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BLOG 045: Literaturentdeckung im Internet zur Tötungsanstalt "Tiegenhof"

Der Titel schon von 2017 beschäftigt sich in seinen Abschnitten in Teil II u.a. explizit mit den Zuständen in der Anstalt "Tiegenhof"/Dziekanka besonders auch in den letzten Kriegsjahren.

 Die z.T. reproduziert und abgedruckten, kommentierten Briefe vom Patienten Heinrich Wulf, der mit Erna Kronshage im gleichen Transport am 12.11.1943 aus Gütersloh nach "Tiegenhof" deportiert wurde, geben unverblümt Einblick in die dortige Situation - umd wenn auch die Briefe zensiert wurden und "geschönt" werden mussten, was Wulf auch offen nach Hause als Fakt formuliert.

Heinrich Wulf überlebte die Tötungsanstalt - und sein Enkel Godehard Wulf konnte den lange verschwiegenen Opa und seinen Aufenthalt dort und seine Biografie anhand der hinterlassenen Briefe und Urkunden rekonstruieren.

 Im Anhang dieses Sammelbandes werden die Opferzahlen im Tiegenhof beleuchtet - und es wird auf Aufzeichnungen verwiesen zu Sterbelisten, die ein unbekannter Patient oder Mitarbeiter hinterlassen hat, so dass damit noch manch blinde Opferbiografieflecken Farbe bekommen könnten.

 Gajewska, Grazyna - Maria Tomczak, Marek Kazmierczak, Anna Ziolkowska, Ewelina Szurgot-Prus:

 UNPRODUKTIVE ESSER

Studien über das Schicksal der Kranken und psychisch                                                                    Belasteten unter der NS-Herrschaft

Poznan 2017, UNIWERSYTET IM. ADAMA MICKIEWICZA W POZNANIU, >>> lies hier die vollständige 155-seitige pdf-Kopie

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& diese neu entdeckte lektüre war dann der anlass zu folgender mail an das

MUZEUM MARTYROLOGICZNE W ŻABIKOWIE
Instytucja Kultury Samorządu Województwa Wielkopolskiego
ul. Niezłomnych 2, 62-031 LUBOŃ tel. 61 813 06 81 fax. 61 810 34 11
e-mail: muzeum@zabikowo.eu URL: www.zabikowo.eu

Sehr geehrte Frau Dr. Anna Ziolkowska, sehr geehrter Herr Mackowiak

Ich fand heute bei der Lektüre der deutschen Übersetzung des Buches

  • Grazyna Gajewska, Maria Tomczak, Marek Kazmierczak, Anna Ziolkowska, Ewelina Szurgot-Prus: UNPRODUKTIVE ESSER, Poznan 2017,

im Anhang 1 - pag. 139-142 - den Hinweis auf handgeschriebene Notiz-Tagebücher bzw. Sterbelisten aus der Anstalt Tiegenhof/Dziekanka, die sich in ihrem Bestand befinden. 

Besonders interessiert bin ich an Kopien aller Eintragungen zu ERNA KRONSHAGE - geb 12.12.1922 - getötet 20.02.1944

Erna Kronshage ist meine Tante. Ich recherchiere ihr Schicksal seit 1986. Infos und Verlinkungen dazu:siehe https://www.eddywieand-sinedi.de/

Herzlichen Dank – Herzliche Grüße

Edward Wieand

translate in polnisch per DeepL:

Szanowna Pani dr Anna Ziółkowska, Szanowny Panie Maćkowiaku

Dziś, czytając niemieckie tłumaczenie książki autorstwa

Grażyna Gajewska, Maria Tomczak, Marek Kaźmierczak, Anna Ziółkowska, Ewelina Szurgot-Prus: NIEPRODUKTYWNE ESSERS, Poznań 2017,

w załączniku nr 1 - pag. 139-142 - wzmiankę o znajdujących się w ich inwentarzach rękopiśmiennych notatnikach lub listach zgonów z przytułku w Tiegenhof/Dziekance. 

Szczególnie interesują mnie kopie wszystkich wpisów dotyczących ERNA KRONSHAGE - ur. 12.12.1922 - zginęła 20.02.1944.

Erna Kronshage jest moją ciotką. Badam jej losy od 1986 r. Info i linki do niego:

zob. https://www.eddywieand-sinedi.de/

Bardzo dziękuję - Z wyrazami szacunku

Edward Wieand

 Przetłumaczono z www.DeepL.com/Translator (wersja darmowa)

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click hier: https://www.eddywieand-sinedi.de/t%C3%B6tungsanstalt-tiegenhof/



 










Abbildungen der Seiten 141/142 aus dem Anhang 1 des Buches vom aufgefundenen Sterbe-Tagebuch

erinnern & frieren im februar -

 


denn diese "Z | ze.tt" spoken-word-performance über das erinnern allgemein & zu den morden in hanau & anderswo - erschließt fast zeile für zeile das geschehen um erna kronshage mit: diese morde in hanau am 19. februar [2020] - & die ermordung erna kronshages am 20. februar [1944] - also - es passt schon:
"du musst in einem februar frieren..."

... und deshalb ist diese Performance auch Teil meines Website-Titels 

***

Tanasgol Sabbagh hat ein Gedicht über Hanau geschrieben. Eine Spoken-Words-Performance, begleitet von Drummerin Linda-Philomène Tsoungui.

Neun Menschen starben in der Nacht vom 19. Februar 2020 in Hanau:

  • Ferhat Unvar
  • Gökhan Gültekin
  • Hamza Kurtović
  • Said Nesar Hashemi
  • Mercedes Kierpacz
  • Sedat Gürbüz
  • Kaloyan Velkov
  • Vili Viorel Păun und
  • Fatih Saraçoğlu.

 Der rechtsextreme Täter erschoss sie in und vor Bars, auf einem Parkplatz und in einem Kiosk. Später tötete er seine Mutter und anschließend sich selbst.

 Dieser Anschlag reiht sich ein in die Geschichte rechtsextremer und rassistischer Gewalt in der Bundesrepublik. Der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, der rechtsextreme, antisemitische Anschlag in Halle, die Mordserie des NSU oder die Morddrohungen des sogenannten NSU 2.0 sind Beispiele der jüngeren deutschen Geschichte.

Ein Jahr nach dem Anschlag von Hanau hat die Lyrikerin Tanasgol Sabbagh ein Gedicht geschrieben. Für ZEIT ONLINE performt sie den Text im Video mit Linda-Philomène Tsoungui. 

Hier gibt es den gesamten Text zum Nachlesen: 

***

Du musst in einem Februar frieren

Die Nacht, die Namen 

Du sprichst es Erinnern aus
als würdest du Entrinnen meinen
ist mir aufgefallen.
Du sagst: Erinnern und schon fließt es aus dem Kopf und durch die Finger

Stimmt es: Ein Jahr muss vergangen sein

Was lag in der Nacht
was nahm sich die Nacht heraus

Stimmt es: Du musst in einem Februar frieren

Lange sagten sie: Integration, wenn sie an den Tüchern zerrten und an der Sprache
lange sagten sie: Multikulti, wenn wir für sie singen durften und tanzen
lange sagten sie: Allen Menschen steht alles offen – wenn sie denn nur wollen –
 

Doch wir kennen die Grenzen, die sich durch Viertel, durch Schul- und Arbeitswege,
durch die Architektur der Wohnsiedlungen ziehen
wir kennen die Statistik
vielleicht nicht ihre genaue Zahl, aber wir kennen ihre Wahrheit

Wir zählen die Städte seit den Neunzigern
in den neuen Bundesländern und den alten
zählen Einzelfall nach Einzelfall nach Einzelfall

Du sprichst Erinnern aus.

