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Nicht bla­sen: Görings Löwe wird wild




Wenn Blon­di un­ter dem Ess­tisch zu Fü­ßen Adolf Hit­lers lag, ver­setz­te ihr Eva Braun ab und zu heim­lich ei­nen klei­nen Tritt. Blon­di jaul­te dann kurz auf, und Hit­ler er­mahn­te die Schä­fer­hün­din, Ruhe zu ge­ben. Hit­lers Freun­din, so hieß es in ih­rem Be­kann­ten­kreis, sei ziem­lich ei­fer­süch­tig auf Blon­di ge­we­sen, weil der »Füh­rer« das Tier im­mer bei sich dul­de­te; selbst bei Fahr­ten im Re­gie­rungs­wa­gen saß es an sei­ner Sei­te.

Hit­ler und Blon­di wa­ren so et­was wie das Dream-Team der Nazi-Iko­no­gra­fie. In ih­rer Nähe wirk­te der Dik­ta­tor tier­lieb und volks­nah, zu­gleich aber de­mons­trier­te das Bild von Herr und Hund ein ein­deu­ti­ges Macht­ver­hält­nis, also jene be­din­gungs­lo­se Un­ter­wer­fung, die Hit­ler von den Deut­schen for­der­te.

Die Ge­schich­te von der Ei­fer­sucht Eva Brauns auf Blon­di fin­det sich in der le­sens­wer­ten Stu­die »Tie­re im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus« von Jan Mohn­haupt. Der er­folg­rei­che Sach­buch­au­tor (»Der Zoo der an­de­ren«) be­schreibt in sei­nem neu­en Werk nicht nur die sym­bo­li­sche Be­deu­tung der Tie­re in der Dik­ta­tur, son­dern auch de­ren rea­le Ge­gen­wart im Le­ben der Na­zie­li­te.

Hit­ler, so hat Mohn­haupt re­cher­chiert, be­saß zwi­schen 1922 und 1945 etwa zwölf Schä­fer­hun­de, dar­un­ter drei Hün­din­nen, die den Na­men Blon­di tru­gen, und drei Rü­den, die er Wolf nann­te. Hun­de muss­ten für ihn stark, treu und »rein­ras­sig« sein, die Scot­tish Ter­ri­er Eva Brauns ver­spot­te­te er nur als »Hand­fe­ger«.

Ei­gent­lich durf­te man an­neh­men, schon hin­läng­lich über die pri­va­ten Sei­ten des Dik­ta­tors in­for­miert zu sein. Sei­ne Angst vor en­gen so­zia­len Kon­tak­ten, sei­ne Ver­dau­ungs­pro­ble­me und sein re­du­zier­tes Se­xu­al­le­ben – all das ist längst er­forscht, nun also auch das noch: Hit­ler und sein Ver­hält­nis zu Tie­ren. Doch pe­ri­pher sind Mohn­haupts Er­kennt­nis­se kei­nes­wegs, sei­ne Stu­die ent­hüllt viel über die Psy­che des Völ­ker­mör­ders und sei­ner En­tou­ra­ge.

Per­sön­li­che Nähe, zum Bei­spiel, konn­ten die Na­zis nur zu den We­sen zu­las­sen, die von ih­nen ab­hän­gig wa­ren. Wohl kaum eine Krea­tur wur­de von Hit­ler am Ende sei­nes Le­bens so ge­liebt wie der we­ni­ge Wo­chen alte Schä­fer­hund Wolf, der im April 1945 die letz­ten Stun­den mit ihm im Bun­ker tei­len muss­te. Die Deut­schen hat­ten ihn, wie er be­haup­te­te, ent­täuscht, nur der klei­ne Wel­pe aus Blon­dis jüngs­tem Wurf schien ihm noch treu er­ge­ben.

Im Schä­fer­hund, dem Ab­kömm­ling des Wol­fes, er­kann­ten die füh­ren­den Na­zis je­nes Raub­tier, das sie selbst sein woll­ten. Hit­ler ließ sich im pri­va­ten Kreis mit dem Spitz­na­men Wolf an­re­den, sei­ne Haupt­quar­tie­re im Krieg nann­te er Wolfs­schan­ze oder Wolfs­schlucht. »Wir kom­men als Fein­de!«, droh­te sein Weg­ge­fähr­te Jo­seph Go­eb­bels be­reits 1928 den an­de­ren Par­tei­en. »Wie der Wolf in die Schaf­her­de ein­bricht, so kom­men wir.«

Raub­tie­re ver­hiel­ten sich in der Lo­gik der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten zu Haus­tie­ren wie Her­ren­men­schen zu Un­ter­men­schen. Und so wur­de das ge­sam­te Tier­reich in Gut und Böse auf­ge­teilt. Kat­zen etwa, so be­haup­te­te da­mals der Na­zi­schrift­stel­ler Will Ves­per, sei­en die Ju­den un­ter den Tie­ren. Sie stell­ten nicht nur den Sing­vö­geln nach, sie sei­en auch tü­ckisch und falsch.

Ganz an­ders da­ge­gen gro­ße Raub­kat­zen wie Ti­ger oder Pan­ther. Sie wa­ren auch für den Men­schen ge­fähr­lich, also gut. Nach ih­nen be­nann­te Hit­lers Wehr­macht ihre Pan­zer für den Russ­land­feld­zug (und, in un­se­li­ger Tra­di­ti­on, spä­ter die Bun­des­wehr ih­ren »Leo­pard«).

Im Haus­halt des Na­zi­po­li­ti­kers Her­mann Gö­ring leb­ten zwi­schen 1933 und 1940 ins­ge­samt sie­ben Lö­wen. Erst wenn die Jung­tie­re eine ge­wis­se Grö­ße er­reicht hat­ten, wur­den sie aus­ge­tauscht. Im Un­ter­schied zu Hit­lers Vor­lie­be für Schä­fer­hun­de galt Gö­rings Lö­wen­lie­be al­ler­dings als Aus­druck ei­ner ge­wis­sen De­ka­denz, Bil­der von Gö­ring und sei­nem Lö­wen Mucki wur­den kaum ver­brei­tet.

»Nicht bla­sen, der Löwe wird wild«

Gö­ring nahm das Tier ei­nes Ta­ges so­gar zu ei­nem Jagd­aus­flug auf das Jagd­schloss Ro­m­in­ten mit – eine Ak­ti­on, die, wie Mohn­haupt be­rich­tet, er­heb­li­che Ver­wir­rung beim Per­so­nal des Gu­tes ge­stif­tet habe. Als Gö­rings Auto vor­fuhr, sei zu­nächst sein Ad­ju­tant auf­ge­regt her­aus­ge­sprun­gen, um den an­ge­tre­te­nen Jagd­horn­blä­sern den üb­li­chen Will­kom­mens­gruß zu ver­bie­ten (»Nicht bla­sen, der Löwe wird wild«). Da­nach sei Gö­ring samt Mucki aus dem Wa­gen ge­klet­tert und habe das Tier man­gels Kä­fig ins Ba­de­zim­mer ge­sperrt – das der jun­ge Löwe dann gründ­lich voll­pin­kel­te, wäh­rend sein Herr­chen durch die Wild­nis stapf­te, um mög­lichst ka­pi­ta­le Hir­sche zu schie­ßen.

Wer sich mit wil­den Tie­ren um­gibt, der möch­te mit die­sen We­sen auch stets iden­ti­fi­ziert wer­den. Gö­ring woll­te na­tür­lich so stark wie ein Löwe er­schei­nen, Hit­ler so wild wie ein Wolf.

Der Reichsbauernführer erklärte das Schwein zur »Leitrasse« der nordischen Völker.

Und die SS-Leu­te in Bu­chen­wald of­fen­bar so ge­fähr­lich wie Bä­ren. Un­mit­tel­bar ne­ben dem Zaun des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Bu­chen­wald lie­ßen sie 1938 ei­nen Bä­ren­zwin­ger er­rich­ten. Die Tie­re im »Zoo Bu­chen­wald« soll­ten den Fa­mi­li­en der SS-Leu­te zur Un­ter­hal­tung die­nen, aber selbst­ver­ständ­lich war die An­samm­lung ge­fähr­li­cher Raub­tie­re auch eine Droh­ge­bär­de, adres­siert an die Häft­lin­ge hin­ter dem Zaun.

Die Na­zis re­spek­tier­ten do­mes­ti­zier­te Tie­re im Grun­de nur dann, wenn sie nütz­lich wa­ren. Das galt für Pfer­de, die im Krieg als Zug­tie­re mil­lio­nen­fach ein­ge­setzt wur­den (und den hun­gern­den Sol­da­ten in Sta­lin­grad als letz­te Nah­rungs­re­ser­ve dien­ten). Und es galt für Schwei­ne, die be­son­ders ho­hes An­se­hen ge­nos­sen. Sie wa­ren für die Fleisch­ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung un­ver­zicht­bar. Reichs­bau­ern­füh­rer Ri­chard Walt­her Dar­ré er­klär­te das Schwein gar zur »Lei­t­ras­se« der nor­di­schen Völ­ker.

Das Hal­ten die­ser Tie­re, so ar­gu­men­tier­te Dar­ré, habe die Ger­ma­nen sess­haft ge­macht, Ju­den und Mus­li­me hin­ge­gen hät­ten sich bis heu­te nicht vom No­ma­den­tum ge­löst, weil sie den Ver­zehr von Schwei­ne­fleisch ab­lehn­ten – wo­mit für ihn er­wie­sen war, dass sich die »Se­mi­ten« auf ei­ner nied­ri­ge­ren Kul­tur­stu­fe be­fan­den.

Dar­ré ver­brei­te­te den Be­griff von »Blut und Bo­den« und auch sonst eine Men­ge Un­sinn. Sei­nen Pos­ten als Reich­ser­näh­rungs­mi­nis­ter ver­lor er 1942 vor al­lem des­we­gen, weil sich her­aus­stell­te, dass sich die Deut­schen trotz sei­ner Schwein­ebe­geis­te­rung nicht mehr aus ei­ge­nen Kräf­ten er­näh­ren konn­ten.

