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kaspar - der mann aus dem nichts

Kaspar Hauser

Der junge Mann, der aus dem Nichts kam

Im April 1812 soll das berühmteste Findelkind des 19. Jahrhunderts zur Welt gekommen sein. Wer aber war Kaspar Hauser - und wer tötete ihn? Über einen mysteriösen Fall von großer Symbolkraft.

Von Rudolf Neumaier | SZ [link]


Das Damen-Conversations-Lexikon verstand sich als Lektüre für "das Nützliche, Schöne, Wissenswerthe im Geiste der Frauen". Darüberhinaus hatte die Redaktion auch ein sehr gutes Gespür für Themen, die eindeutig der Rubrik "Ratsch und Klatsch" zuzuordnen sind.

Die zehn Bände erschienen von 1834 bis 1838 und waren topaktuell. Zwischen dem Eintrag der Opernsängerin Karoline Haus und dem Stichwort "Hausfrau" fand sich ein farbiger Bericht über einen Mann namens Kaspar Hauser.







Abb. Repro: Damen-Conversations-Lexikon 1834, Bd. 5 - S. 191 - 193 (Kaspar Hauser)


Wenn man die Geschichte aus dem Damen-Conversations-Lexikon mit den Kaspar-Hauser-Studien der vergangenen zehn Jahre vergleicht, kommt am Ende das gleiche Ergebnis heraus: Über diesen Burschen kann man ebenso trefflich spekulieren wie über seine Herkunft. Mehr nicht. Wer den jungen Mann getötet hat, auch das wird ein Rätsel bleiben, sofern nicht irgendwo ein stichhaltiges Bekennerschreiben auftaucht.

"Am zweiten Pfingstfeiertag 1828", heißt es im Lexikon, "erschien gegen 5 Uhr Abends am Hallerpförtchen in Nürnberg ein in Bauerntracht gekleideter junger Mensch, dessen körperliche Haltung und Jammergestalt jedermann auffiel und der wie ein Trunkener vorwärts wankend einen Brief in der Hand hielt."

Adressiert war der Brief an einen Rittmeister. Doch weil der dienstlich unterwegs war, nahm sich dessen Personal des "Erbarmungswürdigen" an. Der Junge konnte sich kaum artikulieren, seine Zunge erwies sich als ungeschult im Umgang mit Sprache. Auch mit der Nahrungsaufnahme hatte er Probleme: "Man setzte ihm Bier und Fleisch vor, aber kaum genossen, brach er es wieder von sich, dagegen stillte er seinen Heißhunger und Durst mit Schwarzbrod und frischem Wasser."

Eher Bub als Mann: Eine Radierung nach einem Stahlstich von Friedrich Fleischmann zeigt ein Porträt Kaspar Hausers aus dem Jahr 1828. (Foto: dpa)




Ein Symbol für die Verstoßenen

Eine fantastische Geschichte war in der Welt. Ein Mythos und Symbol für die Verstoßenen und Verbannten. Ein Rätsel, das von Historikern über Mediziner, von Linguisten bis hin zu Rechtsgelehrten die Wissenschaften beschäftigt hat. Ein gigantischer Stoff für Künstler. Peter Handkes 1968 uraufgeführtes Stück "Kaspar" steht heute noch auf Theaterspielplänen. Kurt Tucholsky schrieb Texte unterm Pseudonym Kaspar Hauser.

Immer wieder, wenn in einem Verlies Menschen entdeckt werden, deren Existenz unbekannt war und die lange Zeit sozialer Kontakte entbehrten, wird Kaspar Hauser als Referenz und Ahn der Weltentfremdeten aufgeboten. Oder war er nur ein Aufschneider, der sich von geschickten Geschäftemachern für die Rolle einer Jahrmarktsattraktion instrumentalisieren ließ? Diese Sichtweise gibt es auch.

Der mysteriöse Absender des Briefes an den Rittmeister gab sich als Tagelöhner mit zehn Kindern aus. Er schrieb, der Überbringer des Schreibens sei ihm 1812 als Neugeborener vor die Tür gelegt worden.

Wenn alles stimmt im Brief, hatte der anonyme Verfasser die Pflege des Findelbuben übernommen, den Fund des Säuglings aber nicht gemeldet. Wollte er sich keinen Papierkram aufhalsen? Oder war er bezahlt? Oder stimmte die Geschichte nicht? Jedenfalls gab der Schreiber an, er habe den Buben christlich erzogen und ihn das Schreiben gelehrt.

