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der abdruck und die verantwortung

„Robinson Crusoe“ Die Spur im Sand

Von Peter von Becker | Tagesspiegel


Was hat das Kultbuch „Robinson Crusoe“ mit der Mondlandung gemeinsam? Eine Sehnsucht und eine Furcht des Menschen. 

Was ist die Ikone der jetzt noch einmal weltweit erinnerten Mondlandung vor fünfzig Jahren, was ihr stärkstes Inbild? Amerikaner vom Schlage Trumps würden natürlich das Hissen des US-Fähnchens auf dem Erdtrabanten nennen: als Ausdruck des patriotischen Stolzes und einer symbolischen Inbesitznahme.

Letztere war allerdings nicht die Absicht der beiden Astronauten Armstrong und Aldrin, die ihren Erfolg ja bewusst der ganzen „Menschheit“ widmeten. Und zum bleibenden Bildzeichen wurde auch nicht das Banner, vielmehr sind es die Fußspuren der beiden Raumfahrer im Mondsand. Ihr Abdruck ist der so unheimliche wie im physischen Detail fast rührende Ausdruck, dass der Mensch tatsächlich einen fremden Planeten betrat.

Schuhsolenabdruck im Mondstaub am 21.Juli 1969


Die Spur im Sand. Oder im Schnee. Das kleine große Faszinosum. Denn der sehende, denkende Mensch ist immer auch ein Spurenleser. Ein Detektiv auf der Fährte. Und tauchen ganz unbekannte Spuren auf, so regt das die Fantasie besonders an. Seit Langem geistert durch den Himalaja die Fama des „Yeti“. Gesehen und dokumentiert hat diesen behaarten „Schneemenschen“ noch niemand, aber seine angeblichen Fußspuren bewegen bei vielen die Vorstellung, Sehnsucht oder Furcht, dass da irgendwo noch „ein Anderer“ existieren könnte.



Indem er ebendieses Motiv zu einer Schlüsselszene gemacht hat, ist Daniel Defoe (ca. 1660–1731) mit seinem Buch „The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe“ ein Geniestreich gelungen. Der zumeist nur kurz „Robinson Crusoe“ genannte Roman eines schiffbrüchigen englischen Seemanns, der 28 Jahre auf einer einsamen Insel vor der südamerikanischen Küste überlebt, ist 1719 erschienen. Zum zweihundertjährigen Jubiläum gibt es nun eine Neuübersetzung von Rudolf Mast im Hamburger mare-Verlag (415 Seiten, 42,- Euro). Sie ist viel beachtet worden, auch im Tagesspiegel vor drei Monaten. Das geschah freilich nicht überall ganz vorurteilsfrei. Denn seit mehreren Jahren wird das einstige Kultbuch – das die meisten von uns wohl nur in verkürzten, für junge Leser bearbeiteten Fassungen kennen – mit Blick auf aktuelle Debatten über Kolonialismus, Rassismus, politische Korrektheit beargwöhnt.

So zeichnete der tschechische Künstler Walter Paget den Schiffbrüchigen Robinson Crusoe.



Ende der Einsamkeit

Natürlich gibt es in der im Ganzen vortrefflichen Neuübertragung durch Rudolf Mast das „N“-Wort nicht mehr. Die Geschichte spielt ja zur Zeit der europäischen Besiedlung und Ausbeutung Südamerikas und des Sklavenhandels vor allem zwischen Afrika und Brasilien. Auch Daniel Defoes Ich-Erzähler Robinson Crusoe betrieb eine Farm in Brasilien, mit einheimischen Arbeitskräften. Trotzdem spricht Defoe durch den Mund seiner Figur sich entschieden gegen die Grausamkeiten bei der Eroberung Mittel- und Südamerikas aus. Er plädiert für den Respekt vor Eingeborenen, auch vor deren religiösen, manchmal kannibalistischen Bräuchen. Natürlich schildert Robinson deswegen auch seine Furcht vor den in der Neuübersetzung durchweg als „Wilde“ bezeichneten Indigenas, die seine ansonsten unbewohnte Insel im Atlantik nahe der Mündung des Orinoco bisweilen heimsuchen. Doch indem er etliche von ihnen tötet, rettet er eben auch: Freitag. Den jungen Indianer nennt er so, weil er an einem Freitag nach 15 Jahren Einsamkeit plötzlich dessen Fußabdruck am Strand entdeckt hatte. Heutige Kritiker*innen bemäkeln, dass ihn Robinson bei den ersten Verständigungsversuchen „nicht nach seinem eigenen Namen gefragt habe“. Doch der Roman stammt von 1719 – und der Name Freitag ist so zu einer weltliterarischen Suggestion geworden. Robinson und Freitag, das ist ein universelles Paar. Schwach wirkt eher, dass Freitag nach Robinsons Rettung und Rückkehr nach Europa als Figur (und Mensch) einfach verloren geht. Doch entscheidend und viel toller ist etwas anderes. Man stelle sich nur vor, auch wir fänden irgendwann eine Spur im Sternenstaub. Sie bedeutete dann nicht wie für Robinson auf seinem Eiland das Ende der Einsamkeit. Sie hieße, kaum auszudenken und doch ein Gänsehautgedanke beim Blick ins All: „Wir sind nicht allein.“

neulich erst hat eine studie belegt, dass der mensch zu 97 prozent aus "sternenstaub" besteht, also 97 % aus elementen, die wohl ursprünglich nicht auf dieser erde waren, sondern aus den tiefen des alls hier auf der erde im wahrsten sinne des wortes "aufgeschlagen" sind. 

