CORONA IN PFLEGEHEIMEN
Wir opfern die Alten!
Von Elke Bodderas | DIE WELT v. 7.12.2020
Von Schweden wird gesagt, es lade in leichtfertiger Weise den Tod in die Altersheime ein. Doch Deutschland ist nicht besser. Was die Sterblichkeit unter alten Menschen betrifft, gehen wir den schwedischen Weg.
Als Winston Churchill im Mai 1940 seine „Blood, sweat and tears“-Rede im House of Commons hielt, war keinem der Parlamentarier bewusst, dass sie einer Rede von historischer Bedeutung beiwohnten. Die meisten reagierten sogar mürrisch bis unzufrieden.
Wenn heute, ebenfalls während einer scheinbar ausweglosen Katastrophe, der Leiter des Robert-Koch-Instituts und damit einer der obersten deutschen Corona-Dirigenten „noch viel mehr Tote“ verspricht, dann muss man zwischen Winston Churchill und Lothar Wieler einen kleinen Unterschied feststellen: Der eine bereitete auf einen vernichtenden Schicksalsschlag vor. Und der andere beschreibt mit mahnendem Unterton die Konsequenzen eines Geschehens, für dessen Verlauf er mitverantwortlich ist.
Vermutlich sind Wielers Äußerungen substanziell begründet, trotz künftiger Impfungen höchstwahrscheinlich ab Januar. Es ist auch offensichtlich, weshalb der Präsident des RKI sein düsteres „Bedenke das Ende“ ruft. Als heiliger Schrecken soll die Drohung in die Glieder aller fahren, die mit dem Gedanken spielen, jetzt sei es aber genug mit Opfern, Einschränkungen, Leid und Verlusten.
Wenn oberste Behördenvertreter, Politiker, Ministerpräsidenten es volkspädagogisch mit Tod, Teufel und letzten Dingen versuchen, dann riskieren sie immer den Nachteil, dass sie Argwohn begründen. Der Verdacht liegt dann nahe, dass es da etwas zu übertönen gilt, und tatsächlich, diesen Verdacht kann man auch haben. Es ist die Zahl der Corona-Toten, die Wielers Erziehungsgebärden und die der weiteren politischen Kümmerer allmählich unglaubwürdig erscheinen lässt.
„Die Sterblichkeit ist ein Qualitätsindikator für die Gesamtpolitik“, so formuliert es mit Engelsgeduld der Virologe Alexander Kekulé immer und immer wieder. Und die hat in Deutschland eine fatale Wendung genommen. Unter den Hunderten Menschen, die täglich an und mit Covid-19 sterben, ist ein erheblicher Anteil in der Altersgruppe 70 plus zu finden. Darunter wiederum sterben vor allem jene, die eng beieinander leben, in den Alten- und Pflegeheimen.
Bis heute zählt die Corona-Sterbestatistik fast 14.500 Menschen in der Altersgruppe 70 plus. Sie stellt einen Anteil von aktuell 86,7 Prozent an den Corona-Toten. Es ist eine Quote, die sich gefährlich den 89 Prozent in Schweden nähert. Zwar liegt die absolute Mortalität in dem Land nach wie vor höher.
Aber ausgerechnet der Schutz der Alten scheint in Deutschland momentan genauso linkshändig abgewinkt zu werden wie bei den Schweden. Von denen hatte es geheißen, sie lüden zugunsten von Freiheiten und Eigenverantwortung den Tod in die Altersheime ein. Was die Sterblichkeit unter alten Menschen betrifft, geht Deutschland allerdings momentan den gleichen schwedischen Weg.
Seit April drängen führende Wissenschaftler aus allen relevanten Bereichen darauf, die Senioren in die Mitte zu nehmen, sie als Kern der Pandemiebekämpfung zu erkennen. Ihre Leitidee lautet: „Schützt die Alten, und ihr senkt die Zahl der Corona-Toten.“ An praktikablen Vorschlägen hierzu hat es nicht gefehlt.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Medizinprofessor Matthias Schrappe, einst Berater der Bundesregierung, brachte „Interventionsteams“ ins Spiel. Die Gesundheitsämter könnten sie als Schnelle Eingreiftrupps in bedrohte Heime schicken. „Aber wenn wir damit den Gesundheitsämtern kommen“, sagt Schrappe, „dann heißt es, geht nicht. Das steht in den RKI-Richtlinien nicht drin.“
Im Dezember legte das RKI Empfehlungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen vor mit der Forderung, die Einrichtungen sollten „möglichst in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt ein einrichtungsspezifisches Testkonzept erstellen“. Doch wer mit Betreibern von Altersheimen spricht, erlebt Ratlosigkeit, Verzweiflung, Wut. Denn nur wer sich mit den Gesundheitsämtern einigt, hat eine Chance, an die Schnelltests zu kommen. Wer sie dann hat, würde sie gern auch einsetzen können, was jedoch laut RKI allein Sache „geschulten Personals“ sein soll.