Im Briefkopf stand "Von der Bäierischen Gränz", doch auch das kann eine Nebelkerze sein, um die wahre Provenienz zu verschleiern.

Kaspar ließ viele Versuche über sich ergehen

Fünfeinhalb Jahre lebte Kaspar Hauser vom plötzlichen Erscheinen bis zum Tod. Er war nacheinander bei Bürgern untergebracht. Der berühmte Strafrechtspionier Anselm von Feuerbach hatte als Obervormund Aufsicht über die Entwicklung und förderte Kaspar, wo er konnte, er starb aber 1833.

Mit der Zeit lernte Hauser das Sprechen, die Lehrer lobten das handwerkliche Geschick, auch seine Begabung im Zeichnen soll beachtlich gewesen sein. Jeder Betreuer versuchte, dem Rätsel der Abstammung auf die Spur zu kommen. Alle mussten sich mit den Angaben Kaspars begnügen, er sei in einem dunklen Kerker bei Wasser und Brot gehalten worden.

Allerlei Versuche ließ er über sich ergehen. Okkultisten begutachteten ihn, homöopathische Tests wurden ebenso vorgenommen wie Experimente mit Magnetismus. Die Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, störte ihn nicht. Im Gegenteil.

Das Damen-Conversations-Lexikon reihte sich als eine der ersten Publikationen bei den Zweiflern ein, die Kaspar mit wachsender Skepsis betrachteten:



"Fast interessirte man sich nicht mehr für ihn, als ein auf ihn gerichteter Mordversuch neue und allgemeine Theilnahme erregte, aber Niemand vermochte den Thäter zu entdecken."


1829 war das erste Mal, dass Hauser eine Stichwunde erlitt. Nach seiner Schilderung suchte ihn der Täter auf der Toilette heim. Das Märchen eines Betrügers, um im Gespräch zu bleiben? Hauser bekam Polizeischutz und wurde später nach Ansbach gebracht.

Der reiche englische Adelige Philip Henry Stanhope nahm sich seiner an und investierte viel Zeit und Geld in die Recherche der Herkunft. Umsonst. Stanhope gestand sich später ein, einem Lügner aufgesessen zu sein.

Hauser starb am 17. Dezember 1833, drei Tage nach einem Messerstich. Wer ihm die Wunde zugefügt hatte, ließ sich nie klären. Er selbst? Die Spekulationen über den seltsamen Kerl schossen nun erst recht ins Kraut. Dass er ein badischer Erbprinz sei, dieses Gerücht etwa hat sich bis heute gehalten.

Das Damen-Conversations-Lexikon verzichtete auf eine eigene Theorie zur Abkunft Kaspars. Aber so viel wusste es: Dass es sich bei den Leuten, die ihn gefangen gehalten hatten, um "unnatürliche Tyrannen" handelte.

An der Stelle, an der Kaspar angeblich überfallen wurde und den Todesstich erlitt, stellten die Ansbacher einen Gedenkstein auf mit der Inschrift: "Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet."


HIC OCCULTUS OCCULTO OCCISUS EST XIV. DEC. MDCCCXXXIII
(„Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet 14. Dez. 1833“) - Inschrift auf einem Denkmal im Ansbacher Hofgarten

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Reinhard Mey: Kaspar (1969)

Sie sagten, er käme von Nürnberg her und er spräche kein Wort.
Auf dem Marktplatz standen sie um ihn her und begafften ihn dort.
Die einen raunten: „Er ist ein Tier“,
Die andern fragten: „Was will der hier?“
Und daß er sich doch zum Teufel scher‘. „So jagt ihn doch fort, – so jagt ihn doch fort!“ –

Sein Haar in Strähnen und wirre, sein Gang war gebeugt.
„Kein Zweifel, dieser Irre ward vom Teufel gezeugt.“
Der Pfarrer reichte ihm einen Krug
Voll Milch, er sog in einem Zug.
„Er trinkt nicht vom Geschirre, den hat die Wölfin gesäugt!“

Mein Vater, der in uns‘rem Orte Schulmeister war,
Trat vor ihn hin, trotz böser Worte rings aus der Schar;
Er sprach zu ihm ganz ruhig, und
Der Stumme öffnete den Mund
Und stammelte die Worte: „Heiße Kaspar“.

