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alles aldi - oder was ? - lars eidingers neueste design-creation - und wie sie entstand

Göttinger Tageblatt vom 16.09.2018:
Kunst vom Discounter: Die neue Aldi-Tüte

Aldi Nord entsorgt die Plastiktüte. Damit verschwindet das wohl auflagenstärkste Kunstwerk Deutschlands vom Markt.

Weg vom Wegwerfprodukt: Die legendäre Aldi-Plastiktüte gibt es bald in der Mehrwegversion.


Fast jeder Bürger im Norden der Bundesrepublik war bereits Besitzer großer Kunst – nur hat es vermutlich kaum einer von ihnen bemerkt. Es handelt sich um die Plastiktüte des Discounters Aldi Nord, die der Künstler Günter Fruhtrunk im Jahr 1970 gestaltet hat.

Nun sind die Stunden des vielleicht meistverkauften Kunstwerks Deutschlands gezählt: Der Billigsupermarkt nimmt seine Plastiktaschen im Zuge des Antiplastiktrends aus dem Verkauf. Bis Ende des Jahres werden die restlichen Tüten aus dem Lager verkauft. Dann, das teilte Aldi Nord jetzt mit, ist definitiv Schluss mit den Einwegtüten.

Für die Kunden der Supermarktkette mag die Aldi-Tüte praktisch und zugleich ein billiger Wegwerfartikel gewesen sein. Ihr Design dagegen gilt als besonders. In seinem Entwurf hat Fruhtrunk blaue und weiße Rechtecke wie ein gerade gezogenes Fischgräten-Parkett diagonal über die Fläche gezogen. Es ist ein Design mit mathematischer Präzision, getreu dem abstrakten Kons­truktivismus.

Ein Besucher betrachtet am 07.11.2012 das Exponat "Präsenz" des Künstlers Günter Fruhtrunk im Rahmen der Ausstellung "Kunst ist schön, aber macht viel Arbeit" in der Galerie im Lenbachhaus in München. Quelle: dpa




Dem kunstvollen Design allerdings steht die billige Beschaffenheit der Plastiktüte gegenüber: Das Plastik beult bei der Benutzung schnell aus. „Die Aldi-Tüte ist keine typische Einkaufstasche“, sagt Designer Philipp Bree, Gründer des Taschenlabels pb0110. „Mit ihrer prägnanten Grafik hätte sie durchaus das Zeug zu einer Hipster-Tasche.“

Die Diagonale auf der Tüte ist eine dynamische Komposition: Mit den Strichen geht es von unten nach oben steil bergauf. Die Diagonale kann aber auch nach unten zeigen – eine Richtung ist von Fruhtrunk schließlich nicht vorgegeben. Damit entspricht die Aldi-Tüte seit ihrer Einführung dem wechselhaften Image des Billigsupermarktes.

In den Siebzigerjahren noch stand Aldi für die schöne, neue Welt des Konsums. Die Kunden mussten nicht mehr einzeln zum Fleischer, zum Gemüsehändler und zum Bäcker laufen, sondern konnten direkt zum damals fortschrittlichen Discounter gehen und dort sämtliche Einkäufe erledigen. Um die Jahrtausendwende dann wurde die Aldi-Tüte zum Symbol der Hartz-IV-Reform, der Einkauf im Billigladen zu einem Zeichen des sozialen Abstiegs. Wenige Jahre später dann entdeckten auch wohlhabende Kunden den Discounter für sich. Plötzlich war es angesagt, Luxusgüter wie Parmaschinken und Wein bei Aldi zu kaufen.

Wochenmarktflair statt Schmuddelimage

Heute will Aldi Nord, ebenso wie Supermarkt-Bruder Aldi Süd, weiterhin dem Schmuddelimage entgegenwirken. Wer als Kunde in einen neu gebauten Aldi-Markt geht, wird von freundlichem Licht empfangen – und nicht von Neonröhren. Es gibt Käsespezialitäten aus der Auvergne und frische Ravioli mit einer Füllung aus gegrilltem Gemüse. Aldi versucht, wie viele andere Supermärkte auch, Wochenmarktflair nachzuempfinden. Der Einkauf soll ein Erlebnis sein und nichts mit Ramsch zu tun haben.

