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in real life

HAUPTPERSONEN DER »NACHTWACHE«: HAUPTMANN FRANS BANNINCK COCQ (LINKS) UND SEIN LEUTNANT WILLEM VAN RUYTENBURGH.


»Operation Nachtwache« beginnt
Experten in Amsterdam untersuchen und restaurieren Rembrandts berühmtestes Gemälde

Von Annette Birschel

Im Amsterdamer Reichsmuseum hat die »Operation Nachtwache« begonnen: die umfassende Untersuchung des berühmtesten Gemäldes von Rembrandt van Rijn (1606-1669). Am Montag begannen die Experten mit einem Scan des Gemäldes. Die Arbeiten finden vor den Augen des Publikums statt und sind live im Internet zu verfolgen.

Das 17 Quadratmeter große Gemälde wurde aus dem Rahmen genommen. Drumherum wurde ein gläserner Raum gebaut, in dem die Experten auf beweglichen Podesten arbeiten. »Es ist das vielseitigste und umfassendste Untersuchungs- und Restaurierungsprojekt des Gemäldes«, sagte der Museumsdirektor Taco Dibbits.

Jährlich besuchen mehr als zwei Millionen Menschen das Reichsmuseum, das die weltweit größte Rembrandt-Sammlung beherbergt. »Die Nachtwache« von 1642 ist ein Spitzenwerk Rembrandts, des Meisters von Licht und Schatten. Es zeigt die Amsterdamer Bürgerwehr, deren Kapitän Frans Banning Cocq seinem Leutnant gerade den Befehl zum Abmarsch gibt.

In der ersten Phase des Projekts soll das Bild mit den neuesten Techniken, Scannern, Lasern und Mikroskopen untersucht werden. Dabei erhoffen sich die Forscher auch Auskunft über den Schaffensprozess und die Farben, die Rembrandt benutzte. Das Bild soll dann auf der Basis der gesammelten Informationen restauriert – vor allem gesäubert – werden. An einigen Stellen sind Farben verwischt und ist das Bild von einer weißlichen Schicht bedeckt. Die »Operation Nachtwache« wird mindestens ein Jahr dauern; die Kosten werden auf drei Millionen Euro veranschlagt.

Rembrandt Harmenszoon van Rijn wird als einer der größten Künstler aller Zeiten verehrt. Der geniale Maler verlieh dem Goldenen Zeitalter, der Blütezeit seiner Heimat, besonderen Glanz. Vor 350 Jahren, am 4. Oktober 1669, starb er in Amsterdam – völlig verarmt. Er hatte mehr als 300 Werke geschaffen. »Die Nachtwache«, sein berühmtestes, malte er nicht nach der damaligen Konvention als Gruppenbild. Es wirkt vielmehr wie eine dramatische Momentaufnahme: Das Hündchen kläfft, die Männer zücken die Waffen – gleich werden sie ausrücken.

Die »Nachtwache« wurde zuletzt 1976 restauriert, als ein psychisch kranker Mann sie im September 1975 mit Messerstichen beschädigte. Einen weiteren Anschlag gab es im April 1990, als ein Mann Schwefelsäure auf das monumentale Gemälde spritzte. Ein Museumswärter eilte hinzu und schüttete demineralisiertes Wasser auf die Stelle, das die Säure neutralisierte. Großer Schaden wurde verhindert, doch die Attentate schockierten das ganze Land, denn Rembrandts Meisterwerk hat über seinen künstlerischen und kunsthistorischen Wert hin­aus auch eine symbolische Bedeutung: Es ist der Schatz der Niederlande.

1642 vollendete Rembrandt »Die Schützen vom Viertel II unter Leitung von Kapitän Frans Banninck Cocq«. Die stolzen Männer der Bürgerwehr ließen sich damals gerne abbilden. Die sogenannten Schützengemälde wurden zum Symbol für das Goldene Zeitalter, als die Holländer die Herren der Weltmeere und des Welthandels waren.

