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verkehrte welt

S!|art: lügen haben kurze beine aber eine lange nase ...


Angriff auf die Wirklichkeit

Von Manfred Dworschak | SPIEGEL

Psychologie  

Warum sind offenkundige Lügen und absurde Wahngebilde in der Politik so erfolgreich? Die Erklärung von Religionsforschern: Das gemeinsame Bekenntnis zur Fiktion stärkt den Zusammenhalt sozialer Gruppen.

Ehr­lich, wer kommt da noch mit? Die AfD hetzt mit of­fe­nen Lü­gen ge­gen den recht­lich nicht bin­den­den UNO-Mi­gra­ti­ons­pakt, nennt ihn ein »ver­steck­tes Um­sied­lungs­pro­gramm«. Rechts­ex­tre­me Zir­kel fan­ta­sie­ren so­gar eine dro­hen­de »Aus­rot­tung« her­bei. Es passt ein­fach zu gut zum fa­mo­sen Wahn­ge­bil­de vom »Be­völ­ke­rungs­aus­tausch«, über den sich die An­hän­ger seit Jah­ren wie ver­hext er­ei­fern.

Beim US-Prä­si­den­ten Do­nald Trump ist un­ter­des­sen der Lü­gen­zäh­ler der »Wa­shing­ton Post« – Stand vom 30. Ok­to­ber – auf 6420 nach­weis­lich fal­sche oder ir­re­füh­ren­de Be­haup­tun­gen ge­klet­tert. Trump lügt sich fast schon wahl­los durch den Tag. Als nach den US-Zwi­schen­wah­len in Flo­ri­da nach­ge­zählt wer­den muss­te, be­haup­te­te er, Be­trü­ger hät­ten sich ver­klei­det, um mehr­mals ab­zu­stim­men und sei­ner Par­tei den Wahl­sieg zu rau­ben.

Und den­noch: Die Zu­stim­mungs­wer­te für Trumps Kar­ne­val der po­li­ti­schen Ver­wahr­lo­sung sind un­ter den ame­ri­ka­ni­schen Re­pu­bli­ka­nern sta­bil. Sei­ne Ge­folgs­leu­te er­klä­ren je­den aus der Luft ge­grif­fe­nen Aber­witz im Nach­hin­ein ve­he­ment für wahr. Und die hie­si­ge AfD er­schließt mit Ver­schwö­rungs­fa­beln ge­gen jede Evi­denz nach wie vor wach­sen­de Wäh­ler­krei­se.

Wir se­hen, mit ei­nem Wort, er­staun­lich ro­bus­te Glau­bens­ge­mein­schaf­ten der Lüge. Wi­der­spricht das nicht al­ler Ver­nunft?

Um nor­ma­les Lü­gen geht es hier längst nicht mehr, so weit ist das Pu­bli­kum schon im Bil­de. Wer auf her­kömm­li­che Wei­se lügt, ver­birgt sei­ne Ab­sich­ten, weicht aus, spie­gelt et­was vor – er hat eben nicht die Macht, sein Ziel ohne Trick­se­rei­en zu er­rei­chen. Wer lügt, ist zu schwach für die Wahr­heit.

Die dreis­ten Lü­gen neu­en Typs aber sind of­fe­ne An­grif­fe auf die Wirk­lich­keit. Je­der weiß, dass sie ge­lo­gen sind, das ist ge­ra­de ihre Bot­schaft. Sie ver­ste­cken nichts.

Statt Schwä­che de­mons­trie­ren die­se Lü­gen Stär­ke. Die An­hän­ger, so scheint es, füh­len sich von dem pro­vo­kan­ten Stoff ge­ra­de­zu be­lebt und auf­ge­pul­vert; sie krie­gen nicht ge­nug da­von. Die Ge­gen­sei­te darf das ru­hig als Dro­hung ver­ste­hen: Eure Fak­ten kön­nen uns mal.