Mit der Tütenkunst ist es deshalb auch nach dem Ende der Plastiktüte vermutlich nicht vorbei. Die neue Mehrwegtasche von Aldi Nord zitiert das alte Fruhtrunk-Design: Die Streifen von Blau und Weiß bleiben erhalten. Doch die Tasche wechselt vom Hochformat in ein Querformat.

Sie erinnert nun an einen Marktkorb – oder Ikeas blaue Mehrwegtragetasche Frakta. Die neue Aldi-Tasche besteht zwar immer noch aus Plastik, soll aber zu 100 Prozent recyclingfähig sein. Aldi Süd veranstaltet gar einen eigenen Wettbewerb für die neue Mehrwegtasche und gibt die Designs in einer limitierten Auflage heraus.
Die neue kleine Blaue: Das Design der Aldi-Tasche bleibt, nur das Format ändert sich. Quelle: Aldi Nord



Von billig zu edel – damit entspricht das Unternehmen gar einem aktuellen Designtrend: Das französische Luxuslabel Balenciaga schuf im Frühjahr 2017 eine Luxustasche, die aussieht wie Ikeas Frakta, aber 2000 Euro kostet. Designer Demna Gvasalia schickte für sein Label Vetements Models mit übergroßen Plastikreisetaschen über den Laufsteg, die an Modelle aus dem 1-Euro-Shop erinnerten.

Das französische Luxuslabel Balenciaga schuf im Frühjahr 2017 eine Luxustasche, die aussieht wie Ikeas Frakta, aber 2000 Euro kostet. Fotoquelle: Stuttgarter Nachrichten -
Ikea sah 2017 die ganze Sache gelassen und freute sich: „Wir sind tief geschmeichelt, dass die Einkaufstasche von Balenciaga der 99-Cent-Tasche von Ikea ähnelt. Nichts schlägt die Vielseitigkeit einer großen, blauen Tasche“, heißt es in einer Mail an den US-Fernsehsender Today. Im Internet sorgt der Herren-Shopper für zahlreiche Kommentare. Nutzer können sich nicht entscheiden, ob sie nun lieber eine blaue Tasche von Balenciaga möchten oder doch lieber die Ikea-Tasche für 99 Cent. Ein Twitternutzer fasst es so zusammen: „Du hast zwei Möglichkeiten im Leben: Entweder wird deine Wäsche in einer 2145 Dollar teuren Balenciaga-Tasche getragen oder in einer 99-Cent-Tüte von Ikea.“



Designer Bree sagt: “Die Ikea-Tasche war eine reine Zwecktasche. Inzwischen ist sie ein Fashion-Produkt geworden. Es gibt sie jetzt in Rosa und in Gelb. So etwas könnte ich mir für Aldi auch vorstellen.“

Eine elitäre Aldi-Tüte? Das wäre durchaus denkbar. Günter Fruhtrunk ist es mit seinem Design gelungen, das große Versprechen der Postmoderne, Kunst und Leben konsequent miteinander verschmelzen zu lassen, wahr werden zu lassen. Warum also sollte das nicht auch für die Mehrwegtasche gelten? Die Aldi-Tüte ist tot, lang lebe die Aldi-Tüte.

Von Geraldine Oetken - göttinger tageblatt
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tja - und nu isses soweit: 

ALLTAGSKUNST

Lars Eidinger entwirft eine Tasche für PB 0110 – im Stil der Aldi-Tüte

VON SASKIA IBROM - VOGUE.DE

Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger hat für PB 0110 eine Tasche entworfen, die eine Verneigung und Wertschätzung dem Alltäglichen gegenüber ist.

