Wenn Blondi unter dem Esstisch zu Füßen Adolf Hitlers lag, versetzte ihr Eva Braun ab und zu heimlich einen kleinen Tritt. Blondi jaulte dann kurz auf, und Hitler ermahnte die Schäferhündin, Ruhe zu geben. Hitlers Freundin, so hieß es in ihrem Bekanntenkreis, sei ziemlich eifersüchtig auf Blondi gewesen, weil der »Führer« das Tier immer bei sich duldete; selbst bei Fahrten im Regierungswagen saß es an seiner Seite.
Hitler und Blondi waren so etwas wie das Dream-Team der Nazi-Ikonografie. In ihrer Nähe wirkte der Diktator tierlieb und volksnah, zugleich aber demonstrierte das Bild von Herr und Hund ein eindeutiges Machtverhältnis, also jene bedingungslose Unterwerfung, die Hitler von den Deutschen forderte.
Die Geschichte von der Eifersucht Eva Brauns auf Blondi findet sich in der lesenswerten Studie »Tiere im Nationalsozialismus« von Jan Mohnhaupt. Der erfolgreiche Sachbuchautor (»Der Zoo der anderen«) beschreibt in seinem neuen Werk nicht nur die symbolische Bedeutung der Tiere in der Diktatur, sondern auch deren reale Gegenwart im Leben der Nazielite.
Hitler, so hat Mohnhaupt recherchiert, besaß zwischen 1922 und 1945 etwa zwölf Schäferhunde, darunter drei Hündinnen, die den Namen Blondi trugen, und drei Rüden, die er Wolf nannte. Hunde mussten für ihn stark, treu und »reinrassig« sein, die Scottish Terrier Eva Brauns verspottete er nur als »Handfeger«.
Eigentlich durfte man annehmen, schon hinlänglich über die privaten Seiten des Diktators informiert zu sein. Seine Angst vor engen sozialen Kontakten, seine Verdauungsprobleme und sein reduziertes Sexualleben – all das ist längst erforscht, nun also auch das noch: Hitler und sein Verhältnis zu Tieren. Doch peripher sind Mohnhaupts Erkenntnisse keineswegs, seine Studie enthüllt viel über die Psyche des Völkermörders und seiner Entourage.
Persönliche Nähe, zum Beispiel, konnten die Nazis nur zu den Wesen zulassen, die von ihnen abhängig waren. Wohl kaum eine Kreatur wurde von Hitler am Ende seines Lebens so geliebt wie der wenige Wochen alte Schäferhund Wolf, der im April 1945 die letzten Stunden mit ihm im Bunker teilen musste. Die Deutschen hatten ihn, wie er behauptete, enttäuscht, nur der kleine Welpe aus Blondis jüngstem Wurf schien ihm noch treu ergeben.
Im Schäferhund, dem Abkömmling des Wolfes, erkannten die führenden Nazis jenes Raubtier, das sie selbst sein wollten. Hitler ließ sich im privaten Kreis mit dem Spitznamen Wolf anreden, seine Hauptquartiere im Krieg nannte er Wolfsschanze oder Wolfsschlucht. »Wir kommen als Feinde!«, drohte sein Weggefährte Joseph Goebbels bereits 1928 den anderen Parteien. »Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.«
Raubtiere verhielten sich in der Logik der Nationalsozialisten zu Haustieren wie Herrenmenschen zu Untermenschen. Und so wurde das gesamte Tierreich in Gut und Böse aufgeteilt. Katzen etwa, so behauptete damals der Nazischriftsteller Will Vesper, seien die Juden unter den Tieren. Sie stellten nicht nur den Singvögeln nach, sie seien auch tückisch und falsch.
Ganz anders dagegen große Raubkatzen wie Tiger oder Panther. Sie waren auch für den Menschen gefährlich, also gut. Nach ihnen benannte Hitlers Wehrmacht ihre Panzer für den Russlandfeldzug (und, in unseliger Tradition, später die Bundeswehr ihren »Leopard«).