Mein Vater brachte ihn ins Haus, „Heiße Kaspar!“
Meine Mutter wusch seine Kleider aus und schnitt ihm das Haar.
Sprechen lehrte mein Vater ihn,
Lesen und schreiben, und es schien,
Was man ihn lehrte, sog er in sich auf – wie gierig er war!

Zur Schule gehörte derzeit noch das Üttinger Feld,
Kaspar und ich pflügten zu zweit, bald war alles bestellt;
Wir hegten, pflegten jeden Keim,
Brachten im Herbst die Ernte ein,
Von den Leuten vermaledeit, von deren Hunden verbellt.

Ein Wintertag, der Schnee lag frisch, es war Januar.
Meine Mutter rief uns: „Kommt zu Tisch, das Essen ist gar!“
Mein Vater sagte: „... Appetit“,
Ich wartete auf Kaspars Schritt,
Mein Vater fragte mürrisch: „Wo bleibt Kaspar?“
Wir suchten, und wir fanden ihn auf dem Pfad bei dem Feld.
Der Neuschnee wehte über ihn, sein Gesicht war entstellt,
Die Augen angstvoll aufgerissen,
Sein Hemd war blutig und zerrissen.
Erstochen hatten sie ihn, dort am Üttinger Feld!

Der Polizeirat aus der Stadt füllte ein Formular.
„Gott nehm‘ ihn hin in seiner Gnad“, sagte der Herr Vikar.
Das Üttinger Feld liegt lang schon brach,
Nur manchmal bell‘n mir noch die Hunde nach,
Dann streu‘ ich ein paar Blumen auf den Pfad, für Kaspar.

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ich lernte das schicksal kaspar hausers erstmals kennen durch den song von reinhard mey - in der hoch-zeit der 68er - also vor 50 jahren. ich war damals 21/22 jahre alt - und seltsame schauer zogen und ziehen mir beim text dieses liedes über den rücken.

das schicksal dieses bei seinem auffinden ungefähr 15-jährigen "findel"menschen löste eine betroffenheit aus, die ich bis heute nicht weiß, richtig einzuordnen. nach wie vor bin ich jeweils berührt ...

zur gleichen zeit damals begann ich meine neue berufliche heilpädagogische laufbahn in der diakonie in bethel - und stand bald tatsächlich vor menschen, die ich durchaus mit "kaspar hauser" vergleichen konnte: auch sie manchmal wegen ihrer "behinderung" regelrecht verstoßen von zu hause - aus ihrer familie - lebten sie nun unter obhut - bekamen nie besuch und kannten ihre eltern und ihren namen nicht. 

außerdem war "kaspar hauser" damals in der heilpädagogik als "interessanter fall" wegen seiner "verwilderung" genannt - oft in einem atemzug mit den "wolfskindern", die als ausgesetzte findelkinder aufgefunden wurden - und bei denen mit heilpädagogischen bemühungen - früher oft nach den erziehungs-konzepten von jean-jacques rousseau (stichwort:"émile") - versucht wurde, sie in die bestehende gesellschaft zu integrieren.

damals reihte sich reinhard mey's "kaspar"-song mit ein in die "kampflieder" für die emanzipation in eine bessere welt - und daran hat sich bis heute wenig geändert ...

mit den großen flüchtlingtrecks im herbst 2015 kamen ja dann wieder viele traumatisierte "alleinreisende jugendliche", die keine papiere haben und mehrere identitäten gleichzeitig, die kein wort deutsch konnten und kaum englisch - und das sind junge menschen, die einfach nach einer neuen bleibe suchen - und nach einer chance im leben: so ähnlich wie kaspar - und die aber auch dringend einer (heil-)pädagogischen betreuung bedürfen...

und als schlürschluck nochmals die 68-er

Einmal getragen und weg

Von Guido Speckmann | nd


Die 68er-Bewegung als Geburtshelferin der Wegwerfgesellschaft und als Vorreiterin der neoliberalen Ideologie des Individualismus? Das zumindest ist eine Frage, die ein anderes Licht auf die Chiffre »68« zu werfen vermag. Denn das 50. Jubiläum hat im Unterschied zum 40. kaum kontroverse Debatten ausgelöst. Während vor zehn Jahren Götz Aly mit seinen Thesen zur Parallelität von NS- und 68er-Bewegung die Schlagzeilen beherrschte, stand im Jahr 2018 ein eher pflichtschuldiges Erinnern an die Ereignisse vor 50 Jahren im Vordergrund.

