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last supper by leonardo

Leonardo da Vinci starb am 2. Mai vor 500 Jahren – Wer sein Meisterwerk im Original sehen möchte, der muss nach Mailand reisen.


ZU GAST BEI LEONARDOS ABENDMAHL

Da Vincis Gemälde »Das Abendmahl« befindet sich in der Mailänder Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie. Foto: Andreas Schnadwinkel - Repro



Von Andreas Schnadwinkel | WESTFALEN-BLATT

Ganz ehrlich? Das Mitleid hält sich in Grenzen. Auf dem Platz vor der Kirche Santa Maria delle Grazie steht eine Gruppe Touristen und ärgert sich. Offenbar haben sie gedacht, sie könnten mal so eben im Vorbeigehen das berühmteste Wandgemälde der Welt – und abgesehen von der »Mona Lisa« das bekannteste Gemälde überhaupt – im Original betrachten.

Einfach an der Kasse Eintrittskarten kaufen und Leonardo da Vincis »Abendmahl« sehen. Wer so naiv ist, hat es nicht besser verdient. Denn der Weg ins Refektorium der Mailänder Dominikanerkirche erfordert Vorbereitung und ist nicht ganz billig.

Wer eine Städtetour in die lombardische Modemetropole oder von einem der oberitalienischen Seen einen Tagesausflug nach Mailand plant und dabei das »Abendmahl« mit eigenen Augen betrachten möchte, sollte sich mindestens ein halbes Jahr vorher um Karten bemühen. Und selbst dann sind offene Zeitfenster rar.

Die Mailänder Doninikanerkirche Santa Maria delle Grazie.

Einzelpersonen kommen in der Regel nicht in den ehemaligen Speisesaal der Mönche. Man muss eine Führung buchen, und davon gibt es verschiedene. Die Angebote, zum Beispiel auf dem Portal getyourguide.de, reichen von 44 bis 85 Euro pro Person. Die günstigste Variante enthält ausschließlich das »Abendmahl« und dauert 30 Minuten, davon 15 Minuten vor dem Fresko.
Besucher vor dem "Abendmahl"

Besucher müssen auf teurere Angebot ausweichen

Weil diese Tour meistens ausgebucht ist, müssen Besucher auf teurere Angebote ausweichen, die einen historischen Stadtrundgang (68 Euro) oder den Blick von der Dachterrasse des Mailänder Doms (85 Euro) enthalten. Keine Frage: Mit Leonardo da Vincis Meisterwerk wird richtig Geld gemacht. Das »Abendmahl« wird professionell vermarktet. Ob sich Aufwand und Kosten lohnen? Ja.

Vor dem Eingang zum Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie, das zu Fuß etwa 20 Minuten vom Dom entfernt liegt, hat sich keine Schlange gebildet. Weil es keine Karten gibt. Einige Enttäuschte blättern in dem kleinen Foyer durch die Ansichtskarten, bevor sie zurück Richtung Dom gehen. Auf den Steinbänken an der Piazza warten die Leute, die eine geführte Tour gebucht haben, auf ihren Reiseleiter, leicht zu erkennen am Klemmbrett und am Logo der Agentur.

Viele sind viel zu früh, ihr Slot ist erst in einer Stunde. Wer sich diesen einzigartigen Besuch lange im Voraus organisiert hat, der riskiert auf den letzten Metern keine Verspätung. Der Guide hakt die Namen auf seiner Liste ab und fragt die Gäste, woher sie kommen. Italiener, Franzosen und Schweizer stellen die Mehrheit in der 25-köpfigen Gruppe.

Der Guide berichtet von Verschwörungstheorien rund um das Abendmahl.
Etwa 1000 Besucher pro Tag



Die zeitliche Taktung wird minutiös eingehalten. Etwa 1000 Besucher werden hier täglich durchs Refektorium geschleust. Um 13.30 Uhr beginnt der Sicherheitscheck. Taschen müssen weggeschlossen werden. Der Guide verteilt die Headsets und erklärt die Abläufe. Auf seinem Tablet zeigt er Details aus dem Gemälde, auf die zu achten sei. Ein bisschen so wie bei der Verfilmung von Dan Browns »Da Vinci Code« (»Sakrileg«).

Besonders aufmerksam nehmen nur wenige die Worte des Guides auf, weil die Spannung am Limit ist. In aller Ruhe erzählt er, dass Leonardo da Vinci das Wandbild von 1494 bis 1498 im Auftrag des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza schuf und auch Goethe 1788 auf seiner Italienreise hier war.

Da Vinci war nicht der erste Künstler, der sich dem letzten gemeinsamen Abend von Jesus und seinen Jüngern widmete. »Das Abendmahl gehört in Italien, vor allem in der Toskana, seit dem 14. Jahrhundert zum Bildprogramm der Refektorien. Die tägliche Mahlzeit der Mönche soll Erinnerung und Nachfolge des heiligen Mahles sein«, schreibt der Kunsthistoriker Herbert von Einem in seiner Abhandlung »Das Abendmahl des Leonardo da Vinci«.

