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alle rembrandts

Alle Rembrandts
Amsterdamer Reichsmuseum zeigt den kompletten Bestand


RADLER VOR EINER DURCHFAHRT IM MÄCHTIGEN BAU DES AMSTERDAMER REICHSMUSEUM, AN DEM EIN PLAKAT FÜR DIE AUSSTELLUNG WIRBT.


Von Annette Birschel

Amsterdam (dpa). Es ist Rembrandtjahr, und das Amsterdamer Rijksmuseum packt groß aus. Es zeigt erstmals in seiner Geschichte »Alle Rembrandts« seiner Sammlung.

Ein Himmelbett, die Vorhänge sind zurückgezogen, eine junge Frau lehnt in den Kissen. Es ist Saskia, die Frau von Rembrandt van Rijn. Mit nur wenigen kräftigen Strichen skizzierte der Maler diese sehr intime Szene. Das war 1635, und so etwas hatte es in der Kunst noch nie gegeben.

Die kleine Zeichnung, kaum 20 Zentimenter groß, ist nun im Amsterdamer Reichsmuseum zu sehen. Nur wenige Meter entfernt hängen die berühmten imposanten Porträts von »Marten und Oopjen« – mehrere Quadratmeter groß. Groß und klein, berühmt und unbekannt hängen nebeneinander – und das ergibt eine verblüffende Harmonie. Gerade die Skizzen und Zeichnungen erlauben einen frischen Blick auf den Maler und sein Werk.

Vor 350 Jahren starb der große holländische Meister (1606-1669), und das Reichsmuseum packt ganz groß aus [click]. Es zeigt von morgen an (bis 10. Juni) »Alle Rembrandts« seiner Sammlung – und das ist die größte der Welt. 22 Gemälde, 60 Zeichnungen, 300 Drucke. »Von Rembrandt kann man eben nie genug bekommen«, findet der Direktor für Malerei des Museums, Gregor Weber. Der deutsche Kunsthistoriker hat ja recht. Und das liegt eben am Künstler selbst. »Er berührt uns, er erzählt menschliche Geschichten, er ist einer von uns.«

Zugegeben es sind sehr viele Werke, die alle ein sehr genaues Hingucken verdienten. Doch sie werden in einem intimen Rahmen präsentiert. Die kleinen Zeichnungen, flüchtigen Skizzen und detaillierten Drucke hängen in wundervoll ausgeleuchteten dunklen Räumen. Und dazwischen – sehr sparsam platziert – die großen, berühmten Gemälde.

Besucher schauen auf Rembrandts "Die Nachtwache". Das Amsterdamer Rijksmuseum zeigt bis Juni "alle Werke" aus der eigenen Sammlung. Die Ausstellung ist eine Hommage an den Maler, der vor 350 Jahren in Amsterdam starb. Fotos: Peter Dejong/AP/dpa - WB


Die Ausstellung zeigt, wie sehr das persönliche Leben des Malers mit seiner Kunst verknüpft ist. »Rembrandt war Beobachter und Geschichtenerzähler«, sagt Konservator Erik Hinterding. Zunächst beobachtete er vor allem sich selbst. Wir sehen 1628 einen leicht pausbäckigen jungen Mann mit wirrem Haar, die wachen Augen liegen im Schatten. Am Ende seines Lebens hängen diese Augen über dicken Tränensäcken in einem leicht aufgedunsenen Gesicht. Rembrandt als melancholischer Apostel Paulus (1661). Dazwischen entstanden fast unendlich »viele Selfies«, wie der Konservator witzelt. Mal streng, mal lachend – Rembrandt übte.

Auch seine Eltern standen Modell. Aber der Maler ging auch auf die Straße, zeichnete Bettler, Gaukler, Kaufleute. Er sei auch ein Chronist seiner Zeit gewesen, sagt Hinterding. »Schnappschüsse wie heute auf Instagram.«

Das große Geld und der Ruhm kamen durch die Aufträge der Reichen und Mächtigen. Rembrandt porträtierte sie meisterhaft. Selbst bei Gruppen wie »Die Nachtwache« stellte er jeden einzelnen als Individuum dar. Zusätzlich schuf er Dramatik mit Licht und Schatten und Vorder- und Hintergrund.

