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kunst ist auch nur arbeitsteilung


Nicht ohne meine Helfer

Der einsame Maler? Eine Legende. Der Alltag im Künstleratelier war Arbeit im Kollektiv

Von Elke Linda Buchholz | Tagesspiegel

Picasso stellen wir uns als Einzelkämpfer vor: nur er und die Leinwand. Auch Rembrandt inszenierte sich als einsames Genie im Atelier und schon Dürer sieht man förmlich allein die Alpen überwinden, immer Venedig im Sinn. Aber die Kunstgeschichte hatte die Maler im Nachhinein oft einsamer gemacht als sie in Wirklichkeit waren.

In Picassos südfranzösischem Domizil gingen Druckgrafiker, Töpfer und Metallbildhauer ein und aus. Unter Rembrandts Aufsicht werkelten diverse Mitarbeiter, die seine immense Produktion erst ermöglichten. Und Dürer vernetzte sich, kaum in Venedig eingetroffen, dort mit den tonangebenden Akteuren: Giovanni Bellini wurde sein Ansprechpartner. Dessen Familienclan hielt über zwei Generationen eine Spitzenposition auf dem lukrativen Markt der Lagunenstadt, immer in Konkurrenz zu den Vivarini, die ebenfalls als Familienwerkstatt agierten - denn das brachte Vorteile. In der Renaissance war kein Maler allein wettbewerbsfähig. Eine Bottega, eine Werkstatt zu leiten, Fachkräfte anzuwerben, den Betrieb zu beaufsichtigen und Aufträge zu akquirieren, gehörte ebenso zum Alltag wie die kreative Konzentration auf Pinselspitze oder Silberstift. Kein Kunde erwartete, dass ein namhafter Werkstattchef seine großflächigen Wandfresken komplett im Alleingang ausführte oder alle Madonnenbilder für die private Andacht ohne Helfer zustande brachte. Eigenhändigkeit wurde zwar geschätzt und in Verträgen angemahnt, kostete aber extra. Oft reichte es, wenn der kreative Kopf einer Werkstatt die Qualität der Produktion überwachte, Entwurfszeichnungen bereitstellte und zum Schluss für das perfekte Finish sorgte.

Durchgepaust für die Werkstatt. Folie mit der Umrisszeichnung von Andrea Mantegnas „Darbringung im Tempel“ von 1454 über Giovanni Bellinis „Darbringung“, ca. 1470/72, Venedig, Fondazione Querini Stampalia. Bellini nutzte das Bild seines Schwagers als Vorlage für ein eigenes, neues Werk.
Foto: ©Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Babette Hartwieg


Kunst war eben nicht nur Geistesblitz und Soloshow, sondern auch Materialbeherrschung und mühselige Handwerksroutine. Es brauchte Hände, die zurichten, aufspannen, schnitzen, grundieren, vergolden, ausmalen, lasieren, firnissen. Allein schon das Anreiben der Farbpigmente war eine Geduldsarbeit, die der Meister gern delegierte. Oft sieht man im Hintergrund von Atelierdarstellungen einen Gesellen über den Reibstein gebeugt. Den Statussprung vom schnöden Handwerk in die gehobene Liga der freien Künste schafften die Maler und Bildhauer erst im späten Mittelalter, zuerst in Italien. Nun wurde stolz signiert, und die Legendenbildung um die großen Namen begann. Aber der geniale Giotto hätte sein Pensum an Freskenzyklen niemals allein bewerkstelligen können. Er ging mit einer organisierten Belegschaft an den Start, etwa in der Arenakapelle in Padua. Gut 150 Jahre später stand der junge Mantegna bewundernd davor. Der um 1431 geborene Tischlersohn trat mit elf Jahren in die Lehre bei Francesco Squarcione ein. Dieser mittelmäßige, aber geschäftstüchtige Meister adoptierte gern seine begabten Schüler. So ließen sich die Zunftvorschriften zur Höchstzahl der Werkstattmitarbeiter umgehen.

Als Mantegna merkte, dass er vom Chef ausgenutzt wurde, ließ er seine Adoption aufheben und machte sich mit 17 Jahren selbstständig: ein Selfmademan mit Ideen, den man rasch überregional wahrnahm. Projektbezogen kooperierte Mantegna mit dem befreundeten Niccolò Pizzolo, der ihn mit dem berühmten Donatello aus Florenz in Kontakt brachte. Der Bildhauer war mit seiner Bottega für ein Jahrzehnt nach Padua übergesiedelt, um aufsehenerregende Großprojekte, wie das bronzene Reiterstandbild des Feldherrn Gattamelata, zu realisieren.