Die Na­zis lie­ßen die be­setz­ten Län­der im Lau­fe des Krie­ges im gro­ßen Stil aus­rau­ben, um die ei­ge­ne Be­völ­ke­rung mit Nah­rungs­mit­teln zu ver­sor­gen. Zu­gleich prüf­te man den Ein­satz von Schäd­lin­gen zur Geg­ner­be­kämp­fung. Schon im Ers­ten Welt­krieg hat­ten sich die Kon­tra­hen­ten ge­gen­sei­tig be­schul­digt, Mas­sen von Kar­tof­fel­kä­fern hin­ter den Li­ni­en aus­ge­setzt zu ha­ben, um die Ern­ten der Fein­de zu zer­stö­ren.

Im Zwei­ten Welt­krieg, 1943, ließ die »Kar­tof­fel­kä­fer-For­schungs­stel­le« des Rei­ches ei­nen Groß­ein­satz ganz of­fi­zi­ell tes­ten. Aus 8000 Me­ter Höhe wur­den 14 000 Kä­fer über der Stadt Spey­er ab­ge­wor­fen. Man woll­te über­prü­fen, ob die Schäd­lin­ge die­sen Sturz über­le­ben konn­ten. Die Ant­wort lau­te­te: ja, al­ler­dings konn­ten am Ende nur 57 Kä­fer am Bo­den ge­fun­den wer­den. Die­se eher kon­ven­tio­nel­le Form ei­ner Bio­waf­fe ent­pupp­te sich also als un­brauch­bar.

Die Tier­sym­bo­lik der Na­zis setz­te Schäd­lin­ge, Rat­ten, Wan­zen oder Läu­se stets mit je­nen Men­schen gleich, die zur Be­dro­hung des Deutsch­tums er­klärt wur­den, Sla­wen etwa und vor al­lem Ju­den. Schon Kin­dern, so zeigt Mohn­haupt in sei­ner Stu­die, wur­den sol­che Ver­glei­che ver­mit­telt. So heißt es in ei­nem po­pu­lä­ren Kin­der­buch die­ser Zeit, »dass es die Ju­den sind, die für die Men­schen die glei­che Ge­fahr be­deu­ten wie die Wan­zen«.

Die Be­trof­fe­nen wa­ren sol­chen De­mü­ti­gun­gen hilf­los aus­ge­lie­fert. Nur ein­mal, so be­rich­te­te der Ausch­witz-Über­le­ben­de Pri­mo Levi, soll es zu ei­ner ku­rio­sen Form von Ge­gen­wehr ge­kom­men sein. Dem­nach sam­mel­ten die Wä­sche­rin­nen ei­nes Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Läu­se aus den Klei­dern to­ter Häft­lin­ge, um sie dann un­ter die Hemd­kra­gen der frisch ge­wa­sche­nen SS-Uni­for­men zu set­zen – ein ver­zwei­fel­ter Ra­che­akt, der die Schre­ckens­herr­schaft der Na­zis frei­lich auch nicht be­en­den konn­te.

Hitler ist auf den Hund gekommen - Foto WELT | picture alliance / Mary Evans Pi


Das ge­lang al­lein den al­li­ier­ten Trup­pen. Als die So­wjets schon die Au­ßen­be­zir­ke der Reichs­haupt­stadt Ber­lin er­reicht hat­ten, ließ der an­geb­lich so tier­lie­be Hit­ler erst sei­ne Hün­din Blon­di mit Zy­an­ka­li ver­gif­ten und dann de­ren fünf Wel­pen, dar­un­ter den klei­nen Wolf, er­schie­ßen. Am 30. April 1945 tö­te­te er sich selbst. Psy­cho­lo­gen spre­chen hier von ei­nem »er­wei­ter­ten Sui­zid«.
  • Jan Mohn­haupt: »Tie­re im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus«. Han­ser; 256 Sei­ten; 22 Euro.
  • Text: Martin Doerry im SPIEGEL 22/2020 v. 23.05.20 - KULTUR / Zeitgeschichte

wenn man genau hinschaut, wirkt oben der herr göring nicht gerade souverän und angstfrei bei seiner begegnung mit dem löwen mucki ...

aber mucki war ja eben auch eine katze, eine wildkatze größeren ausmaßes, und eben die katzen galten ja bei nazi's als tückisch und falsch... 

überhaupt wurden ja damals etwas simple menschliche charakterattribute einfach auf die tierwelt übertragen - aber das gab es ja eben nicht nur vor 80/90 jahren bei den nazis, sondern findet sich ja heute noch hier und da.

zum glück gibt es inzwischen tierpsychologen und talentierte "tierflüsterer", die die reaktionen unserer domestizierten gefährten genau studiert haben - und offensichtlich gar ihre "sprache" sprechen und ihre instinkte analysieren können, in dem sie beispielsweise das beim hund innewohnende rudel-hierarchie-verhalten mit seinen "gesetzen" simultan mitdenken in ihrem umgang mit den vierbeinern.

ansonsten ist das halten von junglöwen in privatwohnungen wie bei herrn göring sicherlich heute nicht mehr gestattet, weil es sicherlich nicht "artgerecht" durchgeführt werden konnte - auch nicht für einen "reichsmarschall", wie damals der militärische rang extra für göring geschaffen wurde. und das ist für beide seiten - mensch & tier - auch sicherlich gut so.

in den hunderttausenden von jahren, die der hund, vom wild- und raubtier wolf abstammend, nun schon insgesamt den menschen begleitet als treuer freund, haben sich beide lebewesen so aneinander gewöhnt, dass man ohne einander in einem haushalt mit tier kaum noch klar kommt - und der hund hat ja schon als rettungs- und spürhund regelrechte jobs übernommen - und ist durch "ki", künstliche intelligenz, darin sicherlich gar nicht zu ersetzen.

er ist ja auch als begleiter von menschen, die blind oder erblindet oder auch anderweitig behindert sind, als helfer und navigator kaum mehr wegzudenken, allerdings kommt es dabei auch darauf an, wie beide partner miteinander harmonieren und sich vertrauen können. 

ob auch bei den begegnungen von "blondi" oder "wolf" mit adolf hitler angestrebt wurde, sich auf dauer quasi "auf augenhöhe" zu begegnen - in gegenseitigem "respekt" und in der akzeptanz der jeweiligen eigenständigkeit und anderartigkeit, sei mal dahingestellt.

die eifersüchteleien von eva braun gegenüber dem tier und ihre fußtritte unter dem tisch und die prompten zurechtweisungen dann durch hitler lassen nicht darauf schließen. man war als pärchen halt auf den hund gekommen - und nur in der verschrobenen logik der allerletzten tage ist dann auch nachzuvollziehen, dass die tiere mit in den tod mussten - und einfach über den haufen geschossen wurden...

Hermann & Mucki - sinedi.mach.@rt

This is the end ... - ein Nachruf

Eine Meldung und ihre Geschichte


Ausriss BILD v. 06.01.2020


Wolfs­spur

Ein zum Abschuss freigegebener, berüchtigter Wolf wurde in Niedersachsen von einem Fahrzeug tödlich angefahren. Ein Nachruf.

Viel­leicht muss die Ge­schich­te die­ses Wolfs mit sei­nem Ende be­gin­nen. Am Ende der Jagd stieß GW924m mit ei­nem Fahr­zeug zu­sam­men, er er­litt schwe­re in­ne­re Ver­let­zun­gen, er schlepp­te sich etwa drei Ki­lo­me­ter wei­ter, bis er bei Gif­horn zu­sam­men­brach. Jä­ger fan­den ihn am 6. Ja­nu­ar, stark ver­west, in ei­nem Wald­stück im Laub. Er wur­de in eine Pa­tho­lo­gie nach Ber­lin ge­fah­ren, ihm wur­de Ge­we­be ent­nom­men, wel­ches be­wies, dass es sich um GW924m han­delt, den Wolf, über den man im Nor­den Deutsch­lands lan­ge ge­spro­chen hat­te. GW wie Grau­er Wolf, 924 als ge­ne­ti­sche Ken­nung, männ­lich.

131 Nutz­tie­re hat­te GW924m in an­dert­halb Jah­ren und 64 An­grif­fen fast nur in Schles­wig-Hol­stein ge­ris­sen. Er galt als ge­fähr­li­cher Wolf, der mehr Scha­fe ge­tö­tet hat­te als wohl je ein an­de­rer Wolf im Land.

37 Tage spä­ter er­hielt Jens Mat­zen, 63, Wolfs­be­treu­er in Schles­wig-Hol­stein, eine E-Mail mit der Nach­richt, dass GW924m tot sei.

Mat­zen sitzt in ei­nem Se­mi­nar­raum des zu­stän­di­gen Lan­des­amts bei Kiel, er hat ein vom Wet­ter ge­rö­te­tes Ge­sicht. Mat­zen ist ge­lern­ter Forst­wirt und sagt, dass er ja ei­gent­lich Wöl­fe be­treue, aber in letz­ter Zeit vor al­lem die Men­schen.

Vor 19 Jah­ren wur­den das ers­te Mal wie­der Wolfs­wel­pen in Deutsch­land ge­bo­ren, rund tau­send Wöl­fe le­ben mitt­ler­wei­le hier, aber die Men­schen hät­ten sich noch im­mer nicht dar­an ge­wöhnt, dass der Wolf zu­rück sei. GW924m hat die Sa­che nicht bes­ser ge­macht.

Wenn man Mat­zen nach GW924m fragt, nennt er ihn prä­zi­se, schlau, ge­wieft. In Mat­zens Stim­me liegt An­er­ken­nung. Bei­na­he al­les, was er über GW924m sa­gen kann, weiß er aus den Be­rich­ten, Pro­to­kol­len und Bil­dern der Riss­gut­ach­ter, also der Men­schen, die die Ver­let­zun­gen der Nutz­tie­re do­ku­men­tie­ren. »Man lebt dann prak­tisch mit dem Wolf«, sagt er.

Ge­bo­ren wur­de GW924m im Jahr 2017 in Dä­ne­mark bei Ul­fborg, nahe ei­nem Na­tur­schutz­ge­biet. Er hat min­des­tens sie­ben Ge­schwis­ter. Wöl­fe sind so­zia­le Tie­re, das Ru­del küm­mert sich gut um die Jun­gen, bis die­se mit ein bis zwei Jah­ren da­von­zie­hen. Und so lief auch GW924m im Früh­jahr 2018 in Rich­tung Sü­den und nahm wahr­schein­lich eine Schwes­ter und zwei Brü­der mit. Die Schwes­ter starb auf der A 23, ein Bru­der kehr­te zu­rück in die Hei­mat, der an­de­re Bru­der lief zur Nord­see­küs­te. GW924m zog es süd­wärts, bis in die Krei-se Stein­burg, Pin­ne­berg, Se­ge­berg. Dort blieb er zu­nächst. Mat­zen, der Wolfs­be­treu­er, hör­te zum ers­ten Mal von GW924m nach dem ers­ten Scha­f­riss des Wolfs im Juli 2018. Es folg­ten wei­te­re Scha­fe, vie­le Scha­fe, Scha­fe hin­ter elek­tri­schen Wei­de­zäu­nen, die in der Re­gel 30 bis 40 Zen­ti­me­ter hoch sind. Für GW924m wa­ren sie kein Hin­der­nis.

