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Heile - heile Gänschen - s'ist bald wieder gut ...

in meinem beitrag zum #coronavirus habe ich zu recht bemängelt, dass es kaum seriöse quellen gibt zu den inzwischen wieder erholten, wieder gesundeten infizierten gibt.

Die im Text angegebene Grafik vom Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University in Baltimore/Maryland ist auf meinen ersten laienhaften Blick hin recht passabel - und zeigt jetzt im Moment (11.03. - 23.30 Uhr): dass weltweit von 125.664 gemeldeten Infizierten 66.993 sich wieder erholt haben - in sehr unterschiedlichen Entwicklungsprozessen je Nation. 4610 Menschen sind leider verstorben.

Der Spiegel beantwortet eine entsprechende Leseranfrage also so:

Leserfragen zum Coronavirus

Wie viele Menschen haben die Erkrankung überstanden?

Über die Opfer des Coronavirus wird viel geschrieben, nicht aber über die Geheilten. Was weiß man über sie? Die Leserfrage am Mittwoch.

Leserin Cornelia G. schreibt:

Warum werden nicht die Fallzahlen der bereits wieder Genesenen den täglich publizierten Neuinfektionen gegenübergestellt?

Es entsteht dadurch eine recht einseitige Gewichtung der Nachrichten. Dies zieht sich leider durch alle seriösen Medien.

Auf der Suche nach entsprechenden Daten habe ich das Internet durchforstet und bin tatsächlich weder beim RKI noch im Bundesgesundheitsministerium fündig geworden, sondern erst auf der Internetseite des Johns-Hopkins-CSSE  [click] in den USA.


Die Graphik auf der John-Hopkins-CSSE-Seite abgerufen am 11.03.2020 - 23.30 Uhr 
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Die Antwort von Irene Berres, Gesundheits-Redakteurin beim SPIEGEL:

Das Problem ist tatsächlich, dass die Daten fehlen. Gesicherte Informationen dazu, wie viele Infizierte wieder als genesen gelten, gibt es aber zum Beispiel aus China. Dort sind von mehr als 80.000 Erkrankten rund 66.000 wieder gesund. In Deutschland ist es dafür vermutlich noch zu früh. Klar ist, dass alle Menschen aus dem bayerischen Webasto-Cluster wieder gesund sind, also die Gruppe, die sich Anfang des Jahres durch eine chinesische Mitarbeiterin infiziert hatte.

Bei den meisten anderen deutschen Patienten ist auch noch nicht genug Zeit verstrichen, um sie als "genesen" zu werten. Sobald das Robert Koch-Institut (oder eine andere Stelle) Zahlen zur Verfügung stellt, die auch genesene Patienten beinhalten, werden wir diese aber in unsere Berichterstattung aufnehmen und in den Grafiken ergänzen.

irb - spiegel.de

This is the end ... - ein Nachruf

Eine Meldung und ihre Geschichte


Ausriss BILD v. 06.01.2020


Wolfs­spur

Ein zum Abschuss freigegebener, berüchtigter Wolf wurde in Niedersachsen von einem Fahrzeug tödlich angefahren. Ein Nachruf.

Viel­leicht muss die Ge­schich­te die­ses Wolfs mit sei­nem Ende be­gin­nen. Am Ende der Jagd stieß GW924m mit ei­nem Fahr­zeug zu­sam­men, er er­litt schwe­re in­ne­re Ver­let­zun­gen, er schlepp­te sich etwa drei Ki­lo­me­ter wei­ter, bis er bei Gif­horn zu­sam­men­brach. Jä­ger fan­den ihn am 6. Ja­nu­ar, stark ver­west, in ei­nem Wald­stück im Laub. Er wur­de in eine Pa­tho­lo­gie nach Ber­lin ge­fah­ren, ihm wur­de Ge­we­be ent­nom­men, wel­ches be­wies, dass es sich um GW924m han­delt, den Wolf, über den man im Nor­den Deutsch­lands lan­ge ge­spro­chen hat­te. GW wie Grau­er Wolf, 924 als ge­ne­ti­sche Ken­nung, männ­lich.

131 Nutz­tie­re hat­te GW924m in an­dert­halb Jah­ren und 64 An­grif­fen fast nur in Schles­wig-Hol­stein ge­ris­sen. Er galt als ge­fähr­li­cher Wolf, der mehr Scha­fe ge­tö­tet hat­te als wohl je ein an­de­rer Wolf im Land.

37 Tage spä­ter er­hielt Jens Mat­zen, 63, Wolfs­be­treu­er in Schles­wig-Hol­stein, eine E-Mail mit der Nach­richt, dass GW924m tot sei.

Mat­zen sitzt in ei­nem Se­mi­nar­raum des zu­stän­di­gen Lan­des­amts bei Kiel, er hat ein vom Wet­ter ge­rö­te­tes Ge­sicht. Mat­zen ist ge­lern­ter Forst­wirt und sagt, dass er ja ei­gent­lich Wöl­fe be­treue, aber in letz­ter Zeit vor al­lem die Men­schen.

Vor 19 Jah­ren wur­den das ers­te Mal wie­der Wolfs­wel­pen in Deutsch­land ge­bo­ren, rund tau­send Wöl­fe le­ben mitt­ler­wei­le hier, aber die Men­schen hät­ten sich noch im­mer nicht dar­an ge­wöhnt, dass der Wolf zu­rück sei. GW924m hat die Sa­che nicht bes­ser ge­macht.

Wenn man Mat­zen nach GW924m fragt, nennt er ihn prä­zi­se, schlau, ge­wieft. In Mat­zens Stim­me liegt An­er­ken­nung. Bei­na­he al­les, was er über GW924m sa­gen kann, weiß er aus den Be­rich­ten, Pro­to­kol­len und Bil­dern der Riss­gut­ach­ter, also der Men­schen, die die Ver­let­zun­gen der Nutz­tie­re do­ku­men­tie­ren. »Man lebt dann prak­tisch mit dem Wolf«, sagt er.

Ge­bo­ren wur­de GW924m im Jahr 2017 in Dä­ne­mark bei Ul­fborg, nahe ei­nem Na­tur­schutz­ge­biet. Er hat min­des­tens sie­ben Ge­schwis­ter. Wöl­fe sind so­zia­le Tie­re, das Ru­del küm­mert sich gut um die Jun­gen, bis die­se mit ein bis zwei Jah­ren da­von­zie­hen. Und so lief auch GW924m im Früh­jahr 2018 in Rich­tung Sü­den und nahm wahr­schein­lich eine Schwes­ter und zwei Brü­der mit. Die Schwes­ter starb auf der A 23, ein Bru­der kehr­te zu­rück in die Hei­mat, der an­de­re Bru­der lief zur Nord­see­küs­te. GW924m zog es süd­wärts, bis in die Krei-se Stein­burg, Pin­ne­berg, Se­ge­berg. Dort blieb er zu­nächst. Mat­zen, der Wolfs­be­treu­er, hör­te zum ers­ten Mal von GW924m nach dem ers­ten Scha­f­riss des Wolfs im Juli 2018. Es folg­ten wei­te­re Scha­fe, vie­le Scha­fe, Scha­fe hin­ter elek­tri­schen Wei­de­zäu­nen, die in der Re­gel 30 bis 40 Zen­ti­me­ter hoch sind. Für GW924m wa­ren sie kein Hin­der­nis.

Mat­zen wur­de als Wolfs­be­treu­er hin­zu­ge­zo­gen, er riet den Schaf- und Zie­gen­hal­tern, ihre Zäu­ne zu er­hö­hen, für Ma­te­ri­al kam das Land auf. Sie bau­ten strom­füh­ren­de Net­ze an Stan­gen, 1,05 bis 1,08 Me­ter hoch. Die­se Höhe gilt als wolfs­si­cher. GW924m über­wand sie. »Manch­mal muss­te man den Hut zie­hen«, sagt Mat­zen an die­sem Tag im Lan­des­amt, an dem GW924m schon seit vie­len Wo­chen tot ist.

Ab Ja­nu­ar 2019 be­gann eine Task Force, nach dem Wolf zu su­chen, eine klei­ne Grup­pe Jä­ger, die auf­brach, um GW924m zu er­le­gen. Wöl­fe sind eine durch vie­le recht­li­che Re­ge­lun­gen ge­schütz­te Art, es greift das Wa­shing­to­ner Ar­ten­schutz­ab­kom­men, die Ber­ner Kon­ven­ti­on, die Fau­na-Flo­ra-Ha­bi­tat-Richt­li­nie 92/​43/​EWG, das Bun­des­na­tur­schutz­ge­setz. Nur wenn der Wolf nicht zu bän­di­gen ist, wird er zum Ab­schuss frei­ge­ge­ben. Ab Herbst wur­de die Zahl der Jä­ger er­höht.

Die Jä­ger durf­ten, so war es fest­ge­legt, nur im Re­vier des zum Ab­schuss frei­ge­ge­be­nen Tie­res ja­gen, da­mit sie nicht aus Ver­se­hen den fal­schen Wolf er­schie­ßen. Es schien fast, sagt Mat­zen, als habe GW924m die Ge­fahr ge­spürt: Er be­gann, sein Re­vier re­gel­mä­ßig zu ver­las­sen.

Wo­che um Wo­che ver­ging, und Wo­che um Wo­che leb­te GW924m wei­ter. Die Lo­kal­zei­tun­gen schrie­ben »Pro­blem­wolf wird zum Pro­blem.« Der Um­welt­mi­nis­ter des Lan­des sag­te im In­ter­view: »Wir ar­bei­ten in­ten­siv dar­an, den Ab­schuss des Pro­blem­wolfs zu er­rei­chen.« Das Raub­tier hat­te eine De­bat­te aus­ge­löst. Wolfs­schüt­zer be­gan­nen, im Wald zu wan­dern, um die Jä­ger zu stö­ren.

