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sauerland: ein essgeschirr als "letzte botschaft"


Ausgrabungsfunde wie ein Verschluss eines Karabiners (links), eine Emaileschüssel, Knöpfe oder zwei Damenschuhe stehen bei einer Pressekonferenz im Rathaus auf einem Tisch. Foto: dpa

NS-Verbrechen im Sauerland: Experten graben 400 Fundstücke aus

Warstein/Arnsberg (dpa). Es sieht aus wie ein ganz normaler schlammiger Waldweg im Sauerland. Doch wo Wissenschaftler der Öffentlichkeit am Freitag ihre Forschungsergebnisse präsentieren, erschossen SS-Schergen vor mehr als 70 Jahren kurz vor Kriegsende 56 Zwangsarbeiter und ein Kleinkind. In Warstein-Suttrop. Ein Gedenkstein erinnert an das Morden.

Archäologen haben dort bis Anfang 2019 nach intensiven historischen Voruntersuchungen gegraben. Ebenso an zwei weiteren Exekutionsstätten im Arnsberger Wald, wo Angehörige der Waffen-SS und Wehrmacht im März 1945 insgesamt 208 polnische und russische Zwangsarbeiter ermordeten.

Mehr als 400 Fundstücke haben die Experten insgesamt aus dem Boden geholt. Sie haben nun ein Puzzle zusammengesetzt, für das zuvor noch einige Teile gefehlt hatten - und das jetzt das gesamte barbarische Bild zeigt. Vielfach sind es kleine letzte Habseligkeiten der Opfer, die die Erde freigegeben hat.

Auf der Grundlage langjähriger Forschungen von Historikern des landschaftsverbandesw Westfalen-Lippe (LWL) haben LWL-Archäologen 2018 und Anfang 2019 Ausgrabungen an allen drei Tatorten der Exekutionen durchgeführt: Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/Thomas Poggel

Fragmente einer Mundharmonika, eines Brillenetuis, ein polnisches Gebetbuch und ein Wörterbuch, sojwetische Münzen, Schuhe, Kleidungsteile, Geschirr, einen Löffel, Knöpfe. Die Objekte sind wichtige Zeugnisse, sie erzählen von den Ermordeten, wie Matthias Löb sagt, Direktor des kommunalen Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL): »Es ist quasi ihre letzte Botschaft.«

Die meisten Funde stammen vom Tatort der ersten Mordaktion, dem Langenbachtal bei Warstein. Unter einem Vorwand wurden Zwangsarbeiterinnen in den Wald gebracht. Dort mussten sie ihre Habseligkeiten und Kleidung am Straßenrand ablegen. Man wollte sie vermutlich glauben machen, sie könnten ihre Sachen wieder abholen, bevor es zurück in die versprochene neue Unterkunft ginge.

Tatsächlich sollte die Kleidung der 71 Toten (60 Frauen, zehn Männer und ein Kind) später an Bedürftige des Orts weiterverteilt werden. Das Geld der Opfer raubte die Einheit für ihre Divisionskasse.

Die Reste dieser persönlichen Besitztümer, die von den Erschießungskommandos nicht mitgenommen wurden, entdeckten die Archäologen in der Erde verscharrt.


Ein Aufschrift auf der abgewandten Seite eines Obelisken erinnert auf dem sogenannten «Franzosenfriedhof» in Meschede an russische Opfer der SS, die im Jahr 1945 in Warstein erschossen wurden. Foto: dpa




Drei Massengräber

Und auch zu den Tätern geben die Ausgrabungen zentrale Hinweise. Deutlich wird: An allen drei Exekutionsstätten war das Vorgehen unterschiedlich, wie LWL-Archäologe Manuel Zeiler erläutert. Eisensplitter belegten, dass an einen Tatort eine Grube in den Boden gesprengt wurde. In der Grube wurden Projektile und Waffenteile entdeckt. An anderer Stelle offenbaren Patronenhülsen, dass einige der Zwangsarbeiter noch versucht hatten zu fliehen. Vergeblich.

"Man hört das immer, da sind welche erschossen worden oder so, aber wenn man wirklich am Ort steht und auch noch die Hinterlassenschaften findet, das ist wirklich hart. Da kommt man schon ins Grübeln.", sagt einer der auch ehrenamtlichen Suchhelfer, der Lennestädter Björn Greene.