Mat­zen wur­de als Wolfs­be­treu­er hin­zu­ge­zo­gen, er riet den Schaf- und Zie­gen­hal­tern, ihre Zäu­ne zu er­hö­hen, für Ma­te­ri­al kam das Land auf. Sie bau­ten strom­füh­ren­de Net­ze an Stan­gen, 1,05 bis 1,08 Me­ter hoch. Die­se Höhe gilt als wolfs­si­cher. GW924m über­wand sie. »Manch­mal muss­te man den Hut zie­hen«, sagt Mat­zen an die­sem Tag im Lan­des­amt, an dem GW924m schon seit vie­len Wo­chen tot ist.

Ab Ja­nu­ar 2019 be­gann eine Task Force, nach dem Wolf zu su­chen, eine klei­ne Grup­pe Jä­ger, die auf­brach, um GW924m zu er­le­gen. Wöl­fe sind eine durch vie­le recht­li­che Re­ge­lun­gen ge­schütz­te Art, es greift das Wa­shing­to­ner Ar­ten­schutz­ab­kom­men, die Ber­ner Kon­ven­ti­on, die Fau­na-Flo­ra-Ha­bi­tat-Richt­li­nie 92/​43/​EWG, das Bun­des­na­tur­schutz­ge­setz. Nur wenn der Wolf nicht zu bän­di­gen ist, wird er zum Ab­schuss frei­ge­ge­ben. Ab Herbst wur­de die Zahl der Jä­ger er­höht.

Die Jä­ger durf­ten, so war es fest­ge­legt, nur im Re­vier des zum Ab­schuss frei­ge­ge­be­nen Tie­res ja­gen, da­mit sie nicht aus Ver­se­hen den fal­schen Wolf er­schie­ßen. Es schien fast, sagt Mat­zen, als habe GW924m die Ge­fahr ge­spürt: Er be­gann, sein Re­vier re­gel­mä­ßig zu ver­las­sen.

Wo­che um Wo­che ver­ging, und Wo­che um Wo­che leb­te GW924m wei­ter. Die Lo­kal­zei­tun­gen schrie­ben »Pro­blem­wolf wird zum Pro­blem.« Der Um­welt­mi­nis­ter des Lan­des sag­te im In­ter­view: »Wir ar­bei­ten in­ten­siv dar­an, den Ab­schuss des Pro­blem­wolfs zu er­rei­chen.« Das Raub­tier hat­te eine De­bat­te aus­ge­löst. Wolfs­schüt­zer be­gan­nen, im Wald zu wan­dern, um die Jä­ger zu stö­ren.

Auf eine ge­wis­se Art jag­ten sich mitt­ler­wei­le auch die Men­schen.

»Ein Wolf mag kei­ne Kon­flik­te«, sagt Mat­zen. Wann ge­nau sich GW924m aus dem Staub mach­te, ist nicht klar. Am 25. Ok­to­ber 2019 riss er Scha­fe süd­lich von Schwe­rin, Meck­len­burg Vor­pom­mern, rund 130 Ki­lo­me­ter ent­fernt von sei­nem ei­gent­li­chen Re­vier. Da­nach blieb es ru­hig. Viel­leicht war er, glaubt Mat­zen, für die Men­schen un­sicht­bar ge­wor­den, weil er eine Part­ne­rin ge­fun­den hat­te und ver­stärkt Rehe jag­te. Wie fast im­mer bei Wöl­fen weiß der Mensch es nie ge­nau.

Wenn man mit Mat­zen über den Wolf spricht, nennt er ihn 924, als sei es ein Ko­se­na­me. 924 war in Nie­der­sach­sen ge­stor­ben, um dort­hin zu ge­lan­gen, könn­te er durch die Elbe ge­schwom­men sein, viel­leicht bei Amt-Neu­haus, wo der Fluss ei­nen Knick macht und schmal wird. »Da hast du uns so lan­ge zum Nar­ren ge­hal­ten und bist jetzt so ge­en­det«, dach­te Mat­zen, als er von dem Tod des Tiers hör­te. Mat­zen fin­det: Es war ein gu­ter Tod für ei­nen Wolf, der von so vie­len ge­jagt wur­de. Ein neu­tra­ler Tod, ohne Schuld.

Sein Ka­da­ver wur­de in der Pa­tho­lo­gie in Ber­lin im Com­pu­ter­to­mo­gra­fen ge­scannt, GW924m wur­de ge­wo­gen und ver­mes­sen, auf Krank­hei­ten un­ter­sucht und dann ent­sorgt, ver­brannt, in der Tier­kör­per­be­sei­ti­gungs­an­stalt.

Text: Barbara Hardinghaus | DER SPIEGEL 11/2020 reporter

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manchmal stellen die medien, die man so konsumiert - aufschlägt, betrachtet, studiert, liest - eine ganz eigenartige performance von bildern und meldungen zusammen.

heute z.b. sah ich eine kurzreportage von einem biolandwirt, der bio-schweine züchtete zum verzehr durch das unersättliche raubtier mensch.

sein stall sah optisch sauber und gepflegt aus - und mir als zuschauer wurde mitgeteilt, dass das fleich der schlachtschweine umso besser schmeckt, desto weniger stress sie bei ihrem schlachthaustod entwickelten.

also ging der gute den schweinen von kleinauf bekannte bio-schweinezüchter mit auf den letzten weg und setzte kaltblütig den elektroschocker ein und tötete die schweine, eins ums andere - ganz stressfrei, weil sie von ihrem bezugs-bio-bauern bisher ja nur gutes erfahren hatten. er streute ihnen ja das futter hin, sprach sie liebevoll an und verwöhnte sie regelrecht - bis zu ihrem jähen tod zum verzehr durch uns menschen.

gestern hörte ich noch, dass leider das lukrative asiengeschäft des massenschlachters tönnies mit schweine-öhrchen, schwänzchen, schnäuzchen und ich meine auch pfötchen (man beachte das verniedlichende "...chen" am ende der kleinteil-listen-aufzählung) nach china durch die corona-krise gestört wäre - und ganze kühlcontainer dieser angeblich so leckeren inhalte auf ihre abfuhr warteten. aber: keine sorge - die kühlkette dieser schweinereste sei i.o. - und alles ging seinen regelrechten gang ...

der gemeine chinese verzehrt also öhrchen vom schlachthof aus rheda-wiedenbrück. ja das ist mal globaler handel & wandel vom feinsten.

und dann heute der obige artikel zu "gw924m", der, wie sein "betreuer" meint, geradezu "prä­zi­se, schlau, ge­wieft" 131 nutztiere, zumeist wohl schafe, zumeist aus schleswig-holstein gerissen hat - in 547 tagen, bei 64 angriffen.

das ist schon im ersten moment eine ansehnliche strecke für einen einsamen wolf - aber wiederum: 131 verblutete und angebissene schafe in 547 tagen, dass ist sicherlich schon auch eine gewisse wolfs-diät, eine schlankheitskur mit viel abstinenz-tagen zwischendurch und versteckspiel vor seinen ihn jagenden jägern, die ihm auflauern sollten: bei 64 angriffen ist das jede gute woche ein angriff mit gut 2 angeknabberten "gerissenen" tieren - im schnitt...

wenn man dagegen die kaltherzige massentötung durch den bio-schweinzüchter betrachtet - unter vortäuschung falscher tatsachen und grobem vertrauensbruch - und die nicht beförderten kühlcontainer mit dem schweinekleinkram für die menschlichen raubtiere in asien, ja dann wird mir gw924m noch regelrecht sympathisch. und ich danke dem "spiegel" für seinen nachruf. denn so wird gw924m zumindest virtuell ein bleibendes andenken gesichert. 

auf seinem letzten "bild"-foto von joachim remitz oben sieht man ja auch, der war nicht etwa dick und fett angefressen und vollgefüllt mit ja auch von menschen geschätzten leckerem lammfleisch - nee - das war ein armer abgemagerter gejagter einsamer zeitgenosse, bevor er dann nach seinem unfall und dem schmerzhaften schrecklichen 3 kilometer langen todesmarsch, nach seinem jämmerlichen zusammenbruch, dann nach gründlicher untersuchung der tierabdeckerei zugeführt wurde.

und wir lesen ja: "es war ein gu­ter tod für ei­nen wolf, der von so vie­len ge­jagt wur­de. ein neu­tra­ler tod, ohne schuld" - ein ehrlicher tod also, den man den armen bio-schweinen und den china-kleinkram-schwein"chen" sicherlich nicht bescheinigen kann.


  • mir fiel adeles 007-song "skyfall" -  dazu ein, das ich dem gw924m ausdrücklich widmen möchte:




SKYFALL SONGTEXT ÜBERSETZUNG

Das hier ist das Ende.
Halte den Atem an und zähle bis 10.
Spüre, wie die Erde bebt
und dann hör auf mein Herz – wie es zerspringt.

Weil – DAS hier - ist das Ende!
Während meines Untergangs,
habe ich von diesem Moment geträumt,
Er war längst überfällig und ich bin ihnen jetzt was schuldig
Viel zu lange war ich wie vom Erdboden verschwunden...

Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt, werden wir aufrecht stehen
und gemeinsam antreten in Skyfall.

Hier fangen wir neu an,
tausend Meilen und Pole voneinander entfernt,
wo die Welten aufeinander krachen
und die Tage im Schatten liegen.
Vielleicht hast du meine Nummer - kann sein.
Du kannst auch meinen Namen haben – aber
NIEMALS wirst du mein Herz besitzen!

Wo auch immer du bist, ich folge dir
Was du siehst, sehe ich auch
und ich weiß, dass ich niemals ich selbst sein kann
ohne den Schutz deiner liebevollen Umarmung,
die alles Böse von mir fern hält.
Komm, nimm meine Hand und wir stehen das gemeinsam durch.

Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt,
werden wir aufrecht dastehen

und gemeinsam antreten in Skyfall.