Auf eine ge­wis­se Art jag­ten sich mitt­ler­wei­le auch die Men­schen.

»Ein Wolf mag kei­ne Kon­flik­te«, sagt Mat­zen. Wann ge­nau sich GW924m aus dem Staub mach­te, ist nicht klar. Am 25. Ok­to­ber 2019 riss er Scha­fe süd­lich von Schwe­rin, Meck­len­burg Vor­pom­mern, rund 130 Ki­lo­me­ter ent­fernt von sei­nem ei­gent­li­chen Re­vier. Da­nach blieb es ru­hig. Viel­leicht war er, glaubt Mat­zen, für die Men­schen un­sicht­bar ge­wor­den, weil er eine Part­ne­rin ge­fun­den hat­te und ver­stärkt Rehe jag­te. Wie fast im­mer bei Wöl­fen weiß der Mensch es nie ge­nau.

Wenn man mit Mat­zen über den Wolf spricht, nennt er ihn 924, als sei es ein Ko­se­na­me. 924 war in Nie­der­sach­sen ge­stor­ben, um dort­hin zu ge­lan­gen, könn­te er durch die Elbe ge­schwom­men sein, viel­leicht bei Amt-Neu­haus, wo der Fluss ei­nen Knick macht und schmal wird. »Da hast du uns so lan­ge zum Nar­ren ge­hal­ten und bist jetzt so ge­en­det«, dach­te Mat­zen, als er von dem Tod des Tiers hör­te. Mat­zen fin­det: Es war ein gu­ter Tod für ei­nen Wolf, der von so vie­len ge­jagt wur­de. Ein neu­tra­ler Tod, ohne Schuld.

Sein Ka­da­ver wur­de in der Pa­tho­lo­gie in Ber­lin im Com­pu­ter­to­mo­gra­fen ge­scannt, GW924m wur­de ge­wo­gen und ver­mes­sen, auf Krank­hei­ten un­ter­sucht und dann ent­sorgt, ver­brannt, in der Tier­kör­per­be­sei­ti­gungs­an­stalt.

Text: Barbara Hardinghaus | DER SPIEGEL 11/2020 reporter

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manchmal stellen die medien, die man so konsumiert - aufschlägt, betrachtet, studiert, liest - eine ganz eigenartige performance von bildern und meldungen zusammen.

heute z.b. sah ich eine kurzreportage von einem biolandwirt, der bio-schweine züchtete zum verzehr durch das unersättliche raubtier mensch.

sein stall sah optisch sauber und gepflegt aus - und mir als zuschauer wurde mitgeteilt, dass das fleich der schlachtschweine umso besser schmeckt, desto weniger stress sie bei ihrem schlachthaustod entwickelten.

also ging der gute den schweinen von kleinauf bekannte bio-schweinezüchter mit auf den letzten weg und setzte kaltblütig den elektroschocker ein und tötete die schweine, eins ums andere - ganz stressfrei, weil sie von ihrem bezugs-bio-bauern bisher ja nur gutes erfahren hatten. er streute ihnen ja das futter hin, sprach sie liebevoll an und verwöhnte sie regelrecht - bis zu ihrem jähen tod zum verzehr durch uns menschen.

gestern hörte ich noch, dass leider das lukrative asiengeschäft des massenschlachters tönnies mit schweine-öhrchen, schwänzchen, schnäuzchen und ich meine auch pfötchen (man beachte das verniedlichende "...chen" am ende der kleinteil-listen-aufzählung) nach china durch die corona-krise gestört wäre - und ganze kühlcontainer dieser angeblich so leckeren inhalte auf ihre abfuhr warteten. aber: keine sorge - die kühlkette dieser schweinereste sei i.o. - und alles ging seinen regelrechten gang ...

der gemeine chinese verzehrt also öhrchen vom schlachthof aus rheda-wiedenbrück. ja das ist mal globaler handel & wandel vom feinsten.

und dann heute der obige artikel zu "gw924m", der, wie sein "betreuer" meint, geradezu "prä­zi­se, schlau, ge­wieft" 131 nutztiere, zumeist wohl schafe, zumeist aus schleswig-holstein gerissen hat - in 547 tagen, bei 64 angriffen.

das ist schon im ersten moment eine ansehnliche strecke für einen einsamen wolf - aber wiederum: 131 verblutete und angebissene schafe in 547 tagen, dass ist sicherlich schon auch eine gewisse wolfs-diät, eine schlankheitskur mit viel abstinenz-tagen zwischendurch und versteckspiel vor seinen ihn jagenden jägern, die ihm auflauern sollten: bei 64 angriffen ist das jede gute woche ein angriff mit gut 2 angeknabberten "gerissenen" tieren - im schnitt...

wenn man dagegen die kaltherzige massentötung durch den bio-schweinzüchter betrachtet - unter vortäuschung falscher tatsachen und grobem vertrauensbruch - und die nicht beförderten kühlcontainer mit dem schweinekleinkram für die menschlichen raubtiere in asien, ja dann wird mir gw924m noch regelrecht sympathisch. und ich danke dem "spiegel" für seinen nachruf. denn so wird gw924m zumindest virtuell ein bleibendes andenken gesichert. 

auf seinem letzten "bild"-foto von joachim remitz oben sieht man ja auch, der war nicht etwa dick und fett angefressen und vollgefüllt mit ja auch von menschen geschätzten leckerem lammfleisch - nee - das war ein armer abgemagerter gejagter einsamer zeitgenosse, bevor er dann nach seinem unfall und dem schmerzhaften schrecklichen 3 kilometer langen todesmarsch, nach seinem jämmerlichen zusammenbruch, dann nach gründlicher untersuchung der tierabdeckerei zugeführt wurde.

und wir lesen ja: "es war ein gu­ter tod für ei­nen wolf, der von so vie­len ge­jagt wur­de. ein neu­tra­ler tod, ohne schuld" - ein ehrlicher tod also, den man den armen bio-schweinen und den china-kleinkram-schwein"chen" sicherlich nicht bescheinigen kann.


  • mir fiel adeles 007-song "skyfall" -  dazu ein, das ich dem gw924m ausdrücklich widmen möchte:




SKYFALL SONGTEXT ÜBERSETZUNG

Das hier ist das Ende.
Halte den Atem an und zähle bis 10.
Spüre, wie die Erde bebt
und dann hör auf mein Herz – wie es zerspringt.

Weil – DAS hier - ist das Ende!
Während meines Untergangs,
habe ich von diesem Moment geträumt,
Er war längst überfällig und ich bin ihnen jetzt was schuldig
Viel zu lange war ich wie vom Erdboden verschwunden...

Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt, werden wir aufrecht stehen
und gemeinsam antreten in Skyfall.

Hier fangen wir neu an,
tausend Meilen und Pole voneinander entfernt,
wo die Welten aufeinander krachen
und die Tage im Schatten liegen.
Vielleicht hast du meine Nummer - kann sein.
Du kannst auch meinen Namen haben – aber
NIEMALS wirst du mein Herz besitzen!

Wo auch immer du bist, ich folge dir
Was du siehst, sehe ich auch
und ich weiß, dass ich niemals ich selbst sein kann
ohne den Schutz deiner liebevollen Umarmung,
die alles Böse von mir fern hält.
Komm, nimm meine Hand und wir stehen das gemeinsam durch.

Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt,
werden wir aufrecht dastehen

und gemeinsam antreten in Skyfall.



... und - übrigens - man kann den wolf auch als mensch richtig liebgewinnen - trotz unseres künstlich genetisch angelegten "rotkäppchen-trauma" ... - sieh selbst:


völliger quatsch



Kunstexperte Magnus Resch

"Das Gerede von guter Kunst ist völliger Quatsch"

Magnus Resch will Künstler in Geldfragen beraten - und mag steile Thesen: Ein Kunststudium, sagt der Wirtschaftsmann, führt in die Arbeitslosigkeit. Und Selbstvermarktung ist wichtiger als Qualität.

Ein Interview von Sebastian Späth | SPIEGEL



Maurizio Cattelans Bananen-Installation "Comedian" wurde auf der Art Basel irgendwann vor den Augen der Besucher verspeist - RHONA WISE/ EPA-EFE/ REX / SPIEGEL


  • Magnus Resch, 35, ist Kunstexperte. Er schrieb Bestseller wie "Management von Kunstgalerien" und hält Vorlesungen an der Yale University. Sein neues Projekt heißt "MagnusClass". Das Online-Seminar für Künstler ist gewissermaßen eine Kampfansage an alle traditionellen Kunsthochschulen: Resch legt darin den Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Seite des Betriebs. In bisher 55 Unterrichtseinheiten erklärt Resch etwa, wie Künstler eine Galerie für sich gewinnen, Journalisten dazu bringen, über sie zu berichten - und vor allem, wie sie mit Kunst Geld verdienen.


SPIEGEL: Herr Resch, Sie haben eine Online-Kunstakademie gegründet. Produzieren die Hochschulen in Deutschland nicht schon genug erfolglose Künstler?

Magnus Resch: Die Ausbildung an Kunsthochschulen ist einseitig. Dort wird konsequent vermieden, über Geld zu sprechen oder über den Kunstmarkt. Jeder Künstler ist Selbstunternehmer, aber übers Unternehmersein wird nichts unterrichtet. Auch Künstler müssen Miete bezahlen, und das geht nur, wenn sie ihre Kunst verkaufen. In diese Lücke gehe ich mit meinen Onlinekursen. Besonders in Deutschland gibt es große Vorbehalte gegen eine marktorientierte und realitätsnahe Ausbildung, was absurd ist. Es scheint, dass es für Künstler erstrebenswerter ist, arm und erfolglos zu sein, als Geld zu verdienen. Das Kunststudium führt in die Arbeitslosigkeit.