Du sagst: Errrinern und schon fließt es aus dem (Kopf)

 Du kannst es kaum fassen:

Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht

Wir sagen: Das Problem liegt im System
wir buchstabieren i n s t i t u t i o n e l l
und warten geduldig, bis unser Antrag bearbeitet wird

Uns überraschen keine Talkshows
wir kennen sie alle
wir wissen, wie sie konzipiert sind,
worauf sie abzielen
wir kennen den Preis der Einschaltquoten
wir wissen, wer ihn bezahlt
wir kleben an unseren Handys und sprechen seit einem Jahr von einer Nacht und neun Namen –
wir kennen auch die anderen
wir kennen die davor. Und die danach
wir vergessen nicht

wir erkennen uns an dem Maß, das voll ist
an dem Gras, das nicht mehr wachsen wird
über diese Vergangenheit,
die uns noch immer in die Augen starrt in der Bahn
oder im Park
dort, wo wir durch Haut und Haar auffallen,
erkennen wir sie an ihrem Atem
wir müssen nicht erst nach der Farbe der Schnürsenkel suchen

Wir kennen alle Namen.
Die, die sie uns geben,
so gut
wie die, die sie uns nehmen

Neun Namen,
wir denken an sie und ihre Familien
wir stellen ihre ungelösten Fragen
hier: Wo die Geschichte schon zu vielen Nächten einen Namen gab
hier: Kein Errrrinnern, kein Entrinnen mehr.

W i r  e r i n n e r n.


***

  • ZEIT ONLINE Dokus & Reportagen | YouTube-Kanal

 

"...bitte ich Sie inständig, mir meinen Wunsch schon als Mensch zu erfüllen..."


Ein besorgter Vater bittet im Juni 1943
um die Herausgabe
seiner noch minderjährigen Tochter, 
um sie vor der Zwangssterilisation zu schützen ...

  •  Im Juni 1943 schreibt der noch sorgeberechtigte Vater Adolf Kronshage einen Bettelbrief an das "Erbgesundheitsobergericht Hamm" - zur Herausgabe seiner Tochter Erna Kronshage ...
  • ... ein beschämendes Zeugnis auf dem Weg zur Zwangssterilisation am 4. August 1943 ...




Erinnerungs-Rekontruktion einer Schulkameradin von Erna Kronshage

Das ist hier gar keine "Szenarien-Rekonstruktion" sondern die Gedächtnis-Zusammenfassung einer Situations-Erinnerung einer Klassenkameradin Erna Kronshages aus ca. Ende der 80-er Jahre - also 50 Jahre danach...

 

 
 
 
 
 
 
 
 

Frau Alma R.’s Situationsbeschreibung als Zeitzeugin:
„Also unmittelbar, bevor  diese Situation im Mühlenkamp um Erna eskalierte, soll sie ja verstärkt ihre Freundin von nebenan, die Helga K., besucht haben.  Nee, ihre Mutter fand das gar nicht gut. Aber was fand die Mama Anna schon gut von dem, was die Erna in ihrer allzu knappen Freizeit machte.
Die Erna ist da so hineingeschlittert, als letztes Kind ihrer Eltern ebenso wie als Kind ihrer Zeit. Ihr Schicksal war es, in immer stärkere Zerrissenheit zu gelangen, sich nicht eindeutig entscheiden zu können, eben auch zwischen den Fronten zu stehen. Der äußere Krieg wurde auch gleichzeitig in ihr zu einem inneren Krieg. 
Für Erna war das eine zunehmend ausweglose Situation. Wir alle, ihre ehemaligen Schulkameradinnen, kamen im Nachhinein besehen insgesamt besser dabei weg, trotz aller massiven Nachstellungen durch den politischen Gegner und dem furchtbaren Schicksal unserer Eltern hier und da. Mein Vater wurde ja als früherer SPD-Bürgermeister von Senne II sogar ins Gefängnis gesteckt wegen "Hochverrat", weil er etwas Kritisches zum NS-Staat gesagt hatte. Unsere Eltern hatten ja schon vor Jahren selbst in der Stadt oder in ihren Betrieben nach Lehrstellen für uns gefragt oder nach Arbeitsmöglichkeiten. Bei Erna stand von Anfang an fest, dass sie auf dem Hof erst einmal zu bleiben habe und den Eltern zur Hand gehen müsse. Und das war in ihrer Familie scheinbar völlig normal. Da war man selbst seines Glückes Schmied, und die Eltern hielten Erna nur unnötig fest, eigentlich aus egoistischen Motiven, denn man konnte damals doch längst einen polnischen oder russischen Zwangsarbeiter für den Hof anfordern. Das haben alle gemacht - und da hatte auch niemand moralische Bedenken. Gerade auch, wenn man Söhne an der Front hatte - und Papa Adolf hatte ja das Asthma und Mama Anna hatte ja das Mutterkreuz in Gold.
Die hätten bestimmt einen "Fremdarbeiter" bekommen - und Erna hätte eine Ausbildung anfangen können - oder wenigstens auch in einer Firma arbeiten, damit sie mal rauskam. 

Also, wenn Sie mich fragen, es musste zu einem Eklat kommen. Das war eigentlich abzusehen. Das war deutlich wahrzunehmen. Damals haben wir das so deutlich nicht gesehen. Wir waren noch viel zu jung, noch viel zu unreif, um dafür bereits Antennen entwickelt zu haben. Heutzutage weiß ich, dass es erkennbar war, was dann auch passiert ist.

Das fing damit an, dass Ernas Arbeitskittelkleider morgens immer verschmutzter wirkten, etwas weniger oft gewechselt, und auch ihre Haare schienen weniger gepflegt. Sie selbst schien plötzlich insgesamt weniger gepflegt zu sein. Zuvor erschien sie trotz ihrer schweren Arbeit und der entsprechenden Arbeitskleidung immer noch frisch und adrett. Es war alles sauber, es passten die Farben zueinander, die Holzschuhe waren gereinigt. Und das hörte schlagartig auf, das wurde dann alles etwas schludriger. Ich war ihr ja eine ganz gute Kameradin und Freundin, ich hätte sie auch darauf angesprochen, aber ...

Ja – und dann kamen die Tage, das war dann so im Herbst 1942, an denen wir morgens Erna nicht zu Gesicht bekamen, wenn wir die Fahrräder abstellten auf dem Mühlenkamp-Hof. Wenn wir dann Mutter Anna fragten, wo die Erna sei, ob sie krank sei, dann hat Mutter Anna geantwortet, ja, die sei wohl krank, die habe wohl das „faule Fieber“. Faules Fieber. Ja, wer abends bis in die Puppen drüben bei der Freundin zum Quatschen säße und nur noch Flausen im Kopf habe, käme eben frühmorgens nicht aus dem Bett. Und Mutter Anna sagte auch, sie habe schon mit der "Braunen Schwester" gesprochen vom NSV, die ab und zu vorbei käme, weil Erna so "widersetzlich" wäre.

