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greta thunberg & logion 9 - einfach wunderbar

faksimile thomas-evangelium - simple-pedia



Aus Logion 9 - im sogenannten "Thomas-Evangelium" -

einer im Dezember 1945 in Oberägypten in Nag Hammadi von einem Fellachen in einem Tonkrug gefundenen koptischen Schrift - über die Entstehungszeit und Authentizität streiten sich seitdem die Experten:
Jesus sagt: der Sämann kam heraus und füllte seine Hand und streute aus. Einiges fiel auf den Weg, die Vögel kamen und pickten es auf. Anderes fiel auf den Felsen, trieb keine Wurzeln in die Erde, hob auch keine Äste zum Himmel. Und wieder Anderes fiel in die Dornen. Sie erstickten die Saat und die Würmer fraßen sie auf. Anderes aber fiel auf gutes Land, das brachte gute Frucht. Es trug sechzig je Scheffel und einhundertzwanzig je Scheffel.
Repro aus: EVANGELIUM NACH THOMAS, Leiden, E.J. Brill, 1959 - S. 6 u. 7

Das kennen wir doch - das Gleichnis vom Sämann. Dies ist eines der Originalstücke, die dem Evangelium der Christen überleben halfen. Aber vergessen wir die Bibelgestalt und wenden uns der Urgestalt zu. Erstens: bei Jesus ist nichts zufällig und nichts "einfach so" gesagt. Also auch nicht die Sache mit den Vögeln, den Dornen und den Felsen. All das soll nicht nur illustrieren, was mit der Saat geschieht, sondern auch, auf welche Weise. Zunächst einmal streut der Sämann aus - es interessiert ihn nicht, wohin die Saat fällt, er streut, während er weitergeht. Kein Landstrich wird ausgelassen, es gibt keine Voraussetzungen, nichts da mit "wer da glaubt und getauft wird". Die Arbeit des Sämannes ist nicht, aufzupassen wohin seine Saat fällt, sondern zu säen. Wohin es fällt, fällt es. Aber die Wirkung ist unterschiedlich; was die Vögel fressen, nährt sie immerhin. Und was auf den Felsen fällt - es findet keinen Nährboden, aber es ist niemand "schuld" wenn es nicht aufgeht. Was unter die Dornen fällt - die Eigenschaft dieses Gewächses ist, daß es neben sich nichts aufkommen läßt, weil es allem den Nährstoff entzieht. Das ist dann schon eine etwas andere Situation, denn hier lebt etwas auf Kosten eines anderen und durch Gestrüpp wird menschliche Nahrung vernichtet. Immerhin aber - die Würmer nährt sie doch noch, aber sie nehmen es wie andere Nahrung auch. Aber wo es in den Acker fällt - sechzig und hundertzwanzig sind nicht nur Synonyme für "doppelt und dreifach", sondern sind populäre Glückszahlen von universaler Dimension.

Das heißt - gegeben wird ohne Voraussetzung, aber um sich zu entwickeln braucht das Gegebene Voraussetzungen und je besser die sind, um so besser der Erfolg. Es nährt das Gewürm und die Vögel, aber die finden allenfalls andere Nahrung - der Mensch aber braucht Brot. Er kann Gras nicht essen. Und Brotgetreide wächst nur auf einem gut gehaltenen Acker, weder auf dem Weg noch auf den Felsen noch in Gemeinschaft mit Dornen. Wenn die Lehre Jesu in die Menschenherzen fällt, fällt sie auf unterschiedliches Land. Ein Herz ist ein Weg - alles trampelt drüber, er ist notwendig, aber ehe etwas in dieser harten Erde einwurzeln kann, sind schon die allzeit hungrigen Vögel da, die Ausflüchte und Sachzwänge und es wird von ihnen weggefressen, aufgelöst. Ein anderes Herz ist aus Stein - da kann nichts Wurzeln schlagen, und wenn nichts Wurzeln schlagen kann, kann auch nichts "Äste gen Himmel recken". Es bleibt liegen und vertrocknet. Und es gibt die Dornenherzen - voll Gestrüpp, vorgefaßten Meinungen, verknöcherten Lebenskonzepten, angelernten, nie durchdachten Verhaltensweisen - da ist zwar Boden, aber wenn etwas darauf wachsen will, hat es keine Chance, es wird erstickt und das Aas nehmen sich die Würmer, die alles Aas annehmen und beseitigen.