Für die großen holländischen Meister wie Rembrandt entwarf der Architekt Pierre Cuypers Ende des 19. Jahrhunderts eine »Kathedrale«: das Amsterdamer Reichsmuseum. Der Ort und die besondere Bedeutung des Gemäldes machten es aber auch schon immer attraktiv für Menschen, die mit einem Anschlag ein Zeichen setzen wollen, denn es ist wie ein Anschlag auf ein Heiligtum – erstmals Anfang Januar 1911, als ein arbeitsloser Seemann mit einem spitzen Schustermesser auf die »Nachtwache« einhackte.

Doch die »Nachtwache« hat schon ganz andere Dinge überstanden. Als das Gemälde 1715 ins neu erbaute Rathaus, den heutigen königlichen Palast, umziehen musste, standen die Stadtherren vor einem Problem. Es war damals etwa vier mal fünf Meter groß, viel zu groß für die vorgesehene Wand zwischen zwei Türen im neuen Rathaus. Kurzerhand griff man zum Messer und schnitt an drei Seiten einen Streifen ab - als wäre es eine Tapete.

Zu Rembrandts 350. Todestag stehen die Niederlande 2019 ganz im Zeichen des Meisters. Mit Ausstellungen und Rundgängen ehren Städte und Museen im ganzen Land den Maler und sein Werk. Prinzessin Beatrix eröffnete das Themenjahr »Rembrandt und das Goldene Zeitalter« Ende Januar im Mauritshuis in Den Haag.

aus: WESTFALEN-BLATT, Dienstag, 9.Juli 2019, S.20 Kultur/Fernsehen (dpa)

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ich habe gestern auf SPIEGEL-ONLINE zuerst von der untersuchung und restaurierung der "nachtwache" gelesen und habe dann spontan den link: https://www.rijksmuseum.nl/nl/nachtwacht angeclickt, der dort angegeben war.

und da konnte ich - inzwischen schon zum wiederholten male überhaupt sehen, wie locker die niederländer so etwas handhaben und betreiben: da wurde u.a. mit 3d-tricks dem gemälde im wahrsten sinne des wortes "zu leibe gerückt". und was andernorts vielleicht hinter einem großen vorhang oder sogar hinter einer aus holz gezimmerten verschalung stattfinden würde, nämlich die restaurierung und untersuchung des bildes mit allen modernen und digitalen infrarot- und röntgenbild-rafinessen, geschieht im rijksmuseum in einem davorgebauten  aufwändig errichteten höhenverstellbaren glas"aquarium", wo besucher und internet-zuschauer alle arbeiten wie in einem labor mitverfolgen können.

und die cleveren museumskuratoren haben direkt oben über dem life-bild einen kleinen schalter angebracht, wo man "tickets" zum besuch des museums "in real life" sofort buchen kann, um selbst mit dabeizusein, wenn die neugier dazu treibt.

also soviel geschäftssinn und offenheit würde ich mir andernorts und in ähnlichen situationen auch wünschen: zum beispiel könnten die elendigen und leidigen "nachtsitzungen" bei organisationen und regierungen ganz einfach offen life übertragen werden, denn es sind ja zumeist unsere "volksvertreter", die dort verhandeln - und dadurch ja vielleicht endlich mal zu normalen sitzungszeiten zwischen 09.00 und 18.00 uhr zurückkehren, oder auch besondere bauarbeiten an besonderen bauwerken könnten so "einsehbarer" angezeigt werden.

also - lass dir die liveübertragungen der restaurierungsarbeiten an der "nachtwache" nicht entgehen und suche vielleicht das museum auch direkt auf - es lohnt sich bestimmt - und ist vielleicht für manche auch spannender als eine ehrfürchtige meditative betrachtung mit anschließendem smartphone-foto aus der ferne über die köpfe der besuchermenge hinweg ... 

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