Vereinsamung in einer Großfamilie 

Heutzutage denke ich, wir hätten uns vielleicht mehr kümmern sollen. Denn ihr Zustand hatte sicherlich auch damit zu tun, dass sie auf dem Hof regelrecht "vereinsamt" war, als Jüngste in der Geschwisterkette. Die Schwestern verheiratet oder aus dem Haus - und die Brüder im Krieg an der Front. Und Erna blieb zurück und hatte niemanden mehr zum Reden. Wir hätten mit ihr reden müssen. Da mache ich mir richtig Vorwürfe manchmal. Damals hätte uns die Erna gebraucht, als Freundinnen, als Gesprächspartnerinnen. Aber irgendwie war uns Ernas Leben auch damals schon zu fremd geworden. Ihre Realität hatte mit unserer Realität ja wenig gemein. Und dieser etwas "einfältige" Alltag bei all ihren Begabungen führte dann sicherlich zu dieser eigenartigen "Einweisung" in die Heilanstalt, an der sie ja selbst mit beteiligt war.
Ob das mit dem Bombenabwurf gegenüber dem Mühlenkamp bei Westerwinter im Zusammenhang gestanden hat - das weiß ich nicht. Den hat Erna ja auch wieder ganz anders erlebt als wir, die wir weiter entfernt wohnten und keine Nachbarn von Ida G. waren.
Wir hätten damals mehr mit Erna reden sollen ...“

Herr Doktor, ich muss mich mal dringend erholen ...

 ... aus meinem neuen Szenarien-Lesebuch "ich stelle mir das mal so vor" zum Euthanasie Schicksal meiner Tante Erna Kronshage - eine neue Sequenz:

Herr Doktor, ich muss mich mal dringend erholen ...

Bildtafel 29 aus dem XXL-Bildmagazin

Da gibt es die überlieferte Geschichte, wie Erna, begleitet von ihrer Schwester Lina, aus Brackwede mit dem Fahrrad heimkehrt nach Hause, nach Senne II in den Mühlenkamp, nachdem sie bei der amtsärztlichen Untersuchung war und ihrem Vater die Überweisung zeigt: "Hier - ich soll nach Gütersloh in die Heilanstalt - und soll mich da erholen... - und ich will das auch - so wie damals Frieda - der hat das auch gutgetan...".

"Kind - ich glaub's dir wohl - wir brauchen dich doch hier auf dem Hof - du kannst doch in diesen Zeiten nicht herumflanieren - und dich 'erholen'. Das sind doch wieder Flausen im Kopf - solange du noch nicht volljährig bist - und hier als 'Haustochter' arbeitest, sind wir für dich verantwortlich - da kannst du nicht machen was du willst. Deine Brüder sind im Feld - und mein Asthma - und Mama wird auch immer älter ... - Kind - wir brauchen dich doch!" 

"Herr Doktor", soll sie dort beim Amtsarzt - allen Mut zusammenfassend - gesagt haben: "Ich möchte in die Heilanstalt nach Gütersloh - wissen Sie - da wo meine Schwester Frieda neulich mal gewesen ist. Die hat sich dort nach einem sehr nervigen Streit auf ihrer Arbeit wieder ganz prächtig da erholt. Statt in der stickigen Fabrik zu sitzen ist sie dort in die Gartenkolonne gekommen - und hat im Sonnenschein Unkraut gezupft - und konnte mit den anderen Frauen quatschen. Also - sie meinte - das wäre auch etwas für mich, damit ich wieder zu Kräften käme - und mal unter die Leute - und mal was anderes sehe. Ich bin nämlich regelrecht fertig und ausgepumpt zu Hause.

Da muss ich morgens andauernd so früh raus - auch wenn ich mal drüben bei Helga, der Nachbarin, war - und wenn deren kleines Kind schreit, dann quatschen wir halt etwas länger und schauen Illustrierten an und hören Radio - und schminken uns gegenseitig - manchmal die halbe Nacht. Ihr Mann - der junge Vater - ist ja auch an der Front wie auch alle meine Brüder - wir stören keinen - und der Kleine schläft dann meisten gegen 1 - halb 2, wieder ein, wenn er nochmal an der Brust war - und trotzdem muss ich dann ja morgens auch wieder so früh ran auf dem Hof - und hab einfach keine Lust mehr - diese ewige Maloche. Ich will auch mal raus und was erleben - aber hier ist ja nichts los - außer vor 2 Jahren der Fliegerangriff vom Tommy auf den Hof gegenüber - aber das war ja auch eher schecklich und traurig. 

Ansonsten huschen morgens die Zugpendler über den Hof und stellen ihre Fahrräder an die Eichen um dann vom gegenüberliegenden Bahnsteig mit dem Zug zu fahren - und Mama und ich sortieren die dann, damit sie abends wieder schnell zum Wiederlosfahren gefunden werden beim Abholen. Das ist aber immer der gleiche Trott - besonders seitdem meine Brüder weg sind an der Front. Früher - ja - da hat Willi mal Schifferklavier gespielt - und ich durfte mal an der Zigarette ziehen, die Ewald sich angesteckt hatte.Aber jetzt habe ich nur noch meine Nachbarin Helga mit ihrem Kind - und da bin ich ganz vernarrt in den Kleinen - und wir wickeln und wir pudern zusammen - und da hab ich schon viel gelernt - Herr Doktor. Aber ich muss mal raus aus dem Trott. Schicken Sie mich also ruhig nach Gütersloh - da komm ich mal unter die Leute - und komme wieder zu mir.

Aber sagen Sie nichts meinen Eltern davon, was ich hier gesagt hab. Schreiben Sie vielleicht am besten einfach eine Einweisung nach Gütersloh, damit ich mich wieder ein wenig erhole ...


 

reichsnährstands-denke

Historikerkommission

Das Bauerntum war eine Grundlage des nationalsozialistischen Staates


Ernährungspolitik war im Nationalsozialismus von Anfang an eine Aufgabe von höchster Bedeutung. Nie zuvor und nie danach war in Deutschland eine Interessenvertretung mit ähnlichen Vollmachten ausgestattet gewesen. Eine unabhängige Historikerkommission legt einen Bericht über die Vorläufer des Bundeslandwirtschaftsministeriums vor.

Von Ulrich Schlie | NZZ

«Es hat mir öfters wirklich weh getan, wenn tüchtige und anständige Beamte fast ängstlich um Entschuldigung baten, wenn sie eine abweichende Meinung äusserten, was früher unter Herren Pflicht und selbstverständlich war. Man hat aus dem Beamtentum etwas ganz anderes gemacht, als es früher war, aus einer führenden Schicht eine rein ausführende.» Als Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg im Frühjahr 1943 nach nur wenigen Monaten aus seiner Position als Zentralabteilungsleiter des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft freiwillig ausschied, war er zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Politik in Abhängigkeiten begeben hatte, die der Staatstradition und den Grundsätzen des Beamtentums zuwiderliefen.

Am 7. Oktober 1935 spricht Adolf Hitler beim zwischen 1933 und 1937 jährlich ausgerichteten Reichserntedankfest auf dem Bückeberg. Foto: Keystone / Hulton



Schulenburg, 1944 wegen seiner Beteiligung am Staatsstreichversuch vom 20. Juli 1944 hingerichtet, war die Ausnahme. Die Mehrheit der Beschäftigten im Reichsernährungsministerium war, wie er damals schrieb, innerlich gebrochen, sie «suchte ihre Ansichten nur noch durch Hintertüren durchzusetzen».