Damit scheint zunächst auch die Ausstellung »68. Pop und Protest« im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu beginnen. Den Zuschauer empfangen mehrere Kinoleinwände, auf denen längst ikonografische Fotos und Filme zu sehen sind: Benno Ohnesorgs Tod, der Leichnam von Che Guevara oder die Hinrichtung eines Vietcong-Kämpfers.

In der Schau geht es zunächst um das, was man für gewöhnlich mit ’68 verbindet: Demonstrationen, der Muff unter den Talaren, Anti-Springer- und Anti-Schah-Proteste. Musikinstallationen, Fotografien, viele Filme, Plakate und historische Artefakte zeichnen ein beeindruckendes Stimmungsbild der damaligen Zeit. Im Zentrum steht zwar Deutschland, aber es wird durchaus dem Fakt Rechnung getragen, dass ’68 eine globale Revolte war. Der Pariser Mai, der Summer of Love oder die Proteste der Black Panther gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner sind ebenso Thema wie feministische oder andere Kämpfe der sexuellen Selbstbestimmung.


Ronald Traeger (1936–1968): Twiggy, 1966 Foto: Tessa Traeger - click here







Die Explosion der Kreativität wird an Beispielen aus Theater, Film, Design, Popmusik und Mode veranschaulicht. Erinnert wird beispielhaft an das Oberhausener Manifest, das mit deutschem NS- und Heimatfilm bricht und eine ökonomische, inhaltliche und formale Neuausrichtung fordert. Auch die »Bühnen der Revolte« sind Thema. Etwa mit Egon Monks Inszenierung von »Über den Gehorsam« am Hamburger Schauspielhaus. Die Parallelisierung des KZ-Kommandanten Höß und des damaligen Kanzlers Kiesinger löste einen Sturm des Protestes aus. Das Bildungsbürgertum wollte von der Kontinuität des deutschen Untertanengeistes nichts wissen.

Die Hippiekultur des Summer of Love ist besonders hervorzuheben. Sie, so ist zu lesen, stand für einen freien Lebensstil, Drogen, Individualismus und Selbsterfahrung. Hier nahm allerdings auch seinen Ursprung, was als kalifornische Ideologie bezeichnet wird. Die Verschmelzung eines Teils der Hippie-Bewegung mit dem Glauben an die befreienden Möglichkeiten der Technik und Informationsgesellschaft. Im Silicon Valley kann man das heute wiederfinden, amalgamiert in einer ultraliberalen Ideologie. Das allerdings ist nicht Gegenstand von »68. Pop und Protest«. Die Dialektik von einerseits notwendigem Protest gegen autoritäre Strukturen und andererseits Zielen, Werten der 68er, die sich problemlos in einen neoliberal gewendeten Kapitalismus integrieren ließen, macht das Spannende an der Beschäftigung mit der globalen Revolte aus. In der Ausstellung wird das nur angedeutet, vornehmlich wenn es um Design, Mode und Werbung geht.



Besonders bei der Mode kann beobachtet werden, wie schnell sich ein modisches Statement wie ein Minirock, zunächst auch als politisches Statement gedacht, in den Schaufenstern der Warenhäuser wiederfindet. Die Werbung reagiert ebenso schnell. Charles Wilps Afri-Cola-Reklame greift den neuen subkulturellen Zeitgeist auf. Der Videoclip preist Körperlichkeit, Erotik, Psychedelic Chic und Bewusstseinserweiterung.

Die Dialektik von Befreiung und Regression findet sich auch beim Design. Rechte Winkel, harte Kanten und solide Farbgebung passten nicht zum modernen Lebensgefühl von ’68. Das Material der Stunde war Plastik, Umweltbewusstsein noch kein Thema. Sorglos wurde konsumiert, einmal getragen und weg damit: Das Papierkleid wird zum Trendsetter.

Es wäre übertrieben, ’68 als Geburtsjahr der Wegwerfgesellschaft zu bezeichnen. Aber die in der Ausstellung nur angedeuteten Fragen verdienen allemal eine nähere Betrachtung.

