom, die gleiche sprache aus, mit der man sich in diesem gebiet dann verständigte ... 

aber gerade auch in ganz profanen altenheimen kann man heutzutage hier in westeuropa die "prägenden kräfte" der bluts- und familienbande oder ihr versagen und ausbleiben studieren und ablesen: bei den einmal jährlichen besuchen nur von einem sohn bei papa oder mama, während man sich mit der anderen tochter "seit jahren schon" überworfen hat, weil sie "einfach den 'falschen' mann geheiratet hat" ...

in jeder familie gibt es 'schwarze schafe' - und es gibt vorfälle - familiengeheimnisse, die eisern verschwiegen werden - und dann 1-2 generationen später vergessen sind, wenn man nicht gerade vielleicht durch zufall im archiv drauf stößt, bei der eigenen familienforschung - aber in allen einzelheiten und beweggründen bekommt man es dann auch nicht mehr auf die reihe ...

wir sprechen hier ja gern vom "christlichen abendland": doch jesus hatte es überhaupt nicht mit seiner leiblichen familie - und die nicht mit ihm: das markus-evangelium (ca. 70 n. chr.) erzählt zu beginn von jesu wirken, dass jesu mutter und brüder „losgehen, um ihn zu greifen“, als sie hören, wie viele menschen ihm folgen, denn sie sagen: „er ist von sinnen“ (mk 3,20f). 
„draußen“ bleibt die familie jesu vor dem haus, in dem jesus lehrt. er lässt sich nicht herausrufen und grenzt sich von seiner familie ab: „das hier drinnen sind meine mutter und meine brüder. wer den willen gottes erfüllt, der ist für mich bruder und schwester und mutter.“ seine neue familie sind die, die sich auf seine botschaft von gott, seinem "abba" [papa], einlassen.

also - es gibt beispielsweise durch den glauben (klösterliches leben), durch den arbeitsplatz (die "krupp-familie"), durch sport-gemeinschaften (einer für alle - alle für einen) und oft lebenslangen freundschaften von kindesbeinen an bis ins hohe alter untereinander eine ganze reihe von wahl-familien neben der stammfamilie, die für moral und willen genauso prägend und bestimmend ins individuelle leben eingreifen ...

erst neulich las ich von studien, wie rasch sich menschen, die sich erst kennenlernen müssen, aber dann miteinander zumindest eine zeitlang durchs leben gehen oder unter einem dach wohnen, sich bis in die mimik und psyche und den empfindungen hinein angleichen (paare) - bis in die biophysikalischen abläufe (z.b. angleichung der menstruationstermine bei frauen in wohngemeinschaften)...

was todd da also beschreibt, ist mal so - und dann auch wieder mal so ... es kann zutreffen - das gegenteil dann aber auch: 
und von daher wird die auflage seines neuen buches wieder stimmen: die einen kaufen es, um sich bestätigen zu lassen, die anderen kaufen es, um darob mit dem kopf zu schütteln - und die dritten müssen es lesen für ihre nächste klausur-arbeit ...: und die einen sagen so - und die anderen sagen so: das meiste im leben ist auf alle fälle uneindeutig und oft unentscheidbar ...

und chuat choan - und nix für ungut ...