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Täter

„Sie hätten nie mehr Polizist sein dürfen“

Historiker: Die ersten vier Direktoren des Landeskriminalamtes waren NS-Täter


Von Martin Ellerichund

Düsseldorf/Münster (WB). Sefan Willms folgt konzentriert der Pressekonferenz. Lebten die vier Männer noch, über die Martin Hölzl im kühlen Presseraum des Düsseldorfer Landeskriminalamt (LKA) referiert, dann müsste sich nach dem Historiker Hölzl wohl auch Willms die Fälle genau anschauen. Der erste Kriminalhauptkommissar leitet die „Ermittlungsgruppe nationalsozialistische Gewaltverbrechen“, er ist zuständig für Nazi-Täter. Die vier, über die Hölzl spricht, sind die ersten vier Chefs der Behörde, in der Willms arbeitet, des LKA, – und sie sind NS-Täter. So sagt es der Historiker nach seiner intensiven Recherche. Hölzl hat Akten aus deutschen, niederländischen, polnischen und dänischen Archiven durchgearbeitet. „Aus heutiger Sicht hätten sie niemals mehr als Polizisten arbeiten dürfen“, fasst NRW-Innenminister Herbert Reul das Ergebnis des Gutachtens knapp zusammen, das der Historiker des münsterischen Geschichtsortes Villa ten Hompel im Auftrag des LKA erstellt hat. (Die Langfassung des Gutachtens hier als pdf).


F. Karst
Das Beispiel Friedrich Karst: Er war 1946 der erste Chef des LKA. „Zweifelsfrei dokumentiert“ ist laut Hölzl die Beteiligung des Polizisten Karst an einer Erschießungsaktion kurz vor Kriegsende in der Schlucht am Wenzelnberg bei Langenfeld, 71 Gefangene aus Haftanstalten wurden dort ermordet. Im Ermittlungsverfahren räumte Karst 1948 ein, Gefangene zur Sammelstelle in unmittelbarer Nähe des Erschießungsortes geführt zu haben. Anschließend war er am Zuschaufeln der Grube beteiligt. Das Verfahren gegen ihn wurde damals eingestellt.

Der Fall Friederich D’heil: Er löste Karst 1948 als LKA-Chef ab, der offiziell wegen mangelnder Qualifikation geschasste Karst blieb sein Stellvertreter. D’heil war 1940 Leiter der Kriminalpolizei in Lodz im besetzten Polen gewesen. In dieser Funktion gab er eine „Sonderanweisung für den Verkehr mit dem Ghetto“ weiter, die Schutz- und Kriminalpolizisten zum sofortigen Schusswaffengebrauch gegen Juden aufforderte, die dem Hunger und dem Tod im Ghetto „Litzmannstadt“ zu entkommen suchten.

Der Fall Oskar Wenzky, LKA-Chef von 1959 bis 1964: Er war 1940 stellvertretender Chef der deutschen Kriminalpolizei in den besetzten Niederlanden. „Wensky war mit Sicherheit an der Verfolgung der Sinti und Roma in den Niederlanden beteiligt“, sagt der Historiker deshalb. Denn diese war eine Aufgabe der Kriminalpolizei. So habe Wensky die Verlegung der „Wohnwagenbewohner“ zu Sammelpunkten im Landesinneren angeordnet. Eine solche Konzentration habe ein Jahr später die Deportation erleichtert.

Der Fall Günter Grasner: Der vierte LKA-Direktor (1964 bis 1969) war 1942 als Einheitsführer bei der Geheimen Feldpolizei (GFP) in der Sowjetunion eingesetzt. „Gestapo der Wehrmacht“ nennen Historiker die GFP. Grasners Einheit sei „erwiesenermaßen bei der Erschießung von Zivilisten“ beteiligt gewesen. „Die Verantwortung ist klar gegeben, selbst wenn ich nicht nachweisen kann, dass Grasner selber geschossen hat“, sagt Hölzl. „Er trug Verantwortung als höchster Offizier.“

„Wir würden heute bei einer deutlich geringeren Verdachtslage in die Ermittlungen eintreten“, sagt Frank Hoever, der aktuell das LKA leitet, über seine Vorgänger. Er sei „sehr erschüttert“, dass 23 Jahre lang, bis 1969, Männer an der LKA-Spitze gestanden hätten, die eine echte NS-Vergangenheit hatten.