„Warum dürfen Normalsterbliche das nicht?“, fragt sich zu Recht der prominente Virologe Alexander Kekulé. Ein müßiger Einwand, denn in der Praxis ist meist weder das eine noch das andere zu haben. Zwar hatte die Bundesregierung erst Mitte November 200 Millionen Euro für Corona-Schnelltests bereitgestellt. Auf die Verfügbarkeit hat sich das aber noch nicht ausgewirkt. Das könnte daran liegen, dass die Heime ohne Behördenhilfe auf sich allein gestellt sind. Sie sollen sich die Tests selber beschaffen. Die Kosten erstattet dann auf Antrag der Bund.
In Deutschland gibt es etwa 12.000 Pflegeeinrichtungen, mehr als tausend von ihnen melden Corona-Infektionen. Vor allem Baden-Württemberg ist von Ausbrüchen betroffen, aber auch Sachsen. Baden-Württemberg hat ab nächste Woche Ausgangssperren verhängt. Ein besonderer Schutz in Pflegeheimen? Mehrere Heime des Landes klagen über einen Mangel an Schnelltests. Aber dafür seien immerhin FFP2-Masken im Angebot „innerhalb der nächsten Wochen“.
Auch in Sachsen gibt es Ausbrüche in Heimen. FFP2-Masken sollen kostenlos an Senioren ausgegeben werden. Aber im zentralen Fokus der Landespolitik stehen die Heime nicht, auch nicht in Bayern, obwohl dort jetzt mehr getan werden soll und die Heime als besonderer Hotspot bezeichnet werden. Ausgangssperren für alle stehen auf der Tagesordnung. „Es geht um das Thema Kindergarten und Schule“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, „es geht darum, möglicherweise Geschäfte zu schließen.“
Einen Strategiewechsel verlangt inzwischen ein bedeutender Teil der Politik und der Wissenschaft. Sie wenden sich ab von der Debatte über Restriktionen und Schutzmaßnahmen für die Gesamtbevölkerung, mit Schwerpunkt jüngerer oder mobiler Personen. Im Hintergrund treten überall in Deutschland Unlust, Verdrossenheit, Missvergnügen, sogar schon Verweigerung am Corona-Kurs über die Ufer.
Dazu passt ein furchtbarer, fast zynischer Begriff, den ein bekannter Epidemiologe in die Welt gesetzt hat. Er beschreibt eine Politik, die nur steigende Infektionszahlen anerkennt, aber die Alten nicht schützt und die Sterbenden und die Toten nicht sieht. Von „kalter Herdenimmunität“ ist die Rede. Denn wer tot ist, steckt niemanden mehr an.
____________________________
da ist immer die rede davon, die intensivstationen in den kliniken nicht "überlasten" zu wollen - und man sei "hier & da" bereits "kurz vorm limit". und das spiegelt sich auch in den steigenden fallzahlen bzw. der "fall-plateau-entwicklung als seitwärts-bewegung" wider: aber die damit einhergehende scheinbar "kampflos" hingenommene rasant steigende zahl der todesfälle sind scheinbar in diesem teuersten gesundheitssystem eines der reichsten länder der erde lediglich unvermeidbare "kollateralschäden", die mit allgemeiner langmut hingenommen werden (müssen) - mit einem anteil von rund 87% alten menschen.
da findet also offenen auges und wie selbstverständlich so etwas wie eine ethisch höchst fragwürdige "triage"-auswahl statt, in dem die infizierten hochbetagten bewohner der altenheime kaum noch arztbesuche und notfallmedizin-einsätze erhalten und (z.t.) lediglich "noch" palliativ versorgt werden - und auch kaum noch mit dem nötigen nachdruck zum beatmen und behandeln in die intensivstationen gelangen - wo man eben die die noch freien bettenplätze "zur reserve für dringendste notfälle" benötigt - aber die auslese beginnt da, wo man wie selbstverständlich "die alten" aussortiert - ja - und verrecken lässt, weil sie ja dem bruttosozialprodukt keinen gewinnbringenden eintrag mehr bringen.
altenheime haben ganz selten einen festen landeplatz für einen notfall-hubschrauber hergerichtet - und der wird auch scheinbar entgegen aller herkommlichen beteuerungen kaum in der praxis benötigt. die beerdigungsinstitute hingegen kennen ihren parkplatz zum einladen der särge dort jeweils - und die meisten alten lehnen in ihren letzten verfügungen ja auch - zum "glück" "lebensverlängernde maßnahmen" ab - und unterstützen ja damit das "system" ... -
der zyniker in mir könnte ja auch denken: die alten menschen sterben früher oder später sowieso - so wie wir alle ja früher oder später sterben ( so auch bundestagspräsident schäuble) und wenn man einigen von denen nun noch die todesursache "covid-19" verpasst,dann muss man das eben zeitgemäß so hinnehmen: vor corona stand da eben: akutes herzversagen, lungenentzündung, nierenversagen, akute atemnot, krankenhauskeim-infektion, legionellen-infektion, salmonellen-infektion, noroviren-infektion usw. - und auf ein paar tage früher oder später kommt es ja in dem alter auch nicht mehr an ... - oder so ...
sterben ist selten ein schlag, sondern eher ein prozess - und ist immer das zusammenwirken verschiedener organischer versagensmomente - ob nun corona oder sonstwas dieses "syndrom" auslöst - sei mal dahingestellt ...
und nun dreht euch wieder um ... - si