Mobilität war unabdingbar, wenn man für innovationsfreudige Mäzene tätig sein wollte. Wer sich dagegen als Hofmaler verdingte, wie Mantegna später bei den Gonzaga in Mantua, hatte eine sichere Stellung, aber oft auch eine Fülle lästiger Nebenarbeiten an der Backe - vom Festdekor bis zur Schildermalerei.

Der Bellini-Clan in der Fernhandelsmetropole Venedig arbeitete für den freien Markt oder im Staatsauftrag der Republik. Familienpatriarch Jacopo Bellini muss schon früh auf den jungen Mantegna im nur 40 Kilometer oder wenige Bootsstunden entfernten Padua aufmerksam geworden sein. Als Schwiegersohn band er ihn ein: 1453 war die Heirat seiner Tochter Nicolosia Bellini mit dem hochbegabten Newcomer perfekt. Seine eigenen Söhne, den älteren Gentile Bellini und dessen Halbbruder Giovanni Bellini, hatte Jacopo in seiner Werkstatt ausgebildet: „L´ gran Giovanni e l´ buon Gentil Bellini“ nennt ein zeitgenössisches Sonett die beiden künstlerisch grundverschiedenen Charaktere. Der Neffe Leonardo Bellini brachte sein Spezialtalent ebenfalls ein. Er übernahm nach zwölfjähriger Lehrzeit beim Onkel den Geschäftsbereich Buchmalerei.

Gerade in der Vielseitigkeit der Bellinis lag ihre Stärke. Während Giovanni ein außergewöhnliches Gespür für Farbe, Lichtstimmungen und Atmosphäre besaß, brillierte Gentile mit Detailschärfe. Als er 1479 in diplomatischer Kunstmission ins Osmanische Reich geschickt wurde, beaufsichtigte sein Bruder Giovanni daheim den Fortgang der Arbeiten im Großen Ratssaal des Dogenpalasts. Schon zwanzig Jahre zuvor hatten Vater und Söhne ein vielteiliges Altarwerk in Padua gemeinschaftlich signiert. Auch der kollegiale Austausch mit Schwager Mantegna lässt sich an ihren Werken ablesen: Die Ausstellung in der Gemäldegalerie ermöglicht die spannende Spurensuche nach Konkurrenz, Inspiration und Eigensinn. Da werden einzelne Figurenmotive aufgegriffen, Details abgekupfert, ganze Bildkompositionen variiert. Auch in technischen Finessen blitzt der Austausch auf: Bellini wie Mantegna pinselten mit Goldstaub in der „oro macinato“-Technik Glanzlichter als feinen Goldschimmer auf Gewandfalten oder das Haupt Christi.

Materialien in erstrangiger Qualität waren in der Handelsmetropole Venedig verfügbar. Aus Afghanistan etwa kam der Lapislazuli für das leuchtend blaue Ultramarin. Dürer griff zu: Er nahm sich aus Venedig Farbpigmente für 100 rheinische Gulden mit. Er fachsimpelte mit den Kollegen vielleicht auch über die Vorteile der Leinwandmalerei gegenüber dem traditionellen Holztafelgrund, gerade im feuchten Klima Venedigs. Oft wurde Werkstattwissen allerdings eifersüchtig gehortet. Den kostbaren Besitz der Bellini-Dynastie bildeten dicke Zeichnungsbände, die Vater Jacopo seinen Söhnen vererbte, ein unerschöpflicher Ideenschatz. Wer Entwurfszeichnungen aus der Hand gab, musste hingegen damit rechnen, dass sein Urheberrecht missachtet und Ideen von Konkurrenten kopiert wurden.

