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music & culture - VAN

Ein Blick auf die digitale aktuelle VAN-Ausgabe (click here)



„In der freien Szene ist die Sorge groß“

Zwei Bielefelder gründeten 2014 das digitale Magazin „Van“, das sich mit der Klassikwelt auseinandersetzt. In der Corona-Krise hat das Magazin mehr Leser denn je. Warum?

Als der Bielefelder Magazinmacher Hartmut Welscher vor einem Jahr einen Artikel mit dem Titel „Der Poltergeist. Wer hat Angst vor Daniel Barenboim?“ über die Launen und den Führungsstil des Berliner Staatsopern-Chefs schrieb, schlug das große Wellen. Sogar die New York Times horchte auf.

Genau das hatte ihm und seinem Co-Geschäftsführer Ingmar Bornholz, ebenfalls Bielefelder, 2014 vorgeschwebt, als sie ihr digitales Klassikmagazin Van gründeten: „Wir wollen Diskussionen anregen, Themen setzen, hinter der Hochglanzfassade der klassischen Musik schauen, es gibt hier viele Abgründe“, sagt Welscher.

Machtmissbrauch in Theatern und Orchestern, Sexismus und Rassismus sind nur einige davon. Die Haltung „Das geht uns nichts an, wir machen Hochkultur“ sei in der Klassikwelt weit verbreitet. „Themen, die gesellschaftspolitisch diskutiert werden, kommen in der Klassik oft ein paar Jahre später an.“

Gerade die Themen, die nicht auf der Straße lägen und in denen Wochen, oft Monate der Recherche steckten, würden viel gelesen. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, das macht im Klassikbereich sonst niemand“, so der Herausgeber. Aber Klickzahlen sind nicht alles. Die Magazinmacher gönnen sich auch Themen, die ihnen persönlich wichtig sind. Als Beispiel nennt Welscher eine Serie, die bereits in der ersten Ausgabe gestartet wurde: „Wir stellen jede Woche eine unbekannte oder vergessene Komponistin vor.“

Welscher, 1977 geborener Spross einer Bielefelder Buchhändler-Familie, der vor Van zehn Jahre lang in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet hatte, lebt in Berlin. Ein achtköpfiges Team produziert dort das Online-Magazin. Freie Autoren liefern zu.

Van finanziert sich durch Abos und Anzeigen und ist nach Angaben von Welscher seit den Anfängen kontinuierlich gewachsen. Als er und der IT-Spezialist Ingmar Bornholz die Idee 2014 entwickelten, waren sie auf große Skepsis gestoßen. Doch das Magazin hat sich etabliert. Seit 2019 ist mit der Bank Julius Bär zudem ein Sponsor an Bord. Seit 2016 gibt es eine englischsprachige Ausgabe. Sie habe einen starken US-amerikanischen Fokus, so Welscher, werde aber nicht nur in den USA gelesen.

In der Corona-Krise schnellen die Leserzahlen nach oben. Was zusätzlich zur gerade erreichten Marke von 250 Ausgaben ein Grund zur Freude sein könnte – wenn nicht die Anzeigen weggebrochen wären. Dennoch stehen seit Mitte März alle Artikel frei im Netz. Warum? „Wir wollen einen Beitrag leisten“, sagt Welscher, „und informieren zu Fragen, die Musiker und Künstler jetzt umtreiben.“

Die freie Szene lag den Journalisten schon immer besonders am Herzen. Für sie ist die Einstellung des Konzertbetriebs eine Katastrophe. „Da ist die Sorge groß“, weiß der Klassikfan. „Auch Musiker, die in berühmten Ensembles spielen, stehen jetzt mit leeren Händen da.“

Die Corona-Krise verschärft Schwächen des Systems, die bereits vorher vorhanden waren, jetzt aber existenzbedrohend sind. Viele Musiker treibe auch die Frage um, wie es überhaupt in der Musikkultur weitergehen solle, sagt Welscher. So spricht der österreichische Bariton Georg Nigl in Nummer 250 darüber, was sich am Umgang mit freien Künstlern und Künstlerinnen in der Krise ändern muss.

Gestreamte Konzerte könnten für junge Musiker zwar ein Weg sein, sichtbar und mit Fans in Kontakt zu bleiben, seien aber nur eine Ersatzhandlung. „Virtuelle Angebote können das Konzerterlebnis nicht ersetzen“, ist Welscher überzeugt. Um den Nachwuchs zu fördern, haben Van und die Bank Julius Bär jetzt einen neuen Musikpreis ins Leben gerufen. Braucht die Welt noch einen? Ja, sagt Welscher, weil der „Berlin Prize for Young Artists“ anders sei. Gesucht werden junge Instrumentalisten, die mit einem 45-minütigen Solo-Programm ihrer Wahl unvergessliche Musikerlebnisse schaffen statt makellos das Standardrepertoire wiederzugeben. Bewerbungsschluss ist der 15. Juni.

Das Van-Team hat ein Gespür für spannende Themen und Hintergründe, schaut kritisch auf die Klassikszene und vermag durch seinen journalistischen, leidenschaftlichen Zugriff auch Neugierde bei jenen zu wecken, die mit Klassik erstmal nicht viel anfangen können. Heilige Kühe gibt es nicht. So listet Autor Jeffrey Arlo Brown in der 250. Ausgabe einfach mal die seiner Meinung nach zehn schlechtesten Kompositionen des Magazin-Namensgebers Ludwig van Beethoven auf.



ja - wer die klassische musik liebt und eben nicht etwa im 7. wolkenkuckucksheim abgehoben in der "hochkultur" schwebt, sollte vielleicht mal das "jung" daherkommene "van"-magazin anclicken und sich zeitgmäß in die klassik versinken: man ahnt ja manche zusammenhänge im hier & jetzt gar nicht - bzw. gerade jetzt - unter den corona-bedingungen werden sie einem erstmal wieder neu bewusst.

klassische mussik spielen - auch in einem bekannten orchester - bringt viele musiker aktuell in die bredouille, weil eben die öffentlichen auftritte zur zeit gänzlich wegfallen und das gesamte jahresprogramm über den haufen geworfen ist.

und die allermeisten musiker leben ja "freischaffend" "von der hand in den mund" - was aber unter den jetzigen bedingungen rasch in den freien fall führen kann.

erstaunlicherweise konnte "van" gerade jetzt seine anclickzahlen steigern und bei den abos zulegen, eben weil jetzt viele "musikexperten" doch auch zeit finden, sich auch textlich mit diesem musenthema zu beschäftigen - und vor allen dingen eben mitnehmen will in die tatsächliche gegenwärtige realität.

musik ist ja längst eine globale angelegenheit geworden - und das netz und die streams schaffen neue möglichkeiten weltweit und kulturübergreifend.

im "van" wird dem rechnung getragen unter anderem auch mit der rubrik "outernational": ausgehend von der jeweiligen perspektive der portraitierten musikern*innen werden szenen globaler musiktraditionen neu entdeckt, in denen sich verschollenes und aktuelles, tradition und moderne gegenseitig immer wieder neu befruchten. 

all dieser halbwegs elitäre touch, den die klassische musik si8ch hier und da als mantel übergeworfen hat, wird hier be- und gelüftet:
das reale leben vertreibt den abgestandenen mief vergilbter notenblätter - alles fast so wie im richtigen leben ...