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er konnte sich nicht gut "vermarkten"

Das sogenannte Malerhaus in der Wistinghauser Schlucht sieht aus wie ein verwunschenes Schloss. Mittlerweile ist es zugewachsen und steht seit Anfang der 80er Jahre leer. | © Horst Biere
Ein verkannter Maler, den es einst nach Bielefeld zog

Der Expressionist Herbert Ebersbach übersteht das Konzentrationslager und die Vernichtung seiner Werke. Im sogenannten Malerhaus in Oerlinghausen schafft der Künstler erst spät großartige Bilder.

Von Horst Biere | NEUE WESTFÄLISCHE

Es muss der Schock seines Lebens gewesen sein, damals im Herbst 1934. Herbert Ebersbach, ein 32-jähriger Künstler, kommt nach einem Jahr aus dem Konzentrationslager Burg Hohnstein in Sachsen zurück nach Hause und stellt fest, dass seine Mutter und sein Bruder sein Werk, etwa 100 Bilder, verbrannt haben.

Die Nazis hatten den bekannten Expressionisten aus Dresden – als „entarteten Künstler“ und auch,
Herbert Ebersbach in den 50ern. Über mehrere 
Jahre hinweg bauen er und seine Familie das Haus 
zu einem Atelier um. 
Foto/Repro: Horst Biere - 
Quelle: Familie Ebersbach /NW

weil er mit den Kommunisten sympathisierte, – inhaftiert und schwer misshandelt. Nun, zurück aus dem Konzentrationslager, steht er vor dem Nichts. Sogar seine Familie hat sich gegen ihn gestellt.

Sechs Bilder gerettet

Sechs Bilder kann Herbert Ebersbach retten, mit ihnen zieht er nach Bielefeld, weil einige frühere Malerfreunde ihm dort eine Unterkunft besorgt haben. Der Bielefelder Bäckermeister Wilhelm Kölker gibt Ebersbach eine kleine Wohnung hinter seiner Backstube an der Breiten Straße. Mit ihm ist der Maler lebenslang freundschaftlich verbunden. Doch es geht auch künstlerisch wieder aufwärts, denn die Bielefelder Kunstszene und auch die Obrigkeit sind offenbar liberaler eingestellt und helfen Herbert Ebersbach, wieder Fuß zu fassen.

Der erste Erfolg stellt sich ein, als das Städtische Kunsthaus Bielefeld, aus dem später die Kunsthalle hervorging, seine „Sennelandschaft“ erwirbt. Die Senne scheint den Maler zu inspirieren, wohl auch, weil man ihm einen Raum zum Malen in einem Kotten auf dem Stauhof in Lipperreihe (heute ein Pferdehof) überlässt. Und auch privat geht es ihm wieder besser, in seinen Kunstkreisen lernt er die junge Elsa Dicke aus Brackwede kennen, die beiden heiraten kurz darauf. Drei Kinder sollten im Laufe der Jahre hinzukommen.

Bilder aus dem Kunsthaus entfernt

Selbst im eher freiheitlichen Bielefeld setzen sich die braunen Machthaber immer mehr durch und beginnen mit „Säuberungsaktionen“ in der Kunstszene. Aus dem Kunsthaus entfernt man nicht nur Ebersbachs „entartete“ Sennelandschaft, sondern auch Werke von Peter August Böckstiegel, Emil Nolde und Hermann Stenner. Mit Gelegenheitsarbeiten schlägt sich Herbert Ebersbach durch. Als man ihn während der Kriegszeit dienstverpflichtet, hat er es wieder mit Farben zu tun: Bei Benteler spritzt er Kanonen mit Nitrolacken an.

Gruppenausstellung in der Oetkerhalle


Der alte Oerlinghauser Segelflugplatz in der Heide. Das Gemälde zeigt die Fliegerkuppen im Hintergrund. | © Repro: Horst Biere / Quelle: Familie Ebersbach / NW


Beim Straßenbau und mit Feldarbeit verdient er sich in den kargen Nachkriegsjahren ein wenig Geld, um die Familie, die mittlerweile in Stieghorst wohnt, über Wasser zu halten. An der ersten Gruppenausstellung in der Oetkerhalle 1946 ist Herbert Ebersbach bereits mit Stillleben und ersten Landschaftsbildern vertreten. Der Einstieg in ein geordnetes bürgerliches Leben mit festem Einkommen gelingt aber erst viele Jahre später. Ab 1957 tritt Herbert Ebersbach als Kunsterzieher in den Schuldienst ein und unterrichtete bis zu seinem 65. Lebensjahr an mehreren Bielefelder Schulen.

Entlegener Kotten als Atelier

Einen der größten Schritte in seiner künstlerischen Entwicklung macht er, als er ein Atelier in der Wistinghauser Schlucht in Oerlinghausen findet. Von einem Bekannten wird Ebersbach auf den kleinen, versteckt gelegenen Sandsteinkotten aufmerksam gemacht, der auf dem Gebiet des Gutes Wistinghausen liegt.