Da war es besser, den Markt selbst zu beliefern. Botticelli in Florenz perfektionierte das rationelle Werkstattwesen, indem er 1:1-Schablonen und Entwurfskartons erstellte. Damit konnten auch weniger begabte Mitarbeiter effektiv arbeiten. Der Meister selbst konzentrierte sich derweil auf die wirklich spannenden Aufgaben. Michelangelo dagegen hätte trotz seiner Neigung zu gewaltigen Projekten am liebsten alles allein gestemmt. Ob mit Hammer und Meißel am Marmorblock, oder mit dem Pinsel vor großflächigen Freskoprojekten: Auch er kam ohne Gehilfen und Zuarbeiter nicht aus.


tja - das ist dann wohl auch die lösung zu allen spekulationen um das zur zeit teuerste gemälde der welt (450 mio.), das aber irgendwie derzeitig "verschollen" ist - und nirgendwo zugänglich: leonardos "salvator mundi". 

und natürlich stand auch da nicht der meister selbst an der leinwand, um dieses bild zu malen. er lieferte sicherlich auch dazu die gestaltungsidee und die vorlagen - vielleicht auch als schablonen - und die komposition und ließ sich das werk seiner schüler und gehilfen zeigen - und korrigierte hier und da himself ...

und das war ja auch damals gar nichts besonderes, es war eher eine ganz gewöhnliche form der bildproduktion in arbeitsteilung im kleinen kreis - und nur gegen horrende aufpreise legte der chef eben selbst hand an ...

und beim "salvator mundi" ist es sogar so, dass die leonardo typischen und einzigartigen verschwommenen lichtspuren, die "sfumato", die heute das bild so "echt" wirken lassen und dermaßen in die unmittelbare nähe von leonardo da vinci katapultieren, von der überragenden restauratorin hineininterpretiert wurden: sie hat alles gegeben ...

der 450-mio. teure "salvator mundi": links vor der
restaurierung - ohne leonardo-"schmelz" - rechts
im heutigen zustand ...
gerade dort, wo das bild am stärksten nachgebessert wurde, ist dieser "sfumato" und damit die suggestive lichtführung des "salvator mundi" am überzeugendsten gestaltet. das gilt für die modellierung großer teile des gesichts und der kristallkugel in der linken hand. ebendiese "sfumato"-effekte verdankt das gemälde zu einem guten teil den restauratorischen überarbeitungen, die sich wie ein zweites gesicht auf das antlitz legen: meisterhaft gemalt, aber nicht von leonardo, sondern von der kongenialen restauratorin dianne modestini aus new york!

also man kann sagen, nach ca. 520 jahren "vollendet" eine ganz späte "gehilfin" und leonardos "schülerin" dieses werk aus des meisters werkstatt - oder verleiht ihm erst den rechten glanz, den es vielleicht zuvor nie gehabt hat: eine arbeitsteilung über ein halbes jahrtausend hinweg - aber die experten streiten nun darüber, ob es sich bei der restauration ab 2007 um eine "verbesserung" bzw. "schadensausbesserung" oder um eine "verschlimmbesserung" gehandelt hat ...


der erlöser der welt - salvator mundi

"Salvator Mundi"

Der teuerste Flop der Welt?

450 Millionen Dollar wurden für dieses Gemälde von Leonardo gezahlt – doch hat er es überhaupt gemalt? Dafür spricht so gut wie nichts.

Von Frank Zöllner | DIE ZEIT

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts traf Leonardo da Vinci die bis heute folgenreiche Entscheidung, seine Bildideen nicht immer selbst auszuführen. Viele seiner Werke malten Schüler und Gehilfen, das ist durch Schriftquellen und Gemälde der Leonardo-Werkstatt gut belegt, beispielsweise durch die Madonna mit der Spindel oder durch die Leda mit dem Schwan. Ebenfalls in die Reihe der Werkstattarbeiten gehört der Salvator Mundi, ein Bild, das Jesus den Erlöser zeigt. Leonardo hat das Werk nicht selbst gemalt, er lieferte lediglich den Gesamtentwurf und einige Detailstudien, seine Schüler verwendeten seine Ideen.





Der "Salvator Mundi", links in der unrestaurierten Fassung, noch ohne Leonardo-Schmelz © Robert Simon (l.); Christie's/dpa (r.)