Im Haushalt des Nazipolitikers Hermann Göring lebten zwischen 1933 und 1940 insgesamt sieben Löwen. Erst wenn die Jungtiere eine gewisse Größe erreicht hatten, wurden sie ausgetauscht. Im Unterschied zu Hitlers Vorliebe für Schäferhunde galt Görings Löwenliebe allerdings als Ausdruck einer gewissen Dekadenz, Bilder von Göring und seinem Löwen Mucki wurden kaum verbreitet.
»Nicht blasen, der Löwe wird wild«
Göring nahm das Tier eines Tages sogar zu einem Jagdausflug auf das Jagdschloss Rominten mit – eine Aktion, die, wie Mohnhaupt berichtet, erhebliche Verwirrung beim Personal des Gutes gestiftet habe. Als Görings Auto vorfuhr, sei zunächst sein Adjutant aufgeregt herausgesprungen, um den angetretenen Jagdhornbläsern den üblichen Willkommensgruß zu verbieten (»Nicht blasen, der Löwe wird wild«). Danach sei Göring samt Mucki aus dem Wagen geklettert und habe das Tier mangels Käfig ins Badezimmer gesperrt – das der junge Löwe dann gründlich vollpinkelte, während sein Herrchen durch die Wildnis stapfte, um möglichst kapitale Hirsche zu schießen.
Wer sich mit wilden Tieren umgibt, der möchte mit diesen Wesen auch stets identifiziert werden. Göring wollte natürlich so stark wie ein Löwe erscheinen, Hitler so wild wie ein Wolf.
Der Reichsbauernführer erklärte das Schwein zur »Leitrasse« der nordischen Völker.
Und die SS-Leute in Buchenwald offenbar so gefährlich wie Bären. Unmittelbar neben dem Zaun des Konzentrationslagers Buchenwald ließen sie 1938 einen Bärenzwinger errichten. Die Tiere im »Zoo Buchenwald« sollten den Familien der SS-Leute zur Unterhaltung dienen, aber selbstverständlich war die Ansammlung gefährlicher Raubtiere auch eine Drohgebärde, adressiert an die Häftlinge hinter dem Zaun.
Die Nazis respektierten domestizierte Tiere im Grunde nur dann, wenn sie nützlich waren. Das galt für Pferde, die im Krieg als Zugtiere millionenfach eingesetzt wurden (und den hungernden Soldaten in Stalingrad als letzte Nahrungsreserve dienten). Und es galt für Schweine, die besonders hohes Ansehen genossen. Sie waren für die Fleischversorgung der Bevölkerung unverzichtbar. Reichsbauernführer Richard Walther Darré erklärte das Schwein gar zur »Leitrasse« der nordischen Völker.
Das Halten dieser Tiere, so argumentierte Darré, habe die Germanen sesshaft gemacht, Juden und Muslime hingegen hätten sich bis heute nicht vom Nomadentum gelöst, weil sie den Verzehr von Schweinefleisch ablehnten – womit für ihn erwiesen war, dass sich die »Semiten« auf einer niedrigeren Kulturstufe befanden.
Darré verbreitete den Begriff von »Blut und Boden« und auch sonst eine Menge Unsinn. Seinen Posten als Reichsernährungsminister verlor er 1942 vor allem deswegen, weil sich herausstellte, dass sich die Deutschen trotz seiner Schweinebegeisterung nicht mehr aus eigenen Kräften ernähren konnten.
Die Nazis ließen die besetzten Länder im Laufe des Krieges im großen Stil ausrauben, um die eigene Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Zugleich prüfte man den Einsatz von Schädlingen zur Gegnerbekämpfung. Schon im Ersten Weltkrieg hatten sich die Kontrahenten gegenseitig beschuldigt, Massen von Kartoffelkäfern hinter den Linien ausgesetzt zu haben, um die Ernten der Feinde zu zerstören.