Und was ist das gute Land? Ein lockeres, sauberes, leeres Feld. Das Leben hat es auf vielfache Weise vorbereitet - es ist umgestochen worden, es wurde durchgepflügt und durchgeharkt, es wurde mit Nährstoffen versehen - und dann wurde es liegen gelassen für die Saat. All das haben Andere getan, nicht der Sämann. Der Mensch, dessen Herz gutes Land ist, hat all das geschehen lassen, geduldig wie die Erde, und er hat sich offen gelassen für das, was kommen mag. Er hat sich weder festtreten lassen noch hat er zugelassen, daß sich Unkraut in seinem Herzen ansiedelt. Er wartet er auf den Funken, der ihn entzündet - ohne daß er weiß, welches dieser Funken sein wird oder sein soll. Aber er nimmt etwas andres nun nicht mehr an, sondern wartet auf die Saat, auf nichts sonst.

Dabei fühlt er sich oft leer und kahl - ein bracher Acker ist leer und kahl. Was er kann, wird man erst sehen, wenn die Saat darauf gefallen ist. Es ist aber damit auch gesagt: macht euch keine Sorgen, wohin die Lehre fällt - seid wie der Sämann, der nicht zusieht, ob er die Saat auf den Acker bringt oder sonstwohin. Streut nur aus, bemüht euch nicht, es richtig zu machen. Es wird nur dort aufgehen, wo das Menschenherz auch bereit ist, überall sonst wird es verpuffen. Die Vögel kritisieren den Sämann nicht und die Würmer auch nicht, sondern sie sind dann wenigstens satt. Es gibt dann zwar kein Brot, aber die Saat, die auf den Acker fällt, macht solchen Verlust mehr als wett.

aus: THOMAS-Comment AG Gnosis Juliane Intkaes-Bobrowski



tja - dieses etwas ungewöhnliche gleichnis vom sämann - ganz außerbiblisch - in einem alten tonkrug aufbewahrt in einem felsversteck in oberägypten - und "zufällig" aufgefunden von einem fellachen, einem bauern, der das was er da gefunden hatte, gar nicht einordnen und wertschätzen konnte. 

aber inzwischen hat man all die "schriften von nag hammadi" zusammengepuzzelt und entziffert und übersetzt.

und es sind zumeist gnostische erbauungsschriften und "evangelien", im 2. bis 3. jahrhundert entstanden - und eben hier das wohl ältere sogenannte "thomas-evangelium", das benannt wurde nach jenem "ungläubigen" thomas-apostel, der nach dem ableben jesu der legende nach in indien missioniert hat und dort auch anscheinend verstorben ist.

er soll von jesus selbst den auftrag gekommen haben, diese leitsätze aufzuschreiben und quasi als quintessenz der originalen jesu-lehre dann auch weiterzugeben: da wo thomas draufsteht ist vielleicht nach meinung einiger der echte jesus noch drin ...

da diese kernsätze mit dem späteren paulinischen "christentum" nur recht wenig und bruchstückhaft kompatibel waren, hat die frühe kirche dieses durchaus schon viele jahrhunderte vor den nag-hammadi-funden 1945 bekannte exzerpt des thomas aber regelrecht unterdrückt und vielleicht in die geheimarchive im vatikan in die allerletzte ecke verbannt - auf alle fälle eben nicht mit in die kanonisierten evangelien und schriften des "neuen testaments" eingefügt.

wohl aber eben das "johannes-evangelium", was textmäßig ebenso "aus der reihe schlägt", aber mit den grundsätzen der eigentlichen "christlichen" religionsgründer um den "apostel" paulus von tarsus und später dann in rom auf den konzilien noch in etwa in einklang zu bringen war.

so gammelte also das sogenannte "thomas-evangelium" eben all die jahrhunderte vor sich hin - und wurde in einigen geheimzirkeln verbreitet, vielleicht mündlich weitergegeben bei den sogenannten "thomas-christen" in indien und der heutigen türkei und eben in gnostischen sekten im vorderen orient, die dann auch den tonkrug in den sand von nag-hammadi ablegten.

soweit knapp die spannende geschichte des äußeren textes - nun aber zum inhalt des logion 9; das ähnlichkeiten mit dem "gleichnis vom sämann" aus den kanonischen bibel-evangelien aufweist.