... und - übrigens - man kann den wolf auch als mensch richtig liebgewinnen - trotz unseres künstlich genetisch angelegten "rotkäppchen-trauma" ... - sieh selbst:


der wolf lebt mit und nicht gegen uns

"Rotkäppchen" nach Gustave Doré vom Graveur Francoise Pannemaker (1862) - Montage: S!|art




Zwischen Mythos und Märchen

Kölner Museum erforscht das schlechte Image des Wolfs

Von Christoph Driessen


Der Wolf ist zurück in Deutschland. Passend dazu untersucht eine Ausstellung sein Bild in der Kunst. Der Kurator hat sogar eine Theorie dazu entwickelt, warum der Wolf ein so schlechtes Image hat. Man muss dafür 2000 Jahre zurückgehen.

»Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot«, jubeln die sieben Geißlein im Märchen der Brüder Grimm. Aber das war einmal – der Wolf ist quicklebendig. Ostwestfalen, ja selbst Teile des Ruhrgebiets gehören mittlerweile offiziell zu seinem Revier. Und mit der Rückkehr des Raubtiers ist das alte Bild von der Schafe reißenden, Menschen bedrohenden Bestie wieder da.

Diese verengte Sicht wird jetzt durch eine kleine, aber interessante Kunstausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum erweitert. Bis Ende April sind in der Schau »Zwischen Mythos und Märchen« etwa 30 Wolf-Darstellungen seit dem 16. Jahrhundert zu sehen, darunter Werke von Giovanni Benedetto Castiglione, Peter Paul Rubens, Gustav Doré, Lovis Corinth und Max Klinger.

Holzschnitt von 1578:
Romulus & Remus und die säugende Wölfin
Ein positives Bild des Wolfs vermittelt zum Beispiel die antike Sage von Romulus und Remus, die von einer Wölfin – Mamma Lupa – gesäugt werden. Man könnte Rudyard Kiplings Mogli hinzufügen, der ebenfalls bei Wölfen aufwächst. Die nordamerikanischen Indianer verehrten den Wolf.

Im deutschen Märchen und im Volksglauben überwiegt jedoch das Bild vom blutrünstigen Monster. Jeder, der im Zoo oder einem Wildgehege schon mal einem leibhaftigen Wolf gegenübergestanden hat, wird sich fragen, womit dieses Tier – kaum furchteinflößender als ein Schäferhund – das verdient hat. Thomas Ketelsen, der Kurator der Kölner Ausstellung, hat dazu eine interessante Theorie entwickelt: Der Kunsthistoriker verweist auf die antike Legende von König Lykaon, der Menschenopfer darbringt. Die Götter verwandeln ihn daraufhin zur Strafe in einen Wolf.

Die Geschichte fand große Verbreitung und kann vielleicht erklären, warum die Menschen im Wolf immer schon etwas Dunkleres gesehen haben als nur ein wildes Tier. Der Wolf stünde demnach für die Überschreitung zivilisatorischer Grenzen, für das Tier im Menschen schlechthin. »Ich glaube, es ist diese Besetzung, die dem Wolf ganz unterschwellig – kein Mensch weiß mehr davon – bis heute anhaftet«, meint Ketelsen. Das Motiv wurde im Mittelalter von Werwolf-Sagen aufgenommen – auch hier ist das Tier wieder ein verwandelter Mensch. Im bekanntesten Wolfsmärchen »Rot­käppchen« wiederum symbolisiert er die sexuelle Gier des Mannes. Eigentlich ist es also nie das Tier, das böse ist, sondern der darin versteckte Mensch.

Die Märchen entstanden in der Frühen Neuzeit, als die Wälder in Europa großenteils abgeholzt wurden: Man benötigte das Holz zum Bauen und Heizen. Dadurch wurde der Lebensraum des Wolfs immer weiter eingeschränkt, und es kam zwangsläufig zu Konfrontationen. Auch das könnte mitgespielt haben. Die heutigen Waldbestände entstanden ganz überwiegend erst im 19. Jahrhundert durch Aufforstung.

»Auffällig ist, dass der Wolf in den Zeiten, als er tatsächlich noch eine Bedrohung war, durchweg als großes böses Tier dargestellt wurde«, erläutert Bilderbuch-Expertin Maria Linsmann. »Im 20. Jahrhundert dagegen, als er hier ausgestorben war, bekommen Darstellungen des Wolfs eine ironisch-witzige Note – er wird mitunter regelrecht verulkt.« Von dieser These ausgehend, müsste sich gerade jetzt wieder eine Verschiebung ergeben. »Ich vermute allerdings, dass der Tierschutz mittlerweile so stark ist, dass die allermeisten rufen werden: »Ach guck mal, der süße arme Wolf!«

»Wolf in Dreiviertelansicht« von Marcus de Bye  von 1659


Zur Ausstellung 
Die Ausstellung »Der Wolf zwischen Mythos und Märchen« im Wallraf-Richartz-Museum Köln läuft bis zum 28. April. Geöffnet ist sie von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat bis 22 Uhr (Eintritt 15 Euro, ermäßigt 11 Euro). Zur Ausstellung erschienen ist ein kleiner Katalog mit Essays.

WESTFALEN-BLATT, Mittwoch 6. Februar 2019 - S. 23 KULTUR

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von wegen: "der wolf ist tot - der wolf ist tot": der wolf lebt - und endlich wieder mitten unter uns - und ich wohne sogar in einem ausgewiesenen wolfsgebiet, insofern ist er ja irgendwie auch mein nachbar - aber ob ich in seinem revier eine existenzberechtigung habe - das steht auf einem anderen blatt...

erinnere dich doch mal an den film "der mit dem wolf tanzt" mit kevin costner, vor fast 30 jahren (1990) abgedreht. die indianer haben in dem streifen dem costner - im film heißt er dunbar - diesen namen gegeben, weil ein wolf immer seine nähe aufsucht. überhaupt haben die indigenen völker auch "in echt jetzt" mit dem wolf gelebt - sicherlich in gegenseitigem respekt der "reviere" - und bei übertretungen mit den entsprechenden konsequenzen - ansonsten aber in einer jahrtausende alten friedlichen koexistenz.

denn auch unser heutiger haushund (canis lupus familiaris), mit dem wir so gern herumtollen und der auch als hüte- und helfertier und sogar als kamerad des jägers, als jagdhund, eingesetzt wird, wird ja, wie der lateinische name schon sagt, dem wolf (canis lupus) als unterart zugeordnet. 

wann die domestizierung stattfand, ist umstritten; wissenschaftliche schätzungen variieren zwischen 15.000 und 100.000 jahren vor unserer zeit... eine solche domestizierung des wildtieres wolf zum kameraden haushund kann nur allmählich über jahrtausende hinweg entstanden sein im engen miteinander und in partnerschaft zwischen tier und mensch. in gegenseitiger neugier aufeinander und im werben mit "futter" um die gunst. und alles andere ist mythos und märchen und futterneid. 

und ob ich als bewohner eines wolfreviers deshalb jetzt angst habe ?
nö - keineswegs - ich wohne im 9. obergeschoss und ich freue mich schon auf den tag, wenn der wolf - oder bei uns ist es wohl eine wölfin - über das riesen-abenteuerspielplatz-areal von einem höher gelegenen schulhof herunterkommend unten vor dem haus über wiesen und sandkästen streift - oder gerade aus dem kleinen angrenzenden wäldchen tritt...

der wolf geht immer schnurgerade den nächsten weg zu seinem ziel, so ist sein inneres "navi" wohl vorprogrammiert, habe ich neulich von einem wolfs-experten gelesen, sodass er eben auch mal mitten durch ein dorf streifen kann - und auch am kindergarten vorbei (i.w.: "vorbei") - und eben deshalb auch hier über den spiel- oder schulplatz laufen kann ...

denn wenn der wolf gesund ist - also auch nicht mit dem tollwut-virus infiziert ist, das auch viele füchse in freier wildbahn heimsucht - ist er "von natur aus" eigentlich ein menschenscheues tier, das sich nichts aus uns macht und uns meidet, und sich nicht darum kümmert, was sich links oder rechts von seinem pfad tut ... er mag keine menschen, aber er liebt kleine schafe - nicht weil sie so putzig aussehen, sondern weil sie ihm gut schmecken - das hat er zum beispiel auch mit den griechischen menschen oder den anderen balkanbewohnern gemein, die auch gern lammfleisch essen -  und er reißt auch mal kleine rehe, kaninchen vielleicht - eben alles was ein fuchs auch fressen würde - aber eben eine nummer größer ...

und wir leben ja auch friedlich ohne jede hysterie mit dem fuchs: in berlin trotten die sogar mir nichts dir nichts inzwischen über die straße und gehören zum stadtbild - und ich habe dort vor 5 jahren einen fuchs beobachtet, der aus einem grünstreifen spazierte, vor der roten fußgängerampel anhielt (weil wohl zuviel autos da die straße befuhren) - und korrekt bei grün über den überweg tapperte ...

es werden noch ein paar jahrzehnte vergehen, bis dann auch der wolf so durch die großstadt streift, aber wenn er gezielt angefüttert wird und in mülltonnen beim schlachthof seine leckerlis findet, wird er sich dorthin seinen weg bahnen ... 

er ist einfach teil der belebten natur - so wie wir - aber als "krone der schöpfung", die wir uns selbst aufgesetzt haben, vergessen wir das oft: dass die tiere und auch die pflanzen unsere gefährten sind - gefährten, die unser leben begleiten und bereichern - so wie wir ihr leben möglichst in respekt begleiten - und mit dem ur-ur-ur-enkel vom wolf, mit dem hund, klappt das ja über jahrtausende schon ganz gut - nur die katze hat da noch so ihren eigenen kopf: tiere, die ganz einfach nach nahrung suchen für sich und ihre jungen - so wie wir - und die - mit uns - einfach ihre wege gehen - im friedlichen miteinander ...

und gerade lese ich in der neuen "zeit" folgenden satz:
  • "Außenpolitik wird zum Leben im Wolfserwartungsgebiet – voller neuer Gefahren, die gemanagt werden müssen." (aus: Jörg Lau - Der kalte Krieg taut auf - DIE ZEIT 07/2019, S.3)
in dieser "blumigen" - man könnte auch sagen "blutigen" - sprache rückt der journalist jürgen lau den begriff "wolfserwartungsgebiet" in die nähe "neuer gefahren" ... - da wird einfach um des "bildes" willen eine metapher erzeugt, die die alten vorurteile gegen den wolf wieder neu befeuern - einfach so und ohne jede not ... und bald setzt sich das dann als "gängiger sprachgebrauch" auch im deutschunterricht der schulen und in den journalistik-kursen fest ...: der begriff "wolfserwartungsgebiet" könnte auch etwas freundlicheres ausstrahlen - etwas, was positive spannung erzeugt - etwas, was man kaum noch aushält, was man kaum erwarten kann ...