Im Zweiten Weltkrieg, 1943, ließ die »Kartoffelkäfer-Forschungsstelle« des Reiches einen Großeinsatz ganz offiziell testen. Aus 8000 Meter Höhe wurden 14 000 Käfer über der Stadt Speyer abgeworfen. Man wollte überprüfen, ob die Schädlinge diesen Sturz überleben konnten. Die Antwort lautete: ja, allerdings konnten am Ende nur 57 Käfer am Boden gefunden werden. Diese eher konventionelle Form einer Biowaffe entpuppte sich also als unbrauchbar.
Die Tiersymbolik der Nazis setzte Schädlinge, Ratten, Wanzen oder Läuse stets mit jenen Menschen gleich, die zur Bedrohung des Deutschtums erklärt wurden, Slawen etwa und vor allem Juden. Schon Kindern, so zeigt Mohnhaupt in seiner Studie, wurden solche Vergleiche vermittelt. So heißt es in einem populären Kinderbuch dieser Zeit, »dass es die Juden sind, die für die Menschen die gleiche Gefahr bedeuten wie die Wanzen«.
Die Betroffenen waren solchen Demütigungen hilflos ausgeliefert. Nur einmal, so berichtete der Auschwitz-Überlebende Primo Levi, soll es zu einer kuriosen Form von Gegenwehr gekommen sein. Demnach sammelten die Wäscherinnen eines Konzentrationslagers Läuse aus den Kleidern toter Häftlinge, um sie dann unter die Hemdkragen der frisch gewaschenen SS-Uniformen zu setzen – ein verzweifelter Racheakt, der die Schreckensherrschaft der Nazis freilich auch nicht beenden konnte.
Hitler ist auf den Hund gekommen - Foto WELT | picture alliance / Mary Evans Pi |
Das gelang allein den alliierten Truppen. Als die Sowjets schon die Außenbezirke der Reichshauptstadt Berlin erreicht hatten, ließ der angeblich so tierliebe Hitler erst seine Hündin Blondi mit Zyankali vergiften und dann deren fünf Welpen, darunter den kleinen Wolf, erschießen. Am 30. April 1945 tötete er sich selbst. Psychologen sprechen hier von einem »erweiterten Suizid«.
- Jan Mohnhaupt: »Tiere im Nationalsozialismus«. Hanser; 256 Seiten; 22 Euro.
- Text: Martin Doerry im SPIEGEL 22/2020 v. 23.05.20 - KULTUR / Zeitgeschichte
wenn man genau hinschaut, wirkt oben der herr göring nicht gerade souverän und angstfrei bei seiner begegnung mit dem löwen mucki ...
aber mucki war ja eben auch eine katze, eine wildkatze größeren ausmaßes, und eben die katzen galten ja bei nazi's als tückisch und falsch...
überhaupt wurden ja damals etwas simple menschliche charakterattribute einfach auf die tierwelt übertragen - aber das gab es ja eben nicht nur vor 80/90 jahren bei den nazis, sondern findet sich ja heute noch hier und da.
zum glück gibt es inzwischen tierpsychologen und talentierte "tierflüsterer", die die reaktionen unserer domestizierten gefährten genau studiert haben - und offensichtlich gar ihre "sprache" sprechen und ihre instinkte analysieren können, in dem sie beispielsweise das beim hund innewohnende rudel-hierarchie-verhalten mit seinen "gesetzen" simultan mitdenken in ihrem umgang mit den vierbeinern.
ansonsten ist das halten von junglöwen in privatwohnungen wie bei herrn göring sicherlich heute nicht mehr gestattet, weil es sicherlich nicht "artgerecht" durchgeführt werden konnte - auch nicht für einen "reichsmarschall", wie damals der militärische rang extra für göring geschaffen wurde. und das ist für beide seiten - mensch & tier - auch sicherlich gut so.