Mit Theodor Haniel, dem Besitzer des Gutes, wird er sich schnell einig. Der Gutsbesitzer liegt offenbar – was Kunstgeschmack betrifft – auf der Eberbachs Wellenlänge. Kostenlos stellte Haniel ihm das verfallene Haus als Atelier zur Verfügung. Mit Hilfe seiner Familie renoviert Ebersbach über Jahre hinweg das Haus, in dem es aber nicht einmal Strom gibt.

Starke, expressive Farben beherrschen Eberbachs Werke. Seine Landschaftsbilder vom Teutoburger Wald und aus der Senne fanden große Beachtung. | © Repro: Horst Biere / Quelle: Familie Ebersbach / NW




„Die meisten seiner erhaltenen und bekannten Werke entstanden in dieser Atelierzeit, die etwa 1960 begann und bis 1982 dauerte“, sagt sein Sohn Ludwig Ebersbach, der heute in Lipperreihe lebt. Als „freundlichen, hilfsbereiten und gastfreundlichen Menschen“ beschreibt er seinen Vater, der allerdings nicht sehr kontaktfreudig gewesen sei. Oft fährt Ludwig Ebersbach von der Bielefelder Familienwohnung mit dem Fahrrad über Helpup und die Schotterstraße hinauf zu den Eltern in der Wistinghauser Schlucht.

In dem einsam gelegenen Haus muss viel improvisiert werden: „Unser Gas fürs Licht und zum Kochen bekamen wir in Flaschen aus der Eisenwarenhandlung Bremer in Oerlinghausen, fließendes Wasser gab es durch eine Leitung von der Sachsenquelle etwas oberhalb.“ Ludwig Ebersbach: „Aber der alte Kohleofen im Atelier strahlte Gemütlichkeit aus.“

Schubkarre voller Malutensilien

So muss man sich das wohl vorstellen: die Malutensilien in
der Schubkarre - hier als Motiv eines unbekannten
belgischen Malers (ebay)
Herbert Ebersbach zieht häufig mit einer Schubkarre voller Malutensilien in die Umgebung, zuweilen wird er von seiner Frau Elsa begleitet. Leuchtende Landschaftsbilder des Teutoburger Waldes und der Oerlinghauser Senne entstehen in der freien Natur, manchmal malt er seine Bilder im Atelier weiter.

Die Motive entwickelt er in expressionistischer Manier: Naturgemälde mit intensiver Farbprägung, manche Bäume zeigt er im Wandel der Jahreszeiten. Aber auch Blumenstillleben und Porträts bestimmen seine Malerei. In seiner Familie erinnert man sich an den Ausspruch des Künstlers: „Farben müssen leuchten und Brillanz haben.“

Ein Expressionist der zweiten Generation

1984 stirbt Herbert Ebersbach im Alter von 82 Jahren, ohne den großen Durchbruch geschafft zu haben. Vor etwa einem Jahrzehnt entdeckt die Kunsthistorikerin Christiane Reipschläger sein Werk und beginnt – auch mit Hilfe seiner Enkelin Juliane Klinksiek-Ebersbach – nach seinen etwa 400 Bildern zu recherchieren und sie zu katalogisieren.

Mit einer großen Ausstellung im Kunstmuseum Ahlen (Westf.) gelingt es Christiane Reipschläger im Jahre 2014 schließlich, das Gesamtwerk des Künstlers und vor allem seine Werke aus der Oerlinghauser Schaffenszeit, „zurück ins Licht der Öffentlichkeit zu holen“.

Sie beschreibt ihn in einem üppigen Bildband als „Expressionisten der zweiten Generation“ und fasst zusammen: „Herbert Ebersbach hätte gern mehr ausgestellt, aber er hatte kein Talent, sich selbst zu vermarkten. Doch er lebte für die Malerei.“

Dora, 1929 Öl auf Leinwand 135,1 x 125 cm
© Juliane Klinksiek-Ebersbach

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Wikipedia:

Herbert Ebersbach (* 9. November 1902 in Wildenfels; † 28. August 1984 in Bielefeld) war ein deutscher Maler und Vertreter des Expressionismus.

Leben

Ebersbach studierte in den 1920er Jahren an der Kunstakademie Dresden bei Otto Gußmann und Oskar Kokoschka und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Heinrich Nauen und Heinrich Campendonk. Ebersbach war Mitglied der ASSO und der Dresdner Künstlervereinigung, 1932 schloss er sich der Dresdner Sezession 1932 an. Seine Lebensgefährtin war bis 1933 die Kunsthändlerin Hede Schönert.

1933 wurden Ebersbachs Werke von den Nationalsozialisten als „entartet“ eingestuft. Als Gegner des Nationalsozialismus kam er nach einer Durchsuchung seines Ateliers ins KZ Hohnstein, wo er rund 14 Monate lang inhaftiert war, bevor Freunde seine Freilassung erwirken konnten. Seine Familie hatte in dieser Zeit rund 70 (nach anderen Quellen 100 bzw. 150) seiner Ölbilder verbrannt, was er als Verrat empfand und nach der Entlassung 1934 zum Bruch mit der Familie führte. Ebersbach zog, nun quasi mittel- und wohnungslos, mit sechs geretteten Ölbildern im Gepäck von Dresden zu Freunden nach Bielefeld. Während des Zweiten Weltkrieges war er dienstverpflichtet. Nach 1945 nahm Ebersbach zum Broterwerb Aufträge für Wandbilder an und arbeitete als Kunsterzieher.