und mir fiel das logion 9 wieder ein, als ich meine "taz" las - und die ja fast ebenso "wundersamen" begebenheiten einer saatvermehrung um die 16-jährige greta thunberg vor augen hatte, die anfangs ja ganz "mutterseelenallein" vor dem schwedischen parlamentsgebäude in stockholm saß mit ihrem selbstgemalten pappschild: „skolstrejk för klimatet“ - und deren bittersüße "saat" nun dermaßen aufgegangen ist, dass mittlerweise hunderttausende von schülern, auch eltern und lehrer und wissenschaftler, es ihr regelmäßig an jedem "friday for future" in über 100 staaten der welt gleichtun - und für eine bessere umwelt und zukunft "strejken": nicht zur schule gehen - nicht in die labore, institute und an die arbeitsplätze - nicht in die hochschulen und universitäten: ein weltweiter streik für eine bessere umwelt - ausgegangen von der sicherlich hier und da gewöhnungsbedürftigen greta, die einfach stur ihren kopf durchsetzte.

und bei der geschichte um ihren asperger-autismus mit vorübergehenden hungerstreik-attacken und ihrem knallharten entschluss "so - und nicht anders" - ganz auf sich allein gestellt - musste ich auch an jesus denken, der auch vor 2000 jahren seinen kopf durchsetzte mit damals zunächst für die jüdische tempelaristokratie - und seine familie - zunächst einmal "wirren" ideen ... seine familie bezeichnete ihn als "irregeleitet" und war schon losgezogen, um ihn wieder einzusammeln:

das älteste markus-evangelium (ca. 70 n. chr.) erzählt nahezu zu beginn von jesu wirken, dass jesu mutter und brüder „losgehen, um ihn zu greifen“, als sie hören, wie viele menschen ihm folgen, denn sie sagen: „er ist von sinnen“ (mk 3,20f). markus kennt also keine wunderbare weihnachtsgeschichte von der geburt und kindheit jesu. bewusst stellt der evangelist jesu mutter maria und brüder in die nähe der schriftgelehrten, die jesus vorwerfen, er sei von dämonen besessen.

und ähnliche angriffe muss greta thunberg ja heutzutage auch über sich ergehen lassen, wenn z.b. unser fdp-"experte" für alles lindner meint, greta und schüler und "kinder" hätten natürlich "keine ahnung" von umweltschutz - und dass solle man mal den "experten" überlassen ...

ich will hier nicht den hype um greta thunberg überhöhen und sie mit diesen zeilen etwa auch noch in die nähe jesu rücken - ich möchte nur auf die gesellschaftlich gleichen phänomene hinweisen - vor 2000 jahren und heute - und diese äußeren parallelen ziehen - und ich möchte auf die grundaussagen von logion 9 im thomas-evangelium hinweisen: manche samenkörner oder eben auch ideen und grundsätze und parolen fallen auf weniger fruchtbaren grund und boden - und manche sind so fruchtbar und wichtig und für viele einsehbar, dass aus einer einsamen schulstreikerin in stockholm ohne "management" und "zentraler organisation" und ohne finanziellen eigennutz innerhalb von ein paar monaten eine weltweite bewegung anwachsen und hochsprießen kann: viele hunderttausend menschen "je scheffel" ...

also: wunder gibt es immer wieder - und das tröstliche ist: es gibt sie noch ... - es soll uns mut machen ...

greta thunberg - graphische bearbeitung: sinedi



„Fridays for Future“ weltweit

Greta global

Am Freitag wollen Hunderttausende junge Menschen für eine bessere Klimapolitik protestieren. Die Bewegung hat einen Star: Greta Thunberg. Wer ist sie?

Von Anett Selle | taz

taz | Sie steckt fest, es geht nicht weiter. Presse und Fans füllen die Straße, wedeln mit Kameras und Handys. Einige versuchen, die Kette aus Menschen zu durchbrechen, die mühsam einen Sicherheitsabstand aufrechterhält. Erst als die Polizei dazukommt, beruhigt sich die Situation etwas. Kinder und Jugendliche gehen nebenher, einige rufen, um ihr Vorbild auf sich aufmerksam zu machen. Es ist Freitag, wenn sie nicht gerade feststeckt, zieht die Schulstreikdemo durch die Stadt: Und Greta Thunberg läuft mitten drin.

An diesem Tag Anfang März ziehen bis zu 10.000 junge Menschen durch Hamburg, mehr als zehnmal so viele wie in der Vorwoche. Wo Thunberg auftaucht, wird es voll: Anfang Januar war sie beim Schulstreik in Brüssel zu Gast, da beteiligten sich bis zu 100.000 Menschen.