diese elemente wie kohlenstoff, wasserstoff, stickstoff, sauerstoff, phosphor und schwefel, aus denen sich unser körper hauptsächlich zusammensetzt, sind in der mitte unserer milchstraße reichlich vorhanden. sie entstanden in ferner vergangenheit im inneren von sternen und haben uns nach einer langen interstellaren reise erreicht, um das aus uns zu machen, was wir heute sind – menschen.

also ist diese fußabdrucks-metapher, die so ein eigenartiges gefühl in uns auslöst - fast wie ein archetyp, ein ur-sinnbild - über alter, zig generationen, geschlecht, personen, hautfarbe und nationen hinausgehend - fest in uns verankert - was uns in "eigenartiger" weise anzeigt, wie wir interstellare hin- und-her-reisende in raum & zeit sind - körperlich zusammengesetzt aus den komponenten der milchstraße - und nach unserem leben zerfällt dieser körper wieder in all diese bestandteile: auf ein neues - in anderer zusammensetzung und identität ...

aber dieser "natürliche" bereits millionen jahre anhaltende entwicklungs-kreislauf ständig er"neu"erbarer wiederkehr und reproduktion kann durch allgemeine sich entwickelnde unachtsamkeiten eine delle bekommen und schließlich in einem allmählichen von menschen angezettelten und weitergegebenen prozess zum stillstand allen menschlichen lebens wie wir es meinen zu kennen führen, wenn wir so "mir nichts dir nichts" einfach vor uns hin weiterwurschteln - wohlgemerkt: das ist unsere "natürliche" körperliche, in der bibel "fleischlich" genannte befindlichkeit - und die sagt noch nichts über unsere seelischen befindlichkeiten aus ...

die metapher des "fußabdrucks" wird vielleicht deshalb auch zitiert beim bild des sogenannten "ökologischen fußabdrucks": diese idee hatten die wissenschaftler mathis wackernagel und william rees in den 90er jahren. sie haben ein buchhaltungssystem für die umweltressourcen unserer erde entwickelt.

hierbei wird auf der angebotsseite gemessen, was der "blaue planet" zu bieten hat an vegetativer und geologischer beschaffenheit in seiner unterschiedlichen „biologischen produktivität“.

auf der nachfrageseite wird berechnet wie viel biokapazität die menschen nutzen und ver- und gebrauchen. 

mit dem "ökologischen fußabdruck" kann man angebot und nachfrage jeweils berechnen und miteinander vergleichen: 
  • wieviel natur haben wir? 
  • wieviel brauchen wir? 
  • und wer nutzt wieviel? 
heißt also: hinterlassen wir eine tiefe unausgleichbare spur - oder lässt sich unser hiersein kaum wahrnehmen?

aber: seit den 80er jahren verbraucht die weltbevölkerung mehr biokapazität als die ökosysteme dauerhaft bereitstellen können. wir leben in und mit der natur auf pump - und die oben apostrophierte "delle" ist bereits da...

will also - um im bild zu bleiben - sagen: dass jede(r)* von uns eine tiefe sichtbare fußspur auf diesem planeten hinterlässt und "abgräbt", die sich nicht einfach wieder verwischen und ausgleichen lässt.
  • also auf der einen seite gibt uns die spur im sand wie bei robinson das gefühl einer gewissen "geborgenheit", die vielleicht einsamkeit zudeckt und sehnsucht und liebe befriedigt: ich bin nicht allein und mit mir sind andere - auf dieser welt oder sonstwo und sonstwie - 
  • auf der anderen seite hinterlässt die spur ein flaues und ungutes gefühl: wem nehme ich etwas weg - und wo (be)hindere ich auch indirekt anderes leben und vegetation - und wie kann ich meine "öko-bilanz", meinen "fußabdruck", abmildern und ausgleichen.
die schulen fangen wohl erst nach und nach an, das als lebensaufgabe und lebensziel mit in den blick zu nehmen - aber nicht nur die schulen und die ausbildungsstätten, sondern die gesamte erziehung muss hierfür ein empfinden entwickeln: ein empfinden für diese verantwortung für das leben ...= heißt verkürzt: eine adäquate antwort finden ...!!!

der fußabdruck im sand ist also eine herausforderung: du lebst nicht allein - und du trägst damit nicht nur für dich allein verantwortung - du musst verantwortung übernehmen - auf dich nehmen ...

und nix für ungut - und chuat choan...