Was sagt die Wis­sen­schaft dazu? Aus Sicht der Evo­lu­ti­ons­for­schung ist das nur schein­bar ein Pa­ra­do­xon: Für eine Spe­zi­es, die sich in ei­ner kom­pli­zier­ten Welt zu­recht­fin­den muss, ist kol­lek­ti­ver Rea­li­täts­ver­lust ei­gent­lich kein gu­tes Re­zept. Aber Men­schen ha­ben schon im­mer von ge­mein­sa­men Fik­tio­nen pro­fi­tiert. Das zeigt die Ge­schich­te der Re­li­gio­nen. An­thro­po­lo­gen ha­ben her­aus­ge­fun­den: Ge­ra­de der Glau­be an Un­glaub­li­ches war es, der mäch­ti­ge Ge­mein­we­sen her­vor­brach­te.

Und war­um ist die­se Stra­te­gie so er­folg­reich? Weil das Be­kennt­nis zur Fik­ti­on Über­win­dung kos­tet. Es fällt nicht leicht, un­er­schro­cken Wi­der­sin­ni­ges zu be­haup­ten. Gott­lo­se und An­ders­gläu­bi­ge krin­geln sich: Wie kann man nur! Ste­he ich trotz­dem zu mei­ner Über­zeu­gung, ist das ein star­kes Si­gnal an die Mit­gläu­bi­gen: Sie se­hen, dass auf mich Ver­lass ist. Als Be­weis mei­ner Loya­li­tät brin­ge ich das Op­fer mei­nes Ver­stands.

Re­li­gi­ons­for­scher spre­chen von »kost­spie­li­ger Hin­ga­be«. Der Glau­be er­weist sich als umso stär­ker, je mehr er den Sei­nen ab­ver­langt. Der ame­ri­ka­ni­sche An­thro­po­lo­ge Ri­chard So­sis hat nach­ge­wie­sen, dass stren­ge, for­dern­de Glau­bens­ge­mein­schaf­ten be­son­ders lang­le­big und so­mit er­folg­reich sind.

Auf die Art des Op­fers kommt es da­bei kaum an. Ob die Mit­glie­der sich um­ständ­li­chen Fas­ten­re­geln un­ter­zie­hen oder, wie die Ka­tho­li­ken im Mit­tel­al­ter, mehr­stün­di­ge la­tei­ni­sche Mes­sen durch­ste­hen – es dient al­les dem glei­chen Zweck: Die Men­schen zei­gen öf­fent­lich, wie weit sie zu ge­hen be­reit sind, nur um ih­rer Ge­mein­schaft wil­len.

Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.

Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.

Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.

Die al­ten Ger­ma­nen dach­ten sich den Ur-Rie­sen Aurgel­mir aus, der aus gif­ti­gen Ei­ter­trop­fen ent­sprang. Sohn und Toch­ter wuch­sen dem Gi­gan­ten aus dem Schweiß sei­ner lin­ken Ach­sel; so be­schreibt es der Schöp­fungs­my­thos der Edda. Als Aurgel­mir sei­ne Füße zu­sam­men­schlug, ent­stand ein wei­te­rer Sohn: Er hat­te sechs Köp­fe.

Nicht min­der ein­präg­sam ist die Fa­bel, dass in Deutsch­land die Flücht­lin­ge in Lu­xus­her­ber­gen schwel­gen und zum Dank sich auch noch Zie­gen aus dem Strei­chel­zoo gril­len. Auf sol­che Mi­ra­kel ist die Hass­re­li­gi­on des rech­ten Ran­des fi­xiert; Ge­gen­be­le­ge tut sie als Blend­werk ab. Sie ver­teu­felt die Mi­gra­ti­on als Mut­ter al­ler Pro­ble­me – der bös­ar­ti­ge Son­der­fall ei­nes Glau­bens. Sei­nen An­hän­gern ist kei­ne hö­he­re Se­lig­keit ver­hei­ßen, nur das häss­li­che Ver­gnü­gen, Schwä­che­re zu mal­trä­tie­ren.