Ganz allein hat die heute 16-jährige Schwedin ihren Schulstreik für mehr Klimaschutz im August vorigen Jahres begonnen. Allein ist sie damit inzwischen gewiss nicht mehr. Demonstriert wird in Australien und Japan, in Kanada, Brasilien und den USA, in Nigeria und Südafrika, und in nahezu jedem Land Europas.

Eltern haben sich solidarisiert als Parents for Future, Wissenschaftler*innen sind als Scientists for Future dabei. Diesen Freitag nähert sich die Bewegung ihrem bisherigen Höhepunkt: Am 15. März soll rund um die Welt gestreikt werden. Der letzte Stand: 1.650 Orte in 105 Ländern.

Greta Thunberg, ein Vorbild für Zehntausende

Die Fridays-for-Future-Bewegung organisiert sich lokal und unabhängig. Eine Hierarchie oder zentrale Struktur gibt es nicht. Aber ein Zentrum: Greta Thunberg. Viele der jungen Demonstrant*innen in Hamburg sagen, sie hätten nicht gewusst, was sie angesichts des Klimawandels tun könnten, und niemanden gehabt, zu dem sie aufschauen konnten. Thunberg habe das geändert.

Auf der Bühne richten die Schüler*innen Lilli und Gustav sich direkt an sie. „Wir danken dir, dass du damit angefangen hast, für das Klima zu streiken. Für uns und für viele bist du ein Vorbild. Wir lieben dich für das, was du tust. Für deinen Mut, Dinge zu sagen, die Erwachsene nicht wahrhaben wollen. Für dein Durchhaltevermögen. Und dafür, dass du uns eine Stimme gibst.“

Mit ihrem Schulstreik hat Thunberg die Klimakrise zu einer Angelegenheit der Jugend weltweit gemacht. Eine junge Frau, die von sich sagt, sie sei ihr ganzes Leben lang das „unsichtbare Mädchen“ gewesen, das hinten sitzt und nichts sagt: Heute ist sie eine, der andere danken, weil sie ihnen eine Stimme gibt. Als Kind habe sie die Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommen aus Filmen über den Klimawandel, sagt sie. Thunberg hat die Diagnose Asperger, sie sagt, sie könne Sorgen nicht verdrängen.

Krank, klein unsichtbar. Und jetzt dauerpräsent

Mit elf Jahren erkrankte sie an Depression, konnte zeitweise nicht mehr zur Schule gehen, nicht mehr essen, sprach kaum noch. Dann begann sie, sich selbst zu ermächtigen, zuerst gegenüber ihren Eltern. Die überzeugte Greta Thunberg, kein Fleisch mehr zu essen, vegan zu werden, nicht mehr zu fliegen.

Thunbergs Mutter ist die Opernsängerin Malena Ernman, die Schweden 2009 beim Eurovision Song Contest vertrat. Dass Ernman nicht mehr flog, fiel der schwedischen Öffentlichkeit auf. Dann schrieben Ernman und ihr Mann Svante Thunberg ein Buch darüber, wie ihre Tochter sie verändert hatte. Und schließlich setzte sich Greta Thunberg allein vor das schwedische Parlament mit ihrem Schild:, Schulstreik für das Klima. Anfangs täglich, dann jeden Freitag. Es folgten: Schüler*innen weltweit, die die Idee aufgriffen, eine Einladung zur UN-Klimakonferenz und ins schweizerische Davos, zum Weltwirtschaftsforum.

Das Treffen in Davos ist die alljährliche Begegnung der Politik- und Wirtschaftselite. Als Thunberg Ende Januar nach anderthalb Tagen Zugfahrt von Schweden in dem verschneiten Alpenstädtchen ankommt, warten Dutzende Journalist*innen am Bahnsteig. Der Andrang ist größer als bei manchem Staatsgast. Im Ortszentrum ist für die Klimaaktivistin eine Pressekonferenz organisiert, davor drängeln Kamerateams. Aufpasser bahnen Thunberg eine Gasse.

Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, begrüßt Thunberg mit Handschlag und widmet ihr ein paar Minuten. Lagarde ist eine der einflussreichsten Politikerinnen weltweit, sie überlegt sich genau, mit wem sie sich vor die Kameras stellt. Aber die beiden scheinen nicht recht zu wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Thunbergs Gesichtsausdruck ist angespannt. Später wird sie einem Raum voller Politik- und Wirtschaftseliten sagen, diese hätten ihren finanziellen Erfolg auf Kosten des ganzen Planeten erreicht: Das Video ihrer Rede wird um die Welt gehen.