Historikerkommission legt Bericht vor

Der jetzt an die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner übergebene Bericht über das Bundeslandwirtschaftsministerium und seine Vorläufer erfasst die wechselvolle Verwaltungsgeschichte des Hauses seit 1919. Eine unabhängige Historikerkommission hat die Verflechtung des Ministeriums in die nationalsozialistische Rassen- und Siedlungspolitik, seine Mitwirkung an der Vorbereitung des «rasseideologischen Vernichtungskrieges» und seinen Anteil an den Verbrechen der Besatzungsherrschaft untersucht. Es geht um die Frage, warum gerade im deutschen Ernährungsministerium der Nachkriegszeit unter den leitenden Beamten ein besonders hoher Anteil an ehemaligen Parteigenossen der NSDAP und ehemaligen SS-Mitgliedern beschäftigt war – im Jahr 1959 wies man das Allzeithoch aller Bundesministerien aus.

Der Nationalsozialismus verstand sich als Massenbewegung der Modernisierung mit rückwärtsgewandten Elementen. Anfang der 1930er Jahre war noch gut ein Drittel der Deutschen in der Landwirtschaft tätig. Der Agrarfrage kam in den frühen 1930er Jahren bei der Festigung der Macht der NSDAP eine besondere Rolle zu. Der Nationalsozialismus hatte das Bauerntum zur Grundlage der Nation erklärt und sorgte mit seinem Etikett vom Bauernstaat für eine ideologische Hebung des Bauernstandes.

Reichsbauernführer Walther Darré spricht am 13. Dezember 1937 während einer Grosskundgebung des faschistischen Reichsnährstandes in Goslar. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H1215-503-009 / Cc-By-Sa 3.0


Bauernstaat und Industrialisierung waren in der nationalsozialistischen Ideologie keine Gegensätze.
RNST-Plakat um 1938 - (Abb. LEMO)
In wenigen Monaten wurden nach dem Amtsantritt von Reichsernährungsminister R. Walther Darré im Juni 1933 auf Basis von dessen utopischen Vorstellungen von einem «Neuadel aus Blut und Boden» die organisatorischen und gesetzlichen Rahmenvorgaben der Landwirtschaftspolitik grundlegend neu gestaltet. Der von Darré aufgebaute Agrarpolitische Apparat erwies sich in den Jahren nach der Machtergreifung als grosse Stütze der nationalsozialistischen Führung bei der zügigen Umgestaltung der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik ebenso wie bei der personellen Umgestaltung des Reichsernährungsministeriums. Darrés «Staatsgedanke von Blut und Boden» galt als Voraussetzung für die Bildung der klassenüberwindenden Volksgemeinschaft. In Darré verband sich die doktrinäre Starrheit des Theoretikers mit der Machtversessenheit des Fanatikers.

Schild am Amtssitz (Abb.LEMO)
Dass sich Darré trotz erwiesener Unfähigkeit als Minister pro forma halten konnte, lag am starken zweiten Mann, dem seit 1942 auch offiziell mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragten Staatssekretär Herbert Backe. Hitler hatte Backe in seinen Tischgesprächen einmal als «Tausendsassa in der Ernährung von Zivilbevölkerung und Wehrmacht in Friedens- und Kriegszeiten» bezeichnet. Als Auslanddeutscher im Kaukasus aufgewachsen, hatte Backe aus Sowjetrussland in seinem Gepäck eine gleichzeitige Ablehnung von Bolschewismus und liberalem Bürgertum als politische Ordnungsvorstellung mitgebracht. Im Ministerium hatte er bald alle Fäden in der Hand und nutzte den Apparat als Instrument der nationalsozialistischen Machtpolitik. Backe setzte im Auftrag Görings 1941 geheime Weisungen in Vorbereitung des Einmarsches der Wehrmacht in die Sowjetunion um.

Herbert Backe, Staatssekretär im
Reichsministerium für Ernährung und
Landwirtschaft (Aufnahme: 2. Juni 1942).
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-J02034 / Cc-By-Sa 3.0
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten die ernährungswirtschaftlichen Fragen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs – eine Bedeutung, die die Rolle des Ministeriums im Gesamtgefüge des nationalsozialistischen Herrschaftssystems, seinen Anteil an Verbrechen ebenso wie die innere Balance der Aufgaben und Schwerpunkte des Ministeriums signifikant veränderte. Siedlungspolitik in den besetzten Ostgebieten, Kriegsernährungswirtschaft, die Behandlung der Fremdarbeiter, das sogenannte «Hungerkalkül» begründen einen Zusammenhang zwischen «Arbeit, Brot und Völkermord», wie es der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze formuliert. Der Personalaustausch zwischen dem Reichsernährungsministerium und dem Rasse- und Siedlungshauptamt war dabei fliessend. Spätestens mit dem Dienstantritt Backes als Geschäftsführender Minister im Mai 1942 vollzog das Haus eine «Totalkapitulation» gegenüber den Systemen Himmlers und Görings. Das Reichsernährungsministerium war endgültig zum willfährigen Instrument der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie degradiert.

Eine Frage der Schuld

Ernährungspolitik war im Nationalsozialismus von Anfang an eine Aufgabe von höchster Bedeutung. Der Aufbau eines Terror- und Vernichtungssystems, insbesondere durch die multiple Ermächtigung des Reichsführers SS Heinrich Himmler, ist wesentlich seit der Übernahme des Ministeramtes durch Darré im Juni 1933 auch aus dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft ermöglicht worden.

Die traditionellen Errungenschaften des Berufsbeamtentums, die in Preussen und im Reich gepflegten Traditionen und das damit verbundene Ethos des Beamten haben sich im entscheidenden Moment der ideologischen Durchdringung und der Sphärenvermischung mit einer nationalsozialistischen Partei und ihrem Allmachtsanspruch als nicht stark genug erwiesen.

Ehrenurkunde «Für Treue am Bauerntum», ausgestellt für einen Landarbeiter in Tellow bei Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern (August 1938). PD

Das wäre notwendig gewesen, um eine entsprechende firewall gegen die unzulässige Durchdringung, gegen den Missbrauch der ministeriellen Aufgaben zu errichten und die dort wirkenden Berufsbeamten so zu imprägnieren, dass sie sich der Ausserkraftsetzung von Recht und Anstand hätten entschieden genug entgegenstemmen können. In der umfassenden Kooperationsbereitschaft der Ministerialbürokratie, die von so unterschiedlichen Motiven wie Dienstethos, Selbstüberschätzung («mitmachen, um Schlimmeres zu verhüten»), einer folgenreichen Fehleinschätzung der tatsächlichen Natur des Nationalsozialismus bis hin zu absichtsvollem Wegsehen und Nicht-wissen-Wollen gespeist ist, liegt das eigentliche Skandalon der «Bürokratie der Vernichtung» (Raul Hilberg). Beinahe bis Kriegsende funktionierte die Maschinerie auch des Reichsernährungsministeriums, weil die ihr zugrunde gelegte innere Logik des Verwaltungshandelns nicht infrage gestellt wurde.