In dem Wald sind viele Forscher unterwegs. Möglichst genau soll rekonstruiert werden, was sich hier im März 1945 zugetragen hat und warum.

Massenerschießungen angeordnet

Die Opfer waren zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt Projektleiter Marcus Weidner, Historiker beim LWL. Offenbar hat sich ein hoher SS-Offizier und Chef einer Einheit, die aus SS-Leuten und Wehrmachtssoldaten bestand und in Suttrop vorübergehend untergebracht war, an den vielen Zwangsarbeitern im Ort gestört. Sein Name: Hans Kammler [click]. Der SS-Obergruppenführer wird von Rechtsextremisten bis heute verehrt.
SS-Obergruppenführer Hans Kammler
foto: https://woldcitizen.wordpress.com/
tag/hans-kammler/ - coloriert

Angeblich gehe von den Zwangsarbeitern eine Gefahr für die deutsche Bevölkerung aus. Kammler gab deshalb den Befehl, „die Fremdarbeiter zu dezimieren“, wie er die Ermordung umschrieb. Er selbst beteiligte sich nicht an der Mordaktion, beauftragte aber die Offiziere seiner Einheit damit. „An jedem der drei Erschießungsaktionen waren zehn bis 15 Angehörige der Kammler-Division beteiligt“, sagt Historiker Weidner.

LWL-Historiker Marcus Weidner ist einer der Experten des Landschaftsverbandes, der dazu forscht - auch, weil es in den Nachkriegsjahren unterschiedliche Aussagen gab und sich viele Beschuldigte schützen wollten.


Der Tod des SS-Obergruppenführers Kammler (Wikipedia)

Am 3. April 1945 war Kammler das letzte Mal bei Adolf Hitler und machte ihm offensichtlich
Hoffnungen. „Kammler macht sich ausgezeichnet, und man setzt auf ihn große Hoffnungen.“ (Goebbels, Tagebuch 4. April 1945). Während Kammler im Führerbunker noch den schneidigen General gegeben hatte, deutete er am 13. April gegenüber Speer seine Zukunftspläne an. Der Krieg sei verloren, und es wäre besser, sich jetzt noch abzusetzen. Er wolle sich mit den Alliierten in Verbindung setzen und ihnen neueste Rüstungstechnologie im Tausch gegen seine persönliche Freiheit anbieten.

Nach dem 23. April 1945 fuhr Kammler zunächst nach Ebensee in Österreich, wo es zu einem Treffen mit SS-Führern kam, und am Morgen des 4. Mai nach Prag. Gegenüber dem Journalisten Gunter d’Alquen prophezeite Kammler, „dass wir in Prag noch etwas erleben werden“. Am Abend des 4. Mai begann der Prager Aufstand. Am 9. Mai 1945 besetzte die Rote Armee die Stadt.

Kammler starb am Abend des 9. Mai 1945 durch Suizid. Dies stellte sich im Verlauf des am 9. Dezember 1957 in Arnsberg begonnenen Prozesses gegen die Untergebenen Kammlers wegen des von seiner Einheit vom 20. bis 22. März 1945 begangenen Massakers an Fremdarbeitern im Arnsberger Wald heraus.

Dabei wurde in der Entscheidung des Landgerichtes festgehalten, dass Kammler sich in Begleitung seines Ordonnanzoffizieres und eines Fahrers Anfang Mai 1945 in Prag befand und den Prager Aufstand und die Kapitulation der deutschen Truppen erlebte. Weiter wird referiert, dass Kammler am 9. Mai mit zwei Kraftwagen aus der Stadt flüchtete. Nachdem er schon an vorherigen Tagen geäußert hatte, „es habe für ihn keinen Zweck mehr“, ließ er in einem Waldgebiet südlich von Prag halten. Er forderte seine Begleiter auf, sich nach Deutschland durchzuschlagen, und begab sich in den Wald. Kurze Zeit danach wurde er dort von seinem Ordonnanzoffizier, SS-Untersturmführer Zeuner, und seinem Fahrer Preuk tot aufgefunden.