Thunberg bleibt wie ist ist: unangepasst

Thunberg, die von ihrem Vater in Davos begleitet wird, sagt leise: „Ich mag es eigentlich nicht, vor Leuten zu reden.“ Mit dem hohen Stuhl, auf dem sie sitzen soll, kommt sie nicht zurecht. Sie bleibt stehen. Was andere von ihr denken, scheint Thunberg nicht zu kümmern: Sie ist ein Mensch der Gegensätze, sie polarisiert. Man stimmt ihr zu, oder ist dagegen. So oder so, wenn Thunberg spricht, wird zugehört. Wenigen ist sie egal. Das liegt an dem, was sie sagt und zu wem – und wie.

„Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen. Denn das tut es.“

„Erwachsene sagen immer wieder: Wir sind es den jungen Leuten schuldig, ihnen Hoffnung zu geben. Aber ich will eure Hoffnung nicht.“


„Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“


„Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.“


Dass Thunberg schwarz-weiß malt, ist ein häufiger Kritikpunkt. Zwar sind die Konsequenzen der Erderwärmung Konsens in der Wissenschaft: Naturkatastrophen, Wassermangel, Hungersnöte, saure Meere, das Aussterben von Tierarten. Kritik an Thunbergs Aussagen bezieht sich aber meist gar nicht auf den menschengemachten Klimawandel an sich oder die Untätigkeit, die Thunberg anprangert, sondern auf ihre absoluten Formulierungen.

Kritik an Thunbergs Aussagen
bezieht sich meist gar nicht
auf den Klimawandel an sich
oder die Untätigkeit,
die Thunberg anprangert,
sondern auf ihre
absoluten Formulierungen

Denn es gibt sie ja doch, die Grauzonen im Überleben: Auch mit einer Erwärmung um 4 Grad und mehr wäre menschliches Leben auf der Erde höchstwahrscheinlich möglich. Nur eben nicht an allen Orten, an denen es heute stattfindet. Einige wären höchstwahrscheinlich zu heiß, andere lägen unter Wasser. Aber eben nicht alle.

Was Thunberg und die Schüler*innen der Fridays for Future von der Politik fordern, ist die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. 196 Länder haben damit 2016 zur Staatsaufgabe erklärt, die menschengemachte Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Ob das reicht, um das unumkehrbare Kippen des Klimas zu vermeiden, ist in der Wissenschaft umstritten.

Ist Klimawandel „nur eine Sache für Profis“?

Für manche ist Thunberg ein Kind, trotz ihrer 16 Jahre. Ein kleines Mädchen mit zwei langen Zöpfen, einer Wollmütze und wenig Ahnung von wirtschaftlichen Realitäten. Dass Thunberg recht klein ist, liegt an ihrer Depression: Als sie nicht mehr aß, hörte sie auf zu wachsen. So wirkt sie auf viele kindlich, trotz ihres Alters. Die Jugendlichkeit machen manche Kritiker*innen nicht nur ihr, sondern der ganzen Bewegung Fridays for Future zum Vorwurf, so wie etwa FDP-Chef Christian Lindner: „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits globale Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.“

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat eine Diskussion ausgelöst – nicht darüber, ob die Menschheit in Zukunft leben wird, sondern wie. Der Weg dorthin war schrittweise Eskalation. Erst der Boykott der Schule für mehr Klimaschutz durch Thunberg. Das schuf Aufmerksamkeit. Dann, dass Schüler*innen einstiegen, die Bewegung sich international ausbreitete und Menschen hinzukamen, die nicht mehr zur Schule gehen. Parents for Future, Scientists for Future, Interessierte. Nun folgt diesen Freitag die maximale Eskalation: Protest weltweit. Auf der einen Seite ist das ein Erfolg für die Bewegung. Auf der anderen Seite eröffnet es die Frage, wie es weitergehen soll.