Ein Schauspieler als Designer. Mit dem Shopper, den er exklusiv für das deutsche Label PB 0110 entworfen hat, feiert Lars Eidinger das wahrscheinlich bekannteste Taschendesign der Bundesrepublik: die Aldi-Tüte.

"Oft messen wir Luxusartikeln, die wir vielleicht ein-, zweimal im Jahr benutzen, einen höheren Wert zu als Dingen des täglichen Gebrauchs", sagt er. "Die Tasche ist eine Verneigung und Wertschätzung dem Alltäglichen gegenüber." Das Originalmuster qualifiziert sich sowieso als Kunst. Denn ursprünglich hatte der Münchner Maler und Grafiker Günter Fruhtrunk die Balken-Komposition der Plastiktüte als Auftragsarbeit für die Supermarktkette Aldi gestaltet, die sie millionenfach verkaufte. Vergangenes Jahr lief aus ökologischen Gründen die letzte Einwegplastiktüte bei Aldi Nord übers Band.

Die nachhaltig gefertigte und exakt den Maßen des Originals entsprechende "LE 1" hingegen wird während der Fashion Week in Berlin präsentiert werden und danach in ausgewählten Stores sowie über Pb0110.com erhältlich sein. Aus in Deutschland gegerbtem Rindsleder, limitiert auf 250 Exemplare, 500 Euro.

aus: vogue.de




Eidingers Edeltüte

Die Aldi-Tüte stand Pate für die Tasche, die Schaubühnenstar Lars Eidinger zusammen mit Philipp Bree entwarf. Für den ging damit buchstäblich ein Traum in Erfüllung

Lars Eidinger und Philipp Bree sitzen in der hintersten Ecke der Paris Bar, neben ihnen liegt eine Tasche, die einer Alditüte verdächtig ähnlich sieht. Nur ist sie aus Rindsleder und kostet 550 Euro. Lars Eidinger hat sie zusammen mit Philipp Bree entworfen. Der Name Bree steht für Taschenkompetenz, bis 2011 war Philipp zusammen mit seinem Bruder Axel Bree Geschäftsführer, jetzt hat er sein eigenes Taschenlabel PB 0110.

Herr Bree, Sie haben Lars Eidinger eine Tonaufnahme geschickt, um ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen.

PHILIPP BREE: Ich habe davon geträumt, dass ich Lars in München getroffen habe und wir durch den Park gejoggt sind. Ich konnte mich am nächsten Morgen an alle Details erinnern und habe den Traum auf mein Telefon gesprochen. Meine Frau hat gesagt: Das kannst du auf keinen Fall verschicken.

LARS EIDINGER: Ich habe seitdem allen erzählt: Wenn ihr jemanden für euch gewinnen wollt, ist es ein guter Trick zu sagen: Ich habe von Dir geträumt.

Schicksal!

EIDINGER: Philipps Traum ging so weiter: Wir haben auf einer Bank gesessen und ich habe ihm eine Ledertasche gezeigt, in der viele Fächer und ein kleiner Kalender waren. Finde ich interessant im Zusammenhang mit der Tasche, die es dann geworden ist.

Es ist einfach nur ein Beutel.

EIDINGER: Und weil ich auch gar keinen Kalender führe. Ich habe alle meine Termine im Kopf. Dadurch, dass ich so viel mache, weiß ich immer nur, was am nächsten Tag dran ist.

Es hat Sie überzeugt, dass man von Ihnen geträumt hat.

EIDINGER: Philipp hat meine Nummer von der Designerin Ayzit Bostan bekommen, da gabe es eine Verbindung, sonst wäre das schwieriger gewesen. Natürlich muss man da an den Schauspieler im Frühstücksfernsehen denken, der erzählt, er macht jetzt auch Schmuck.

Das haben Sie schon öfter erzählt.