»68. Pop und Protest«, bis 17.3., Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, Hamburg.
Ausstellungsflyer = click here

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(update)

tja - nun ist diese ausstellung zu den 68ern in hamburg noch just im oktober des verflossenen jahres eröffnet worden  (geht bis zum 17.märz.2019) - gerade noch pünktlich zum 50-jährigen "jubiläumsjahr" ... 

insgesamt scheint ja nicht vielen zum feiern mit sekt und präsentkorb zumute gewesen zu sein - es gab und gibt ja auch viele kritische, z.t. sogar gehässige töne - so, als müsse man sich entschuldigen heutzutage als 75/70-jähriger dino überhaupt damals schon existiert zu haben, in  dieser zeit des aufbruchs und der umwertung alter werte - sich entschuldigen für das alles, was damals angestoßen wurde und sich im einzelnen wie rasend schnell umfallende aufgereihte dominosteine fortsetzte: einmal angeschnippt wurden entweder lawinen daraus - oder ein kleines rinnsal trocknete aus und ward nicht mehr wahrgenommen - je nachdem - und wie immer im leben ...

bei den 68er-rückblicken fixiert man immer gern die (west-)deutschen und west-berliner bzw. universitären ereignisse um rudi dutschke und den sds, den "marsch durch die institutionen" und den "muff der 1000 jahre" in genau diesem jahr - aber verkennt dabei oft die internationalen weltweiten kultur-bezüge, allerdings fast ausschließlich innerhalb der "westlichen hemispäre", die schon zehn jahre früher ab mitte der fünfziger als reaktion auf den weltkrieg einsetzten aber nun vollends zum durchbruch kamen und angenommen wurden und die diskurse bestimmten: 
  • mit dem ende des fatal-brutalen vietnam-kriegs, wo schließlich entnervt (auch nach chemisch entlaubten bäumen und deswegen fehlgebildeten embryos) die usa ihre truppen endlich abzogen - 
  • mit dem lokalen französischen aufbegehren um daniel cohn-bendit 
- und all die kulturstiftenden umwälzungen:
  • das woodstock-festival 1969 mit dem ausleben des befreiten 68er-"gefühls" als prozess und protest, und dem aufkommen nie gehörter rhythmen und klänge, aber auch neuer internationaler musikvermarktungs-strategien - 
  • in der literatur die bewegung der "beat-literatur" um jack kerouac u.a. und die "konkrete poesie" z.b. eines eugen gomringers hand in hand mit der "konkreten malerei", 
  • mit happenings, konzeptkunst, partizipation - mit "pop art", "minimal art", "konzeptkunst", "arte povera" und auch das ("deutsche")"informel" und die "art brut" - 
  • das weltweite pubertäre aufbegehren der jugend und der jungen menschen - in west-deutschland konkret gegen die tätergesellschaft nazi-deutschlands, 
  • mit der symbolischen aktions-"ikone": die ohrfeige für bundeskanzler kiesinger von beate klarsfeld - 
aber auch in den familien muckte die jugend auf und befreite sich endlich ein für allemal von vielen unnötigen zwängen, die zuvor einfach unkritisch weitergeführt wurden mit gewalt und züchtigung in der wörtlich genommenen er-"ziehung" ("zögling"), eben als dieser muff von 1000 jahren... - 
  • die alten autoritäten wurden zum abdanken gezwungen oder geradezu lächerlich gemacht -  
  • ---- und das war gut so ... 
höchst kritisch ist allerdings anzumerken, dass mit der recht abrupt eingesetzten und angelesenen sogenannten "sexuellen befreiung" und den neuen auslebe-versuchen eines "herrschaftsfreien anarchismus" auch hier und da neue abhängigkeiten und subtilere gewalt (die man oft mit " gleichberechtigt liebe leben" verwechselte) auf den plan traten bzw. offensichtlich wurden - besonders in den "totalen institutionen" (wie sie erving goffman beschrieben hat) - in den kirchen und den geschlossenen "erziehungs-" und kranken-anstalten - z. t. auch als verirrte reaktionen auf die libertären konzepte einer "antiautoritären erziehung" (a.s.neill) oder den schriften wilhelm reichs zur überwindung der "massenpsychologie des faschismus" - mit z.t. auch individuell ganzheitlichen übungen zur "lockerung des 'muskelpanzers'" - eben in diesen nur laienhaft zusammengelesenen zusammenhängen auch mit völlig überzogenen und übergriffigen tendenzen zur "sexual-befreiung" - sogar auch der wehrlosen und somit tatsächlich "verführten" (klein-)kinder ...

trotzdem - insgesamt überwiegt bei mir zu dieser zeit, die mich mit geprägt hat, ein gutes und dankbares gefühl ...

also - nix für ungut - und chuat choan