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Die Nacherzählung - und ihre Tücken


ganz zufällig fand ich in der google-suche einen hinweis auf dieses neu erschienene e-book von bernd mollenhauer: "die peitsche", wo er auf den abschnitten/seiten 339 - 341 dankenswerter weise auch von meiner tante erna kronshage berichtet.

aber - anders als andere autoren, die textpassagen oder anregungen von "erna's story" verwenden und veröffentlichen, hatte sich bernd mollenhauer nicht mit mir in irgendeiner weise zur abfassung seines textes in verbindung gesetzt.

und heraus kommt dann dabei folgende "erna-version", die ich hier mal ungekürzt wiedergeben möchte:


mollenhauer hat sich wohl nicht meiner original-texte bedient, die ja leicht im internet unter dem stichwort "erna kronshage" zu finden wären, sondern er gibt als seine quellen in der fußnote 248 die definition der begriffe "t4" und "euthanasie" bzw. die deutsche ns-mordanstalt "tiegenhof" (heute dziekanka) bei gniezno in polen an, wo erna ermordet wurde.

okay - im großen und ganzen hat mollenhauer das martyrium meiner tante in seiner tragik sicherlich erfasst und textlich zusammengefasst.

doch wurde eigentlich ohne jeden grund eine damalige 13-köpfige landfamilie mit elf  kindern mal einfach als "streng katholisch" umgetauft, weil mollenhauer wohl den hier in der ravensberger senne die der lutherischen erweckungsbewegung geschuldeten evangelischen familien eine solche große kinderzahl nicht zumutete. die gegend hier war glaubensmäßig lutherisch-protestantisch fest verankert - und so auch familie kronshage. 

erna's vater kronshage
mit seiner lieblingskuh
jedoch wurde erna als letztes der elf kinder ja 1922 geboren, wo es mit den verhütungsmethoden noch nicht so weit her war - und die kinderanzahl sich damals immer noch auch als die umfassende qualität einer "lebensversicherung" für die alten darstellte, damit sie als senioren noch umfassende hilfe und betreuung hatten (altersheime und siechenhäuser waren noch rar) - kinderreichtum galt auch als äußerlicher "reichtum" - eben nicht als "prekaritär" konnotiert wie heutzutage - und nur die "studierten" hatten wenige kinder...

jedoch war das alles in diesem falle eine "milchmädchen-rechnung", denn da die jungen 1939 zur wehrmacht an die front eingezogen wurden - und die älteren schwestern bereits dem elternhaus entwachsen waren, blieb die minderjährige erna mit ihren über 40 jahre älteren und kränklichen eltern allein mit ihnen mit der last der hofbewirtschaftung zurück. 

diesen umstand hat der (also evangelische!) vater in seinen protestbriefen zum zwangsanstaltsaufenthalt in gütersloh und zur zwangssterilisation mehrfach als grund für die entlassungsforderung seiner tochter erna vehement und mehrfach genannt (sie sind alle im memorial blog reproduziert).und auch die von mollenhauer völlig aus der luft gegriffene unterstellte "verehrung" vater kronshages für den "führer" - sogar als "guter nationalsozialist" (und "katholik") ist hiermit auf's schärfste zurückzuweisen. das hat sich mollenhauer einfach aus den fingern gesaugt.                
                    
vater kronshage, also mein opa und ernas und meiner mutter vater, ließ seine eingaben und proteste gegen die behandlung, die zwangssterilisation und die internierung in der anstalt gütersloh wohl vom nachbarn, einem von der nsdap suspendierten spd-gemeindemitarbeiter formulieren und heimlich mit der schreibmaschine tippen, denn solche abfassungen und eine solche schreibhilfe, wie sie im memorial-blog abgebildet sind, war im kotten der kronshages nicht vorhanden und es gab auch keine mittel, um gar einen rechtsbeistand zu bezahlen.

vater kronshage hatte bis zum 12.12.1943 - also bis zum 21. geburtstag - bis rund 2 monate vor der ermordung ernas in dziekanka/"tiegenhof" - das volle sorgerecht und das umfasste auch das aufenthaltsbestimmungsrecht für seine tochter.

insofern war das festhalten in gütersloh besonders nach der erfolgten sterilisation im august 1943 reine schikane und vielleicht eine retourkutsche zu den protestbriefen - und weil der landeshauptmann vom provinzialverband den anstalten die anweisung gegeben hatte, das ehemalige "insassen" auch auf antrag nicht zu entlassen und ggf. festzuhalten seien, da diese "anbrüchigen" (sic!) personen sonst mit ihrem verhalten womöglich in den luftschutzkellern panik auslösen könnten ... 

stattdessen entledigte man sich ihrer dann mit deportation in die mordanstalten, besonders auch im okkupierten ausland.

wer also unbeschadet das ns-euthanasie-tötungs-protokoll in seinen nicht unwichtigen exakten verschiedenen ansprüchen genügenden varianten und nuancen studieren möchte, dem sei diese umfassende multimediale link-sammlung empfohlen wo frau & man sich per click  informieren kann

click here

Also lese und sehe - und erzähle es weiter ... - damit aus diesen Nacherzählungen zwar Deine - aber "richtige" - Nacherzählungen werden können... 
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inzwischen schrieb mir bernd mollenhauer folgende mail:

Sehr geehrter Herr Wieand!  
Besten Dank für Ihre Mail. Ich bin immer froh und dankbar, wenn aufmerksame Leser mich auf unrichtige Darstellungen aufmerksam machen. Und für das falsch wiedergegebene Glaubensbekenntnis der Erna Kronshage kann ich mich nur in aller Form entschuldigen. Die Korrektur werde ich sofort in die Druckvorlage einpflegen. Bitte haben Sie aber etwas Geduld, bis die Korrektur wirksam wird. Aufgrund der technischen Vorgaben seitens der Druckerei, die auch das E-Book hergestellt hat, kann dieser Vorgang einige Tage in Anspruch nehmen. Sollten Sie also noch weitere sachliche Mängel in Bezug auf Erna Kronshage feststellen, bitte ich darum, mir dies umgehend mitzuteilen. 
Mit den besten Grüßen 
Bernd Mollenhauer

- und hier noch der Link zum dann in Kürze überarbeiteten Buch