SPIEGEL: Eine steile These - vor allem, weil Sie selbst nie an einer Kunsthochschule studiert haben.

Resch: Ein Professor für Unternehmensführung muss auch nicht Amazon gegründet haben. Ich arbeite seit 15 Jahren im Kunstmarkt und habe viele Künstlerfreunde. Ich erlebe hautnah, wie schwer es ist, von Kunst zu leben und bekomme täglich E-Mails von Künstlern. Die häufigste Frage lautet: "Magnus, wie werde ich erfolgreich?"

SPIEGEL: Ihr Kurs richtet sich an die Brotlosen. Also an 80 Prozent aller Künstler, wie Sie selbst in einem ihrer Lehrvideos behaupten. Die meisten werden sich schon die 300 Dollar allein für das Basispaket nicht leisten können.

Resch: Der Preis ist vielleicht sogar zu niedrig. Die vom Sotheby's Institute kosten das Achtfache.

SPIEGEL: Sie sind promovierter BWLer, Start-up-Investor und Bestsellerautor. Ihre unternehmerischen Erfolge will ich gar nicht kleinreden. Aber was sollen Künstler von Ihnen lernen können?

Resch: Ich bin kein Künstler, das stimmt, und ich will das auch gar nicht sein. In anderen Kursen geht es um Pinselstriche, Farbe und Impressionismus. Bei mir geht es ums Geld. Und da kenne ich mich aus: Mit 20 habe ich bereits eine Galerie geführt, meine Doktorarbeit habe ich über das Geschäftsmodell von Kunstgalerien geschrieben.

SPIEGEL: Einer der Tipps in ihrem Kurs lautet: "Lass nicht einen Sammler entscheiden, welches Kunstwerk er kauft. Er weiß es eh nicht. Sag ihm, du hättest da ein Bild, das wunderbar an seine Wand passt." Mit anderen Worten: Künstler sollen Sammlern ihre Kunst aufschwatzen?

Resch: Sie sollen Verkaufstechniken lernen. Ich empfehle zum Beispiel auch: "Sag den Preis… und dann nichts mehr. Entschuldige dich vor allem nicht!" Das erlebe ich nämlich häufig: Ich frage nach einem Preis für ein Werk, dann drucksen die rum. Besonders in Deutschland gehen Künstler und Galeristen extrem verkrampft mit Geld um. Natürlich müssen sie nicht ständig über Geld reden, aber sie sollten simple unternehmerische Prinzipien beherzigen. Es ist nicht schlimm, wenn man nach außen das Klischee des Verträumten gibt. Entscheidend ist aber, was hinter verschlossener Tür passiert.

SPIEGEL: Sie benannten einst eine Handy-App nach sich, Ihre Online-Kunsthochschule trägt auch wieder Ihren Namen: "MagnusClass". Ist das nicht nur ein weiterer Self-Marketing-Coup?

Resch: Ihre Frage ist typisch deutsch, in den USA fragt mich das niemand. Die David Zwirner Gallery heißt auch wie ihr Besitzer. Wenn Sie sich meine Onlinekurse ansehen, merken Sie, dass der Schwerpunkt auf den Inhalten liegt. Ist doch klar, dass ich nicht Künstlern predigen kann, wie wichtig Selfbranding ist, und es dann nicht selbst anwende. Um als Künstler Erfolg zu haben, muss man eine Marke sein. In meinem Kurs erkläre ich, wie man das schafft.

SPIEGEL: Warum nehmen Sie Eigenwerbung so wichtig? Glauben Sie nicht, dass sich künstlerische Qualität am Ende durchsetzt?

Resch: Darauf kann ich ihnen eine datenbasierte Antwort geben. Meine Studie, die ich letztes Jahr im Wissenschaftsmagazin Science herausgebracht habe, zeigt, dass der Erfolg eines Künstlers nicht von seiner Kunst abhängt, sondern von seinem Netzwerk. Wenn Sie als junger Mensch die Option hätten, in einer Kunstgalerie in New York zu arbeiten oder dort Assistent eines berühmten Künstlers zu werden, würde ich das dem Studium an der Kunstakademie Karlsruhe in jedem Fall vorziehen. Denn in New York lernt man die wichtigeren Leute kennen. Die Ausbildung ist nicht relevant, um ein erfolgreicher Künstler zu werden.

SPIEGEL: Ist es heute also gar nicht mehr wichtig, gute Kunst zu machen?

Resch: Das Gerede von guter Kunst ist völliger Quatsch. Aktuell ist gute Kunst, was eine kleine Gruppe einflussreicher, alter weißer Männer festlegt. Frauen, Afroamerikaner, Mitglieder der LGBTQ-Community werden dadurch stark benachteiligt. Heute muss gute Kunst vor allem eins sein: teuer. Der Inhalt zählt nicht. Die Banane von Maurizio Catellan, die er auf der Art Basel Miami Beach für 120.000 Dollar verkauft hat, zeigte das kürzlich.

SPIEGEL: Aber Sie selbst argumentieren ja auch ohne inhaltlichen Bezug zum Werk: Solange die PR stimmt, könnte ich auch ein Bild von einem Dreijährigen für Millionen verkaufen. Haben Sie wirklich überhaupt keine Kriterien, was gute Kunst ausmacht?

Resch: Das Problem ist: Viele tolle Künstler werden nicht fair entlohnt, weil sie nie gelernt haben, ihre Kunst richtig zu erklären. Deshalb gebe ich in meinem Kurs auch Anleitungen für ein perfektes Artist's Statement.

 SPIEGEL: Nehmen wir an, Sie würden irgendwann Direktor einer Kunstakademie werden. Was würden Sie als erstes ändern?

Resch: Ich würde sie sofort schließen.

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tja - als "das" beispiel einer echt zu vermarktenden "kunst" - "ohne inhalt", führt herr resch diese skandal-banane an, die da neulich auf einer kunstmesse in new york so großes aufsehen erregte: mit klebeband an die wand gepeppt - für 120.000 von jetzt auf gleich als "conzept-art" verhökert - und dann glattweg in einer weiteren "kunst-aktion" von einem (abgesprochen oder nicht ???) kollegen vor ("zufällig???") laufender video-kamera in aller seelenruhe aufgepellt und aufgegessen, wie man das mit einer normalen banane so macht - und diese "bana"lität in alle welt als video verkauft.

und fast entschuldigend meinten der käufer und der galerist dann - es kame bei dieser art "kunst" ja nicht etwa auf diese banane an, die sowieso immer wieder ausgetauscht werden müsse: es wäre halt die "idee" hinter der banane - also quasi das "pappende" - oder so ...

also - liebe kunstbanausen - aufgepasst: wer bei sich zuhause mit etwas breiterem  grauem tesa-klebeband aus plastik etwa eine banane an die wand klebt, kann wegen "copyright"-verletzungen dann sicherlich belangt werden - und ein paar nicht ganz ausgelastete rechtsanwälte und kanzleien warten ja nur auf solche gewinnbringenden auseinandersetzungen - und der alte spruch: "von nix kommt nix" wird einfach mit solchem schmarren ad absurdum geführt - so generiert sich knete aus einer fast schwarzen banane...

und auch der street-art-graffiti-"banksy" scheint bei herrn rasche in die lehre gegangen zu sein, denn auch von ihm kommen zu strategisch wichtigen zeitpunkten und begebenheiten pünktlich seine beiträge zur scene - die ihm dann regelmäßig eine gute presse bringen - die dann auch den marktwert seiner arbeiten, fotos und abzüge ausmachen - echt chanz doll...

nur der tatsächlich teuerste lebende künstler auf diesem erdenrund, der olle gerhard richter, tut sich mit seinem marketing oftmals schwer und so schrecklich wenig "professionell" und irgendwie "introvertiert"... - aber verdient auch ohne resch seine kohle, die es ihm erlaubt, auch werke als dauerleihgabe der bundesregierung zur verfügung zu stellen.

und um seine vermaktungs-ebene zu erreichen, bedarf es schon einem gewissen "können", aus dem dann die "kunst" erwächst.

ohne substanz, nur mit dem mund angepriesen - oder nur mal als "idee" in den raum gestellt, lässt es sich zwar gut labern - aber längst noch nicht verkaufen.

und auch das, was ich da als marktstrategie des herrn resch wahrnehme und instinktmäßig meine zu erspüren, ist deutlich mehr lametta, als etwa eine darunterliegende seriöse echte handfeste weihnachtsnordmanntanne - ungespritzt und wie gewachsen, aus holz: da ist vielleicht viel idee und strategie und marktwissen, aber wenn die ware faul ist, kommt sie eben schnurstracks als remittenden-sendung zurück: return to sender ... - idee hin, concept her ...

ich rate jedem künstler ganz schlicht, neben einem handfesten seriösen beruf seine "kunst" am markt vorbei ohne rücksicht auf den "mainstream" zu "produzieren", zu schaffen, zu werkeln - einfach aus spaß an der freud...

auch die allergrößten längst verflossenen spitzenkünstler hatten ihre agenten und galeristen, schüler oder gespiel(inn)en für das geschäftliche und für die akquise, und schrappten oft zumindest vorübergehend am prekariat entlang ... das waren oft "typen", die einen agenten wie herrn resch rasch aus dem atelier geschmissen hätten... - aber ein(e) jede(r) muss glücklich werden nach seiner/ihrer "facon" ...

und chuat choan - wird schon wieder - und auf ein gutes neues jahrzehnt

tödliche verstrickungen

click here = ausriss aus dem sinedi-blog 31.05./01.06.2019



direkt in den ersten juni-tagen dieses sommers nahm ich hier in diesem blog stellung zu einem "spiegel"-beitrag über die in dublin/irland wohnende deutsche bloggerin marie-sophie hingst, die in ihrem blog seinerzeit von identitäten berichtete, wobei sie jüdische familienmitglieder und verwandte aus dem nichts erfand, die angeblich alle im holocaust umgebracht wurden - und sie hat sogar ein paar dieser erfundenen identitäten ins jüdische dokumentationszentrum yad vashem eingereicht, um sie als holocaust-opfer zu benennen und beurkunden zu lassen.

all diese angaben waren falsch und erdacht, wohl nur um eindruck zu schinden, wie die recherchen des spiegels zweifelsfrei ergaben.

frau hingst stritt das aber gegenüber dem spiegelredakteur martin doerry vehement ab - und sprach davon, sich einen anwalt zu nehmen, um all diese "story's" richtigzustellen, die maßgeblich ihren blog füllten und von vielen followern geteilt wurden - und die ihr mitgefühl aussprachen.