Das Ministeriumsmagazin „Die Streife“ befasste sich anlässlich des LKA-Neubaus – damals unkritisch – mit den Anfängen nach 1946. Und zeigte die vier Direktoren, die jetzt im Fokus stehen. 
Originalfoto: Juliane Kinast | WESTDEUTSCHE ZEITUNG - collagen-bearbeitung: sinedi


Doch in den Nachkriegsjahrzehnten hat deren braune Vorgeschichte offenbar wenig interessiert. „Das Ergebnis ist umso erschreckender, als die Genannten in ihrem Amt teilweise eine Seilschaft aus der NS-Zeit pflegten“, sagt Reul. So hat D’heil laut Hölzl mindestens zwei NS-Tätern den Weg zurück in den Polizeidienst geebnet – darunter Grasner. Der zweite, Walter Helfsgott, wurde später wegen Mordes verurteilt. Er war Teilkommandoführer eines Einsatzkommandos in der Sowjetunion gewesen.

WESTFALEN-BLATT, 17.12.2019, S.5: Seite Fünf


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„Aus heutiger Sicht hätten sie niemals mehr als Polizisten arbeiten dürfen“, fasst nrw-innenminister herbert reul das ergebnis des gutachtens knapp zusammen...
- also - da könnte ich jetzt mit dem joke "hätte - hätte - fahrradkette" antworten, denn immerhin haben da ja "kriegsverbrecher" insgesamt 22 jahre lang das sensible "landeskriminalamt" geleitet - unter cdu- und auch unter spd-landesregierungen - unbehelligt und unbeschwert - und bekamen zum schluss ihrer dienstzeit ohne abzüge ihre pensionen.

und was man jetzt mühevoll nach jahrelangen forschungsrecherchen dankenswerter weise vom historiker hölzl da an traurigen und erschreckenden ergebnissen zusammengetragen hat, das hätte man wahrscheinlich auch direkt "nach dem zusammenbruch" (wie meine alte frau mutter das kriegsende immer bezeichnete - sie wäre jetzt 108 jahre alt) oder eben direkt nach der befreiung durch die allierten schon mit deren unterlagen
aufarbeiten und feststellen können - zumal es ja um höchstvertrauliche spitzenpositionen von landesweiter bedeutung ging. 


und wenn ich dann noch erfahre, dass z.b. friedrich d'heil seine seilschaften aus der ns-zeit noch aktiv weiterpflegte und aufrechterhielt und mindestens zwei ns-tätern den weg ebnete in der noch jungen bundesrepublik - und auch im polizeidienst - so ist das höchst bemerkenswert.

und der apfel fällt nicht weit vom stamm: zumindest der heutige vizevorsitzende der gewerkschaft der polizei (gdp), jörg radek, bestätigte im juni 2019, dass beispielsweise in der bundespolizei mitarbeiter mit rechtsnationalen parteien sympathisieren. „da ist bei vielen beamten etwas in schieflage geraten, was sich in sympathien für das rechtsnationale parteienspektrum ausdrückt“, sagte er der „rheinischen post“.

und nicht nur innerhalb des polizeiapparates - und wohl auch hier und da bei der bundeswehr - ist einiges in "schieflage" geraten: auch in der gesamtbevölkerung wählen nicht allein um die 10-15% rechte parteien, sondern auch die verdrängung der gräueltaten in nazi-deutschland greift immer mehr um sich, desto mehr tatsächliche zeitzeugen ganz natürlich abhanden kommen: in thüringen stimmten bereits 26 prozent der aussage zu: "der nationalsozialismus hatte auch seine guten seiten" ... - tendenz steigend - und eine umfrage in der zeitung "express" (düsseldorf/köln) ergab unter wohl 4.400 befragungsteilnehmern folgendes bild:


also 56% meinen: nu lass' ma gutt sein ... - und wollen die ns-zeit verdrängen - aus den augen, aus dem sinn.

