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kunst ist auch nur arbeitsteilung


Nicht ohne meine Helfer

Der einsame Maler? Eine Legende. Der Alltag im Künstleratelier war Arbeit im Kollektiv

Von Elke Linda Buchholz | Tagesspiegel

Picasso stellen wir uns als Einzelkämpfer vor: nur er und die Leinwand. Auch Rembrandt inszenierte sich als einsames Genie im Atelier und schon Dürer sieht man förmlich allein die Alpen überwinden, immer Venedig im Sinn. Aber die Kunstgeschichte hatte die Maler im Nachhinein oft einsamer gemacht als sie in Wirklichkeit waren.

In Picassos südfranzösischem Domizil gingen Druckgrafiker, Töpfer und Metallbildhauer ein und aus. Unter Rembrandts Aufsicht werkelten diverse Mitarbeiter, die seine immense Produktion erst ermöglichten. Und Dürer vernetzte sich, kaum in Venedig eingetroffen, dort mit den tonangebenden Akteuren: Giovanni Bellini wurde sein Ansprechpartner. Dessen Familienclan hielt über zwei Generationen eine Spitzenposition auf dem lukrativen Markt der Lagunenstadt, immer in Konkurrenz zu den Vivarini, die ebenfalls als Familienwerkstatt agierten - denn das brachte Vorteile. In der Renaissance war kein Maler allein wettbewerbsfähig. Eine Bottega, eine Werkstatt zu leiten, Fachkräfte anzuwerben, den Betrieb zu beaufsichtigen und Aufträge zu akquirieren, gehörte ebenso zum Alltag wie die kreative Konzentration auf Pinselspitze oder Silberstift. Kein Kunde erwartete, dass ein namhafter Werkstattchef seine großflächigen Wandfresken komplett im Alleingang ausführte oder alle Madonnenbilder für die private Andacht ohne Helfer zustande brachte. Eigenhändigkeit wurde zwar geschätzt und in Verträgen angemahnt, kostete aber extra. Oft reichte es, wenn der kreative Kopf einer Werkstatt die Qualität der Produktion überwachte, Entwurfszeichnungen bereitstellte und zum Schluss für das perfekte Finish sorgte.

Durchgepaust für die Werkstatt. Folie mit der Umrisszeichnung von Andrea Mantegnas „Darbringung im Tempel“ von 1454 über Giovanni Bellinis „Darbringung“, ca. 1470/72, Venedig, Fondazione Querini Stampalia. Bellini nutzte das Bild seines Schwagers als Vorlage für ein eigenes, neues Werk.
Foto: ©Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Babette Hartwieg


Kunst war eben nicht nur Geistesblitz und Soloshow, sondern auch Materialbeherrschung und mühselige Handwerksroutine. Es brauchte Hände, die zurichten, aufspannen, schnitzen, grundieren, vergolden, ausmalen, lasieren, firnissen. Allein schon das Anreiben der Farbpigmente war eine Geduldsarbeit, die der Meister gern delegierte. Oft sieht man im Hintergrund von Atelierdarstellungen einen Gesellen über den Reibstein gebeugt. Den Statussprung vom schnöden Handwerk in die gehobene Liga der freien Künste schafften die Maler und Bildhauer erst im späten Mittelalter, zuerst in Italien. Nun wurde stolz signiert, und die Legendenbildung um die großen Namen begann. Aber der geniale Giotto hätte sein Pensum an Freskenzyklen niemals allein bewerkstelligen können. Er ging mit einer organisierten Belegschaft an den Start, etwa in der Arenakapelle in Padua. Gut 150 Jahre später stand der junge Mantegna bewundernd davor. Der um 1431 geborene Tischlersohn trat mit elf Jahren in die Lehre bei Francesco Squarcione ein. Dieser mittelmäßige, aber geschäftstüchtige Meister adoptierte gern seine begabten Schüler. So ließen sich die Zunftvorschriften zur Höchstzahl der Werkstattmitarbeiter umgehen.

Als Mantegna merkte, dass er vom Chef ausgenutzt wurde, ließ er seine Adoption aufheben und machte sich mit 17 Jahren selbstständig: ein Selfmademan mit Ideen, den man rasch überregional wahrnahm. Projektbezogen kooperierte Mantegna mit dem befreundeten Niccolò Pizzolo, der ihn mit dem berühmten Donatello aus Florenz in Kontakt brachte. Der Bildhauer war mit seiner Bottega für ein Jahrzehnt nach Padua übergesiedelt, um aufsehenerregende Großprojekte, wie das bronzene Reiterstandbild des Feldherrn Gattamelata, zu realisieren.

Mobilität war unabdingbar, wenn man für innovationsfreudige Mäzene tätig sein wollte. Wer sich dagegen als Hofmaler verdingte, wie Mantegna später bei den Gonzaga in Mantua, hatte eine sichere Stellung, aber oft auch eine Fülle lästiger Nebenarbeiten an der Backe - vom Festdekor bis zur Schildermalerei.

Der Bellini-Clan in der Fernhandelsmetropole Venedig arbeitete für den freien Markt oder im Staatsauftrag der Republik. Familienpatriarch Jacopo Bellini muss schon früh auf den jungen Mantegna im nur 40 Kilometer oder wenige Bootsstunden entfernten Padua aufmerksam geworden sein. Als Schwiegersohn band er ihn ein: 1453 war die Heirat seiner Tochter Nicolosia Bellini mit dem hochbegabten Newcomer perfekt. Seine eigenen Söhne, den älteren Gentile Bellini und dessen Halbbruder Giovanni Bellini, hatte Jacopo in seiner Werkstatt ausgebildet: „L´ gran Giovanni e l´ buon Gentil Bellini“ nennt ein zeitgenössisches Sonett die beiden künstlerisch grundverschiedenen Charaktere. Der Neffe Leonardo Bellini brachte sein Spezialtalent ebenfalls ein. Er übernahm nach zwölfjähriger Lehrzeit beim Onkel den Geschäftsbereich Buchmalerei.