über diesen anwalt ließ frau hingst dann erklären, sie habe in ihrem blog "erhebliche schriftstellerische freiheiten" walten lassen.

dass sie damit aber menschen verletzt habe, die tatsächlich als nachfahren der ermordeten ns-opfer noch litten und trauerten, täte ihr leid...

schon damals schwante mir nichts gutes und das alles klang doch sehr pathologisch - und ich schrieb u.a. in meinem post dazu:
doch im spiel mit (er- und gefundenen) identitäten balanciert man auch gemeinhin immer auf dem drahtseilakt zwischen "genie & wahnsinn" entlang: wenn das rollenspiel pathologisch ausartet und man wie in der schizophrenie den inneren identitätshalt ganz verliert oder vergisst und nicht mehr aufgefangen wird - und nicht mehr weiß, wer man ist: so lässt sich in den psychiatrie-diagnosen zum verhalten von frau hingst auch eine "artifizielle störung" ausmachen, die man treffend mit "münchhausen-syndrom" bezeichnet - aber ein solches verhalten gibt es ansatzweise auch bei der "borderline"-persönlichkeitsstörung (bps). doch ich will hier nun nicht laienhaft herumstochern - denn mit einer einschlägigen diagnose würde ja frau hingst sogar noch entlastet - etwa im sinne von "sie konnte ja gar nicht anders"...
heute lese ich nun im berliner "tagesspiegel" folgende nachricht:
Umstrittene Historikerin  
Bloggerin Marie Sophie Hingst offenbar tot 
Sie gab sich als Nachfahrin von Holocaust-Opfern aus – obwohl sie keine jüdischen Verwandten hatte. Sie schickte Shoah-Akten an die israelische Gedenkstätte Yad Vashem – doch die hatte sie gefälscht. Hunderttausende lasen ihre Texte – und hielten sie für real. Für ihren besonderen literarischen Stil wurde sie zur Bloggerin des Jahres gewählt, bis der Preis ihr wieder aberkannt wurde. Marie Sophie Hingst schuf sich eine eigene Wahrheit. Sie flog auf. Nun ist sie mit nur 31 Jahren gestorben. Über die genaue Ursache ihres Todes gibt es von offizieller Seite bisher keine Angaben. Darüber berichtet hatte die „Irish Times“ in einem ausführlichen Porträt.

Der Autor der „Irish Times“ zeichnet darin das Bild einer Frau, die schwere psychische Probleme hatte. Bei einem Treffen am Wannsee habe Hingst ihm gegenüber trotz allem an ihrer Version der Geschichte festgehalten, sie habe sogar einen Judenstern aus Stoff präsentiert, der angeblich von ihrer Großmutter stammt, die in Auschwitz gewesen sein soll. Als der Reporter bei Hingsts Mutter angerufen habe, widersprach diese ihrer Tochter. Es gebe keine jüdische Vergangenheit in der Familie. Von den 22 Biografien, die Hingst an Yad Vashem geschickt hatte, existierten 19 überhaupt nicht.

Herausgefunden hatte das im Mai ein Journalist des „Spiegel“. Der Reporter hatte Hingst für seine Recherche in Dublin getroffen, wo sie lebte, und sie mit den Vorwürfen konfrontiert. An der Recherche war auch die Berliner Historikerin Gabriele Bergner beteiligt, die auf Unstimmigkeiten in Hingsts Blog aufmerksam geworden war. Die Bloggerin stritt die Vorwürfe zunächst ab, nahm sich später jedoch einen Anwalt und berief sich auf die Freiheit der Literatur. Sie habe „ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch genommen“. Zahlreiche Medien, darunter auch der Tagesspiegel, hatten im Anschluss über den Fall berichtet und Hingst für ihr Handeln kritisiert. „Sie scheint den Nimbus der Opferrolle gesucht zu haben“, hieß es in dieser Zeitung. Bei Twitter wurde der Hashtag #readonmyfake populär. Das Erfinden falscher jüdischer Identitäten sei eine Beleidigung und eine Respektlosigkeit gegenüber denen, die die Judenverfolgung wirklich erleben mussten, lautete der Tenor.

Hingst hatte "mehrere Realitäten

Hingst schien die Aufmerksamkeit fast zwanghaft zu suchen. So hatte sie in den vergangenen Jahren Artikel veröffentlicht, wonach sie angeblich eine indische Klinik aufgebaut und in Deutschland als Sexualtherapeutin für Flüchtlinge gearbeitet hatte. Das stellte sich ebenfalls als erfunden heraus. Hingsts Mutter wird in der „Irish Times“ zitiert, ihre Tochter habe „mehrere Realitäten. Ich habe nur zu einer Zugang“. Auch der „Spiegel“-Journalist hatte nach einer Begegnung mit der Bloggerin im Mai befunden: „Marie Sophie Hingst hat sich in eine Parallelwelt hineinfantasiert“, an die sie zuweilen sogar selbst geglaubt habe.

Während des Treffens mit dem Reporter der „Irish Times“ hatte Hingst gesagt, sie fühle sich, als sei sie vom „Spiegel“ „lebendig gehäutet“ worden. Auf Nachfrage des Tagesspiegels teilte der Verlag mit, man bedauere den Tod der Bloggerin, beim Gespräch in Dublin habe sie jedoch „einen konzentrierten, souveränen und keineswegs psychisch angegriffenen Eindruck“ gemacht. Hingst habe dem Magazin zwar mit rechtlichen Schritten gedroht, die aber offenbar nicht eingeleitet. Weiter hieß es in der Stellungnahme, man werde sich an „einer öffentlichen Diskussion über die Ursachen und Hintergründe des Tods“ nicht beteiligen.

Wie weit geht die journalistische Pflicht zur Aufklärung?

Hingsts Arbeitgeber in ihrer Wahlheimat Irland, die Computerfirma Intel, hatte sie laut dem Bericht der „Irish Times“ nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht entlassen, sondern ihr angeboten, sich hausintern psychologische Hilfe zu holen. Diese habe sie wohl auch angenommen. Die „Irish Times“ berichtet, die 31-Jährige habe sich vermutlich das Leben genommen. Sie wurde am 17. Juli tot in ihrem Bett gefunden, ein Autopsiebericht steht noch aus, es habe jedoch keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gegeben. Sophies Mutter habe laut dem Bericht sofort Selbstmord vermutet.

Der Fall warf schnell die Frage auf, wie weit die journalistische Pflicht zur Aufklärung geht. Erste Kommentatoren im Internet schrieben, für psychisch Kranke müsse es besondere Sorgfalt geben. Eine Frage, die schon einmal aufgekommen war, vor nicht allzu langer Zeit. Ende 2018 war öffentlich geworden, dass „Spiegel“-Reporter Claas Relotius systematisch Geschichten gefälscht hatte. Ein notorischer Schwindler, der die Glaubwürdigkeit nicht bloß des Magazins, sondern des Journalismus insgesamt beschädigte. Auch damals wiesen viele Kommentatoren auf die Fürsorgepflicht hin, die gegenüber dem Beschuldigten gelten müsse. Kann jemand, der so labil ist, dass er sein gesamtes Umfeld täuscht, derart massive Kritik aushalten?