Schönheit interessierte den Maler nicht, sondern die Wirklichkeit. Gerade das Unvollkommene faszinierte ihn, Spuren in Gesichtern und auf Körpern. »Er suchte die Schönheit im Hässlichen«, sagt Taco Dibbits, Direktor des Reichsmuseums.

Auch mit seiner Technik ist Rembrandt revolutionär. Er hält sich an keine Regel. Erst setzt er noch feine Pinselstriche. Später greift er zum breiten Palettmesser und bringt damit die Farbe direkt auf die Leinwand, grob und expressiv. Er kratzt noch mit der Rückseite des Pinsels in die Farbe. Ausgerechnet bei dem so intimen Porträt der »Jüdischen Braut« sind die Farbbrocken so dick, dass man meint, sie könnten abbrechen.

»Rembrandt ist ein Rebell«, sagt Direktor Dibbits. Dafür zahlte er einen hohen Preis. Er starb völlig mittellos, und seine Kunst war längst aus der Mode: Zu dunkel, zu realistisch, zu hässlich. Kurz: Nicht sehr erhebend. Doch Kompromisse hätte er nie gemacht.

aus: WESTFALEN-BLATT, Nr. 38, Donnerstag 14.02.2019, Seite 21 - Kultur/Fernsehen




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manchmal kann auch ein an sich trauriger anlass zu einem super-event werden: vor 350 jahren starb rembrandt harmenszoon van rijn (* 15. juli 1606 in leiden; † 4. oktober 1669 in amsterdam) - bekannt unter seinem vornamen rembrandt. und da es eben im veranstaltungskalender nur so zu deichseln war, ist diese große schau am tatsächlichen todestag, dem 4. oktober schon wieder im magazin verschwunden - oder sie wird "wegen des überragenden erfolgs" einfach bis in den oktober verlängert - wer weiß ...

ansonsten werden vor der "nachtwache" die besucher dichtgedrängt in 5- bis 6-fach-reihen hintereinander stehen und nach dem obligatorischen handy- oder sogar selfie-foto weitergeschoben zum nächsten highlight - immerhin sind ja um die 22 gemälde, 60 zeichnungen und 300 drucke zu absolvieren: »von rembrandt kann man eben nie genug bekommen« ...

das ganze ist aber auch eingebunden in den internationalen harten wettbewerb der museen untereinander um besucher. denn 2019 wird gerangelt mit "100 jahre bauhaus" in deutschland, mit dem "jungen picasso - blaue und rosa periode" in der fondation beyeler in riehen/schweiz, mit "tizian und die renaissance" im städel-museum frankfurt, mit dem "dunklen nolde in der nazizeit" in berlin, mit großen "van-gogh-ausstellungen" in london und frankfurt , mit "edvard munch" ab herbst in düsseldorf und "van dycks schönen frauen", um nur einiges zu nennen (click insgesamt dazu z.b. auch hier - und hier) ... - hinzu kommen ja die jährlich wiederkehrenden kunstevents der "biennale ..." und die verschiedensten "art's ..." usw.

um auch nur einen hauch davon mitzubekommen müsste man sich irgendein ganzjähriges "euro-ticket" erstehen, und viel zeit - und viel geld ... - und hoffentlich ist dann so eine art-sightseeing-tour auch so nachhaltig, dass man sie hinterher für sich und für seine lieben noch reproduzieren kann und die tausenden von smartphone-knips noch einigermaßen einzuordnen vermag.

ich meine, und das ist ja die frage, ob man zu jedem infragekommenden "runden" gedenktag eines künstlers ein top-event deshalb kuratieren muss - und ob die immer gleich als "jahrhundert-ausstellungen" inszeniert werden müssen.

der alte kaufmanns-spruch heißt ja: "angebot und nachfrage bestimmen den preis" - aber ein überangebot oder eine kunst-inflation verführt zur oberflächlichkeit ... - von "kunstgenuss" bleibt dann kaum noch etwas übrig - nur der preis wird stimmen ... - aber kommen dann noch die erwarteten besucherzahlen ... ???

und nix für ungut - und chuat choan

foto: rijksmuseum