nix für ungut - und chuat choan
  

peter wohlleben: herz und wald und wolf und schwein - alles intakt

galore | interviews, mittwoch 12.Dezember 2018

S!|art



»Geht in den Wald, 
macht ordentlich Krach!«
  • Auszug aus einem Galore-Interview mit dem "Wald"-Autor Peter Wohlleben
19. Oktober 2018, Wershofen in der Eifel. Er rufe an, hat Beatrice Braken-Gülke, seine Ansprechpartnerin vom Verlag, gesagt. Sie müsse ihn ein wenig schützen. Peter Wohlleben hatte 2009 ein Burn-out erlitten, vor zwei Jahren geriet sein Herz aus dem Takt. Um genau 10 Uhr vibriert das Telefon. Sofort bricht Wohllebens rheinische Frohnatur durch: Seine Stimme ist voll Singsang, Zuversicht und Humor. Er hat bis zum nächsten Termin eine Stunde Zeit. Er gibt sich gelassen, trinkt Kaffee und erklärt Wald, Wildschwein und Wolf. Im Hintergrund schlägt viertelstündlich eine Standuhr dunkel die Zeit. Das gibt Orientierung.

INTERVIEW: CHRISTOPH OELLERS | GALORE

Herr Wohlleben, heute Morgen schon im Wald gewesen?

Ja, klar. Ich wohne im Wald.

Und? Wie geht es ihm? Was gibt er von sich?

Der bereitet sich auf den Winterschlaf vor. Das ist analog zu den Bären zu sehen, der Wald hat sich die ganze Zeit mit Zucker vollgepumpt, um über den Winter zu kommen. Die Bäume sind ja dann nicht tot, die schlafen. Der Organismus arbeitet weiter, Zucker wird verbraucht, ohne dass neuer gebildet wird. So atmet der Wald jetzt im Winter auch nur noch CO2 aus, keinen Sauerstoff mehr.



Die gesunde Waldluft ist im Winter also nicht ganz so gesund.

So ist es. Aber dieser Sommer war natürlich sehr, sehr hart.

Die Dürre.

Ja, das ist aber nichts, was die Bäume nicht verkraften könnten.

Was für Geräusche hat er von sich gegeben heute Morgen?

Das weiß ich nicht. Da müsste ich in den Boden gehen, weil Pflanzen Geräusche mit den Wurzeln machen. Der Wald macht aber nicht nur Geräusche. Er kann auch hören, und jüngste Forschungen internationaler Wissenschaftler geben erste Hinweise, dass er wohl auch sehen kann.

Wie das?

So genau weiß man das noch nicht. Jedenfalls kann er nicht nur zwischen hell und dunkel unterschieden, da ist wohl noch mehr. Warten wir ab, was die Forschung noch ergibt.

S!|photography


Erschrecken Sie noch im Wald?

Nur wenn neben mir ein Baum umfallen würde. Das habe ich aber noch nicht erlebt. Für mich bedeutet Wald immer Entspannung, er ist für mich wie das verlängerte Wohnzimmer.

Da bringt Sie nichts aus der Ruhe? Auch kein Rascheln eines Tieres?

Die Leute denken immer, dass es nachts im Wald ganz unheimlich sei. Im Gegenteil: Da wird es deutlich ruhiger. Auch vom Wind her. Und die meisten Tiere schlafen.

Vom Wald kurz zu Ihnen, wie geht es Ihrem Herz?

Vor zehn Jahren hatte ich ein Burn-out, weil ich quasi im Alleingang den Wald retten wollte. Das hat nichts mit dem Schreiben jetzt zu tun, ich hatte einfach zu viele Verpflichtungen. Meine Frau hält jetzt eisern den Terminkalender im Griff.

.........

Bei Wolf und Wildschwein kommen sich Kultur- und Naturlandschaften ins Gehege, es gibt Stress. Wie damit umgehen?

Da muss man unterscheiden, wer die Ängste schürt. Beim Wolf sind das die Jäger und die Schafhalter. Die Schafhalter werden von der Politik alleine gelassen oder zumindest nicht ausreichend unterstützt, es gibt aber natürlich auch welche, die ihre Tiere nicht richtig einzäunen. Der zweite große Gegner sind Jäger. Der Wolf frisst ihnen den Rehbock, der nächstes Jahr auf der Trophäenschau die Goldmedaille holen sollte. Somit fängt man an, Märchen zu erzählen. Man kann die Menschen ja ganz einfach triggern, indem man sagt, dass ein Wolf in der Nähe einer Bushaltestelle gesehen worden sei. Und schon haben Sie da die Verbindung Wolf und Kind.

Rotkäppchen lässt grüßen.

Dabei sind Wölfe Opportunisten. Wenn die von A nach B wollen, laufen die keinen Bogen. Also laufen sie nachts auch mal durch ein Dorf. Tagsüber nicht, weil sie dem Menschen aus dem Weg gehen. Andererseits gibt es jährlich 30.000 Beißattacken von Hunden auf Menschen. Von Wölfen keine einzige. Wenn, dann müsste man also die Hunde verbieten.

Es besteht aber die Angst, dass es immer mehr werden.

Das wird sich in Grenzen halten, also bei maximal 2.000 Wölfen einpendeln. Das Revier eines Rudels mit sechs bis zehn Tieren ist 200 Quadratkilometer groß. Da werden Eindringlinge getötet.

Wie mit dem Wildschwein umgehen?

Auch die sind völlig harmlos. Nutzergruppen wie Förster und Jäger empfinden es als störend, wenn viele Menschen im Wald sind. Ich sage: Geht in den Wald, macht ordentlich Krach. Da entspannen sich die Tiere. Das stört aber natürlich Jäger bei der Ausübung ihres Hobbys. Also werden Gefahren beschworen: beispielsweise die Bache mit ihren Frischlingen. Nur: Wie viele Menschen werden pro Jahr von Wildschweinen verletzt? Wenn überhaupt, dann sind es Jäger, die den Tieren nachgehen und sie in die Enge treiben. Abgesehen vielleicht von Ausnahmen in städtischen Gebieten, wo Wildschweine Gärten umwühlen.

Ganz offensichtlich gibt es zu viele Wildschweine.

Das liegt an der Lockfütterung durch die Jäger. Wenn pro Wildschweinkilo zwölf Kilo Mais verfüttert werden – das Dreifache von dem, was es in der Massentierhaltung gibt –, dann setzen die Tiere diese Energie in Reproduktion um – und der Bestand geht durch die Decke. Wenn man also auf die Fütterung radikal verzichten würde – man macht so etwas ja auch nicht mit Dachsen –, könnte man die Jagd einstellen.

Kein Wunder, dass Sie bei Förstern und Jägern nicht sonderlich beliebt sind.

Ich gelte als Nestbeschmutzer. Wenn das einer macht, der als Förster auch noch im Dienst ist, ist das natürlich bitter. Man versucht das dann herunterzuspielen: ist alles unwissenschaftlich und so weiter. Aber klar, das ist auch der Reflex bei Massentierhaltern, wenn die erzählt bekommen, was für Gefühle Schweine haben.

Mitunter wird Ihre Sprache kritisiert: die Vermenschlichung, der kinderleichte Erklärungsstil. Wald und Märchenton passen gut zusammen, so besteht aber die Gefahr, dass man nicht ernst genommen wird.

Ich schreibe so, dass ich verständlich bin. Dahinter steckt knallharte konservative Forschung. Die Sprache ist nicht wissenschaftlich, die Vorgänge sind es schon. Ich habe 30 Jahre Waldführungen gemacht, und die habe ich aufgeschrieben – meine Bücher sind verschriftlichte Waldführungen.

Peter Wohlleben im Wald - galore-foto: Henning Ross


Aber Sie haben den Ton geändert.

Das hängt mit meiner eigenen Entwicklung zusammen, mit dem Burn-out. Und zusätzlich habe ich mir gesagt, dass ich nicht über, sondern aus der Perspektive des Protagonisten, also des Baumes, schreiben will. Außerdem habe ich die Tonart von Moll in Dur gewechselt; man hält das nicht aus, wenn es die ganze Zeit nur Alarmmeldungen gibt.

Permanente Erregung führt nur zu Herzbeschwerden und Unwohlsein.

Sie sagen es.

Wenn der Baum des Lebens nicht mehr Metapher ist, sondern zur Metaphysik wird: Was unterscheidet den Menschen noch von Fauna und Flora?

In der Frage steckt schon die Angst vor der Entthronung. Meine Antwort: Im Wesentlichen nichts. Das eine ist die Wissenschaft. Natürlich fliegen Bäumen nicht zum Mond. Aber bei den wesentlichen Dingen, also beispielsweise bei der Frage, wie man mit Krankheit umgeht oder wie man miteinander kooperiert und so weiter und so weiter – da gibt es unglaublich viel Parallelen. Also: Biologisch gesehen unterscheidet uns vom Baum gar nicht so viel, wie wir immer meinen.

Nachher ist der Baum noch der bessere Mensch.

Selbstverständlich nicht. Emotional gesehen bestehen nach wie vor sehr, sehr große Unterschiede. Wir sollten schon noch Egoisten bleiben. Mein Garten ist zum Beispiel ganz klar mein Revier. Da bestimme ich, was da wächst. Auch wenn ich für Schutzgebiete bin und im Garten eine gewisse Wildheit zulasse, mähe ich auch Rasen. Und Rasen mähen heißt: Da wächst nie ein Baum.

Wenn man einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch sowie Tier und Pflanze verneint, wird das Rechtsverständnis ein anderes. Wenigstens verfassungsrechtlich müsste man doch einiges ändern, also im Grundgesetz.

Das wäre ein starkes Signal. Die Tiere stehen schon drin. In der Schweiz auch die Pflanzen. Wenn wir Naturschutz betreiben, betreiben wir das nach wie vor so: Hier ist der Mensch, da ist die Natur. Wir beschützen uns in erster Linie selbst, wenn wir die Natur schützen. Die Natur werden wir nicht kaputtmachen können. Unser Öko- System, in dem wir leben, das kriegen wir hin.