EIDINGER: Ja. Ich finde, man schränkt sich unnötig ein. Ich arbeite gerade an der Schaubühne an ,Peer Gynt'. Bei der Vorstellungsrunde habe ich bemerkt, wie sehr sich jeder bemüht, zu sagen, was er schon alles gemacht hat. Ich sträube mich zu sagen: Ich bin Schauspieler und darf nichts anderes machen. Und wenn der Schauspieler sagt, ich lege jetzt Platten auf, wird er gefragt, warum legst du jetzt auch Platten auf, du nimmst den anderen den Job weg.

Er macht es nur, weil er Schauspieler ist?

EIDINGER: Sonst würde sich keiner für ihn interessieren. Ich lege mindestens genauso lange auf, wie ich Schauspieler bin und interessiere mich genauso für Fotografie und Kunst. Das monochrome Blau von Yves Klein inspiriert mich viel mehr, als wenn ich einem Schauspieler zugucke. Es gibt schon welche, die ich bewundere, aber was mich wirklich zum Spielen, zur Kreativität anregt, ist Kunst.



Wie ging die Zusammenarbeit mit Philipp Bree vor sich?

EIDINGER: Die erste Tasche, die ich im Kopf hatte, war aus braunem Leder mit einem langen Gurt, das Klischee einer Ledertasche. Aber wenn ich zur Probe gehe, nehme ich oft Tüten mit, und ich brauche auch nur ein Fach. In der Schule habe ich immer am ersten Schultag meine Stifte noch in die Hülsen des Etuis gesteckt, am zweiten alles nur noch reingestopft. Selbst beim Sakko bin ich so zwanghaft, dass ich die Taschen immer zulasse, damit ich bloß nichts reintue, weil sonst das Sakko ausbeult. Ich meine natürlich Jacke und nicht Sakko. Ich habe mal gelernt: Adelige sagen nicht Sakko, nicht Toilette und auch nicht lecker. Die sagen schmeckt vorzüglich, Jacke und Klo.

Also, Sie mögen Tüten.

EIDINGER: Wenn ich ehrlich bin zu mir selbst, nehme ich eine Tüte. Das fand ich immer schon eine ansprechende Ästhetik und ich mag dieses Understatement. Dann fiel mir auf, dass die Plastiktüte vom Aussterben bedroht ist - zu Recht. Es ist noch nicht lange her, dass man gefragt wurde: Wollen sie eine Plastiktüte? Und man hat sie immer genommen. Eine Zeit lang habe ich, auch wenn ich sehr viel zu tragen hatte, immer nein gesagt. Einfach, um mich selber zu bestrafen, damit ich nie wieder ohne Tüten oder Beutel aus dem Haus gehe.

Wie kommt Aldi ins Spiel?

EIDINGER: Die Aldi-Tüte ist das Erste, woran ich bei Tüten denke. Die Form ist relativ unorthodox, viel zu groß. Unsere Tasche hat die gleichen Maße, die kommt einem viel zu groß vor.

BREE: Aber das Maß funktioniert gut. Das ist ein Readymade, das Maß kann man unter einem Strichcode bestellen, das ist keine Aldi-Erfindung.

Das darf man einfach verwenden?

EIDINGER: Was man nicht benutzen darf, ist der Druck von Günter Fruhtrunk. Das war der nächste Punkt, dass wir uns in der Faszination für einen Künstler wie Fruhtrunk getroffen haben, weil man Spaß daran hat, das zu entdecken. Wer weiß schon, dass er mit der Aldi-Tüte ein Kunstwerk durch die Gegend trägt.

Was kostet der Beutel?

EIDINGER: Es wird Leute geben, die sagen: Ich werde bestimmt nicht für eine Aldi-Tüte aus Leder 550 Euro ausgeben. Aber der Preis steht im Zusammenhang mit dem Aufwand. Wir bezahlen den Künstler für das Motiv, wir zahlen die Verarbeitung, das Material. Das ist überhaupt nicht als Luxusartikel gedacht, sondern eher als Hommage an die Dinge des täglichen Gebrauchs.