Auf über­zeug­te Rechts­ex­tre­me mag spe­zi­ell die­se Aus­sicht eu­pho­ri­sie­rend wir­ken. Mit­läu­fer ge­nie­ßen wohl ein­fach nur die Frei­heit zum Kra­kee­len. Denn sei­en wir ehr­lich: Lü­gen macht frei. Es ist be­flü­gelnd, sich an Fak­ten nicht mehr ge­bun­den zu füh­len.

Die­se Fak­ten, das ver­gisst man leicht, sind ja kei­nes­wegs neu­tral. Der Mensch er­lebt sie zeit­le­bens als Ge­gen­spie­ler, die sein tag­träu­me­ri­sches Wunsch­den­ken ein­gren­zen; sie er­zwin­gen An­pas­sung, schmerz­haf­te Ein­sicht und Selbst­kor­rek­tur. Ein Le­ben lang wird er von die­sen Fak­ten zu­recht­ge­stutzt und ge­de­mü­tigt.

Wirk­li­che Frei­heit gibt es, wie die Phi­lo­so­phin Han­nah Arendt schrieb, nur in der Lüge. Aus der Enge der Tat­sa­chen ent­kommt der Lüg­ner in die Un­end­lich­keit des Kon­traf­ak­ti­schen. Dort kann er lär­men, het­zen, spin­ti­sie­ren nach Be­lie­ben. Er nimmt, mit an­de­ren Wor­ten, gründ­li­che Ra­che an der Rea­li­tät. In nor­ma­len Zei­ten knallt frei­lich nur sel­ten je­mand der­art durch. Wer da­mit al­lein blie­be, wäre ja nur als ar­mer Tropf ent­blößt. Aber in der Grup­pe ge­teilt, kann je­des Wahn­ge­bil­de zur so­zia­len Macht wer­den. Was den Ein­zel­nen bla­mie­ren wür­de, macht die Ge­mein­schaft stark.

Rechtschaffener Aufklärungseifer stärkt nur die Überzeugung des Lügners, dass er die richtigen Leute ärgert.

Es gibt na­tür­lich vie­ler­lei Mit­tel, Ver­schwo­ren­heit her­zu­stel­len. Aber die of­fe­ne Lüge hat un­ter ih­nen eine be­son­de­re Qua­li­tät: Der Grad ih­rer Dreis­tig­keit ist ziem­lich ge­nau zu be­stim­men. Er be­misst sich im Ab­stand zur Wahr­heit, die al­len be­kannt ist – von der mi­ni­ma­len Schwin­de­lei bis hin zur atem­be­rau­ben­den Ab­sur­di­tät, die sich über jede Evi­denz hin­weg­setzt.

An der Be­reit­schaft zur Lüge kön­nen die Mit­glie­der ab­le­sen, wozu die Ge­mein­schaft im­stan­de ist. Sie sind je­der­zeit in­for­miert über de­ren Ak­ti­ons­fä­hig­keit und Ent­schluss­kraft. Das Aus­maß des ge­teil­ten Wi­der­sinns dient qua­si als per­ma­nen­ter Selbst­test der Be­we­gung.

Aber wie krie­gen Men­schen, die es bes­ser wis­sen müs­sen, so et­was hin? Nun, man ge­wöhnt sich dar­an. For­scher am Uni­ver­si­ty Col­le­ge in Lon­don ha­ben ge­zeigt, wie schnell das geht. Sie scho­ben Pro­ban­den in den Hirn­scan­ner und lie­ßen sie dort zum Schein im­mer wie­der klei­ne Auf­ga­ben ge­gen Geld er­le­di­gen.

Die Teil­neh­mer muss­ten an­neh­men, sie könn­ten da­bei un­be­merkt zu ih­rem Vor­teil schwin­deln. Et­li­che pro­bier­ten es, an­fangs noch zu­rück­hal­tend, und es mach­te ih­nen zu schaf­fen – der Scan­ner of­fen­bar­te star­ke Re­ak­tio­nen bei der emo­tio­na­len Ver­ar­bei­tung. Mit der Zeit aber wur­den die Pro­ban­den im­mer mu­ti­ger, zu­gleich nahm das Wi­der­stre­ben ab. Das Lü­gen war zur Rou­ti­ne ge­wor­den.