Doch was wäre die Alternative gewesen? Nicht aufklären, aus Rücksicht auf die junge Autorin? Hingsts Mutter warf dem „Spiegel“-Reporter vor, er habe „hinter den Fakten die Person nicht gesehen“.
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als "konsument" und leser des "spiegel"-berichtes über frau hingst damals ende mai/anfang juni war ich natürlich zunächst wütend über so viel unverfrorene flunkerei und irreführung - aber menschen, die frau hingst näher kannten - und die von ihren realitätsverschiebungen wussten oder sie ahnten, haben hier doch wohl eine eigentlich angezeigte hilfeleistung unterlassen.

warum man von seiten ihrer familie und ihrer angehörigen und freunde nun nicht professionellerseits bei dieser hanebüchenen geschichte maßnahmen ergriff, um sie offensichtlich hilfsbedürftig nun therapeutisch wieder aufs "rechte gleis" zu setzen - in ihren verirrungen und offensichtlichen verwirrungen von erdachten fakes - ist mir insgesamt ein rätsel. eigentlich sind solche pathologischen realitätsverschiebungen durchaus therapierbar, schreibt "irish times" - und nur ihr arbeitgeber hatte ihre eine interne hilfe angeboten, die sie nun aber nicht mehr abgeschlossen hat.

dann hätte nämlich nach einer therapie der behandelnde therapeut und der anwalt auch eine richtigstellung mit dem einverständnis von frau hingst veröffentlichen können - und das leben wäre ja irgendwie weitergegangen...

aber: "hätte - hätte - fahrradkette" ...

dem redakteur des nun sehr einfühlsamen porträts der "irish times", derek scally, hat frau hingst kurz vor ihrem ableben offenbart:
"Ich bin etwas eifersüchtig auf alle Menschen, die wussten, was sie tun wollten, die wussten, dass Wörter zu ihnen gehören", schrieb sie. „Ich bin immer nur ein gieriger Dieb, voller Hunger nach Worten. Und wie Sie und die ganze Welt sehen können, ist es nicht gut gelaufen.“ 
"irish times" berichtet, frau hingst würde am 31.07.2019 in wittenberg beigesetzt.

mir tut das tragische ende dieser entwicklung und dieser allseitigen verirrung leid.

in die wohnzimmer: ein fitzelchen nazi-realität - die serie "holocaust" gestern & heute ...

»In die Wohnzimmer«

Zeitgeschichte  Die TV-Serie »Holocaust« war ein Welterfolg. Historiker Frank Bösch über ihre Wirkung und die Opposition gegen die Ausstrahlung 1979.
🔴 40 Jah­re nach­dem die TV-Se­rie »Ho­lo­caust« in Deutsch­land ge­sen­det wur­de, wie­der­ho­len WDR, NDR und SWR den Vier­tei­ler des US-Fern­seh­sen­ders NBC über die jü­di­sche Fa­mi­lie Weiss im »Drit­ten Reich«. Frank Bösch, 49, Di­rek­tor des Zen­trums für Zeit­his­to­ri­sche For­schung Pots­dam, hat Wir­kung und Hin­ter­grün­de er­forscht (»Zei­ten­wen­de 1979. Als die Welt von heu­te be­gann«; C. H. Beck).

Me­ryl Streep in »Ho­lo­caust« er­schüt­ter­te und be­schäm­te Deut­sche



SPIEGEL: »Ho­lo­caust« zählt zu den be­deu­tends­ten TV-Er­eig­nis­sen des 20. Jahr­hun­derts. Rund 250 Mil­lio­nen Men­schen sa­hen die Se­rie, al­lein in der Bun­des­re­pu­blik fast je­der zwei­te Er­wach­se­ne. Wie er­klä­ren Sie die­sen Er­folg?

Bösch: Fern­se­hen ist ein Fa­mi­li­en­me­di­um, das un­ter­schied­li­chen Ge­ne­ra­tio­nen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten bie­tet. »Ho­lo­caust« ver­bin­det die Ge­schich­te der Fa­mi­lie Weiss und der des SS-Man­nes Dorf. Das zog jun­ge wie alte Zu­schau­er an. Zu­gleich bot die­ses For­mat die Mög­lich­keit, zwi­schen Tä­ter- und Op­fer­per­spek­ti­ve zu wech­seln. »Ho­lo­caust« schil­dert nicht nur das Lei­den der Ju­den, son­dern auch wie Deut­sche zu Na­tio­nal­so­zia­lis­ten wur­den und dann ge­han­delt ha­ben.

SPIEGEL: Da­her brauch­te man eine Na­zi­fa­mi­lie?

Bösch: NBC fürch­te­te, eine Ge­schich­te, die aus­schließ­lich jü­di­sches Leid the­ma­ti­sie­re, wer­de in den USA au­ßer­halb des jü­di­schen Pu­bli­kums we­nig Er­folg ha­ben.

SPIEGEL: Wie er­klä­ren Sie das Echo in Deutsch­land?

Bösch: Die Se­rie kam zum rich­ti­gen Mo­ment. Ende der Sieb­zi­ger­jah­re gab es neu auf­kom­men­des In­ter­es­se an der NS-Ver­gan­gen­heit, be­son­ders an der Schuld­fra­ge. Der Mi­nis­ter­prä­si­dent Ba­den-Würt­tem­bergs Hans Fil­bin­ger war im Vor­jahr zu­rück­ge­tre­ten, weil er als Ma­ri­ne­rich­ter im »Drit­ten Reich« To­des­ur­tei­le ge­fällt hat­te. Auf der an­de­ren Sei­te for­mier­ten sich erst­mals die Ho­lo­caust-Leug­ner. Die neue Rech­te schloss sich in Wehr­sport­grup­pen zu­sam­men. Im Vor­feld der Aus­strah­lung gab es Spreng­stoff­an­schlä­ge auf zwei Sen­de­an­la­gen, was die Auf­merk­sam­keit für die Se­rie noch er­höh­te.

SPIEGEL: Ist der Er­folg von »Ho­lo­caust« Rechts­ra­di­ka­len zu ver­dan­ken?

Bösch: Nein, aber Kon­tro­ver­ses fin­det leich­ter Be­ach­tung, und die Ab­wehr­front war breit. Als das Aus­wär­ti­ge Amt 1977 von der ge­plan­ten Se­rie er­fuhr, be­rei­te­te es eine PR-Of­fen­si­ve vor und stell­te etwa Zi­ta­te zu­sam­men, die zei­gen soll­ten, wie selbst­kri­tisch Bon­ner Po­li­ti­ker die NS-Ver­gan­gen­heit sa­hen. Da war auch der Glau­be an die Über­le­gen­heit der ei­ge­nen Kul­tur ge­gen­über ei­ner US-Mas­sen­kul­tur. Und die An­nah­me, nur Deut­sche könn­ten das »Drit­te Reich« sach­lich dar­stel­len.

SPIEGEL: Wo sind Sie auf sol­che Res­sen­ti­ments ge­sto­ßen?

Bösch: In Un­ter­la­gen des Aus­wär­ti­gen Am­tes, in den Rund­funk- und Fern­seh­sen­dern, in Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten, auch im SPIEGEL, der »Ho­lo­caust« mit der Wes­tern­se­rie »Bo­nan­za« ver­glich.

SPIEGEL: Aus heu­ti­ger Sicht ein Fehl­ur­teil.

Wis­sen­schaft­ler Bösch
»Die Ab­wehr­front war breit« 
Bösch: Selbst beim WDR, der die Se­rie ge­kauft hat­te, herrsch­ten in­tern an­ti­ame­ri­ka­ni­sche Res­sen­ti­ments vor. Die Pro­tes­te aus CDU und CSU, der Wi­der­stand der Rund­funk­an­stal­ten aus den Bun­des­län­dern, in de­nen Christ­de­mo­kra­ten re­gier­ten, sorg­ten dann da­für, dass die Se­rie nur in den drit­ten Pro­gram­men lief.

SPIEGEL: Was fürch­te­te der da­ma­li­ge CDU-Vor­sit­zen­de Hel­mut Kohl?

Bösch: Kohl for­der­te in­tern, ver­stärkt auf den christ­li­chen Wi­der­stand hin­zu­wei­sen. Es dür­fe nicht der Ein­druck ent­ste­hen, die CDU ste­he auf­sei­ten der Tä­ter. Und die CSU ver­lang­te, es müss­ten end­lich auch ein­mal die deut­schen Op­fer ge­zeigt wer­den, ge­meint wa­ren die Ver­trie­be­nen. Als ob deut­sche Ju­den, die er­mor­det wur­den, kei­ne Deut­schen ge­we­sen wä­ren. Der Baye­ri­sche Rund­funk hat dann eine drei­tei­li­ge Se­rie zur Ver­trei­bung ge­lie­fert.

SPIEGEL: Und der Streit trieb die Ein­schalt­quo­ten hoch?

Bösch: Er er­zeug­te ei­nen Wer­be­ef­fekt, den es bei ei­ner Ge­schichts­sen­dung nie zu­vor ge­ge­ben hat­te. Aus der Ab­wehr­hal­tung her­aus wur­den Do­ku­men­ta­tio­nen im Vor­feld ge­sen­det, Volks­hoch­schu­len, Lan­des­zen­tra­len für po­li­ti­sche Bil­dung und die Bun­des­zen­tra­le, die Kir­chen und die Me­di­en grif­fen das The­ma im­mer wie­der auf. »Ho­lo­caust« wur­de Wort des Jah­res und er­setz­te zu­neh­mend die alte NS-Be­zeich­nung »End­lö­sung«.

SPIEGEL: Trat der be­fürch­te­te An­se­hens­ver­lust im Aus­land ein?

Bösch: Im Ge­gen­teil. Die Wir­kung der Se­rie war ja ein­zig­ar­tig: Al­lein der WDR er­hielt 16 000 Brie­fe, es gab Zehn­tau­sen­de An­ru­fe bei den Sen­dern. Ein Groß­teil der Deut­schen er­klär­te, sie sei­en er­schüt­tert oder emp­fän­den Scham. Das er­höh­te Deutsch­lands An­se­hen im Aus­land.

SPIEGEL: Die Se­rie scheint vie­len Zu­schau­ern Un­be­kann­tes na­he­ge­bracht zu ha­ben.

Bösch: Die Auf­ar­bei­tung war bis da­hin tä­ter­zen­triert ge­we­sen. In den Pro­zes­sen der Sech­zi­ger­jah­re, etwa in Frank­furt ge­gen das Ausch­witz-Per­so­nal, stan­den die Mör­der im Blick­punkt, nicht die Op­fer. Be­zeich­nen­der­wei­se war die Reichs­po­grom­nacht 1938 Re­fe­renz­punkt in der Er­in­ne­rung an den Ho­lo­caust, ein Er­eig­nis lan­ge vor Be­ginn der sys­te­ma­ti­schen Er­mor­dun­gen.