in den hunderttausenden von jahren, die der hund, vom wild- und raubtier wolf abstammend, nun schon insgesamt den menschen begleitet als treuer freund, haben sich beide lebewesen so aneinander gewöhnt, dass man ohne einander in einem haushalt mit tier kaum noch klar kommt - und der hund hat ja schon als rettungs- und spürhund regelrechte jobs übernommen - und ist durch "ki", künstliche intelligenz, darin sicherlich gar nicht zu ersetzen.
er ist ja auch als begleiter von menschen, die blind oder erblindet oder auch anderweitig behindert sind, als helfer und navigator kaum mehr wegzudenken, allerdings kommt es dabei auch darauf an, wie beide partner miteinander harmonieren und sich vertrauen können.
ob auch bei den begegnungen von "blondi" oder "wolf" mit adolf hitler angestrebt wurde, sich auf dauer quasi "auf augenhöhe" zu begegnen - in gegenseitigem "respekt" und in der akzeptanz der jeweiligen eigenständigkeit und anderartigkeit, sei mal dahingestellt.
die eifersüchteleien von eva braun gegenüber dem tier und ihre fußtritte unter dem tisch und die prompten zurechtweisungen dann durch hitler lassen nicht darauf schließen. man war als pärchen halt auf den hund gekommen - und nur in der verschrobenen logik der allerletzten tage ist dann auch nachzuvollziehen, dass die tiere mit in den tod mussten - und einfach über den haufen geschossen wurden...
aber mucki war ja eben auch eine katze, eine wildkatze größeren ausmaßes, und eben die katzen galten ja bei nazi's als tückisch und falsch...
überhaupt wurden ja damals etwas simple menschliche charakterattribute einfach auf die tierwelt übertragen - aber das gab es ja eben nicht nur vor 80/90 jahren bei den nazis, sondern findet sich ja heute noch hier und da.
zum glück gibt es inzwischen tierpsychologen und talentierte "tierflüsterer", die die reaktionen unserer domestizierten gefährten genau studiert haben - und offensichtlich gar ihre "sprache" sprechen und ihre instinkte analysieren können, in dem sie beispielsweise das beim hund innewohnende rudel-hierarchie-verhalten mit seinen "gesetzen" simultan mitdenken in ihrem umgang mit den vierbeinern.
ansonsten ist das halten von junglöwen in privatwohnungen wie bei herrn göring sicherlich heute nicht mehr gestattet, weil es sicherlich nicht "artgerecht" durchgeführt werden konnte - auch nicht für einen "reichsmarschall", wie damals der militärische rang extra für göring geschaffen wurde. und das ist für beide seiten - mensch & tier - auch sicherlich gut so.
in den hunderttausenden von jahren, die der hund, vom wild- und raubtier wolf abstammend, nun schon insgesamt den menschen begleitet als treuer freund, haben sich beide lebewesen so aneinander gewöhnt, dass man ohne einander in einem haushalt mit tier kaum noch klar kommt - und der hund hat ja schon als rettungs- und spürhund regelrechte jobs übernommen - und ist durch "ki", künstliche intelligenz, darin sicherlich gar nicht zu ersetzen.
er ist ja auch als begleiter von menschen, die blind oder erblindet oder auch anderweitig behindert sind, als helfer und navigator kaum mehr wegzudenken, allerdings kommt es dabei auch darauf an, wie beide partner miteinander harmonieren und sich vertrauen können.
ob auch bei den begegnungen von "blondi" oder "wolf" mit adolf hitler angestrebt wurde, sich auf dauer quasi "auf augenhöhe" zu begegnen - in gegenseitigem "respekt" und in der akzeptanz der jeweiligen eigenständigkeit und anderartigkeit, sei mal dahingestellt.
die eifersüchteleien von eva braun gegenüber dem tier und ihre fußtritte unter dem tisch und die prompten zurechtweisungen dann durch hitler lassen nicht darauf schließen. man war als pärchen halt auf den hund gekommen - und nur in der verschrobenen logik der allerletzten tage ist dann auch nachzuvollziehen, dass die tiere mit in den tod mussten - und einfach über den haufen geschossen wurden...
Hermann & Mucki - sinedi.mach.@rt |
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