In die­ser Ge­wöh­nung steckt be­reits der An­reiz, die Do­sis zu stei­gern. Die Lüge, die al­len schon leicht von den Lip­pen geht, hat sich als so­zia­les Si­gnal ver­braucht; ge­fragt ist dann neu­er, stär­ke­rer Stoff. Jede er­folg­reich eta­blier­te Lüge lädt dazu ein, sie mit der nächs­ten noch zu über­tref­fen.

Eine Be­we­gung, die es nach Ra­dau und Um­sturz ge­lüs­tet, be­trach­tet die Gren­zen des Sag­ba­ren oh­ne­hin nur als tak­ti­schen Zwi­schen­halt. Sie wird ver­su­chen, in neue Re­gio­nen des Kon­traf­ak­ti­schen vor­zu­drin­gen. Aber mit je­der Es­ka­la­ti­on der Lüge ver­grö­ßern die Ver­schwo­re­nen auch die Fall­hö­he ih­rer Exis­tenz – ir­gend­wann ist die Rück­kehr auf den Bo­den der Tat­sa­chen nur noch als Ab­sturz denk­bar. Auch das stärkt den Zu­sam­men­halt: wenn es kein Zu­rück mehr gibt.

Wie schnell das ge­hen kann, lässt sich der­zeit in den USA stu­die­ren: Prä­si­dent Trump fa­bu­liert im­mer ab­sur­de­res Zeug – und doch hat sich sei­ne Ge­folg­schaft noch je­den Un­sinn öf­fent­lich zu ei­gen ge­macht, wenn auch mit­un­ter nach ei­ni­gem Zö­gern und Schlu­cken. So man­cher Mit­ar­bei­ter hat sich da schon mit re­gel­rech­ten Mut­pro­ben der Scham­lo­sig­keit für Hö­he­res emp­foh­len.

Die »New York Times« wun­der­te sich kürz­lich, wie rück­halt­los Leu­te aus Trumps Um­feld – Pres­se­spre­cher, An­wäl­te, Wahl­kampf­ma­na­ger – die Res­te ih­rer bür­ger­li­chen Re­pu­ta­ti­on ver­spiel­ten. »Sie be­lo­gen die Bun­des­be­hör­den so­gar«, schrieb das Blatt, »wenn das Ri­si­ko, er­wischt zu wer­den, groß war und ih­nen schreck­li­che Kon­se­quen­zen droh­ten.« Aber ge­nau das ist der Sinn des Ver­stan­des­op­fers, durch das die Rei­hen ge­schlos­sen wer­den.

Do­nald Trump bie­tet den An­hän­gern be­son­ders reich­lich Ge­le­gen­heit zur Un­ter­wer­fung, wenn er bei­spiels­wei­se das Ge­gen­teil ei­ner Be­haup­tung vom Vor­tag zur neu­en Wahr­heit er­klärt. Trump hat die Rea­li­täts­ver­leug­nung nicht er­fun­den, aber zur Se­ri­en­rei­fe ge­führt. Lü­gen bringt er qua­si schon voll­au­to­ma­tisch her­vor, die Fak­ten­che­cker kom­men kaum noch hin­ter­her. Sei­ne bis­he­ri­ge Best­leis­tung er­reich­te der US-Prä­si­dent am 7. Sep­tem­ber mit ei­nem Aus­stoß von 125 fal­schen oder ir­re­füh­ren­den Be­haup­tun­gen.

Den­noch ist Trump kein po­li­ti­scher Lüg­ner neu­en Typs, er kennt nur kei­ner­lei Scham. Er hat nie ei­nen Zwei­fel dar­an ge­las­sen, wor­um sein Den­ken kreist: um die Fik­ti­on sei­ner Un­be­sieg­bar­keit. Jede Wahl, die er nicht ge­won­nen hat, müs­se dem­nach ir­gend­wie ge­fälscht sein. So macht der Ego­ma­ne in bis­lang un­er­hör­ter Rein­heit deut­lich, wor­auf das de­mons­tra­ti­ve Lü­gen in der Po­li­tik letz­ten En­des hin­aus­läuft: auf die De­mon­ta­ge der De­mo­kra­tie.