Schweigen der Nachkriegsgesellschaft

Die Fragen nach der nationalsozialistischen Vergangenheit von Beamten und Angestellten, darin unterscheidet sich der Befund dieses Kommissionsberichts keineswegs von demjenigen anderer Ministerien, sind in der Bundesrepublik nicht besonders beharrlich gestellt worden. Mit dem Argument, man benötige Fachleute, wurden ab Mitte der 1950er Jahre im Ernährungsministerium besonders viele «Ehemalige» eingestellt. Noch 1984 wurde mit Walther Florian ein ehemaliger SS-Mann und Angehöriger der «Kampfgruppe Fegelein» trotz Protesten der jüdischen Opferverbände zum Staatssekretär berufen, der in dem bei seinem Eintritt ins Ministerium eingereichten Lebenslauf seine einstige SS-Mitgliedschaft «vergessen» hatte. Interesse an der Aufarbeitung der Geschichte des Hauses war von ihm nicht zu erwarten. Auch die lange widerstrebende Haltung des Ministeriums zur Abgabe von Souveränität an die Europäischen Gemeinschaften kann mit fortwirkenden nationalistischen Denktraditionen aus der Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden und erklärt manches Zögern bei der Gestaltung der europäischen Agrarpolitik.

Nachwirkungen in die Bundesrepublik bis heute haben auch der Reichsnährstand und das sogenannte Reichsnährstandsdenken, wie es die starke Stellung des Deutschen Bauernverbandes erklären mag. Das Reichsnährstandgesetz von 1933 hatte die Verbindung des Neuaufbaus einer ständisch gegliederten Interessenvertretung mit ministeriellen Aufgaben geschaffen. Die Zugehörigkeit zum Reichsnährstand, der über eine Dienstherrenfähigkeit verfügte und Ordnungsstrafgewalt ausübte, beruhte auf gesetzlichem Zwang, und er konnte zum Zweck der Markt- und Preisregelung rechtsverbindliche Regelungen auferlegen.

Nie zuvor und nie danach war in Deutschland eine Interessenvertretung mit ähnlichen Vollmachten ausgestattet gewesen. Wer aus der Geschichte lernen will, muss sich ihr stellen, insbesondere auch den unangenehmen Seiten. Die Kommissionsberichte über die Vergangenheit der deutschen Bundesministerien hätten indes ihren Sinn verfehlt, wenn sie am Ende als eine Art Pflichtübung nebeneinander ins Regal gestellt würden. Sie sollten vielmehr Anlass sein, um junge Beamte und Anwärter von heute mit den darin thematisierten Grundfragen und Gewissenskonflikten vertraut zu machen.

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  • Ulrich Schlie ist Professor of Practice und Historiker. Er gehört dem deutschen Auswärtigen Dienst an und war von 2005 bis 2014 Leiter Planungsstab und Politischer Direktor im Bundesministerium der Verteidigung.


der landwirtschaftliche nebenerwerbshof der kronshages unterstand in diesen ns-herrschafts- und kriegszeiten zwangsweise den ns-"reichsnährstand"-auflagen und ihrer ständischen zwangsideologie und wurde damit auch zu einem "kriegswichtigen" betrieb erklärt, wodurch auch der mitarbeiter-einsatz zentral reglementiert wurde, ggf. auch zwangsarbeiter eingesetzt wurden, um keine ertragseinbußen hinnehmen zu müssen.

erna kronshages "blaumachen" im herbst 1942 war also keineswegs nur eine familieninterne angelegenheit, sondern musste "von amts wegen" in einem kriegswichtigen "reichsnährstand-betrieb" angezeigt und gemeldet werden, denn erna war als "haustochter im elterlichen betrieb" ja als land-/hauswirtschaftliche arbeiterin dort offiziell berufstätig angestellt.

deshalb schickte die zunächst angesprochene ns-gemeindefürsorgerin erna anschließend zum amtsärztlichen dienst der kreisgemeinde, der die ursache der plötzlichen verstimmung und arbeitsverweigerung untersuchen und beurteilen sollte - ... es gab ja damals nicht etwa einen "gelben schein" vom hausarzt, wie das heute üblich ist bei einer arbeitsunfähigkeit als mitarbeiter, denn die hausärzte waren zu kriegszeiten rar, und im "reichnährstand"-wesen musste im weiteren sinne der zuständige "betriebs"-arzt konsultiert werden: die arbeiterschaft in der zwangsreglementierten landwirtschaft war damals eher "militärisch" auf effizienten ertrag durchorganisiert - auch im hinblick auf etwaige ost- und zwangsarbeiter vielleicht in der nachbarschaft. 

von daher ist es in diesem zusammenhang so wichtig, auf das in jeder beziehung herausragende "wirken" mehr im schlechten als im guten der landwirtschaft bzw. des reichsbauerntums und dieses "reichsnährstands"-wesens und seiner funktionäre und ns-parteigenossen in diesen jahren hinzuweisen: "Der Nationalsozialismus hatte das Bauerntum zur Grundlage der Nation erklärt und sorgte mit seinem Etikett vom Bauernstaat für eine ideologische Hebung des Bauernstandes."

am 13.9.1933 wur­de der "eichs­nähr­stand" aus der tau­fe ge­ho­ben. die­ser war ei­ne selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft öf­fent­li­chen rechts. die mit­glied­schaft war ge­setz­li­ch vorgeschrieben und er­folg­te nicht, wie noch bei anderen ns-organisationen, durch frei­wil­li­gen bei­tritt. al­le in der land­wirt­schaft tä­ti­gen men­schen, ver­ei­ne und ver­bän­de, die dem reichs­nähr­stand an­ge­glie­dert wa­ren, land­wirt­schaft­li­che ge­nos­sen­schaf­ten, per­so­nen, die im land­han­del tä­tig wa­ren, und sämt­li­che kör­per­schaf­ten öf­fent­li­chen rechts, die zur durch­füh­rung der markt­ord­nung ge­bil­det wor­den wa­ren, muss­ten kor­po­ra­tiv die­ser zwangs­or­ga­ni­sa­ti­on an­ge­hö­ren.

da­durch, dass die orts-, kreis- und lan­des­bau­ern­füh­rer zu­gleich amts­lei­ter des am­tes vor ort sind, hat die par­tei in fach­li­cher und per­so­nel­ler hin­sicht ei­nen un­mit­tel­ba­ren und dau­ernd wirk­sa­men ein­fluss auf die tä­tig­keit des "reichs­nähr­stan­des".

ge­ne­rell regelte der "reichs­nähr­stand" die agra­ri­sche pro­duk­ti­on, den ver­trieb der er­zeug­nis­se, die prei­se und sei­ne mit­glie­der im sin­ne der „blut-und-bo­den“-ideo­lo­gie in­dok­tri­nie­ren. zu die­sem Zwe­cke rich­te­te dar­ré auf al­len ebe­nen sei­ner or­ga­ni­sa­ti­on drei haupt­ab­tei­lun­gen ein. 
  • die haupt­ab­tei­lung I („der men­sch“) war für die er­zie­hung und kon­trol­le der mit­glie­der und ih­rer an­ge­hö­ri­gen [!] zu­stän­dig. da­zu zähl­ten „sip­pen­pfle­ge und sip­pen­for­schun­g“, die her­stel­lung und si­che­rung der bäu­er­li­chen „be­triebs­ge­mein­schaf­t“, die „schu­lun­g“ der land­ju­gend und der land­frau­en, die rechts­be­ra­tung und die „be­rufs­stän­di­sche lei­bes­er­zie­hun­g“. die­se auf­ga­ben ent­spra­chen der „men­schen­füh­run­g“ der nsdap.
  • die haupt­ab­tei­lung II („der hof“) küm­mer­te sich um al­le fra­gen, die mit der lan­dwirt­schaft­li­chen er­zeu­gung zu tun hat­ten. 
  • der haupt­ab­tei­lung III („der mark­t“) ob­lag die re­ge­lung der ord­nen­den tä­tig­keit der markt­ver­bän­de. 
gemeinsam mit der "nationalsozialistischen volkswohlfahrt" (nsv) und deren in rassenhygiene top-ausgebildeten und blind mit der parteilinie mittrottenden ortsfürsorgerinnen, krankenschwestern und familienpflegerinnen bildete sich besonders in den kleineren landgemeinden wie senne II damit eine umfassende soziale stütze und hilfe für die familien - und gleichzeitig damit eben auch eine gestrenge erbgesundheits-, und sippenkontrolle, die festgestellte unregelmäßigkeiten in ihrem weltbild rigoros anzeigten und weitermeldeten und maßnahmen einleiteten.