Stehen wir vor einem Paradigmenwechsel oder gar einer Revolution?

Paradigmenwechsel ist gut, da kommen wir auf den Hambacher Forst. Hier manifestiert sich etwas, wo altes Establishment auf neues Denken prallt. Das hatten wir schon vor 30 Jahren und wurde von anderen politischen Themen verdrängt. Da knüpfen wir wieder an.

Sie denken an die 80er-Jahre, als die Grünen ihren Gründerzeitboom erlebten. Die Grünen sprechen nach dem Rodungsstopp von der „Geburtsstunde einer neuen Bewegung“.

Das ist ein Paradigmenwechsel in Bezug auf Wirtschaftswachstum: Der Schwerpunkt wird wieder auf die Natur gelegt. Wenn wir dieser helfen, lösen sich viele andere Probleme. Wie das Thema Flüchtlinge, das ja extrem mit Klimawandel, Wasserknappheit, Ressourcen zu tun hat.

Haben Sie schon Ihre letzte Ruhestätte ausgeguckt?

Wir legen zurzeit einen neuen Bestattungswald an...

...noch einen?

Ja, ja. Und da werde ich mir was aussuchen.

Der erste ist 15 Jahre alt. Wie viele Ruhestätten haben Sie bislang verteilt?

Um die 4.000.

Das haben Sie gemacht, um Urwald zu retten.

Ja, das ist eine Möglichkeit. Inzwischen haben wir aber auch ein Urwaldprojekt, bei dem man quadratmeterweise per Mausklick Urwald schützen kann, indem man Pate wird. Wir als Waldakademie pachten Wald von der Gemeinde, pro Quadratmeter vier Euro für 50 Jahre. So ein Quadratmeter Buchenurwald bindet 100 Kilo CO2, das entspricht etwa dem Ausstoß bei einer Autofahrt von 400 Kilometern.

Ihr Vorhaben erinnert ein wenig an Dschungelpatenschaften in Costa Rica.

Der Unterschied ist, dass man bei uns schauen kann, was man da erworben hat und dafür nicht in ein Flugzeug steigen muss. Der nächste Schritt ist, dass wir Waldflächen vor Berlin, Hamburg und München kaufen wollen, sodass die Wälder noch näher bei den Leuten sind, die gepachtet haben. Der Wald kommt zum Menschen zurück – das ist das Ziel.

Das gesamte Galore-Interview liest Du hier ...




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WOHLLEBENS BÜCHER 
Wohlleben hat mehrere Bestseller geschrieben, über Bäume, Tiere und die Natur als Netzwerk. Den Bänden gemeinsam ist eine einfache, leicht verständliche Sprache. Außerdem schreibt er in einem vermenschlichenden Ton, indem er die Perspektive seiner Beobachtung einnimmt – von Buchen, Schweinen, Regenwürmern und Eichhörnchen. Deswegen ist es nur konsequent, wenn Wohlleben zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen im Wesentlichen keine Unterschiede macht: Hier wie dort gebe es Schmerz, Trauer, Mitgefühl und die Fähigkeit zur Kommunikation. Dabei beruft Wohlleben sich stets auf wissenschaftliche Forschung. 
ZUR PERSON 
Peter Wohlleben (geboren 1964 in Bonn) ist Sohn eines Beamten im Bundesfinanzministerium der damaligen Hauptstadt. Er war vier, als die Eltern mit ihm und seinen drei Geschwistern 20 Kilometer rheinaufwärts nach Sinzig zogen. Nach dem Abitur studierte er Forstwirtschaft. Auf dem Gebiet der Gemeinde Hümmel in der Eifel fand er vor 27 Jahren seine Berufung als Diplomförster. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er unter dem Aspekt des nachhaltigen Forstens, indem er einen Teil des Reviers in einen Urwald verwandelte. Dafür ließ er ein Areal zu einem Bestattungswald ausweisen, um Fällungen zu stoppen. Zudem gründete er eine Waldakademie, die Führungen anbietet. Den Wald betreuen inzwischen überwiegend seine Mitarbeiter – Wohllebens Erfolg als Bestsellerautor kostet Zeit und Kraft. Er lebt in der Eifel, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

unser aller wald-guru peter wohlleben bestätigt das hier ja,  was ich schon neulich hier geäußert [click] habe zur wiederkehr des wolfes: da herrscht ein regelrechter psycho-krieg zwischen den wolfsschützern und den wolfsgegnern - und da wird mit manipulationen und unfairen mitteln gekämpft. und das ist durchaus gleichzusetzen mit dem krieg zwischen den aktivisten im hambacher forst und dem energieversorger rwe ...

um die schafherden zu schützen schlug ich auch laienhaft optische und akustische abwehrmittel vor - und wohlleben sagt ja auch: um euch vor eurer angst zu schützen vor der wildschweinrotte mit ihren frischlingen und dem bösen wolf: "geht in den wald - macht ordentlich krach", dann machen bache und fähe einen großen bogen - und das müsste ja auch mit der eingezäunten schafherde klappen, mit lichtschranken und gongs, klappern oder gar einer lautsprecher-anlage - oder so ähnlich ...

wohlleben meint ja sogar: der wald und die tiere würden sich bei orfentlichem krach sogar "entspannen" ...

ich weiß auch: peter wohlleben ist - besonders bei allen waidmännern und waidfrauen - äußerst umstritten - und das wird ja auch im interview erörtert.

er kriecht soweit in seine grünen protagonisten, als wäre er selbst jahrelang wald und buche und salamander gewesen - und könnte uns genau sagen, wie die miteinander im verbund und mit uns jeweils ticken.

natürlich modifiziert er dabei aber wissenschaftlich exakte erkenntnisse direkt in seine bäume und beritet das lesbar für laien auf ... - aber erst einmal zeigt er uns an: da ist was - da "läuft" auch zwischen den bäumen und pflanzen und tieren was, was unsere altvorderen noch ahnten oder auch noch instinktiv wussten, was aber die "aufklärung" und die jägerzunft und unsere industrialisierte produktions-landwirtschaft zum allergrößten teil aus unserem bewusstsein verdrängt haben ...

und dabei sagte noch meine oma, die als landfrau auf dem hof arbeitete: 
"quäle nie ein tier zum scherz, denn es fühlt wie du den schmerz" - und dem ist ja eigentlich nichts hinzuzufügen - und eine weitere landwirtin mit herz erzählte mir von ihren kühen, die sie alle  mit namen kannte, wie die ihr morgens beim melken nach einer unausgeschlafenen partynacht mit einem dreckigen kuhschwanz durchs gesicht fuhren, wenn sie unwirsch mal rasch ohne die notwendige einfühlung ans werk gehen wollte ... - "das merkten die - und sie wussten das ganz genau" ...
die kuh - das echte sensibelchen ... - und vielleicht auch die solitär-buche, die sich nach kumpels sehnt ...


wolfs-leid - update




tja - also ich glaube ja nicht an zufälle: neulich habe ich einen artikel in meiner heimatzeitung zum wolfs-aufkommen in der senne hier eingestellt und kommentiert - und heute finde ich auf www.zeit.de quasi das update dazu, die traurige und die emotionale fortsetzung.

ich habe gelernt, dass es wohl nur 13 jahre lang keinen freilebenden wolf in deutschland gegeben hat - ansonsten war er wohl immer irgendwo vorhanden, so dass sich nicht nur aus dem "rotkäppchen" sein aktueller "ruf" entwickelte ... er war nicht etwa seit 200 jahren ausgerottet, wie allgemein angenommen - und besonders in der alten ddr tauchte er wohl mal immer wieder aus dem osten kommend auf ... - und überwand todesstreifen und den stacheldraht, der ja zwischen den staaten des warschauer paktes eben nach osten hin nicht so unüberwindlich gespannt war ...

und da fällt es mir tatsächlich wie schuppen von den augen: es herrscht ja schon seit geraumer zeit ein verbissener regelrechter "wolfs-krieg" von befürwortern gegen wolfsgegnern - und während die einen alles tun, um den wolf als wildtier hier wieder heimisch zu machen und ihn zu schützen und unsere natur auf ihn mit abzustimmen - sind maffiöse - ja verbissene - wolfsjägerzirkel dabei, ihn abermals vollständig auszurotten - koste es was es wolle...

das scheint auch inzwischen landsmannschaftlich und politisch ein unversöhnlicher krieg zu sein, denn mich erfasst beim lesen über die "wolfsjäger" gerade auch im osten deutschlands ein ungutes gefühl, dass es tatsächlich um tiefliegendere jahrtausendealte archaische und nun hochkommende abwehrhaltungen dabei geht - geheimnisvoll und mit eigenartigen riten umflort - wo ich unwillkürlich eher an die psychiatrie denken muss und an einen "wolfs-wahn" als um den vorgegaukelten vernünftigen tier-, mensch- und naturschutz.

dass schäfer beim stichwort "wolf" an ihre herden denken und ihr schutzinstinkt angesprochen wird, ist ja natürlich und auch für mich laienhaft nachvollziehbar - und dass man gegen übergriffe der wölfe maßnahmen einziehen möchte und dafür staatliche förderungen benötigt - ist klar ... -  aber wenn man wölfe bestialisch tötet und irgendwie in einer art kadaverfledderei "kunst"voll drapiert, dann ist das für mich jedenfalls in erster linie pathologisch zu bewerten ...

und wenn ich aber nach der lektüre des "zeit"-artikels den eindruck gewinne, als würden diese pathologischen nuancen gruppenmäßig oder landsmannschaftlich mafiös "gepflegt" und zelebriert - scheinbar infiziert durch eine art gruppenepidemie, dann denke ich an den kukluxklan in amerika mit ihren kapuzen und lodernden fackeln und muss annehmen, als wäre der wolf als "eindringling" nur ein ersatz und ein symbol für eigentlich weitergehend gemeinte rassistische ressentiments vielleicht auch gegen menschen, gegen nachbarn, die einem vermeintlich das "futter" mit streitig machen ... und die eigene "art & rasse" einengen und in konkurrenz "im eigenen revier" treten ...