Das Ziel ist er­reicht, wenn die Men­schen kei­ne ge­mein­sa­me Fak­ten­ba­sis mehr an­er­ken­nen und Wor­te nur noch Glau­ben­stat­sa­chen be­zeich­nen, de­nen man an­hän­gen kann oder auch nicht. So ist das, wenn die Lüge zur so­zia­len Macht ge­wor­den ist. Dann kann sie die Rea­li­tät zur Fik­ti­on er­klä­ren und sich selbst an ihre Stel­le set­zen. Dann be­stimmt der Stär­ke­re, was ein Wahl­er­folg ist und was nicht.

Die Phi­lo­so­phin Han­nah Arendt schrieb: »Be­vor die Mas­sen­füh­rer die Macht in die Hän­de be­kom­men, die Wirk­lich­keit ih­ren Lü­gen an­zu­glei­chen, zeich­net sich ihre Pro­pa­gan­da durch eine be­mer­kens­wer­te Ver­ach­tung für Tat­sa­chen über­haupt aus.« Dar­in of­fen­ba­re sich »be­reits die Über­zeu­gung, dass Tat­sa­chen nur von dem ab­hän­gen, der die Macht hat, sie zu eta­blie­ren«.

In die­sem Sin­ne wirkt die Lüge, die nach in­nen die Rei­hen schließt, zu­gleich schon nach au­ßen als Dro­hung. Arendt hat das am Bei­spiel der Na­zis er­läu­tert, die sich eine Ver­schwö­rung des »Welt­ju­den­tums« aus­dach­ten. Sie hielt es für sinn­los, in die­ser Lage den Ge­gen­be­weis an­zu­tre­ten. Ihr zu­fol­ge hat der An­ti­se­mit ja gar nicht die Ab­sicht zu sa­gen, was ist. Er sagt, was sein müss­te, da­mit ge­recht­fer­tigt ist, was er be­reits plant.

Mit an­de­ren Wor­ten: Dreis­te, un­ver­hoh­le­ne Lü­gen sind kei­ne Aus­sa­gen über Din­ge. Sie sind Ta­ten, die wei­te­re Ta­ten vor­be­rei­ten. Das gilt auch, wenn AfD-Funk­tio­nä­re, ob­wohl Dau­er­gäs­te im Talk­show-Ka­rus­sell, sich sti­li­sie­ren zu Op­fern ei­ner »Mei­nungs­dik­ta­tur«, de­nen man den Mund ver­bie­te. Sie kün­di­gen da­mit ihre Ab­sicht an, bei der ers­ten Ge­le­gen­heit die De­mo­kra­tie zu zer­schla­gen und den Ter­ror zur Not­wehr um­zulü­gen.

Was tun? Wer sich in eine fik­ti­ve Ge­gen­welt ver­ab­schie­det hat, den wer­den auf dem Weg zur Rea­li­sie­rung der Fik­ti­on we­der Ar­gu­men­te noch Fak­ten­checks groß be­un­ru­hi­gen. Der recht­schaf­fe­ne Auf­klä­rungs­ei­fer der Ge­gen­sei­te stärkt sei­ne Über­zeu­gung, dass er die rich­ti­gen Leu­te auf die rich­ti­ge Wei­se är­gert.

Was die Ka­der der Lüge tref­fen kann, ist das Er­le­ben von Schwä­che und Iso­la­ti­on. Die Eu­pho­rie der ge­mein­schaft­li­chen Ver­blen­dung ver­liert ih­ren Zau­ber, wenn sich der rea­le Hand­lungs­spiel­raum der Be­we­gung nicht mehr aus­wei­tet, son­dern ver­engt.