und es gibt ja indizien genug, dass letztlich diese funktionsabläufe und die rasseideologische gesamtausstattung der sogenannten "reichnährstands-denke" maßgeblich initial mitbewirkt haben, dass erna's 484-tägiges ns-euthanasie-mordmartyrium da im oktober 1942 seinen lauf nahm.

„blut und boden“ war also der zentrale begriff der nationalsozialistischen ideologie. die völkische ideologie des germanisch-völkischen "artaman-bundes" prägten ja die schriften jenes reichsbauernführers walther darré, die jetzt dem volk eingetrichterten vorstellungen der blut-und-boden-ideologie in der landwirtsachaft, die vor allem von adolf hitler, heinrich himmler und baldur von schirach aufgenommen wurden und die nationalsozialistische agrarpolitik bestimmte. darré betrieb die umsetzung seines siedlungs- und auslesekonzepts als leiter des reichsamts für agrarpolitik, reichsbauernführer, reichsminister für ernährung und landwirtschaft und eben auch als leiter des rasse- und siedlungshauptamtes der ss, deren vorstellungswelt er nachhaltig prägte. er setzte sich aufgunddessen besonders auch für die etablierung eines nach heutigem verständnis eher verquer verbrämten "reichserbhofgesetzes" ein, um "die Bauerngemeinschaft als Blutquelle des deutschen Volkes zu erhalten", was den alten überkommenen "teutschen" bauern-"stand" zur neuen blüte verhelfen sollte...

und von dieser vorstellungswelt waren dann auch die gemeinde"fürsorgerinnen" des nationalsozialistischen "volkswohlfahrt" geprägt und ideologisch durchdrungen, die im ort "nach dem rechten" schauen mussten - und die dann wegen ihrem "blaumachen" auch erna kronshage zum amtsärztlichen dienst schickte, weil man sich eben als "kriegswichtiger" betrieb keine "bummelei" mit irgendwelchen von der linie abweichenden "spinnereien" im kopf leisten konnte und wollte.


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dieser "reichsnährstand" als "staat im staat" - als ideologische bewegung, war ja eine ständische organisation der agrarwirtschaft und agrarpolitik, die wie eine kaste als körperschaft des öffentlichen rechts als selbstverwaltungskörperschaft mit eigener satzung sowie eigenem haushalts-, beitrags- und beamtenrecht eingerichtet war und bis 1948 bestand. man stattete also diesen "stand" mit ideologischen extra-privilegien aus, und wollte so rasse und blut und acker und krume und getreidegarbe und fleischproduktion als zentralen kern im volkstum etablieren.

und erna zeigte dazu nicht mal den "nötigen stolz" und das nötige selbstbewusstsein, sondern hatte andere flausen im kopf und verweigerte sich "ihres dienstes am volk" - so oder ähnlich wird das fazit der "verfehlung" damals gelautet haben - und von da an gab es auf dieser immer schiefer werdenden ebene schließlich keinen halt mehr ...



upload: in neuen fassungen überarbeitet: das triptychon zu erna kronshage | in memoriam

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 "in memoriam" Triptychon zu Erna Kronshage

Angeregt durch Gerhard Richters Bild „Tante Marianne“ (1965) sowie seinem „Birkenau“-Zyklus (2014) habe ich dieses digital-virtuelle online-Memorialtriptychon zusammengestellt 
zum Andenken an meine Tante
Erna Kronshage (1922-1944) 
die nach Einweisung, Zwangssterilisation und Deportation, schlussendlich Opfer der NS-Euthanasie wurde –
in einer 484-Tage währenden Leidensgeschichte.

Das Triptychon besteht aus den Motivtafeln:

1. Leben -2. Unfrucht -3. Auszählen -


Die linke Tafel: 
Leben – Impuls – Springtime

Von der ungebundenen, aufspringenden unbeschwerten, 
sich entwickelnden und profilierenden Vitalität… 


Die Tafel in der Mitte: 
Unfrucht 

…hin zur plötzlichen „Unfruchtbarmachung“: 
aus der verbrämten „erbgesundheitlich“ verirrten Zeitgeist-Denke wird das Leben zum menschlich berechneten Kalkül und führt zu Ex-klusion und Ausgrenzung…


Die rechte Tafel:
Auszählen – das Maß ist voll

… zur Reduzierung aller Individualität & Persönlichkeit hin zur Prüfung der bloßen Funktionalität und Verwendbarkeit – als nur noch eine Nummer in der Verfügungs- und Verschiebemasse, wo die Ergebnis-Summe auf "wert" und "un-wert" geprüft und abgewogen werden: „friss oder stirb“…
… und letztenendes dann zur Tötung – zum Mord – zur „Ausmerze“ ...

besuche mit einem click das blättermagazin - hier 


Mail aus Dziekanka/Gniezno


Ab und zu frage ich in der heutigen Psychiatrischen Klinik "Dziekanka" nach, ob authentische Unterlagen zu meiner Tante Erna Kronshage entdeckt worden sind, denn alle einschlägigen und aussagekräftigen Krankenunterlagen und Akten scheinen tatsächlich vernichtet worden zu sein. 

(siehe dazu ausführlich --> hier und hier  - sowie hier und hier...)

Und nun bekam ich dieser Tage dazu folgende Mail aus Dziekanka:


Guten Morgen, 
Leider sind die uns vorliegenden Dokumente aus der Kriegszeit nur das Hauptbuch und das Totenbuch. 
Erna Kronshage war vom 13.11.1943 an im Krankenhaus, sie starb am 20.02.1944. 
In der Anlage sende ich Ihnen ein Foto des Totenbuchs mit der Position Ihrer Tante:

--
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
Leiter der Abteilung Statistik
und medizinische Berichte
Diese Nachricht ist Eigentum des SPZOZ Wojewódzki Szpital dla Nerwowo i Psychicznie Chorych "DZIEKANKA" in Gniezno und kann vertrauliche oder rechtlich geschützte Informationen enthalten. 
Übersetzt aus dem Polnischen mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)



  • "Dziekanka" trug in der deutschen Besatzungszeit 1939 - 1945 den deutschen Namen "Tiegenhof", und wurde damals zu einer deutschen "Euthanasie"-Mordanstalt umorganisiert.
  • Ca. 5000 Menschen, Polen und Patienten aus dem deutschen Reichsgebiet, wurden hier gezielt ermordet.

erbgerichts-akte zur zwangssterilisation

eine arbeits-kopie der original erbgesundheitsgerichtsakte von 1943 zur zwangssterilisation meiner tante erna kronshage habe ich ende der 80er jahre ad-hoc kopiert im "stadtarchiv bielefeld" aus dem bestand "gesundheitsamt" - und hier nun wiederum als kopie ins netz gestellt - als blätter-magazin bei yumpu: zur einschlägigen information - und für unterricht und studium ... 


wann bekommt frau/man schon mal einen eindruck vom authentischen inhalt einer solchen "erb'gesundheits'gerichts-akte"... - bei der erstellung hab ich mir alle mühe gegeben - vielleicht kann die/der ein oder andere etwas damit anfangen ...

