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Handke: Wie reagiert die Welt, Reaktion auf Reaktion.





Idealisierung von Peter Handke

Perfide Mülltrennung

Nobelpreisträger Peter Handke hat eine Ex-Partnerin misshandelt und die Trauerfeier eines Diktators besucht. Kann man die Kunst nicht aber vom Künstler trennen? Na klar. Es ist jedoch ein Luxus, den man sich leisten können muss.

Auszug aus einer SPIEGEL-Kolumne von Margarete Stokowski

Darf man Peter Handke einfach nur für einen großen Literaten halten? Natürlich darf man, rein juristisch. Die Frage ist, ob es etwas gibt, was den Konsum der Kunst, ihre Rezeption, ihre Würdigung nachhaltig beeinflusst, wenn man bestimmte Dinge über die Menschen weiß, die sie geschaffen haben.

Margarete Stokowski
An der Entscheidung, dass Peter Handke den Literaturnobelpreis bekommen soll, ist einiges beachtlich. Die Verleihung im letzten Jahr fiel aus, weil die Schwedische Akademie mit diversen Skandalen beschäftigt war, unter anderem wurde dem Ehemann eines ihrer früheren Mitglieder Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen. Das Nobelkomitee wurde neu aufgestellt. Und nun wird mit Handke ein Autor geehrt, dem seine ehemalige Partnerin Marie Colbin 1999 in einem offenen Brief vorwarf, sie getreten und geschlagen zu haben - was Handke dem Biographen Malte Herwig gegenüber später auch zugab: "Ich habe ihr einen Tritt in den Arsch gegeben. Ich glaube, ich hab ihr auch eine heruntergehauen. Ich wollte einfach arbeiten, und das ging nicht. Trotzdem war das nicht gut. Ich hab mich auch selber nicht gemocht." Aber reicht das?

Handke ist ein Autor, der sich äußerst abfällig über Frauen und #MeToo äußerte, ein Autor, der zugegeben hat, einen Kritiker geschlagen zu haben. Ein Autor, der in einem Gespräch mit dem Journalisten André Müller sagte, er fühle sich "dem Hitler als Mensch" gelegentlich "sehr nahe", er fühle außerdem manchmal eine "tiefe, perverse Sympathie für die faschistische Gewalt, die aus der Verzweiflung kommt". Und ein Autor, der auf der Trauerfeier für einen Diktator eine Rede hielt.

Kunst und Künstler zu trennen ist Luxus

Wie sollten sie das können? Wenn ein Künstler Verbrechen begeht, gutheißt oder leugnet, wenn er Täter zu Opfern macht, dann ist Kunst und Künstler zu trennen ein Luxus, den man sich leisten können muss. Es ist eine perfide Form der Mülltrennung, die da stattfindet, wo solche Künstler verteidigt werden: Ja, sie haben schon mal dies oder das gesagt oder getan, sich "verlaufen", "verrannt", "verzettelt", aber man müsse abseits davon doch die Literatur als solche betrachten und sozusagen den Restmüll vom ästhetisch Brauchbaren trennen. Was aber, wenn man das nicht kann? Und zwar nicht, weil man keine Ahnung von Literatur hat, sondern gerade weil man bestimmte Ansprüche an sie hat?

Auch der Träger des diesjährigen Deutschen Buchpreises Saša Stanišic hat die Entscheidung kritisiert: "auch deswegen, weil ich das Glück hatte, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt. Dass ich hier heute vor Ihnen stehen darf, habe ich einer Wirklichkeit zu verdanken, die sich dieser Mensch nicht angeeignet hat."

Dabei geht es nicht darum, ob man einzelne Fehler oder Ausrutscher verzeiht oder ausblendet - die natürlich auch Künstlern passieren können -, sondern darum, ob man gewillt ist, aus einem Menschen, der gewalttätig ist oder Opfer von Gewalt verhöhnt, diese Seiten gewissermaßen herauszurechnen, um ihm weiterhin in Ruhe huldigen zu können.

Als gäbe es tatsächlich saubere Grenzen, die man ziehen könnte zwischen Menschen, die Kunst erschaffen, den Bedingungen, unter denen sie es tun, und den Werken, die sie zustande bringen. Was sollten das für Grenzen sein, und wer könnte sie ziehen?

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Handkes unwirsche Antworten

Literaturnobelpreisträger Peter Handke hat in seiner Heimatgemeinde Griffen auf Fragen zur Kritik des Buchpreis-Trägers Saša Stanišic reagiert. Der gebürtige Bosnier Stanišic hatte den 76-Jährigen Handke wegen dessen proserbischer Haltung scharf kritisiert.

Darauf angesprochen reagierte Handke unwirsch.

„Ich steh vor meinem Gartentor und da sind 50 Journalisten – und alle fragen nur wie Sie, und von keinem Menschen, der zu mir kommt, höre ich, dass er sagt, dass er irgendetwas von mir gelesen hat, dass er weiß, was ich geschrieben hab, es sind nur die Fragen: Wie reagiert die Welt, Reaktion auf Reaktion. Ich bin ein Schriftsteller, komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes, lasst mich in Frieden und stellt mir nicht solche Fragen“, sagte Handke.