aber das wären ja nicht nur pathologisch-psychiatrische entgleisungen, da kämen dann ja noch die tiefen animalischen anteile von ganz simplen und primitivem "futterneid" unterster schublade mit ins spiel ... ("erst kommt das fressen - dann die moral" ... - brecht)

okay - ich will mich hier nicht als lesender laie zu weit aus dem fenster lehnen: ich kenne keinen der einzelfälle, erst recht keinen, den es antreibt, wölfe rituell umzubringen und die kadaver besonders zu platzieren, und natürlich weiß ich nicht, was diese menschen in ihrer kindheit erlebt haben und-und-und ... 

aber unter dem stichwort: "andere länder - andere sitten" kann ich das für mich innerlich auch nicht abhaken - es bewegt mich: da schießt mir plötzlich durch den kopf, dass man wohl irgendwo in asien auch hunde im speiselokal serviert bekommt - oder mir kommt das industrielle rudel-abschlachten von schweinen und rindern auf einem schlachthof in den sinn - und wie die meisten von uns ja genüsslich beim essen zulangen - und ich muss an die "campylobacter" im geflügelfleisch denken, wovon wohl bis zu 30 - 50 % des gekauften geflügelfleisches kontaminiert sind, wenn man es nicht "regelrecht" zubereitet ... - und dann bekommt man auch irgendwie "schiss" - und schaut die welt mit anderen augen an - aber ich hoffe das vergeht wieder - auch wenn ich es auch nur verdrängen aber nicht lösen kann ... - aber ich bleibe im kopf "pro wolf" eingestellt - das glaub ich aber ...

und trotzdem - nix für ungut - und chuat choan - 
und lies selbst:



Die Wolfsschädel hinter Glas © Thomas Victor für DIE ZEIT









Wölfe in Deutschland

Wie bei der Mafia

Seit es wieder Wölfe in Deutschland gibt, sind 35 von ihnen illegal getötet worden. Wer steckt dahinter?

Von Stefan Willeke

AUS DER
ZEIT NR. 01/2019


Über das, was in einer dieser warmen Frühsommernächte an einem See in der Lausitz passiert, wird es später kontroverse Ansichten geben. Der Landrat von Bautzen wird von einer "öffentlichen Hinrichtung" sprechen, der Staatsanwalt in Görlitz wird aus ermittlungstaktischen Gründen schweigen, und der Bürgermeister des sächsischen Städtchens Radibor wird "einen neuen militanten Zustand" feststellen. Wie alle Kriege ist auch dieser Krieg auf Interpretationen angewiesen, und so mischen sich Wahrheit und Unwahrheit auf unergründliche Weise. Waren es die Sorben?

Anfang Juni dieses Jahres, so viel steht fest, nähern sich unbekannte Täter Mortka, einem Straßendorf in der Lausitz mit 178 Bewohnern. Einige von ihnen, Angehörige einer slawischen Minderheit, sprechen noch heute Sorbisch. Mortkow heißt dieses Dorf in ihrer Sprache, was so viel bedeutet wie "Ort im sterbenden Wald". Daneben liegt ein kleiner See, das sogenannte Restloch, übrig geblieben aus der Zeit, als in dieser Gegend noch Braunkohle abgebaut wurde.

Im Morgengrauen des 10. Juni entdecken Spaziergänger, dass im Restloch eine Wasserleiche treibt, ein aufgedunsener Körper, völlig entstellt. Ein Mensch? Nein, an der Leiche haften noch Reste von Fell. Polizisten, die den Kadaver bergen, stecken ihn in einen Leichensack und schicken ihn zur Pathologin des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, wo der Körper in einen Computertomografen geschoben wird. Dann steht fest: Es ist ein Wolf, eine Tierart, die durch mehrere Gesetze streng geschützt ist. Der Körper des etwa einjährigen Wolfes wurde von Schrotkörnern durchsiebt, 40-fach, 80-fach, auch darüber gehen die Meinungen auseinander. Er muss aus nächster Nähe erschossen worden sein, sonst hätte ihn so viel Schrot nicht erwischt. Um den Bauch des Wolfes hatten die Täter einen Strick geschlungen, an den sie einen Betonklotz banden, bevor sie das Tier im See versenkten. Ein Verbrechen wie in einem Mafiafilm. Deswegen bekommt das Tier nun den Namen "Mafia-Wolf".

Sollte diese Tat wirklich unentdeckt bleiben? Die Leiche trieb nach wenigen Tagen auf, weil sich im verfaulenden Körper Gase gebildet hatten. Das hätten die Täter wissen können. Sie entschieden sich für ein flaches Gewässer, statt das Tier im Wald zu verscharren. Ging es ihnen um Aufmerksamkeit, um ein öffentliches Zeichen?

Es gibt eine Expertin, die es wissen könnte, aber nichts verrät. Noch laufen die Ermittlungen, der Fall "Mafia-Wolf" ist nicht abgeschlossen. "Ein Kavaliersdelikt ist das nicht", sagt Anke Stroh. Eine Polizistin wie sie gibt es kein zweites Mal in Deutschland. Beim Landeskriminalamt (LKA) in Dresden beschäftigt sich die 48-Jährige mit den illegalen Tötungen von Wölfen. Sie nennt sich Sachbearbeiterin im Dezernat für Korruption und Sonderfälle, aber Anke Stroh ist so etwas wie die Soko Wolf. Seit sich im Jahr 2000 das erste Wolfsrudel wieder ansiedelte, sind bundesweit rund 280 Wölfe zu Tode gekommen, die meisten von ihnen bei Verkehrsunfällen. 35 Tiere wurden von Menschen umgebracht.

Zwei Wölfe wurden in Brandenburg enthauptet, die Leiche des einen Tieres wurde unter ein Naturschutzschild gelegt. Geköpft wurde noch ein anderer Wolf, am Ostufer der Neiße, in Polen. "Die Kadaver liegen dann da wie auf einem Präsentierteller", sagt Anke Stroh. Offenbar wollen die Täter eine Botschaft absetzen: Wenn der Staat uns nicht vor Gefahren schützt, dann zeigen wir diesem Staat unseren Hass. Vertreibt die Wölfe, sonst töten wir sie!

Geht es um Wölfe, dann geht es fast nie allein um Wölfe. Von Beginn an sind sie symbolisch überhöht worden, von ihren Beschützern und ihren Gegnern. Der Wolf im Tierpark ist ein Langweiler, der stumpf an einem Zaun entlangschnürt. Aber der frei lebende Wolf, der Schafe und Rehe reißt und sich manchmal Siedlungen nähert, ist ein dezisionistisches Wesen, ein Entweder-oder-Tier. Entweder du bist für ihn, oder du bist gegen ihn. Und wenn du für ihn sein solltest: Bist du dann einer dieser Wolfsversteher, einer dieser rot-grün versifften Großstadtromantiker, die ihren Caffè Latte in den hippen Bars von Hamburg, Berlin oder München trinken, sich flehentlich mit der Umwelt versöhnen wollen, sensibel zwischen Wölfinnen und Wölfen unterscheiden und mit jeder lausigen Fliege mehr Mitleid haben als mit den Opfern eines Gewaltverbrechens? Und wenn du gegen den Wolf sein solltest: Gehörst du dann zu diesem rechten Gesindel, das Schusswaffen ungleich stärker verehrt als die Instrumente der Demokratie, das in den Hinterzimmern verwahrloster Dorfkneipen gegen Raubtiere, Feministinnen und den Fluch der Moderne hetzt und das die Republik gegen Einwanderer abschotten will, gegen Flüchtlinge ebenso wie gegen Wölfe?

Der Wolf ist ein politisches Tier, politischer als jedes andere in Deutschland. Der Wolf stellt keine Fragen, aber er wird benutzt, um mit seiner Hilfe Menschen eine Frage zu stellen, eine ins Maßlose vergrößerte Frage: Wo stehst du?

Wer könnte das getan haben?

Mit Volker Löser, dem Fachmann für Waffen beim LKA, setzt sich die Ermittlerin Stroh an einem frostigen Morgen im Dezember in einen schwarzen VW Passat und fährt zu Orten in Sachsen, an denen Wölfe gefunden wurden, illegal getötete Tiere. Auf einem Feldweg steigen die Polizisten aus dem Auto und erzählen die Geschichte von einem sieben Monate alten Wolfswelpen, der in der Mitte der Wiese neben einem Weg abgelegt wurde. Eine junge Spaziergängerin mit einem Kind entdeckte frühmorgens den Kadaver. Auf einem Foto sieht man, dass ein Kinderwagen neben der Leiche des Tieres stand. Nicht weit entfernt liegt das Dorf Mortka. In einem nahe gelegenen Wald wurde bereits ein anderer Wolf von Menschen zu Tode gehetzt. Das war an den Reifenabdrücken eines Autos und den Schrittlängen der Fährte zu erkennen, den Fußspuren eines extrem schnell rennenden Wolfes, auch daran, dass das Tier von hinten erfasst wurde und nicht – wie gewöhnlich bei einem Unfall – von der Seite. Wer könnte das getan haben?

Diese Frage hat sich die Polizistin Stroh oft gestellt, sie aber nie beantworten können. Als ein getöteter Wolf in der Nähe des sächsischen Dorfes Vierkirchen neben einen Waldweg gelegt wurde, hoffte Anke Stroh, dass es diesmal klappen werde. Reifenspuren eines Autos wurden gefunden, außerdem Blutstropfen auf einem Weg. Anke Stroh rief einen Hundeführer an, der zwei Hannoversche Schweißhunde mitbrachte, spezialisiert auf den Geruch wilder Tiere. Die Hunde verfolgten die Blutspur des Wolfes über eine Autobahnbrücke bis zu einem offenen Feld nahe der Quelle der Schwarzen Elster. Der tote Wolf war am Hals verletzt, wahrscheinlich war er an ein Auto gekettet und mitgeschleift worden. Belgische Schäferhunde, die sonst Rauschgift aufspüren, durchkämmten die Wiese – vergebens.

Der Waffenexperte Löser fand heraus, dass Patronen vom Kaliber 7,62 verwendet wurden, Allerweltsmunition wie etwa beim Schnellfeuergewehr G3 der Bundeswehr oder einer Kalaschnikow. Anke Stroh ließ Plakate mit dem Foto eines Wolfes drucken, sie hoffte auf Hinweise aus der Bevölkerung. Die Plakate wurden an Schulen, Bushaltestellen und auf Ämtern ausgehängt. Naturschützer setzten – wieder einmal – eine Prämie aus. Anke Stroh befragte 60 Zeugen, Woche für Woche zwei bis drei Menschen. Doch das Wort Zeuge trifft es nicht ganz. Denn keiner der Befragten hat irgendetwas Verdächtiges bemerkt.