SPIEGEL: Und »Ho­lo­caust« än­der­te die­sen Blick­win­kel?

Bösch: Ja. Die Se­rie prä­sen­tier­te die Ab­läu­fe in den Ver­nich­tungs­la­gern Ausch­witz oder So­bi­bór. Selbst His­to­ri­ker konn­ten »Ho­lo­caust« mit Ge­winn se­hen, denn die Se­rie zeig­te man­ches, was die Wis­sen­schaft erst spä­ter auf­griff: die Rol­le von Eu­tha­na­sie-Ex­per­ten, die se­xu­el­le Ge­walt ge­gen­über Op­fern oder die Kor­rup­ti­on der Tä­ter. Das kon­ter­ka­rier­te die Selbst­sti­li­sie­rung, man sei im Krieg an­stän­dig ge­blie­ben. Oder auch die Hil­fe der Wehr­macht beim Tö­ten. »Ho­lo­caust« brach­te den Mord in die Wohn­zim­mer.

SPIEGEL: Hat­ten das nicht schon die 68er ge­tan?

Bösch: Nein. Ih­nen ging es dar­um, fa­schis­ti­sche Ele­men­te in der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­gen­warts­ge­sell­schaft auf­zu­zei­gen. Dazu kam eine is­ra­el-kri­ti­sche Hal­tung, die eine tie­fer ge­hen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit jü­di­schen Schick­sa­len ver­hin­der­te.

SPIEGEL: Be­kam die NS-Auf­ar­bei­tung in­fol­ge der Aus­strah­lung neu­en Schwung?

Bösch: Ge­denk­stät­ten wur­den aus­ge­baut, etwa in Neu­eng­am­me bei Ham­burg. Jun­ge Wis­sen­schaft­ler nah­men sich des The­mas an. Die TV-Sen­der muss­ten sich fra­gen las­sen, war­um sie nicht eine sol­che Se­rie pro­du­ziert hat­ten. Es ent­stan­den dann deut­sche Ad­ap­tio­nen, die al­ler­dings hin­ter »Ho­lo­caust« zu­rück­blie­ben.

SPIEGEL: Und die Ver­fol­gung der Tä­ter?

Bösch: Das öf­fent­li­che In­ter­es­se nahm zu, etwa am da­mals lau­fen­den Pro­zess ge­gen das SS-Per­so­nal des KZ Ma­jda­n­ek. Und »Ho­lo­caust« hat dazu bei­ge­tra­gen, dass der Bun­des­tag 1979 die Ver­jäh­rung von Mord auf­hob. Hät­te es die Se­rie nicht ge­ge­ben, wäre ver­mut­lich ab Ende 1979 kein NS-Tä­ter mehr ver­ur­teilt wor­den.

In­ter­view: Klaus Wieg­re­fe - Quelle: SPIEGEL Nr. 3 v. 12.01.2019, S. 110/111

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ich habe ja schon ausführlich auf die wiederholung der 4-teiligen serie "holocaust - die geschichte der familie weiss" auf den dritten programmen hingewiesen - und auf den nachdenkenswerten "hype", den diese serie bei ihrer erstausstrahlung entfachte.

umso spannender ist ja da auch ein historischer rückblick wie hier, in welche politischen ränkespielchen die serie damals im januar 1979 verwickelt wurde.

zum glück gab es dann eben eine "abstimmung mit den 'füßen'/den fernsehenden augen" - und der zuschauer bestimmte mit seiner einschaltquote über erfolg oder misserfolg - allen politischen vorab-wasserstandsmeldungen zum trotz.

die amerikanische serie hatte doch tatsächlich auch den richtigen "ton" gefunden - nicht hochwissenschaftlich, vorzugsweise schulmeisterlich-historisch korrekt über die ungeheuerlichkeiten zu "informieren", wie es sicherlich deutsche art gewesen wäre - aber womit man wieder eine distanz gehabt hätte ... - sondern eben irgendwie "mitten aus dem leben" - als eine familien-saga: die familie weiß konnte ja durchaus die eigene familie oder eine beliebige nachbarsfamilie sein, anhand derer die verstrickungen der menschen in nazi-deutschland mit all den verbrechen und ungeheuerlichkeiten als täter, mitläufer oder opfer darstellbar gemacht wurden: zum mitleiden, auch hier und da zum mitlachen, zum mitfrösteln, zum mitfiebern ... - da flimmerte abends ein fitzelchen nazi-realität ins wohnzimmer - und die deutschen zuschauer wollten das aushalten und sich konfrontieren lassen ...

es wurde der startschuss für weitere - dann auch historisch und "politisch korrekte" info-sendungen und aufarbeitungen mit hilfe der archive und fachhistoriker - aber auch der privaten und einfach berührten amateur-"fahnder" - bis hinein in die eigenen familien ... - und dieser prozess ist immer noch nicht abgeschlossen - und so aktuell wie eh und je ...

verkehrte welt

S!|art: lügen haben kurze beine aber eine lange nase ...


Angriff auf die Wirklichkeit

Von Manfred Dworschak | SPIEGEL

Psychologie  

Warum sind offenkundige Lügen und absurde Wahngebilde in der Politik so erfolgreich? Die Erklärung von Religionsforschern: Das gemeinsame Bekenntnis zur Fiktion stärkt den Zusammenhalt sozialer Gruppen.

Ehr­lich, wer kommt da noch mit? Die AfD hetzt mit of­fe­nen Lü­gen ge­gen den recht­lich nicht bin­den­den UNO-Mi­gra­ti­ons­pakt, nennt ihn ein »ver­steck­tes Um­sied­lungs­pro­gramm«. Rechts­ex­tre­me Zir­kel fan­ta­sie­ren so­gar eine dro­hen­de »Aus­rot­tung« her­bei. Es passt ein­fach zu gut zum fa­mo­sen Wahn­ge­bil­de vom »Be­völ­ke­rungs­aus­tausch«, über den sich die An­hän­ger seit Jah­ren wie ver­hext er­ei­fern.

Beim US-Prä­si­den­ten Do­nald Trump ist un­ter­des­sen der Lü­gen­zäh­ler der »Wa­shing­ton Post« – Stand vom 30. Ok­to­ber – auf 6420 nach­weis­lich fal­sche oder ir­re­füh­ren­de Be­haup­tun­gen ge­klet­tert. Trump lügt sich fast schon wahl­los durch den Tag. Als nach den US-Zwi­schen­wah­len in Flo­ri­da nach­ge­zählt wer­den muss­te, be­haup­te­te er, Be­trü­ger hät­ten sich ver­klei­det, um mehr­mals ab­zu­stim­men und sei­ner Par­tei den Wahl­sieg zu rau­ben.

Und den­noch: Die Zu­stim­mungs­wer­te für Trumps Kar­ne­val der po­li­ti­schen Ver­wahr­lo­sung sind un­ter den ame­ri­ka­ni­schen Re­pu­bli­ka­nern sta­bil. Sei­ne Ge­folgs­leu­te er­klä­ren je­den aus der Luft ge­grif­fe­nen Aber­witz im Nach­hin­ein ve­he­ment für wahr. Und die hie­si­ge AfD er­schließt mit Ver­schwö­rungs­fa­beln ge­gen jede Evi­denz nach wie vor wach­sen­de Wäh­ler­krei­se.

Wir se­hen, mit ei­nem Wort, er­staun­lich ro­bus­te Glau­bens­ge­mein­schaf­ten der Lüge. Wi­der­spricht das nicht al­ler Ver­nunft?

Um nor­ma­les Lü­gen geht es hier längst nicht mehr, so weit ist das Pu­bli­kum schon im Bil­de. Wer auf her­kömm­li­che Wei­se lügt, ver­birgt sei­ne Ab­sich­ten, weicht aus, spie­gelt et­was vor – er hat eben nicht die Macht, sein Ziel ohne Trick­se­rei­en zu er­rei­chen. Wer lügt, ist zu schwach für die Wahr­heit.

Die dreis­ten Lü­gen neu­en Typs aber sind of­fe­ne An­grif­fe auf die Wirk­lich­keit. Je­der weiß, dass sie ge­lo­gen sind, das ist ge­ra­de ihre Bot­schaft. Sie ver­ste­cken nichts.

Statt Schwä­che de­mons­trie­ren die­se Lü­gen Stär­ke. Die An­hän­ger, so scheint es, füh­len sich von dem pro­vo­kan­ten Stoff ge­ra­de­zu be­lebt und auf­ge­pul­vert; sie krie­gen nicht ge­nug da­von. Die Ge­gen­sei­te darf das ru­hig als Dro­hung ver­ste­hen: Eure Fak­ten kön­nen uns mal.

Was sagt die Wis­sen­schaft dazu? Aus Sicht der Evo­lu­ti­ons­for­schung ist das nur schein­bar ein Pa­ra­do­xon: Für eine Spe­zi­es, die sich in ei­ner kom­pli­zier­ten Welt zu­recht­fin­den muss, ist kol­lek­ti­ver Rea­li­täts­ver­lust ei­gent­lich kein gu­tes Re­zept. Aber Men­schen ha­ben schon im­mer von ge­mein­sa­men Fik­tio­nen pro­fi­tiert. Das zeigt die Ge­schich­te der Re­li­gio­nen. An­thro­po­lo­gen ha­ben her­aus­ge­fun­den: Ge­ra­de der Glau­be an Un­glaub­li­ches war es, der mäch­ti­ge Ge­mein­we­sen her­vor­brach­te.