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wie reflektiert sind autoren und künstler - und sind auch kolumnistinnen - wenn sie sich denn in ihren geistesblitzen, in ihre idee aus dem nu, in ihr werk und ihre meinung und in ihr lebens- oder durchgangs-thema regelrecht verrannt haben im augenblick und darin eingetaucht herumpulen und kreisen. wenn sie dabei sind, sich selbst zu beobachten, sich auszuprobieren, in dem ganzen inneren persönlichkeitssprektrum zwischen bodenlosem schwarzen hass und vernichtung ganz unten und dann die leiter hoch - sprosse für sprosse - bis hin zu unendlicher liebe und anbetung in greller helligkeit -und wenn sie versuchen, diese erlebens- und empfindungsstadien stufe für stufe, sprosse für sprosse, "zur sprache zu bringen", manchmal auch in worten & in werken. wenn ihnen in dieser auslotung und umsetzung dann just im moment etwas über die hutschnur geht und in die quere kommt - muss oder kann er/sie da in allen fällen contenance bewahren?

hat auch oder gerade ein autor das "recht", sich in eine sache zu verrennen - auch wenn die öffentlichkeit und sogar teile der lesergemeinde rundum und vielleicht sogar der verleger und die literaturagentur und der lektor sowie der sogenannte "gesunde menschenverstand" längst einem anderen "mainstream" folgt, der ihm oft aus werbebudgets heraus finanziert von medien oder von "google" oder "youtube"-influenzern und von "instagram" & co. sehr geschickt aufgepfropft wird.

auch #me-too, werte frau stokowski, ist inhaltlich und ganz unreflektiert erst einmal einfach nur ein mainstream  - eine mode - ein sog als einladung zum mitgleiten... - in jahrtausendealte geschichte projiziert lediglich ein durchgansstadium, in dem sie sich derzeit tummeln und wovon sie ihre miete und ihren grünen tee oder ihren espresso bestreiten - denn diese geschichte kannte und kennt matriarchat und patriarchat gleichermaßen in jeweils oft verheerenden auswirkungen und verirrungen und unterdrückungen des jeweils anderen geschlechts - in nuancenhaften pendelbewegungen zu der einen und zu der anderen seite. und der nachvollzug dieser pendelbewegungen in der bewegung hin & her ist das gesunde und normale, das es jeweils auszuhalten oder zu genießen gilt - je nachdem... sich an ein stadium dieser pendelbewegung anzudocken und gar festzubeißen - das ist die gleichzeitige reduzierung des eigenen horizonts, der viel breiter und bunter bzw. grauer ist, als man/frau das dann noch überblicken kann.

...und gehört eben auch "zu Handkes zeichnerischen Notizen...


öffentlichkeit und mainstream werden ja gemacht und beeinflusst und manipuliert - und ein echter autor hat das für sich längst in seinem tiefsten innern erkannt - und er muss sich entscheiden, bleibst du dir und deinem lebenslangen werden und wachsen mit den verschiedensten auszulotenden stufen in der beobachtung und reflexion und in der einhergehenden notation treu - oder heulst du mit der meute der mehrheit, um auflage zu machen - immer noch mehr desselben.

in der sogenannten "demokratie" ist das alles schwer - aber die mehrheitsfähigkeit hat ja nicht immer auch moralisch recht. die mehrheit kann verblendet sein - und bei diesem ganzen "brexit"-gedöns lernen wir ja, wie eine mehrheitsentscheidung aus dem bauchgefühl des augenblicks heraus sich in der praktibilität eigentlich als unlösbar und vielleicht auch als "falsch" herausstellt.

von daher zu wissen, was moralisch an handke tolerierbar ist - und ob seine lebensstadien dann jeweils auch seine literatur im moment oder davor und danach diskreditieren, das kann und muss ein(e) jede(r) für sich im stillen oder lauten inneren kämmerlein beantworten.

walter benjamin schrieb 1940:
„Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.“

die wohl einmalige tätlichkeit gegenüber seiner partnerin marie colbin ist wohl inzwischen über 20 jahre her - und ist nie vor gericht verhandelt worden und war damit wohl eher eine innerpartnerschaftliche angelegenheit, als sie jetzt noch aus dem ärmel zu ziehen... - aber natürlich ist handke in seinem bisherigen leben auch nie "brav" und "angepasst" gewesen. handke eckt an - wie manche autor*innen und kolumnist*innen.

ich trau mir dazu keine "abschließende" beurteilung zu - und sie steht mir auch gar nicht zu: der handke formuliert sich und seine gefühle - und ich lese die - und ergötze mich an der sprachkunst - oder ich lasse sie in abscheu zu seiner person einfach im buchladen liegen - auch die verkaufsauflage ist eine demokratische "ab-stimmung"... - und der eine sagt so - und der andere sagt so...

aber mit solchen ins nichts führende reflexion wie von margarete stokowski: "darf man das" füllt man zwar zeilen - ohne jeden tiefgang: darf man bei so viel asthmakranken noch diesel fahren? - oder sind dieselfahrer potenzielle mörder... - 

in solchen passagen stokowski's winkt bei mir immer alice schwarzer mit der latte über den gartenzaun in ihren besten kachelmann-hoch-zeiten, kurz bevor sie damals probleme mit ihrer steuerabrechnung bekam...
und ich wiederhole mich, wenn ich auch hier schreibe: jesus sagte vor 2000 jahren den männern, die eine ehebrecherin steinigen wollten: "wer von euch ohne sünde (ohne irgendeinen "bruch" in seinem leben) ist, der werfe den ersten stein auf sie. und da ließen diese moralischen "rächer" ihre pflastersteine fallen und trollten sich... - einer nach dem anderen...  
und das all zusammenfassende resultat dazu in den meisten fällen bei solchen "aufklärerischen" und bloßstellenden unternehmungen zum werk eines künstlers und/oder rebellen lautet damals wie heute - wie schon vor 2000 jahren bei pontius pilatus nach dem "verhör" des vor ihm stehenden geschundenen jesus von nazareth: "ecce homo" - siehe, ein mensch... (und kein getrennter müll)