Was tun, wenn eine Strategie an ihrer obersten Eskalationsstufe angelangt ist: Weitermachen, Neues ausprobieren, aufhören? Schüler*innen in Hamburg geben sich entschlossen, immer und immer weiter zu streiken – bis die Politik Maßnahmen ergreift, um das Zwei-Grad-Ziel zu erfüllen. „Wir werden schulstreiken, bis sie handeln“, sagt auch Thunberg auf der Bühne. Einige Zeit könne vergehen, bis sich Erfolg zeige. „Aber wir werden geduldig sein und wir werden weitermachen. Denn das ist unsere Zukunft und unsere Entscheidung.“ Es scheint also darauf hinauszulaufen, wer den längeren Atem hat.

Thunberg macht es vor: Wenn am Freitag an über 1.000 Orten gestreikt wird, wird sie nirgendwo zu Gast sein. Sie wird vor dem schwedischen Parlament sitzen. Wie im August, als alles begann. Nur mit mehr Gesellschaft.

Mitarbeit: Hannes Koch


mutterseelenallein - graphische bearbeitung: sinedi





Wie tickt Greta Thunberg? - und wie tickst du und ich ... ???

Mit Leonhard Schilbach vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München spricht Friederike Haupt - über das Phänomen Greta Thunberg.

Sie selbst sagt, sie sieht die Welt schwarz und weiß. Ein Psychiater erklärt, wie das mit ihrem Autismus zusammenhängt. Und findet: Wir können davon was lernen.

Greta im Rampenlicht - Foto: welt.de


Sie sagen, wir können etwas von Greta Thunberg lernen. Was denn?

Die Fähigkeit, etwas inhaltlich zu analysieren ohne Rücksicht auf die Befindlichkeit der relevanten Akteure. Dazu sind Autisten wie Greta Thunberg in der Lage, weil für sie soziale Konventionen nicht intuitiv plausibel und wichtig sind. Das kann Debatten versachlichen.

Die Klimadebatte scheint mir gerade nicht besonders sachlich: Greta Thunberg selbst ruft zu Schulstreiks auf und wird dafür von den einen als Heldin verehrt, ist jetzt sogar vorgeschlagen für den Friedensnobelpreis; von den anderen wird sie wüst beschimpft als unzurechnungsfähig, hysterisch, paranoid.

Das stimmt. Viele gehen gleich wieder auf die Beziehungsebene und reagieren emotional auf die unangepasste Art von Frau Thunberg, statt sich mit den Fakten zum Klimawandel auseinanderzusetzen, über die sie spricht.

Greta Thunberg sagt, sie habe das Asperger-Syndrom, eine leichte Form des Autismus. Sehen Sie in ihrem Auftreten Hinweise darauf?

Man sollte sich vor Ferndiagnosen hüten. Aber man kann schon sagen: Menschen mit Autismus beschäftigen sich gern intensiv mit einem Thema. Sie wollen sich auskennen, weil ihnen das ein Gefühl der Vorhersagbarkeit und somit Sicherheit gibt. Das scheint bei Greta Thunberg der Fall zu sein. Der andere Punkt, der auffällt, ist, dass sie wenig beeindruckt zu sein scheint von dem öffentlichen Interesse an ihr. Autisten interessieren sich weniger für die soziale Umwelt. Sie können deshalb leichter inhaltliche Positionen durchhalten, weil sie nicht so abgelenkt sind von Fragen wie „Wie fühle ich mich selbst?“ oder „Was denken die anderen?“.

Greta Thunberg wirkt aber durchaus so, als achte sie auf das Publikum. Ich habe ein Video von ihr gesehen, da steht sie auf einer Bühne. An einer Stelle setzt sie eine Pointe, die Leute lachen, und sie hält inne und lächelt, als habe sie mit dem Applaus gerechnet und genieße ihn nun. Das wirkt doch abgeklärt.

Das Verhalten, das Sie beschreiben, widerspricht nicht der Diagnose. Die Mehrheit der Autisten hat normale oder überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten. Sie können Dinge lernen und dann auch ein Stück weit auf soziale Anforderungen reagieren.

Wie lernen sie so etwas?

Im Gegensatz zu Nicht-Autisten nicht intuitiv. Sie gehen es eher an wie eine Rechenaufgabe. Ein gutes Beispiel ist Blickkontakt. Nicht-Autisten suchen den intuitiv von Geburt an. Bei den meisten Menschen mit Autismus ist das nicht der Fall, und sie bekommen die Rückmeldung, dass das bei der Mehrheit der Gesellschaft schlecht ankommt. Sie merken dann: Für mich ist das nicht sinnvoll, ich brauche es nicht, aber es kann mir helfen, um negative Reaktionen zu vermeiden. Ein Patient hat einmal zu mir gesagt: Ich kann anderen schon in die Augen schauen. Aber das Einzige, was es mir bringt, ist, dass ich dann weiß, welche Augenfarbe die Person hat. Übrigens wird bei vielen Autisten die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt, weil sie viele Jahre lang versuchen, sich anzupassen.