Gerade in der Vielseitigkeit der Bellinis lag ihre Stärke. Während Giovanni ein außergewöhnliches Gespür für Farbe, Lichtstimmungen und Atmosphäre besaß, brillierte Gentile mit Detailschärfe. Als er 1479 in diplomatischer Kunstmission ins Osmanische Reich geschickt wurde, beaufsichtigte sein Bruder Giovanni daheim den Fortgang der Arbeiten im Großen Ratssaal des Dogenpalasts. Schon zwanzig Jahre zuvor hatten Vater und Söhne ein vielteiliges Altarwerk in Padua gemeinschaftlich signiert. Auch der kollegiale Austausch mit Schwager Mantegna lässt sich an ihren Werken ablesen: Die Ausstellung in der Gemäldegalerie ermöglicht die spannende Spurensuche nach Konkurrenz, Inspiration und Eigensinn. Da werden einzelne Figurenmotive aufgegriffen, Details abgekupfert, ganze Bildkompositionen variiert. Auch in technischen Finessen blitzt der Austausch auf: Bellini wie Mantegna pinselten mit Goldstaub in der „oro macinato“-Technik Glanzlichter als feinen Goldschimmer auf Gewandfalten oder das Haupt Christi.

Materialien in erstrangiger Qualität waren in der Handelsmetropole Venedig verfügbar. Aus Afghanistan etwa kam der Lapislazuli für das leuchtend blaue Ultramarin. Dürer griff zu: Er nahm sich aus Venedig Farbpigmente für 100 rheinische Gulden mit. Er fachsimpelte mit den Kollegen vielleicht auch über die Vorteile der Leinwandmalerei gegenüber dem traditionellen Holztafelgrund, gerade im feuchten Klima Venedigs. Oft wurde Werkstattwissen allerdings eifersüchtig gehortet. Den kostbaren Besitz der Bellini-Dynastie bildeten dicke Zeichnungsbände, die Vater Jacopo seinen Söhnen vererbte, ein unerschöpflicher Ideenschatz. Wer Entwurfszeichnungen aus der Hand gab, musste hingegen damit rechnen, dass sein Urheberrecht missachtet und Ideen von Konkurrenten kopiert wurden.

Da war es besser, den Markt selbst zu beliefern. Botticelli in Florenz perfektionierte das rationelle Werkstattwesen, indem er 1:1-Schablonen und Entwurfskartons erstellte. Damit konnten auch weniger begabte Mitarbeiter effektiv arbeiten. Der Meister selbst konzentrierte sich derweil auf die wirklich spannenden Aufgaben. Michelangelo dagegen hätte trotz seiner Neigung zu gewaltigen Projekten am liebsten alles allein gestemmt. Ob mit Hammer und Meißel am Marmorblock, oder mit dem Pinsel vor großflächigen Freskoprojekten: Auch er kam ohne Gehilfen und Zuarbeiter nicht aus.


tja - das ist dann wohl auch die lösung zu allen spekulationen um das zur zeit teuerste gemälde der welt (450 mio.), das aber irgendwie derzeitig "verschollen" ist - und nirgendwo zugänglich: leonardos "salvator mundi". 

und natürlich stand auch da nicht der meister selbst an der leinwand, um dieses bild zu malen. er lieferte sicherlich auch dazu die gestaltungsidee und die vorlagen - vielleicht auch als schablonen - und die komposition und ließ sich das werk seiner schüler und gehilfen zeigen - und korrigierte hier und da himself ...

und das war ja auch damals gar nichts besonderes, es war eher eine ganz gewöhnliche form der bildproduktion in arbeitsteilung im kleinen kreis - und nur gegen horrende aufpreise legte der chef eben selbst hand an ...

und beim "salvator mundi" ist es sogar so, dass die leonardo typischen und einzigartigen verschwommenen lichtspuren, die "sfumato", die heute das bild so "echt" wirken lassen und dermaßen in die unmittelbare nähe von leonardo da vinci katapultieren, von der überragenden restauratorin hineininterpretiert wurden: sie hat alles gegeben ...

der 450-mio. teure "salvator mundi": links vor der
restaurierung - ohne leonardo-"schmelz" - rechts
im heutigen zustand ...
gerade dort, wo das bild am stärksten nachgebessert wurde, ist dieser "sfumato" und damit die suggestive lichtführung des "salvator mundi" am überzeugendsten gestaltet. das gilt für die modellierung großer teile des gesichts und der kristallkugel in der linken hand. ebendiese "sfumato"-effekte verdankt das gemälde zu einem guten teil den restauratorischen überarbeitungen, die sich wie ein zweites gesicht auf das antlitz legen: meisterhaft gemalt, aber nicht von leonardo, sondern von der kongenialen restauratorin dianne modestini aus new york!

also man kann sagen, nach ca. 520 jahren "vollendet" eine ganz späte "gehilfin" und leonardos "schülerin" dieses werk aus des meisters werkstatt - oder verleiht ihm erst den rechten glanz, den es vielleicht zuvor nie gehabt hat: eine arbeitsteilung über ein halbes jahrtausend hinweg - aber die experten streiten nun darüber, ob es sich bei der restauration ab 2007 um eine "verbesserung" bzw. "schadensausbesserung" oder um eine "verschlimmbesserung" gehandelt hat ...