Nicht zynisch gemeint?

EIDINGER: Das ist nicht zynisch gemeint. Man kauft sich manchmal was, gibt dafür wahnsinnig viel Geld aus und das hängt dann nur im Schrank. Bei anderen Sachen des täglichen Gebrauchs ist man viel zu sparsam. Wenn ich mitbekomme, wie mein Bruder hin und her überlegt, wieviel er für eine Brille ausgibt, die er jeden Tag im Gesicht hat! In eine Tasche, die man täglich benutzt, kann man durchaus investieren. Und sie ist ein Statement zu Fast Fashion. Deshalb war es uns so wichtig, den Aufdruck „Mehrzwecktasche zum mehrmaligen Gebrauch“ von der Aldi-Tüte zu übernehmen.

Sie beschäftigen sich auch sonst mit dem Thema Mode?

EIDINGER: Das ist für mich eins, ich liebe ja auch Fotografie, mache Kunst und stelle aus, ich habe inzwischen eine Galerie.

Eidingers Instagram-Eintrag zur Tasche

Hat das angefangen mit der Ausstellung Ihrer Instagrambilder?

EIDINGER: Nein. Es ärgert mich immer eher, wenn geschrieben wird: Der veröffentlicht seine Instagrambilder. Es ist umgekehrt. Ich habe Instagram als eine Plattform entdeckt, wo ich meine Kunst zeigen kann. Das passt jetzt nicht so richtig rein, aber wenn wir uns ausgetauscht haben, hat Philipp immer wieder gesagt, gutes Auge. Auf der einen Seite habe ich etwas Zwanghaftes. Ich weiß genau, wie gewisse Sachen für mich zu sein haben und merke, wie ich nervös werde, wenn das anders ist. Da habe ich nicht so eine Großzügigkeit. Das ist besser geworden mit dem Alter, früher war das ganz schlimm.

Also auch, wie etwas auszusehen hat?

EIDINGER: Wie was zu stehen hat. Wie ein Komponist ein absolutes Gehör hat, habe ich ein absolutes Bewusstsein dafür, wie Sachen arrangiert sein müssen. Wenn ich mit vier Kollegen auf der Bühne stehe, weiß ich genau, wer wo steht und wo ich mich hinstellen muss, um die größtmögliche Präsenz zu haben, um das Arrangement in der Ausgewogenheit zu halten und eine Dynamik zu erzeugen.

Kleidung ist ein wichtiger Faktor in Ihrem Beruf. Wie wichtig ist das Verkleiden für Sie?

EIDINGER: Das kommt als Erstes. Man kann jetzt denken, das hat etwas mit Eitelkeit zu tun und da ist bestimmt auch etwas dran. Wenn ich mich einer Figur nähern will, die ich spiele, gehe ich vom Kostüm aus. Zum Beispiel sind die Schuhe für mich immer ganz wichtig. Beim Film sagen sie immer: Du kannst deine privaten Schuhe anziehen, weil die Schuhe fast nie im Bild sind, wenn man mal drauf achtet. Aber für mich ist die Absatzhöhe total wichtig für die Art, wie sich eine Figur bewegt.

Ist Ihnen Kleidung auch privat wichtig?

EIDINGER: Manchmal ist es schon interessant, dass ich beruflich sehr lang über Ärmellängen, Schulterpolster und Nähte diskutiere und privat eher Konfektion trage. Da würde ich nicht anfangen, Sachen zu ändern. Bei einer Naziuniform für eine deutsch-englische Produktion habe ich gesagt, ich hätte die gern einen Tick zu eng. Ich hätte erwartet, dass sie sagen, eine Uniform ist eine Uniform, die kannst du nicht verändern. Aber die fanden das super.

Das Kostüm hat also Auswirkungen auf die Darstellung?