Also hat Thunberg gelernt, was uns gefällt, und macht es jetzt, weil es sie weiterbringt?

Es geht Frau Thunberg – so wäre meine Vermutung – weniger um ihr eigenes Fortkommen, sondern um die Sache. Aber sie hat sicherlich im Laufe der Zeit soziale Kompetenzen erworben, allerdings anders, als das Nicht-Autisten tun. Mir ist zum Beispiel ihr Blickverhalten aufgefallen. Das ist schon etwa so, wie es sein soll, aber in Nuancen doch anders. Der Blick wird zu lange gehalten. Vielen Autisten ist unklar, wann sie aufhören sollen zu schauen. Um in der sozialen Welt zurechtzukommen, sind Autisten oft kreativ: Eine Frau erzählte mir, sie wisse nie so genau, ob ihr Partner gerade gut drauf ist oder schlecht. Sie fing dann an, mitzuzählen, wie viele Wörter der Partner pro Minute spricht. Das war der empirische Indikator für die Stimmung. Wenn er viel redet, ist er gut drauf, wenn er wenig sagt, schlecht.

Aber Thunberg wirkt insgesamt doch wenig angepasst. Eher radikal.

Greta Thunberg radikal zu nennen ist die nicht-autistische Perspektive auf sie.

Na ja, gut, das ist ja die Perspektive der allermeisten. Das weiß Thunberg selbst, in einem Interview sagte sie, dass sie eine andere Weltsicht hat, „schwarz und weiß“.

Ja, sie hat etwas Unerbittliches in ihrer Klarheit. Das ist typisch für Autisten. Sie ist nicht geneigt zu sagen: Ja, gut, an dem Versuch, die Erderwärmung aufzuhalten, sind halt Menschen beteiligt, und die bemühen sich, aber es reicht nicht, schade. Da sagt der Autist: Ja, aber es ändert ja nichts daran, was mit dem Klima passiert.

Das klingt ja sehr vernünftig. Aber Sie sagen auch, dass die Probleme, die Autisten oft in ihrem sozialen Umfeld haben, zu Depressionen und Angststörungen führen können. Wirkt Greta Thunbergs Angst vor dem Klimawandel – sie sagt, eigentlich dürfte es kein anderes Thema mehr geben als das –
nicht unvernünftig, übertrieben auf Sie?

Zunächst einmal ist Angst ein Gefühl, das für das Überleben und Lernen wichtig ist. Insofern ist Angst in Maßen hilfreich; ein Übermaß kann aber das Leben stark einschränken. Mein Eindruck ist, dass die Menschen eher zu wenig Angst vor dem Klimawandel gehabt haben, weil es sich um ein komplexes Phänomen handelt, das nur schwierig persönlich erfahrbar wird und deshalb wenig Einfluss auf das Verhalten hat. Wenn man die wissenschaftlichen Analysen ernst nimmt, gibt es ja großen Anlass zur Sorge. Bei Autisten ist es außerdem so, dass sie die Beschäftigung mit wichtigen Themen oft nicht abbrechen können. Wir beide können uns aufregen über den Klimawandel oder das Plastik in den Weltmeeren, und fünf Minuten später packen wir unsere Tasche und fahren zum Sport, ganz unbelastet.

Wie stark leidet Thunberg darunter, dass sie es anscheinend nicht kann?

Das kann ich nicht sagen, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das Leid überwiegt. Viele Autisten erleben die ausdauernde Beschäftigung mit einem Thema eher als Beruhigung.

Unterstützt wird Thunberg jetzt von der Bewegung „Scientists for future“. Das sind rund 23000 Wissenschaftler, die sagen, Thunberg und die anderen demonstrierenden Schüler haben recht mit ihrem Anliegen.

Ja. Und bestimmte Inhalte der Klimaschutzdebatte sind seit zwanzig oder dreißig Jahren bekannt. Wenn man damals schon Schlussfolgerungen gezogen hätte, könnte man heute ganz woanders sein. Die geringe Durchschlagkraft von Politik in manchen Bereichen führt auch zu Frustration, nicht nur beim Klima, dann heißt es: Wir müssen das System zerschlagen, Europa muss weg, was auch immer – Positionen, die mir überhaupt nicht attraktiv erscheinen, die aber trotz ihrer Inhaltsleere psychologisch offenbar als Gegenentwurf wahrgenommen werden.