Werk

Das Gesamtwerk Ebersbachs umfasst ca. 400 Gemälde, Druckgrafiken und Zeichnungen, davon sechs, die vor 1933 entstanden. Die durchweg figurativen Motive sind von Blumenstillleben, Landschaften und Porträts bestimmt. Speziell die Gemälde aus der Schaffenszeit in den 1960er und 1970er Jahren sind von intensiver Farbigkeit und Ausdrucksstärke geprägt.

Viele seiner Werke entstanden in der Wistinghauser Schlucht am Tönsberg bei Oerlinghausen, wo ihm die Unternehmerfamilie Haniel auf ihrem Landgut ein Atelierhaus auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Kontakte zur Familie waren um 1954 entstanden.

Christiane Reipschläger, Burkhard Leismann (Hg.): Herbert Ebersbach. Transformation der Farbe. Verzeichnis der Gemälde, 2014,
ISBN 978-3-86206-349-9










es gibt immer noch interessante neu-entdeckungen in der westfälischen kunstszene um den expressionismus, oder vielleicht muss man ja auch inzwischen von den "expressionismen" sprechen. 

und diese biografie hier mutet ja in ihrem idyllischen teil schon ein bisschen an nach szenen aus dem van-gogh-film von julian schnabel, wo vincent sich mit breitkrempigen sonnenhut hinhockt draußen im stoppelfeld mit seiner reise-ausklappstaffelei und falthocker und leinwand - und das augenblicksmotiv malt, so wie er es sieht und festhält - und die sonne brennen lässt... 

ich kann mir jedenfalls herbert ebersbach lebhaft vorstellen, wie er mit der schubkarre fat ebenso über land schiebt, um das geeignete motiv in der wistinghauser senne oder im teutoburger wald zu finden - und das alles liegt ja direkt hier vor meiner haustür - und wenn ich aus dem wohnzimmer schaue, blicke ich zur oerlinghausener kirche und weiß rechts dahinter den flugplatz und davor eben diese wistinghauser senne mit dm alten idyllischen halbverfallenen gehöft, dass sich ebersbach mit seinen lieben zum atelierhaus aus- und umbaute.

ja - er konnte sich nicht so recht "vermarkten", wie das seine "ur"-ostwestfälischen malerkollegen seines genres konnten, die aber auch zum großen teil älter waren und hier an der werkkunstschule studiert hatten - und so den clan der "bielefelder moderne" bildeten, wie man das heutzutage manchmal einordnet.

schon 1907 wurde in bielefeld die handwerker- und kunstgewerbeschule gegründet. der lehrer ludwig godewols unterstützte künstler, die modern arbeiten wollten. sie fuhren 1909 ins osthaus-museum und 1912 nach köln, wo die sonderbund-schau viel von besagtem van gogh präsentierte und wo man studien betrieb. ebersbach war da noch zu jung, 5 und dann11 jahre alt. und zur „bielefelder moderne“ (1907-26) werden victor tuxhorn, georg tuxhorn, ernst sagewka, heinz lewerenz, hermann freudenau, wolfgang tümpel, alfred wiese, werner hagemeister und wilhelm schabbon gezählt - und außerdem natürlich peter august böckstiegel, der bereits als expressiver maler sein akademiestudium 1913 in dresden aufnahm, aber sich zeitlebens als „bauernmaler“ bezeichnete.

in diese "stadtbekannte" und fest ansässige phalanx als newcomer einzudringen, war für ebersbach bestimmt nicht einfach, denn bei aller freundschaft und kollegialität unter- und miteinander war in solchen künstlerkreisen natürlich auch konkurrenzdenken und sogar regelrechte intrigen und ignorierungen untereinander mit von der partie, denn sie waren natürlich alle miteinander mitanbieter auf dem kunstmarkt, und wollten aufträge bekommen und kohle verdienen - und den kollegen "ausstechen" mit dem eigenen entwurf.

der "arme" hungerkünstler war damals nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real - und er lebte zumeist von der hand in den mund - ohne große rücklagen - zumal ja solch eine kunstvermarktung wie heute mit den auktionshäusern und agenturen und den siebenstelligen summen überhaupt nicht zur diskussion standen.

der maler war noch eher ein handwerker, wie der wanderschuhmacher, der von haus zu haus zog und nach defektem schuhwerk fragte, oder der schrenschleifer. und alte bauersleut gönnten sich vielleicht mal einen künstlerischen wandschmuck zur goldenen hochzeit, oder wolletn den verstorbenen fleißigen großvater auf leinwand gebannt sehen, zum andenken.

ich werde zukünftig jedenfalls eine namensnennung "herbert ebersbach" irgendwo in der scene besonders aufmerksam registrieren - und mich auf den patt machen, um ihn in seinen werken zu begegnen - wenn "corona" es wieder zulässt.