Neue Erkenntnisse zur Diagnose Schizophrenie


dies sind die seiten 47 u. 48 aus meinem 114-seitigen yumpu-bildmagazin: "Nazi-Euthanasiemord: Erna's Leidensporträt", 2018, das die komplexe vielschichtige leidensgeschichte meiner tante erna kronshage von 1942-1944 versucht, zusammenzufassen.


  • 1942 stellte der damalige ns-anstalts-oberarzt dr. werner norda die heute fragwürdige ruck-zuck diagnose "schizophrenie" für seine gerade zuvor eingelieferte patientin erna kronshage in der provinzialheilanstalt gütersloh, aus der sich dann in der folge die kettenreaktionen einer zwangssterilisation im august 1943 ergab ("schizophrenie" galt als erbkrankheit) - und dann eben auch die deportation im november 1943 in die deutsche vernichtungsanstalt "tiegenhof" bei gnesen/giezno im damals besetzten polen -  dort schließlich erna's ermordung nach 100 tagen im februar 1944.
  • beachte besonders mein resümee: ... Aber Schizophrenie unterscheidet sich schon damals ausdrücklich von all den vorübergehenden manchmal eigenartig wirkenden Zuständen, die „psycho-somatisch“, reflexartig ohne eigenes Zutun, als Schutz-Re-Aktionen körperlich ausgelöst werden, wenn sich für die Seele äußere Ereignisse als bedrohlich oder einschneidend darstellen ...
     
80 jahre später las ich nun dazu im "spiegel" folgenden aufsatz über "gefährliche infektionen" von 2019 - in der auch interessante neue erkenntnisse zur "schizophrenie" diskutiert werden:


Gefährliche Infektionen

Wie Entzündungen im Körper zu Depressionen führen können

Lange rätselten Forscher darüber, wie große seelische Leiden entstehen. Das klärt sich nun auf – im Fokus der Forscher: das Immunsystem.

Von Veronika Hackenbroch • 21.06.2019 - Spiegel + /Wissenschaft

Manche Krankheitsgeschichten sind so verrückt, dass man alle medizinischen Wahrheiten über Bord werfen muss, um sie zu verstehen. So auch die Geschichte jenes 67-jährigen Mannes, der an Leukämie erkrankte und deshalb eine Stammzelltransplantation brauchte, ein neues Immunsystem mithin, das das alte, kaputte ersetzen sollte. Eine Routineprozedur eigentlich. Ein jüngerer Bruder, der an Schizophrenie litt, war bereit, die Stammzellen zu spenden.

Nachdem dem Älteren die Zellen des Jüngeren übertragen worden waren, lief zunächst alles glatt. Die Leukämie war geheilt. Aber dann wurde das Medikament, mit dem das neue Immunsystem zunächst noch unterdrückt worden war, abgesetzt. Und plötzlich fing der 67-Jährige an, Stimmen zu hören. Stimmen, die ihm drohten, die kommentierten, was er erlebte. Er entwickelte bizarre Wahnvorstellungen, war überzeugt, andere könnten seine Gedanken lesen. Am Ende hegte er Selbstmord- und Mordgedanken.

Ärzte konnten alle naheliegenden Ursachen für diese psychotischen Symptome ausschließen. Der Mann hatte keinen Tumor im Kopf und keine Virusinfektion, keine Borreliose und kein Delir. Und obwohl er als Bruder eines an Schizophrenie Erkrankten selbst ein erhöhtes Risiko hatte, Opfer dieses psychiatrischen Leidens zu werden, wäre es extrem untypisch gewesen, wenn es ihn in seinem fortgeschrittenen Alter noch erwischt hätte.

Wurde dem Mann mit dem Immunsystem seines Bruders auch dessen Schizophrenie übertragen?

"Ich finde das plausibel", sagt Norbert Müller, emeritierter Professor für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er beschäftigt sich schon rund 30 Jahre lang mit dem Zusammenspiel von Immunsystem und psychischen Erkrankungen. Lange Zeit war er damit ein wissenschaftlicher Außenseiter.

Jetzt sieht es so aus, als wenn Müller seiner Zeit voraus gewesen war: Die Immunoneuropsychiatrie, die Wissenschaft, die die vielfältigen Verflechtungen zwischen Immunsystem, Gehirn und Psyche erkundet, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der spannendsten Forschungsgebiete in der Medizin entwickelt.

"Die Sicht auf Krankheiten wie Schizophrenie, Depression und Autismus ändert sich gerade", sagt Marion Leboyer, Professorin für Psychiatrie an der französischen Université Paris-Est Créteil. 20 Jahre lang habe sie die Genetik der psychischen Erkrankungen erforscht, erzählt sie, durchaus mit Erfolg, "aber ohne große Hoffnung, daraus einmal Therapien entwickeln zu können". Deshalb sei sie vor rund zehn Jahren auf das Gebiet der Immunologie gewechselt.

Die große Hoffnung lautet: psychische Leiden mit Immuntherapien behandeln zu können – wie Krebs oder Rheuma.

Dass Immunsystem und Psyche irgendwie zusammenhängen, ahnte man schon zu Zeiten von Hippokrates (etwa 460 bis circa 370 vor Christus). Damals wurde erkannt, dass Fieber – Zeichen einer Immunreaktion – Psychosen lindern kann. Der Mediziner Galen, der im 2. Jahrhundert nach Christus in Rom praktizierte, beschrieb einen Fall der Melancholie, der durch Malaria geheilt wurde. Und aus dem 18. Jahrhundert stammt ein Bericht über die Heilung "Tobsüchtiger" nach Pockeninfektion.

Doch die moderne Medizin verpasste sich lange Zeit selbst ein Denkverbot. Das Gehirn, so das Dogma, sei "immunprivilegiert", also dem Zugriff des Immunsystems weitgehend entzogen. Die Blut-Hirn-Schranke schotte es gegen Immunzellen ab. Inzwischen weiß man: Ohne die regulierende Funktion des Immunsystems kann der Mensch gar nicht denken.

Eine tätige Rolle dabei spielt eine Klasse von Immunzellen, die im Gehirn ansässig sind und die Forscher lange unterschätzt haben: sogenannte Mikroglia. Sie erspüren mithilfe von Rezeptoren, welche Nervenzellen des Gehirns gerade arbeiten. Durch direkten Kontakt und über Botenstoffe können sie Einfluss auf die neuronalen Übertragungswege nehmen – die Basis für Lernen, Gedächtnis und soziales Verhalten.