Er hatte sich offensichtlich mit Hilfe von Zyankali das Leben genommen. Die Leiche wurde von den Anwesenden sodann notdürftig an Ort und Stelle begraben. Im Buch Vier Prinzen zu Schaumburg-Lippe, Kammler und von Behr wird ein Brief der Zeugin Ingeborg Alix Prinzessin zu Schaumburg-Lippe (1901–1996), die damals Führerin der SS-Helferinnen war, an die Ehefrau Jutta Kammler zitiert, in dem die letzten Tage und die Flucht Kammlers aus Prag beschrieben werden, sowie seine Absicht Suizid zu unternehmen, um einer Gefangennahme zu entgehen. Sie bestätigte in dem Brief auch den Suizid.

Schon vorher war durch Beschluss des Amtsgerichtes Berlin-Charlottenburg vom 7. September 1948 auf Antrag der Witwe Jutta Kammler der Tod von Hans Kammler für den Todeszeitpunkt 9. Mai 1945 gerichtlich festgestellt worden. Grundlage des Urteils waren die Aussagen von Kammlers früherem Fahrer Kurt Preuk und seines Ordonnanzoffiziers Heinz Zeuner.


Opfer im Sauerland überwiegend Frauen

Von zwei Massengräbern hatten die amerikanischen Truppen schon kurz nach der Befreiung erfahren, berichtet  Weidner. Ein US-Kommandant habe ehemaligen NSDAP-Mitgliedern befohlen, die Leichen zu exhumieren, die Bevölkerung musste an ihnen vorbeiziehen. Ein drittes Massengrab wurde erst 1947 entdeckt. Dort hatten die NS-Täter 80 Zwangsarbeiter getötet.

Deutsche heben 1945, bewacht von der US-Armee, Gräber für die ermordeten Zwangsarbeiter in Suttrop aus - Foto: National Archives and Records Administration, Washington

Weidner sagt, die Opfer seien überwiegend Frauen gewesen. Die schon vor den neuen Ausgrabungen entdeckten Knochen zeigten, »wie jung viele Opfer waren.« Bei vielen fehlten Teile der Schädelknochen. Eine Folge von Genickschüssen. Die getöteten Zwangsgsarbeiter waren Zufallsopfer, schildert der Historiker. Sie seien aus dem Westen kommend im Sauerland gestrandet - in der Hoffnung, dort zu überleben.

Die allermeisten Opfer sind auf einem Waldfriedhof in Meschede bestattet. Weidner zufolge hatte die juristische Aufarbeitung der Verbrechen 1957 vor dem Arnsberger Landgericht begonnen, wo das Urteil gegen nur wenige Angeklagte »skandalös niedrig« ausgefallen sei. Erst im Revisionsverfahren hätten die Richter einige Täter auch wegen Mordes verurteilt.

Es sei den Experten inzwischen gelungen, 14 Opfer zu identifizieren. »Wir versuchen die Angehörigen zu ermitteln.« Die Forschungsergebnisse sollten einer breiten Bevölkerung vermittet werden. Denkbar sei, die Tatorte zu einem »Erinnerungspfad« zusammenzuführen.

Mit den neuen Erkenntnissen trage man »zur weiteren Aufhellung« der grausamen NS-Mordaktionen bei, betont Löb. Das sei in mehrerer Hinsicht bedeutend, denn: Seit einigen Jahren geben es Versuche, Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und der NS-Diktatur zu verharmlosen oder zu leugnen.

Eine Lehre aus den Sauerland-Funden sei: Eine »Schlusstrich-Mentalität« verbiete sich. 


click to wdr-video



Quelle: westfalen-blatt.de  & material wdr & bild; neue wesfälische




& click here: 
Naziverbrechen 
Das Massaker im Arnsberger Wald 
Es war einer der schlimmsten Massenmorde noch kurz vor Kriegsende: Vor 74 Jahren erschoss die "Division zur Vergeltung" im Sauerland 208 polnische und russische Zwangsarbeiter. Jetzt wurden ihre Habseligkeiten gefunden. 
Von Christian Parth