Bleibt also die Hoff­nung auf die Ver­nunft der Mehr­heit – und de­ren Be­reit­schaft, die De­mo­kra­tie, wo sie in Not ge­rät, zu ver­tei­di­gen. Eine gut be­such­te De­mons­tra­ti­on ge­gen rechts­ra­di­ka­le Um­trie­be macht auf Fa­na­ti­ker ge­wiss mehr Ein­druck als wohl­ge­setz­te Ge­gen­re­de. Es kann auch nicht scha­den, bei Be­darf die Ge­set­ze ge­gen Volks­ver­het­zung und ähn­li­che De­lik­te an­zu­wen­den – im Grenz­fall be­kräf­tigt durch die Macht­mit­tel, die der Po­li­zei zu Ge­bot ste­hen.

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zumindest die neuen lügner in den usa - ich meine trump & konsorten - beziehen sich immer auf ihren standfesten christlichen glauben - und die mitgliederstarken evangelikalen kreise wählen trotz dieser offensichtlichen lügen den trump - blind "auf deubel komm raus" ...

das 8. gebot lautet: "du sollst nicht falsch zeugnis reden - wider deinen nächsten" ... 

aber das ist das phänomen: wenn man die realitäten um sich herum einfach verleugnet, die durch die "aufklärung" fassbar wurden - und die die behaupteten antiken bilder und "wahrheiten" in der bibel in frage stellen oder gar als "lügen" entlarven würden - wenn man ihnen eben ohne jede zweifel und kritik vorbehaltlos weiter anhängt, weil man sonst das elternhaus und die primärgruppe auch der gemeinde, der man sich zugehörig fühlt und in die man hineingetauft wurde, ansonsten meint zu "verraten" - wenn man meint, ansonsten abtrünnig zu werden, einsam zu werden, zum "wendehals" zu werden - wenn man angst hat gar vor der strafe gottes oder vor der hölle oder dem fegefeuer, dann wird die lebenslüge zur akzeptierten wahrheit - zur realität - und dann kann man nur noch weiß denken - denn schwarz ist das böse ... - dann gibt es auch keine zwischenphasen oder korridore - dann brabbelt man einfach alles mit ...

und wenn es lange genug gebrabbelt wurde, nimmt es gestalt an, ist es plötzlich "tatsache", wird es die "wahrheit" - "nichts als die wahrheit" - und alle weniger extremen oder liberalen gegenbeweise in den medien können dann ja nur die "lüge" sein: "lügenpresse - halt die fresse" ... - "ich weiß, was ich weiß" - und "das haben 'die' aber gesagt - und dann ist das authentisch - da kannste aber einen drauf lassen - weißte ..." ...

und dann gibt es fürchterliche semantische purzelbäume, die an das pathologisch wahnhafte grenzen können, um diese aufgeschnappte "wahrheit" dann auch "argumentativ" mit behauptungen zu untermauern.

ich habe ja schon von meinem ausflug in die für mich wenigstens inzwischen als rechts-konservativ entpuppte presselandschaft berichtet - und wie dort auf meldungen oder kommentare in windeseile völlig kopflos und überzogen massenhaft reagiert wurde in den meinungsforen - immer in einer art "shitstorm-" oder auch "#hashtag"-mentalität - es wird einfach auf "schlagworte" reagiert - oft so scheint es mir von meinungstreibenden algorithmen-bots begleitet - um "rechts-populistische" realitäten neu zu kreieren und zu untermauern - und meinungsstrategisch zu besetzen...

vor jahren sagte mir jemand, der von zu hause ausgezogen war und nun in etwas prekären umständen lebte: 

"da draußen ist krieg, mensch nochmal - davon hast du hier in deiner 3-zimmer-wohnung mit öffentlich-rechtlichem fernsehen und deiner bürgerlichen lokalpresse ja doch keine ahnung" ...

und ich glaube fast - inzwischen ist dieser krieg, den er damals meinte, durch das internet und den sozialen netzwerken aber auch mit den sogenannten "meinungsforen" unter den einigermaßen geeigneten texten zu mir in den desktop-pc und auf das smartphone und ins tolino-tablet gekrochen - ein krieg, bei dem nicht "geschossen" wird, wo aber die äußere und innere realität in trümmer gehen kann ...

gott bewahre - nix für ungut - und chut choan