EIDINGER: Wenn ich eine Nachlässigkeit über die Kleidung erzähle, hat das Konsequenzen für den Charakter. In einer Inszenierung hatte ich einen Pullover, der zu heiß gewaschen worden war. Ich konnte die Figur nicht mehr spielen. Es war elendig, wie die versucht haben, einen anderen Pulli zu finden. Dann musste Thomas Ostermeier den ganzen Tag diesen zu heiß gewaschenen Pullover tragen, weil der ja ein bisschen größer ist als ich, damit das Ding weiter wird.

Das Interview führte Grit Thönnissen - Tagesspiegel

Hommage an die Dinge des Alltags. Lars Eidinger feiert die Aldi-Tüte. Fotos: Benjakon, promo

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das ist dann mal edel-design andersherum und im purzelbaum: da entwirft ein großer abstract-konstruktivismus-künstler, nämlich günter fruhtrunk, 1970 die aldi-tüte, wie wir sie millionenfach auf der straße als shopping bag gesehen haben und immer noch sehen, so im diagonalen blauweißen zebrastreifen-design - und damit bewahrheitet sich ja schon der alte vorweggenommene "bauhaus"-traum, der dann wieder in der postmodernen die kunstschulen nach dem krieg neu beflügelte: "kunst und leben" miteinander zu vermixen zu einer einheit = "das leben ist schön"- (beispiel beuys: jeder ist künstler - alles ist kunst und seine aktion 7000 eichen). 

auch die alltags-zeitungs-layouttypographie bekam sein längst fälliges relaunch allerorten (beispiel: die welt, die zeit, der tagesspiegel), die gleichzeitig mit freien spannungsfeldern und linien und dezenten farbtonnuancen in und um den text und den großformatigen abbildungen in farbe oder auch wieder abrupt in schwarz-weiß die redaktionelle arbeit zurückfuhren, um platz zu schaffen für ästhetik und werbeeinspeisungen, auch um den abo-verlust der gedruckten papier-zeitung durch das internet mit werbeeinnahmen wieder aufzufangen - aber dabei auch einige redakteure freizusetzten - weniger wurde wieder mehr - und die augen des alltagskonsumenten gewöhnten sich an das (neue) layout und design, das zur alltäglichkeit wurde.

und nun kommt diese schleife in der entwicklung bzw. die kehrtwende: im niedergang des trägermediums plastik bei der alltags-tragetüte, die die alte pack-papierne tüte ja längst überholt hatte, aber nun allmählich wegen seiner fast uneingeschränkten langlebigkeit zum "permanent-verschmutzer" ersten ranges - auf den müllhalden, im straßenbild und in den weltmeeren - deklariert wurde, wird das gängige layout und design dieser gebrauchs- und kunstgraphiken nun einbalsamiert, indem man es veredelt auf luxustaschen in begrenzter auflage und zu preisen von früher 0,99 uro zu jetzt 550 oder gar 2500 uro hochstilisiert - natürlich nur mit first-class-prints auf hervorragenden trägermaterialien wie natürlich gewachsenem boxcalf-leder z.b.

also zusammengefasst: vom künstler und designer als gestalter eines massenhaften alltags-gegenstandes nun wieder als designgeber einer hochwertigen luxus-ausführung: von der einzel-gebrauchsgraphik zum massenprodukt nun wieder zurück zum veredelten einzelstück...

ich finde diese konsequenzen in der zusammenschau hoch interessant - und sie zeigen auch die strategien an den neo-liberalen kapital-überlegungen zur generierung von knete in der algorithmendominierten post-postmodernen im silicon-valley-modus - wer weiß wie lange noch (?)...

ach - und zu lars eidinger noch: ich weiß nicht, ob es nur das background graffiti-ambiente um seine präsentationsfotos des edel-"aldi"-bags sind, aber mir fällt bei seinen arbeiten immer der name "banksy" ein und dessen verkaufsstrategien ... - allerdings - ernsthaft - immer mit einer prise schlingensief - komisch ...