Mehrfach restauriert und perfekt ausgeleuchtet

Endlich: Pünktlich um 13.45 Uhr öffnet eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes die Türen zum Refektorium. Der Speisesaal ist groß, das Fresko auch. Dort ist es, an der Nordwand des Raums.
9 Meter breit und 4,20 Meter hoch. Das »Abendmahl« – über Jahrzehnte mehrfach restauriert und perfekt ausgeleuchtet. Welch ein Anblick. Bis auf drei Meter kommt man heran. Der Guide schweigt aus gutem Grund.

Jetzt werden Fotos, Selfies und Videos gemacht – das volle Programm. Wenn man diesen Moment nicht visuell festhält, welchen dann? Das Sicherheitspersonal muss nicht einschreiten, alles läuft einigermaßen zivilisiert. Man steht sich gegenseitig im Motiv, aber immerhin blitzt niemand.

Vor lauter Fotografieren gerät aus dem Blick, was der Maler hier eigentlich zeigt – und welchen Moment des Abendmahls er festhält. Man sieht Jesus und seine zwölf Jünger, wie sie das traditionelle jüdische Pessachmahl beenden. Doch es herrscht keine besinnliche Stimmung, wie sie dem Anlass angemessen wäre.

Die Jünger sind aufgebracht und gestikulieren wild

Vielmehr sind die Jünger, sechs zur Rechten und sechs zur Linken Jesu, aufgebracht und gestikulieren wild. Kunsthistoriker sind sich relativ einig, dass Leonardo den Betrachter in dieser Szene zum Zeugen machen will – und zwar des Moments, in dem Jesus den Satz sagt: »Wahrlich, ich sage euch, einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.«

Und weiter heißt es im Johannes-Evangelium: »Da sahen die Jünger einander an, weil sie nicht wussten, vom wem er rede. Einer von seinen Jüngern lag an der Brust Jesu, der, den Jesus liebte. Diesem winkte Simon Petrus und sagte zu ihm: Sprich, wer ist es, von dem er redet?«

Auf der Barriere vor dem Wandbild ist eine Legende angebracht: mit den Namen der Jünger von links nach rechts. Wo ist Judas, der Verräter? Da Vinci hat ihn zwischen Petrus und Johannes platziert, er fühlt sich ertappt und hält den Geldbeutel mit den 30 Silberlingen fest.

Nichts ohne Absicht arrangiert

»Ist das Thema für Leonardo nur Vorwand zur Behandlung darstellerischer oder psychologischer Probleme, die mit dem Hauptthema nichts oder wenig mehr zu tun haben?«, fragt der Kunsthistoriker Herbert von Einem. Klar ist, dass das Genie auf diesem Bild nichts ohne Absicht arrangierte. Der Dominikanermönch Matteo Bandello, ein Zeitgenosse da Vincis, berichtete über dessen Arbeitsweise: »Doch mochte er eine Stunde oder zwei vor seinem Bilde sitzen, die Figuren anstarren und über sie nachdenken.«

Das würden die meisten der 25 Besucher im Refektorium am liebsten auch. Aber um 13.58 Uhr weisen die Sicherheitskräfte auf das nahende Ende der Besichtigung hin. Ein letztes Foto. Und noch ein allerletztes, als der Saal frei von Menschen ist. Das war’s. Und jetzt? Zum Dom? Oder erst die Fotos in alle Welt schicken?



also erst heute - am 02. mai - ist tatsächlich den 500. todestag von leonardo da vinci - und da hat uns ein redakteur vom "westfalen-blatt" einen sehr lebendigen authentischen bericht mitgebracht von einer exkursion nach mailand - zum "abendmahl"-fresko von leonardo.

vor 500 jahren war die gestaltung eines freskos in den maßen 9 x 4,20 m sicherlich schon ein logistisches meisterwerk. und leonardo ging ja sogar noch ein schritt weiter: er "bildete" nicht etwa eine damals übliche zeitgenössische ikonopraphische abendmahls-darstellung einfach "ab" ... - sondern er "inszenierte" eine bestimmte überlieferte begebenheit bei diesem "letzten abendmahl" in einer besonderen dynamik - wie ein filmregisseur - und schuf damit gleichzeitig eine neugestaltete "ikonographie" für dieses mahl, die dann oft einfloß in neue werke und diese beeinflusste.

dazu gehörte ja auch eine große portion menschenkenntnis, psychologisches einfühlungsvermögen und kenntnisse des nachvollziehens einer damals vorhandenen "gruppendynamischen" und irgendwie traumatischen ausnahmesituation, wie man das wohl heutzutage bezeichnen würde.

leonardo da vinci ist bereits 500 jahre tot - aber er machte bereits sich "einen kopf", als wäre er ein zeitgenosse von uns.

schade - dass er noch keine filme drehen konnte - er hat bestimmt jedes jahr "oscar"-mäßig ordentlich abgeräumt ...

nix für ungut - und chuat choan - und click here ...


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