diese entwicklung ist äußerst problematisch, will man die zukunft wirklich positiv weiter gestalten. sehr ausführlich sollte in schule uns studium die zeit zwischen 1920 und 1950 in deutschland bearbeitet werden - und nicht nur im geschichtsunterricht - und mit zeitgemäßen modernen medien, möglichst unter aktiver beteiligung und rollenspiel der schüler und studenten.

mit einer studienfahrt zu einer gedenkstätte ("un gutt is") ist das nicht getan, die jungen menschen müssen individuell "berührt" werden, um dem gräuel geistig-körperlich tatsächlich nachzuspüren und in ihren eigenen familien nach werdegängen auch von (ur-)ur-opa und -oma fahnden lernen.

ob das mit den nach meinem dafürhalten "schauprozessen" geschieht, wo uralte, fast 100-jährige männer aus dem kz-wachpersonal als "mitläufer" unter anklage gestellt werden, möchte ich jedoch arg bezweifeln. das hat meiner meinung nach mehr mit aktiver "leichenfledderei" an lebendigem leibe als mit irgendeinem staatlichen oder gar menschlichen "gerechtigkeitssinn" zu tun.

den damals 16-20-jährigen jungen männern wird 80 jahre danach der prozess gemacht, weil sie sich nicht "freiwillig an die front" gemeldet hätten, sondern ihren wachdienst, zu dem sie abkommandiert waren, an den zäunen und rampen der kz's versahen. und das geschieht erst seit etwa 10 jahren, dass man nach allen wenigen noch lebenden bediensteten der vernichtungslager fahndet, auch wenn sie aktiv an mordaktionen gar nicht beteiligt waren oder eine aktive beteiligung nicht nachzuweisen ist. man konstatiert eine mitschuld, weil sie sich nicht widersetzt hätten...

innenminister reul hat ja eine entscheidende formulierung dazu vorgebracht:
„aus heutiger sicht - hätten sie niemals mehr als polizisten arbeiten dürfen“ ...aus heutiger sicht...

nun will ich den allgemeinen verdrängungsprozess zum "dritten reich" keinesfalls gutheißen, aber wir müssen hierbei auch mit konstatieren, dass der zeitgeist und der gehorsam und die moral insgesamt bei jungen verblendeten und ideologisch "mitverseuchten" und lebensunerfahrenen menschen schon eine andere war, als vielleicht heute bei der vielzahl auch internationaler informationsmöglichkeiten ...

man tut immer so, als seien die ns-zeit ausgelöst und getragen von einer kleinen bande böser und verirrter mörderischer menschen - ein kleiner "vogelschiss" wie das herr gauland von der afd nennt -  verdrängt dabei aber den relativ geschlossenen rückhalt damals dieser ideologien in der überwiegenden zigmillionenfachen mehrheit der bevölkerung. ganz deutschland stand damals hinter zwangssterilisation, antisemitismus und rassenwahn und wähnte sich "über alles in der welt" - bis auf eine handvoll weniger ausnahmen und widerstandskräfte...

die vier ersten direktoren des nordrheinwestfälischen landeskriminalamtes stehen da für mich aber auf einem gänzlich anderen blatt und sind damit keinesfalls "freisgesprochen", denn sie haben sich mit vielen winkelzügen da hin"getrickst", um auf dem schreibtischstuhl nach dem krieg platz zu nehmen, auf dem sie dann gelandet sind - und sie wussten als alte eingefleische kriminalbeamten sehr wohl, was "recht" und was "unrecht" ist - und sie wussten, dass sie an kriegsverbrechen teilgenommen hatten, was man den damals jugendlichen mitläufern nicht unbedingt unterstellen kann.

wiederum sehen wir aber auch quasi als jetzt mit einbezogene und mitinformierte "zeitarchäologen" auf und mit welchem indoktrinären und braun-verseuchten schutt diese damals neue bundesrepublik - und im osten ähnlich die ddr - "nach dem zusammenbruch" aufgerichtet und "neu" erbaut wurde.

und wenn wir nicht ganz sensibel und fein aufpassen, holen uns die ausdünstungen dieses alten schutts wieder ein, weil wir sie nicht tat-sächlich bearbeitet, sondern nur verdrängt haben: 

"der schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch" (bertolt brecht)...