Diese Täter müssen ihr Handwerk verstehen. Ein Laie ist kaum in der Lage, einen Wolf zu erschießen. Er müsste das Tier erst einmal sehen. Gewöhnlich ist ein Wolf sehr scheu. Es kann Monate dauern, bis selbst ein ortskundiger Beobachter auf einen Wolf stößt. Die Polizistin Stroh sagt: "Einen lebenden Wolf habe ich noch nie gesehen, obwohl ich in der Freizeit oft durch die Natur wandere."

Wird ein Wolf von Menschen gefüttert und gewöhnt sich an sie oder entdeckt er leichte Beute, eine Herde Schafe etwa, dann verliert sich manchmal seine Vorsicht. Dann kann es sogar passieren, dass er seelenruhig durch ein Dorf spaziert. Aber das geschieht selten.

Man kann im Internet zwar Gebrauchsanweisungen für das Töten von Wölfen studieren. Aber sich am Morgen vorzunehmen, bis zum Abend einen Wolf abzuknallen, wäre ein absurder Plan. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass die Täter ohnehin oft mit Waffen durch die Natur streifen, dort zufällig auf Wölfe stoßen – und abdrücken.

Anke Stroh ließ sich vom Landratsamt in Bautzen sagen, welche Bewohner eine Waffenbesitzkarte haben und wer die Jagdreviere in der Region gepachtet hat. Jäger mussten ihre Waffenschränke aufschließen und ihre Munition zeigen. Anke Stroh sagt: "Ich gehe immer systematisch vor." Aber keiner ihrer Fälle wurde gelöst. Am Ende, nachdem die getöteten Wölfe in der Forensik untersucht wurden und nur Knochen von ihnen übrig sind, landen sie in einer Dachkammer des Senckenberg-Instituts in Görlitz. Maria Jähde, eine Doktorandin, präpariert die Reste und archiviert sie. Vielleicht will ja mal ein Museum eine Ausstellung über Wölfe machen.

Zur Sammlung gehört auch der Schädel einer Wölfin, die man "Einauge" nannte. Die halb blinde Wölfin brachte 38 Welpen auf die Welt, sie war die Urmutter der Lausitzer Wölfe und wurde zwölf Jahre alt. Am Ende töteten Artgenossen sie. Bei der Untersuchung des Kadavers stellte sich heraus, dass mehrfach auf sie geschossen worden war. Davon zeugten eingewachsene Schrotkugeln. Auch in den Leichen anderer Wölfe, die mit Autos zusammengeprallt waren, wurden Partikel von Geschossen gefunden.

Die Doktorandin Maria Jähde ist verblüfft, "wie krass Wölfe inzwischen politisiert sind". Seit Jahren wird die Nachricht gestreut, die Wölfe in Sachsen seien keine reinrassigen Wölfe, sondern Mischlinge, die auch von streunenden Hunden abstammen. Wolfsgegnern dient diese Vermutung als gerissenes Argument dafür, dass diese Tiere zu töten sind – um die Art Wolf zu schützen. Wissenschaftlern wird deshalb vorgeworfen, die wahre Zahl der Hybriden zu verheimlichen.

Die drei S

Mal tritt der sächsische Verein "Sicherheit und Artenschutz" in Aktion, der finnische Wolfsgegner einfliegen lässt und sie zu Experten deklariert, die dann den Wolf vor lauter Hybriden nicht mehr sehen. Mal greifen Politiker der AfD solche Manöver auf und stellen im Parlament Anträge. Mal
Wild und Hund - Titelseite
fragt die Jägerzeitschrift Wild und Hund auf ihrer Titelseite: "Bastarde in Deutschland – Hunde im Wolfspelz?" Mal mischt die Initiative "Wolf – nein, danke" mit, nicht zu verwechseln mit der Facebook-Gruppe "Wolf – nein, danke", und beide wenden sich gegen die Vereinigung "Wolf ja, bitte. Ein Herz für Wölfe". Mal werden auf Dörfern in der Lausitz 12.000 Unterschriften gesammelt, mal 18.000, um gegen die Ausbreitung der Wölfe zu protestieren. Mal landen anonyme Schreiben bei den Wolfsforscherinnen des sächsischen Instituts Lupus: "Erst knallen wir die Wolfsfähen ab, dann die Wolfsweiber." Mal werden Wolfs-Mahnfeuer entfacht, zuletzt im September.

Auch Vinzenz Baberschke, der Bürgermeister der Gemeinde Radibor, gesellte sich zu den Protestierenden. Aber anders als viele dieser Aktivisten ist er bereit, sich mit Journalisten zu treffen. Er werde, sagte er am Telefon, im Steakhaus Longhorn in der Stadt Bautzen warten. Dort sitzt er dann an einem Tisch, an der Wand hinter ihm hängen Poster mit Revolverhelden. Auf einem Plakat steht: "How to be Texan". Aber der Bürgermeister ist kein Extremist, er sagt: "Auf beiden Seiten sehe ich Ideologen." Während des Mahnfeuers verlangte er von den anderen: "Bleibt sachlich." Wölfe, sagt er, wurden schon in der DDR geschossen, auf Geheiß der Staatsführung. Es stimmt nicht, was Umweltschützer des Verbandes Nabu ("Willkommen, Wolf") offiziell verkünden. Wölfe waren nicht 150 Jahre lang ausgerottet. In die DDR wanderten immer wieder Wölfe aus Polen ein. Auch tief im Westen, am Rande der Lüneburger Heide, wurde 1948 ein Wolf erlegt, der sogenannte Würger vom
Inschrift des Wolfsteins
für den "Würger vom
Lichtenmoor"in der 
Schotenheide bei
Ahlden (Aller) (Wiki)

Lichtenmoor. Für ihn wurde ein Gedenkstein errichtet. Genau genommen, waren Wölfe 13 Jahre lang verschwunden – zwischen 1987, dem Jahr des letzten dokumentierten Wolfsabschusses in der DDR, und dem Jahr 2000, als ein Rudel in der Lausitz heimisch wurde.

Unwahr ist auch die bei Wolfsfreunden beliebte Behauptung, in der Bundesrepublik sei nie ein Mensch von einem Wolf getötet worden. Im Jahr 1977 – dies belegen Archivunterlagen und Aussagen eines pensionierten Polizisten – griff ein Wolf in der Nähe von Bremen ein Kind an. Das Tier, das zu einem Privatzoo gebracht werden sollte, konnte sich aus seinem Käfig befreien und sprang vom Transporter. Danach biss der Wolf einen siebenjährigen Jungen tot, der im Wald spielte. Man muss diese vereinzelten Vorfälle nicht aufbauschen, aber genauso absurd wäre es, zu unterstellen, Wölfe seien so harmlos wie Rehe. "Angst vor Wölfen braucht niemand zu haben", erklärt der Naturschutzverband BUND.

Vinzenz Baberschke, der Bürgermeister von Radibor, fragt sich manchmal, wie er Bürgern erklären soll, dass sie ihre Hunde im Dorf anleinen müssen, Wölfe aber unbehelligt über die Straße laufen dürfen. In einigen Ortsteilen tun Wölfe das, sehr selten, aber es kommt vor. Der Bürgermeister fragt sich auch, warum in den endlosen Weiten Mecklenburg-Vorpommerns nur wenige Wölfe zu finden sind. "Ich habe eine Vermutung", sagt er, "diese Norddeutschen reden nicht über das, was sie mit ihnen tun."

An einem Abend im Dezember schlägt das Wetter um, und auf den Feldern rund um Bautzen bleibt der erste Schnee liegen. In einem Raum des Hotels Residence versammeln sich sechs angesehene Jäger. Der ehemalige "Aktionskreis Wolf" wird gleich tagen – ein Gremium, das sich in die "Arbeitsgruppe Wolf" des Landesjagdverbandes umbenannt hat. Arbeitsgruppe, das klingt ziviler, mehr nach Reden als nach Handeln. Die Jäger haben sich beraten, ausnahmsweise darf die ZEIT dabei sein.

Märkische Allgemeine - 
Das Warnschild vor Wölfen 
hängt am Ortsrand 
von Krahne (Potsdam-Mittelmark)
Da sitzen sie nun um einen Tisch, ein Professor mit dem Fachgebiet Landmaschinen, ausgezeichnet mit der goldenen Verdienstnadel des Deutschen Jagdverbandes, ein Pensionär aus dem Jagdverband Oberlausitz, ein Wildhändler von der CDU Niederschlesien, der Vorsitzende des Jagdverbandes Niederschlesische Oberlausitz, ein Mitglied des Präsidiums der sächsischen Landesjäger. Als der ehemalige Landarzt Adolf With, der Vorsitzende der kleinen Versammlung, das Wort ergreift, macht sich der Professor Notizen auf kariertem Papier mit Wildschwein-Motiven. Er reicht ein Foto herum, das auf einem Waldweg in der Lausitz aufgenommen wurde. Auf einem offiziellen Schild steht: "Achtung! WÖLFE! Kinder an die Hand nehmen, Hunde anleinen". Der Landrat von Bautzen hat erklärt: "Der Artenschutz richtet sich inzwischen gegen Menschen. Oder sollen wir bald auch Bären ansiedeln?"

"Wir sind keine Salonbiologen", sagt der Jäger im Tagungsraum. Ein anderer, der sich auf seinem Tablet Fotos toter Tiere anschaut, sagt: "Ich habe meinen letzten Schuss im Juni abgegeben." Wölfe hätten das Wild vertrieben. "Die Betroffenen wehren sich", sagt ein Dritter, bevor ein Vierter meint: "Es ist ein Krieg ausgebrochen zwischen Befürwortern und Gegnern. Der Wolf nimmt sich ungestraft, was er will. Meine Jagdkameraden in Polen erzählen mir: Wen interessiert der Wolf? Wir regeln das schon allein."

Ein Jäger zitiert Artikel 14 des Grundgesetzes, "Schutz des Eigentums". Sein Tischnachbar fragt: "Wer im Staat spricht endlich das Machtwort?" Kaum jemand kennt die Wälder besser als diese Jäger, die mitbekommen, wer sich wann in welchem Revier bewegt. Aber einen Wolfskiller? Nein, nie gesehen. Ausdruckslos schauen die Männer einander an. Dann fragt einer: "Sie kennen doch die drei S, oder?" Jeder in der Gegend kennt die drei S. Schießen, schaufeln, schweigen.



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