Und war­um ist die­se Stra­te­gie so er­folg­reich? Weil das Be­kennt­nis zur Fik­ti­on Über­win­dung kos­tet. Es fällt nicht leicht, un­er­schro­cken Wi­der­sin­ni­ges zu be­haup­ten. Gott­lo­se und An­ders­gläu­bi­ge krin­geln sich: Wie kann man nur! Ste­he ich trotz­dem zu mei­ner Über­zeu­gung, ist das ein star­kes Si­gnal an die Mit­gläu­bi­gen: Sie se­hen, dass auf mich Ver­lass ist. Als Be­weis mei­ner Loya­li­tät brin­ge ich das Op­fer mei­nes Ver­stands.

Re­li­gi­ons­for­scher spre­chen von »kost­spie­li­ger Hin­ga­be«. Der Glau­be er­weist sich als umso stär­ker, je mehr er den Sei­nen ab­ver­langt. Der ame­ri­ka­ni­sche An­thro­po­lo­ge Ri­chard So­sis hat nach­ge­wie­sen, dass stren­ge, for­dern­de Glau­bens­ge­mein­schaf­ten be­son­ders lang­le­big und so­mit er­folg­reich sind.

Auf die Art des Op­fers kommt es da­bei kaum an. Ob die Mit­glie­der sich um­ständ­li­chen Fas­ten­re­geln un­ter­zie­hen oder, wie die Ka­tho­li­ken im Mit­tel­al­ter, mehr­stün­di­ge la­tei­ni­sche Mes­sen durch­ste­hen – es dient al­les dem glei­chen Zweck: Die Men­schen zei­gen öf­fent­lich, wie weit sie zu ge­hen be­reit sind, nur um ih­rer Ge­mein­schaft wil­len.

Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.

Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.

Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.

Die al­ten Ger­ma­nen dach­ten sich den Ur-Rie­sen Aurgel­mir aus, der aus gif­ti­gen Ei­ter­trop­fen ent­sprang. Sohn und Toch­ter wuch­sen dem Gi­gan­ten aus dem Schweiß sei­ner lin­ken Ach­sel; so be­schreibt es der Schöp­fungs­my­thos der Edda. Als Aurgel­mir sei­ne Füße zu­sam­men­schlug, ent­stand ein wei­te­rer Sohn: Er hat­te sechs Köp­fe.

Nicht min­der ein­präg­sam ist die Fa­bel, dass in Deutsch­land die Flücht­lin­ge in Lu­xus­her­ber­gen schwel­gen und zum Dank sich auch noch Zie­gen aus dem Strei­chel­zoo gril­len. Auf sol­che Mi­ra­kel ist die Hass­re­li­gi­on des rech­ten Ran­des fi­xiert; Ge­gen­be­le­ge tut sie als Blend­werk ab. Sie ver­teu­felt die Mi­gra­ti­on als Mut­ter al­ler Pro­ble­me – der bös­ar­ti­ge Son­der­fall ei­nes Glau­bens. Sei­nen An­hän­gern ist kei­ne hö­he­re Se­lig­keit ver­hei­ßen, nur das häss­li­che Ver­gnü­gen, Schwä­che­re zu mal­trä­tie­ren.

Auf über­zeug­te Rechts­ex­tre­me mag spe­zi­ell die­se Aus­sicht eu­pho­ri­sie­rend wir­ken. Mit­läu­fer ge­nie­ßen wohl ein­fach nur die Frei­heit zum Kra­kee­len. Denn sei­en wir ehr­lich: Lü­gen macht frei. Es ist be­flü­gelnd, sich an Fak­ten nicht mehr ge­bun­den zu füh­len.

Die­se Fak­ten, das ver­gisst man leicht, sind ja kei­nes­wegs neu­tral. Der Mensch er­lebt sie zeit­le­bens als Ge­gen­spie­ler, die sein tag­träu­me­ri­sches Wunsch­den­ken ein­gren­zen; sie er­zwin­gen An­pas­sung, schmerz­haf­te Ein­sicht und Selbst­kor­rek­tur. Ein Le­ben lang wird er von die­sen Fak­ten zu­recht­ge­stutzt und ge­de­mü­tigt.

Wirk­li­che Frei­heit gibt es, wie die Phi­lo­so­phin Han­nah Arendt schrieb, nur in der Lüge. Aus der Enge der Tat­sa­chen ent­kommt der Lüg­ner in die Un­end­lich­keit des Kon­traf­ak­ti­schen. Dort kann er lär­men, het­zen, spin­ti­sie­ren nach Be­lie­ben. Er nimmt, mit an­de­ren Wor­ten, gründ­li­che Ra­che an der Rea­li­tät. In nor­ma­len Zei­ten knallt frei­lich nur sel­ten je­mand der­art durch. Wer da­mit al­lein blie­be, wäre ja nur als ar­mer Tropf ent­blößt. Aber in der Grup­pe ge­teilt, kann je­des Wahn­ge­bil­de zur so­zia­len Macht wer­den. Was den Ein­zel­nen bla­mie­ren wür­de, macht die Ge­mein­schaft stark.

Rechtschaffener Aufklärungseifer stärkt nur die Überzeugung des Lügners, dass er die richtigen Leute ärgert.

Es gibt na­tür­lich vie­ler­lei Mit­tel, Ver­schwo­ren­heit her­zu­stel­len. Aber die of­fe­ne Lüge hat un­ter ih­nen eine be­son­de­re Qua­li­tät: Der Grad ih­rer Dreis­tig­keit ist ziem­lich ge­nau zu be­stim­men. Er be­misst sich im Ab­stand zur Wahr­heit, die al­len be­kannt ist – von der mi­ni­ma­len Schwin­de­lei bis hin zur atem­be­rau­ben­den Ab­sur­di­tät, die sich über jede Evi­denz hin­weg­setzt.

An der Be­reit­schaft zur Lüge kön­nen die Mit­glie­der ab­le­sen, wozu die Ge­mein­schaft im­stan­de ist. Sie sind je­der­zeit in­for­miert über de­ren Ak­ti­ons­fä­hig­keit und Ent­schluss­kraft. Das Aus­maß des ge­teil­ten Wi­der­sinns dient qua­si als per­ma­nen­ter Selbst­test der Be­we­gung.

Aber wie krie­gen Men­schen, die es bes­ser wis­sen müs­sen, so et­was hin? Nun, man ge­wöhnt sich dar­an. For­scher am Uni­ver­si­ty Col­le­ge in Lon­don ha­ben ge­zeigt, wie schnell das geht. Sie scho­ben Pro­ban­den in den Hirn­scan­ner und lie­ßen sie dort zum Schein im­mer wie­der klei­ne Auf­ga­ben ge­gen Geld er­le­di­gen.

Die Teil­neh­mer muss­ten an­neh­men, sie könn­ten da­bei un­be­merkt zu ih­rem Vor­teil schwin­deln. Et­li­che pro­bier­ten es, an­fangs noch zu­rück­hal­tend, und es mach­te ih­nen zu schaf­fen – der Scan­ner of­fen­bar­te star­ke Re­ak­tio­nen bei der emo­tio­na­len Ver­ar­bei­tung. Mit der Zeit aber wur­den die Pro­ban­den im­mer mu­ti­ger, zu­gleich nahm das Wi­der­stre­ben ab. Das Lü­gen war zur Rou­ti­ne ge­wor­den.

In die­ser Ge­wöh­nung steckt be­reits der An­reiz, die Do­sis zu stei­gern. Die Lüge, die al­len schon leicht von den Lip­pen geht, hat sich als so­zia­les Si­gnal ver­braucht; ge­fragt ist dann neu­er, stär­ke­rer Stoff. Jede er­folg­reich eta­blier­te Lüge lädt dazu ein, sie mit der nächs­ten noch zu über­tref­fen.

Eine Be­we­gung, die es nach Ra­dau und Um­sturz ge­lüs­tet, be­trach­tet die Gren­zen des Sag­ba­ren oh­ne­hin nur als tak­ti­schen Zwi­schen­halt. Sie wird ver­su­chen, in neue Re­gio­nen des Kon­traf­ak­ti­schen vor­zu­drin­gen. Aber mit je­der Es­ka­la­ti­on der Lüge ver­grö­ßern die Ver­schwo­re­nen auch die Fall­hö­he ih­rer Exis­tenz – ir­gend­wann ist die Rück­kehr auf den Bo­den der Tat­sa­chen nur noch als Ab­sturz denk­bar. Auch das stärkt den Zu­sam­men­halt: wenn es kein Zu­rück mehr gibt.

Wie schnell das ge­hen kann, lässt sich der­zeit in den USA stu­die­ren: Prä­si­dent Trump fa­bu­liert im­mer ab­sur­de­res Zeug – und doch hat sich sei­ne Ge­folg­schaft noch je­den Un­sinn öf­fent­lich zu ei­gen ge­macht, wenn auch mit­un­ter nach ei­ni­gem Zö­gern und Schlu­cken. So man­cher Mit­ar­bei­ter hat sich da schon mit re­gel­rech­ten Mut­pro­ben der Scham­lo­sig­keit für Hö­he­res emp­foh­len.

Die »New York Times« wun­der­te sich kürz­lich, wie rück­halt­los Leu­te aus Trumps Um­feld – Pres­se­spre­cher, An­wäl­te, Wahl­kampf­ma­na­ger – die Res­te ih­rer bür­ger­li­chen Re­pu­ta­ti­on ver­spiel­ten. »Sie be­lo­gen die Bun­des­be­hör­den so­gar«, schrieb das Blatt, »wenn das Ri­si­ko, er­wischt zu wer­den, groß war und ih­nen schreck­li­che Kon­se­quen­zen droh­ten.« Aber ge­nau das ist der Sinn des Ver­stan­des­op­fers, durch das die Rei­hen ge­schlos­sen wer­den.