In den winzigen Lymphgefäßen der Hirnhäute umfließen auch Körper-Immunzellen das Gehirn. So erhalten sie ständig Informationen über dessen Zustand. Bei Bedarf überwinden sie von den Blutgefäßen aus die Blut-Hirn-Schranke und beeinflussen zudem mittels Botenstoffen die Aktivität von Nervenzellen.

"Es wird immer klarer, dass Immunmechanismen für die normalen, gesunden Funktionen des Gehirns wesentlich sind", sagt Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Mainz. "Immunsystem und Gehirn kommunizieren ständig miteinander."

Wichtig für das seelische Wohlergehen ist das richtige Gleichgewicht in dieser Kommunikation. Wird dies gestört, durch Entzündungen oder Autoimmunreaktionen, können psychiatrische Erkrankungen entstehen.

Mittlerweile haben Forscher jede Menge solcher Gefahren für die Hirngesundheit ausgemacht. Infektionen mit Viren und Bakterien gehören dazu; so zeigte eine Kohortenstudie mit mehr als einer Million Menschen, dass Infektionen, die einen Krankenhausaufenthalt nötig machten, das Risiko für eine spätere Schizophrenie oder Depression etwa verdoppelten. Eine Infektion der werdenden Mutter während der Schwangerschaft führt dazu, dass das Kind mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als andere autistisch wird.

Ein defektes Darmmikrobiom, also eine falsche Zusammensetzung der dort heimischen Bakterien, trägt wahrscheinlich ebenfalls via Immunsystem zur Entstehung seelischer Krankheiten bei.

Und auch genetische Studien bestätigen die wichtige Rolle der Immunabwehr: Viele der Genvarianten, die das Risiko für eine Depression, Schizophrenie, für Autismus oder andere psychiatrische Störungen erhöhen, beeinflussen die Funktion des Immunsystems.

Stück für Stück setzen Forscher ihre Erkenntnisse zu einem völlig neuen Bild psychischer Störungen zusammen, das zwar noch lückenhaft ist, aber Anlass zur Hoffnung auf neue Therapieansätze gibt – vor allem für die drei großen seelischen Leiden: Depression, Autismus und Schizophrenie.

Für Depressionen gibt es bekannte Risikofaktoren, psychosozialer Stress gehört dazu, psychische Traumata können dazu führen. Solche Geschehnisse fachen Entzündungen im Gehirn und im restlichen Körper regelrecht an. Stress macht zudem die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger, sodass bestimmte Botenstoffe leichter ins Gehirn gelangen können. Dort entsteht – zumindest bei einem Teil der depressiven Patienten – offenbar eine Art Schwelbrand, eine chronische Entzündung, die die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen kann.

Vieles, was die Stimmung aufhellt, hat hingegen eine antientzündliche Wirkung: Sport und Bewegung, aber auch Entspannungsübungen und eine Psychotherapie, die hilft, mit Stress besser umzugehen.

Erste Untersuchungen mit antientzündlichen Medikamenten waren bereits erfolgreich. So konnte schlichtes Aspirin die Wirkung des Antidepressivums Sertralin in einer Studie mit 100 Patienten signifikant verbessern. Das Arthrosemittel Celecoxib kann die Wirkung eines Antidepressivums verstärken, ebenso wird Infliximab bei Depressionen erprobt, ein Mittel, das beispielsweise bei entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt wird, weil es das Immunsystem unterdrückt. Nun hoffen Forscher, Therapien auch für jene depressiven Patienten entwickeln zu können, denen bislang nicht geholfen werden kann.

Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass auch beim Autismus, zumindest in einem Teil der Fälle, das Abwehrsystem aus dem Gleichgewicht geraten ist. So leiden überproportional viele Autisten an typischen Krankheiten: In einer kleinen Studie an Patienten mit Asperger, einer milden Form des Autismus, waren 70 Prozent von Allergien, Neurodermitis, Asthma oder ähnlichen Leiden betroffen – im Vergleich zu 7 Prozent in der nicht autistischen Vergleichsgruppe.

Marion Leboyer entdeckte im Blut erwachsener Autisten Immunzellen, die "überstimuliert und völlig dysfunktional" waren. "Es sah aus, als trügen diese Menschen eine Dauerinfektion in sich", sagt sie, "nur dass wir keine Infektion finden konnten."

Überdies scheint das für die Funktion des Immunsystems so wichtige Darmmikrobiom bei einigen Betroffenen gestört zu sein. Als Forscher Stuhl von Autisten auf Mäuse übertrugen, zeigten die Nachkommen der Tiere plötzlich autistische Verhaltensweisen. Umgekehrt konnten in einer Pilotstudie die Symptome einiger autistischer Kinder durch eine Transplantation eines gesunden Stuhlbakterienmixes erheblich verbessert werden. Von den 18 behandelten autistischen Kindern waren vor Behandlungsbeginn 15 als "schwer" betroffen eingestuft worden – zwei Jahre nach der Stuhltransplantation waren es nur noch 3. Die Symptome von 8 der behandelten Kinder hatten sich so stark verbessert, dass sie nicht mehr als Autisten galten.

"Eine Stuhltransplantation bei Autismus klingt völlig verrückt, oder?", fragt Hanna Stevens, Direktorin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Carver College of Medicine der University of Iowa. "Aber es ist wirklich eine sehr interessante Idee." Dringend müssten jetzt weitere Studien gemacht werden.

Bei manchen Menschen, die wie Schizophreniekranke unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen leiden, werden diese Symptome durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen, wie inzwischen bekannt ist. Dabei attackieren sogenannte Autoantikörper das Gehirn. Lassen diese sich nachweisen, behandeln Ärzte schon heute mit einer Immuntherapie: mit Cortison, Immunglobulinen oder einer Blutwäsche, bei der die Antikörper herausgefiltert werden. "Dass die Betroffenen inzwischen erfolgreich therapiert werden können, ist wirklich bahnbrechend", sagt Neurologin Frauke Zipp.

Auch bei tatsächlichen Schizophreniepatienten, die diese Autoantikörper nicht haben, finden sich häufig entzündliche Veränderungen, die darauf hinweisen, dass das Abwehrsystem entgleist ist. Fieberhaft suchen Forscher nun nach Biomarkern, die ihnen verraten könnten, welche Erkrankten auf eine Immuntherapie ansprechen würden – und welche Art von Therapie jeweils besonders gut geeignet wäre. Noch steht die Forschung am Anfang. "Aber es ist durchaus realistisch, solche Therapien zu finden", sagt der Münchner Psychiater Norbert Müller.
  • Eine der spektakulärsten Heilungen der Schizophrenie verdanken Ärzte allerdings dem Zufall. Einen jungen Mann befielen mit 23 Jahren, kurz nachdem er seinen Universitätsabschluss gemacht hatte, plötzlich Verfolgungswahn und Halluzinationen. Die Ärzte stellten die Diagnose "paranoide Schizophrenie". Die Therapie mit üblichen Medikamenten gegen dieses Leiden schlug nicht an.
  • Dann, mit 24 Jahren, bekam der Mann eine Leukämie. Seine einzige Hoffnung war eine Knochenmarktransplantation. Die gefährliche Prozedur heilte nicht nur seinen Blutkrebs: Nach 30 Tagen waren auch seine Schizophreniesymptome so gut wie verschwunden. Acht Jahre nach der Knochenmarktransplantation, berichteten die Ärzte, ging es dem Mann hervorragend – er war körperlich und psychisch gesund und arbeitete erfolgreich in einem bekannten Unternehmen.