Aber gemeinsam haben sie mit Thunbergs Position, dass sie Politiker pauschal kritisieren: Ihr Mächtigen lasst uns im Stich. Sehr bequem.

Da müsste man aber schon auch fragen, warum jemand so etwas sagt und mit welcher Motivation. Da würde man sehr große Unterschiede zwischen Rechtspopulisten und Greta Thunberg finden. Aber ich sage ja auch nicht, dass jetzt jeder so sein soll wie Greta Thunberg. Natürlich muss man als Politiker Kompromisse machen, und natürlich muss man als Bürger auch sehen, dass Politik ein mühsames Geschäft ist.

Inwiefern glauben Sie dann, dass wir von Greta Thunberg lernen können, sachlicher zu debattieren?

Vielleicht würde es schon helfen, einmal transparent gegenüberzustellen: Auf welche Lösung steuern wir hin, und wie stark spielen da soziale Beziehungen, Befindlichkeiten und Interessen eine Rolle? Wie würde man das rein an Fakten orientiert bewerten?

Ein Thema, das mir in dem Zusammenhang einfällt, ist die Datensammelwut von Facebook oder Google. Die bringt erwiesenermaßen enorme Gefahren mit sich – und trotzdem passiert kaum was. Immer noch sagen viele: Ist mir egal, was mit meinen Daten passiert, außerdem sind alle meine Freunde auf Facebook. Rational betrachtet, müsste man sich ja dort abmelden.

Da stimme ich Ihnen völlig zu. Die Teilnahme an vielen sogenannten sozialen Medien erfolgt vermutlich emotionsgesteuert. Menschen ohne Autismus haben soziale Gehirne, sie haben ein nahezu unstillbares Bedürfnis danach, dabei zu sein, Beachtung zu finden. Es wäre hilfreich, das rationaler zu betrachten, die Bedürfnisse in realen sozialen Interaktionen zu stillen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wann und warum Emotionen besonders wirkmächtig sind.

Mit Leonhard Schilbach vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München sprach Friederike Haupt.

aus: F.A.S. 17.03.2019 - S. 2 | POLITIK



hier eine kleiner patientenaktenauszug - und dort ein psychiatrisches bulletin: irgendwie versuchen teile der medien eine persönliche besonderheit - hier: den asperber-autismus - zu diesem "friday for future"-phänomen hervorzuheben - und das geschehen um greta thunberg so vielleicht zu relativieren - um es auch wieder einzudämmen - man hat jetzt seinen spaß gehabt - "un gutt is" ... - "umweltschutz, das sollte man lieber den tatsächlichen experten überlassen" ...

und auch die eltern der vielen hunderttausend schüler inzwischen weltweit sollen mal endlich zuhause mit dem zeigefinger drohen: "lauft doch bloß nicht hinter so einer hinterher - sie schreiben doch längst, was mit der los ist" ...

von daher ist es vielleicht doch ganz gut, wenn priv.-doz. dr. med. leonhard schilbach hier mal versucht, einige dinge in bezug auf so ein "besonderes" und vielleicht in deutschland immer noch zu extrem normabweichend empfundenes phänomen etwas geradezurücken.

aber "inklusion" im eigentlichen sinne wäre es - wie wohl in skandinavien schon ziemlich üblich - wenn man die diagnose zu greta thunberg nun zwar nicht gänzlich verschweigt - aber auch mal nicht so überhöht aufhängen würde - und frau thunberg als einfach für diese belange hervorragend geeignete eigensinnige junge frau einordnen und zur kenntnis nehmen würde, die mit ihrer einzigartigen art und weise auf das problem "umweltschutz" einzugehen - ja und ich bleibe dabei - geradezu "wunder-bar" - "einfach" viel bewirkt, was sie ja selbst gar nicht einplanen konnte im vorhinein - und was sich - mit oder ohne asperger-syndrom - einfach so entwickelt und fantastisch ausgeweitet hat ... - 

genießen wir es einfach - und seien wir dankbar über so ein wunder - und drücken wir die daumen, dass es harte herzen mit aufweicht: ein steter tropfen höhlt bekanntlich den stein ...

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