Do­nald Trump bie­tet den An­hän­gern be­son­ders reich­lich Ge­le­gen­heit zur Un­ter­wer­fung, wenn er bei­spiels­wei­se das Ge­gen­teil ei­ner Be­haup­tung vom Vor­tag zur neu­en Wahr­heit er­klärt. Trump hat die Rea­li­täts­ver­leug­nung nicht er­fun­den, aber zur Se­ri­en­rei­fe ge­führt. Lü­gen bringt er qua­si schon voll­au­to­ma­tisch her­vor, die Fak­ten­che­cker kom­men kaum noch hin­ter­her. Sei­ne bis­he­ri­ge Best­leis­tung er­reich­te der US-Prä­si­dent am 7. Sep­tem­ber mit ei­nem Aus­stoß von 125 fal­schen oder ir­re­füh­ren­den Be­haup­tun­gen.

Den­noch ist Trump kein po­li­ti­scher Lüg­ner neu­en Typs, er kennt nur kei­ner­lei Scham. Er hat nie ei­nen Zwei­fel dar­an ge­las­sen, wor­um sein Den­ken kreist: um die Fik­ti­on sei­ner Un­be­sieg­bar­keit. Jede Wahl, die er nicht ge­won­nen hat, müs­se dem­nach ir­gend­wie ge­fälscht sein. So macht der Ego­ma­ne in bis­lang un­er­hör­ter Rein­heit deut­lich, wor­auf das de­mons­tra­ti­ve Lü­gen in der Po­li­tik letz­ten En­des hin­aus­läuft: auf die De­mon­ta­ge der De­mo­kra­tie.

Das Ziel ist er­reicht, wenn die Men­schen kei­ne ge­mein­sa­me Fak­ten­ba­sis mehr an­er­ken­nen und Wor­te nur noch Glau­ben­stat­sa­chen be­zeich­nen, de­nen man an­hän­gen kann oder auch nicht. So ist das, wenn die Lüge zur so­zia­len Macht ge­wor­den ist. Dann kann sie die Rea­li­tät zur Fik­ti­on er­klä­ren und sich selbst an ihre Stel­le set­zen. Dann be­stimmt der Stär­ke­re, was ein Wahl­er­folg ist und was nicht.

Die Phi­lo­so­phin Han­nah Arendt schrieb: »Be­vor die Mas­sen­füh­rer die Macht in die Hän­de be­kom­men, die Wirk­lich­keit ih­ren Lü­gen an­zu­glei­chen, zeich­net sich ihre Pro­pa­gan­da durch eine be­mer­kens­wer­te Ver­ach­tung für Tat­sa­chen über­haupt aus.« Dar­in of­fen­ba­re sich »be­reits die Über­zeu­gung, dass Tat­sa­chen nur von dem ab­hän­gen, der die Macht hat, sie zu eta­blie­ren«.

In die­sem Sin­ne wirkt die Lüge, die nach in­nen die Rei­hen schließt, zu­gleich schon nach au­ßen als Dro­hung. Arendt hat das am Bei­spiel der Na­zis er­läu­tert, die sich eine Ver­schwö­rung des »Welt­ju­den­tums« aus­dach­ten. Sie hielt es für sinn­los, in die­ser Lage den Ge­gen­be­weis an­zu­tre­ten. Ihr zu­fol­ge hat der An­ti­se­mit ja gar nicht die Ab­sicht zu sa­gen, was ist. Er sagt, was sein müss­te, da­mit ge­recht­fer­tigt ist, was er be­reits plant.

Mit an­de­ren Wor­ten: Dreis­te, un­ver­hoh­le­ne Lü­gen sind kei­ne Aus­sa­gen über Din­ge. Sie sind Ta­ten, die wei­te­re Ta­ten vor­be­rei­ten. Das gilt auch, wenn AfD-Funk­tio­nä­re, ob­wohl Dau­er­gäs­te im Talk­show-Ka­rus­sell, sich sti­li­sie­ren zu Op­fern ei­ner »Mei­nungs­dik­ta­tur«, de­nen man den Mund ver­bie­te. Sie kün­di­gen da­mit ihre Ab­sicht an, bei der ers­ten Ge­le­gen­heit die De­mo­kra­tie zu zer­schla­gen und den Ter­ror zur Not­wehr um­zulü­gen.

Was tun? Wer sich in eine fik­ti­ve Ge­gen­welt ver­ab­schie­det hat, den wer­den auf dem Weg zur Rea­li­sie­rung der Fik­ti­on we­der Ar­gu­men­te noch Fak­ten­checks groß be­un­ru­hi­gen. Der recht­schaf­fe­ne Auf­klä­rungs­ei­fer der Ge­gen­sei­te stärkt sei­ne Über­zeu­gung, dass er die rich­ti­gen Leu­te auf die rich­ti­ge Wei­se är­gert.

Was die Ka­der der Lüge tref­fen kann, ist das Er­le­ben von Schwä­che und Iso­la­ti­on. Die Eu­pho­rie der ge­mein­schaft­li­chen Ver­blen­dung ver­liert ih­ren Zau­ber, wenn sich der rea­le Hand­lungs­spiel­raum der Be­we­gung nicht mehr aus­wei­tet, son­dern ver­engt.

Bleibt also die Hoff­nung auf die Ver­nunft der Mehr­heit – und de­ren Be­reit­schaft, die De­mo­kra­tie, wo sie in Not ge­rät, zu ver­tei­di­gen. Eine gut be­such­te De­mons­tra­ti­on ge­gen rechts­ra­di­ka­le Um­trie­be macht auf Fa­na­ti­ker ge­wiss mehr Ein­druck als wohl­ge­setz­te Ge­gen­re­de. Es kann auch nicht scha­den, bei Be­darf die Ge­set­ze ge­gen Volks­ver­het­zung und ähn­li­che De­lik­te an­zu­wen­den – im Grenz­fall be­kräf­tigt durch die Macht­mit­tel, die der Po­li­zei zu Ge­bot ste­hen.

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zumindest die neuen lügner in den usa - ich meine trump & konsorten - beziehen sich immer auf ihren standfesten christlichen glauben - und die mitgliederstarken evangelikalen kreise wählen trotz dieser offensichtlichen lügen den trump - blind "auf deubel komm raus" ...

das 8. gebot lautet: "du sollst nicht falsch zeugnis reden - wider deinen nächsten" ... 

aber das ist das phänomen: wenn man die realitäten um sich herum einfach verleugnet, die durch die "aufklärung" fassbar wurden - und die die behaupteten antiken bilder und "wahrheiten" in der bibel in frage stellen oder gar als "lügen" entlarven würden - wenn man ihnen eben ohne jede zweifel und kritik vorbehaltlos weiter anhängt, weil man sonst das elternhaus und die primärgruppe auch der gemeinde, der man sich zugehörig fühlt und in die man hineingetauft wurde, ansonsten meint zu "verraten" - wenn man meint, ansonsten abtrünnig zu werden, einsam zu werden, zum "wendehals" zu werden - wenn man angst hat gar vor der strafe gottes oder vor der hölle oder dem fegefeuer, dann wird die lebenslüge zur akzeptierten wahrheit - zur realität - und dann kann man nur noch weiß denken - denn schwarz ist das böse ... - dann gibt es auch keine zwischenphasen oder korridore - dann brabbelt man einfach alles mit ...

und wenn es lange genug gebrabbelt wurde, nimmt es gestalt an, ist es plötzlich "tatsache", wird es die "wahrheit" - "nichts als die wahrheit" - und alle weniger extremen oder liberalen gegenbeweise in den medien können dann ja nur die "lüge" sein: "lügenpresse - halt die fresse" ... - "ich weiß, was ich weiß" - und "das haben 'die' aber gesagt - und dann ist das authentisch - da kannste aber einen drauf lassen - weißte ..." ...

und dann gibt es fürchterliche semantische purzelbäume, die an das pathologisch wahnhafte grenzen können, um diese aufgeschnappte "wahrheit" dann auch "argumentativ" mit behauptungen zu untermauern.

ich habe ja schon von meinem ausflug in die für mich wenigstens inzwischen als rechts-konservativ entpuppte presselandschaft berichtet - und wie dort auf meldungen oder kommentare in windeseile völlig kopflos und überzogen massenhaft reagiert wurde in den meinungsforen - immer in einer art "shitstorm-" oder auch "#hashtag"-mentalität - es wird einfach auf "schlagworte" reagiert - oft so scheint es mir von meinungstreibenden algorithmen-bots begleitet - um "rechts-populistische" realitäten neu zu kreieren und zu untermauern - und meinungsstrategisch zu besetzen...

vor jahren sagte mir jemand, der von zu hause ausgezogen war und nun in etwas prekären umständen lebte: 

"da draußen ist krieg, mensch nochmal - davon hast du hier in deiner 3-zimmer-wohnung mit öffentlich-rechtlichem fernsehen und deiner bürgerlichen lokalpresse ja doch keine ahnung" ...

und ich glaube fast - inzwischen ist dieser krieg, den er damals meinte, durch das internet und den sozialen netzwerken aber auch mit den sogenannten "meinungsforen" unter den einigermaßen geeigneten texten zu mir in den desktop-pc und auf das smartphone und ins tolino-tablet gekrochen - ein krieg, bei dem nicht "geschossen" wird, wo aber die äußere und innere realität in trümmer gehen kann ...

gott bewahre - nix für ungut - und chut choan