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nach über 70 jahren müssen die archäologen des landschaftsverbandes westfalen-lippe (lwl) in umfangreichen ausgrabungen endlich die noch immer blinden flecken der letzten tage der nazi-herrschaft freilegen, um den jetzigen generationen auch tatsächlich nachzuweisen: so brutal war es - so unmenschlich wurde mit menschen verfahren, die ja damals schon auf der flucht waren, und die dachten, sie hätten den schlamassel endlich hinter sich - die ihre einsatzorte ja wenige wochen vor der offiziellen kriegskapitulation schon verlassen hatten und nun im warsteiner und arnsberger wald unterschlupf suchten auf dem weg nach hause: aber obwohl zu diesem zeitpunkt bestimmt jeder mensch wusste, dass dieser krieg verloren war und die nationalsozialisten nur not und elend und mord und totschlag hinterlassen würden, wurden die "letzten befehle" noch emsig ausgeführt: hier im innern des landes - weit entfernt von tatsächlichen kriegshandlungen - beseitigte man an verschiedenen "exekutionsstätten" im tiefen sauerland-wald justement noch über 200 zwangsarbeiter und zivilisten - männer, überwiegend frauen und sogar ein kleinkind - ohne jeden sinn und verstand - aus reiner wut, aus hass, aus mordlust, aus frust vielleicht wegen der drohenden bedingungslosen kapitulation - und weil "diese elemente" ja "unkontrolliert" auf den straßen unterwegs waren - und eine "gefahr" für die deutsche bevölkerung darstellten - weil sie vielleicht beim nächsten bauern um nahrungsmittel bettelten, oder ein paar hühnereier klauten... 

und die täter dieser unsinnigen mordaktionen kamen immerhin erst 12 jahre später im großen und ganzen recht billig davon - und erst bei der revision verurteilte man ein paar von ihnen tatsächlich wegen mordes - aber sie werden kaum "lebenslänglich" hinter gittern gemusst haben ... -

vom tatsächlichen befehlsgeber ss-obergruppenführer hans kammler (siehe dazu auch: hier) gibt es verschiedene schicksals-versionen: die eine meint, er sei am 09. mai 1945 im wald bei prag durch zyankali-suizid ums leben gekommen - ein anderes gerücht beschreibt die möglichkeit, kammler habe sich wie wernher von braun u.a. in die obhut des amerikanischen geheimdienstes begeben und seine identität verwischt, weil er viele geheime informationen zum waffenarsenal und zu waffenplänen der wehrmacht hatte und die "zum tausch" anbot.  

und damals - bis in die 70-er jahre - galt ja tatsächlich noch im großen und ganzen der grundsatz: "eine krähe hackt der anderen ..." - wenigstens war ja zumindest in der ersten welle die anklage gegenüber kriegsverbrechern insgesamt skandalös lau - in der brd genauso wie in der ddr ... - und die alliierten meinten ja, mit ihren "nürnberger prozessen" sei ihre arbeit in der hinsicht getan -

und erst jetzt wollen sich junge staatsanwälte noch eine goldene nase damit verdienen, indem sie inzwischen tüddelig altgewordene opas, meist einfache wachsoldaten, aber dadurch "mitwisser", vor 70-80 jahren in einem mörderischen regime, noch für ein paar tage bis zu ihrem tod hinter gittern bringen können - (etwa zur sühne und zur sozialen läuterung ...???) - falls die ihre "strafe" wegen tatsächlicher gebrechlichkeit überhaupt noch antreten können.

von diesen jetzt viel zu späten verurteilungen dieser frauen und männer der zweiten und dritten (mit-)"täter"garnitur halte ich gar nichts ... - man sollte sich besser um die staatsanwälte kümmern, die vor 50 jahren solche verfahren gegen die haupttäter gar nicht eröffnet oder sogar vereitelt haben - und man sollte mal schauen, wer dort für was und gegen wen die hand aufgehalten hat - welche seilschaften damals aktiv waren im verschleiern...

wir haben ja hier im nsu-prozess erlebt, wie höchst bedauerlich die justiz da eher mit sich selbst und mit einsprüchen und vetos von links bis rechts beschäftigt wurde, als mit der und den angeklagten und ihrer verurteilung - und vor kurzem las ich, dass ihre verteidigung "mit ihr ihre verlegung in ein heimatnahes gefängnis besprechen will" - da kann man nur mit dm kopf schütteln...

das sind politisch-juristische ränkespiele, die wir nicht durchschauen können - und manchmal ist es nicht mal der böse wille der beteiligten - sondern einfach der fluch einer bürokratie, die sich selbst längst matt gesetzt hat ...: nichts gilt mehr ...