Das alles wäre kaum der Rede wert, wenn der 2011 erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentierte Salvator Mundi nicht innerhalb kürzester Zeit sehr hohe Preise erzielt hätte, ja sogar zum teuersten Kunstwerk aufstieg, das je bei einer Auktion verkauft wurde. Schon im Jahr 2012 wechselte das Gemälde für rund 82 Millionen Dollar den Besitzer, kurz darauf wurde es erneut verkauft, für etwa 127 Millionen, und schließlich am 15. November 2017 auf einer New Yorker Versteigerung des Auktionshauses Christie’s für die Rekordsumme von 450,3 Millionen Dollar erworben. Als Käufer gilt der saudische Prinz Badr bin Abdullah. Zunächst hieß es, der Prinz habe im Auftrag des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gehandelt (der mit der Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi in Verbindung gebracht wird). Dann wurde gemeldet, dass Prinz Badr den Salvator im Auftrag des Ministeriums für Kultur und Tourismus von Abu Dhabi ersteigert habe – quasi als ultimative Trophäe für die Kulturpolitik des benachbarten Emirats. Im Louvre Abu Dhabi sollte das Gemälde dann im September dieses Jahres feierlich präsentiert werden. Ohne Nennung von Gründen wurde der Termin jedoch abgesagt. Den Hintergrund der Absage kennen wir nicht. Wir wissen nicht einmal, wo sich das Gemälde derzeit befindet und ob die 450 Millionen je gezahlt wurden.

Eigentlich ist es selbstverständlich, dass für die endgültige Beurteilung eines Gemäldes dessen Geschichte restlos geklärt sein muss. Das sollte erst recht für teure Kunstmarkttrophäen wie den Salvator Mundi gelten. Die Provenienzlücken sind jedoch gewaltig. Bereits für das 16. Jahrhundert fehlt jede Nachricht über das Bild. Hinweise auf die Existenz eines Salvators von der Hand Leonardos gibt es erst seit dem 17. Jahrhundert. Doch ob sich diese Belege auf das in New York versteigerte Bild beziehen, ist mehr als ungewiss. Die frühesten zuverlässigen Nachweise für das Gemälde finden sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts! Um 1900 gelangte es in den Besitz des britischen Künstlers Sir Francis Cook. In dem 1913 publizierten Bestandskatalog seiner Sammlung heißt es, der Salvator als Werk stamme "aus dem Umkreis" Leonardos, also nicht vom Künstler selbst. Im Besitz der Familie Cook verbleibt das Gemälde bis zu seiner Versteigerung am 25. Juni 1958 durch das Londoner Auktionshaus Sotheby’s, wo es für 45 Pfund Sterling von einem gewissen "Kuntz" erworben wird. Jahrelang spekulierten die Experten darüber, ob es sich dabei um ein Pseudonym handle oder eine ironische Anspielung auf das deutsche Wort "Kunst". Im Frühjahr 2005 schließlich wechselt das Bild bei einer lokalen Auktion in New Orleans erneut seinen Besitzer, angeblich für 10.000 Dollar.

Erstaunlich ist nicht nur, dass der Salvator Mundi trotz seiner dürftigen Provenienz bei mehrfachen Besitzerwechseln in kürzester Zeit riesige Summen "erlösen" konnte (in keinem anderen legal betriebenen Geschäftsfeld dieser Welt würden solche Summen ohne genaue Herkunftsnachweise eines Objekts gezahlt!). Beinahe ebenso erstaunlich ist auch der fehlende Ehrgeiz maßgeblicher Akteure, die Provenienz des Gemäldes wenigstens für die Zeit zwischen 1958 und 2005 restlos zu klären. Von all jenen, die Leonardo für den alleinigen Urheber des Bildes halten, prüfte keiner, wer wohl jener ominöse "Kuntz" war, der den Salvator 1958 ersteigerte, und wie er in die Auktion von 2005 gelangte. Diese Fragen haben kürzlich drei Journalisten des Wall Street Journal beantwortet.

Das Gemälde stammt demnach aus dem Besitz des 2004 verstorbenen Basil C. Hendry Sr. aus Baton Rouge in Louisiana, der es im Jahr 1987 von seiner Tante Minnie Stanfill Kuntz geerbt hatte. Minnie war die Gattin jenes ominösen "Kuntz" aus dem Jahr 1958. Wir kennen nun auch seinen vollen Namen, Warren E. Kuntz, und seinen Beruf, Möbelhändler. Er hatte den Salvator übrigens 1958 nicht als Trophäe erworben, sondern als religiöses Bild.

Das alles mag auf den ersten Blick trivial erscheinen. Aber es birgt eine Menge Zündstoff. Man muss sich fragen, warum erst drei Journalisten und nicht schon die Profis von Christie’s in New York den Käufer des Gemäldes von 1958 und dessen Verkäufer von 2005 ausfindig gemacht haben. Diese Frage ist umso berechtigter, als die Erben von Basil C. Hendry Sr. bereits im Jahr 2004 zwei Auktionshäuser kontaktiert hatten, Christie’s in New York (!) und die St. Charles Gallery in New Orleans, die den Nachlass schließlich am 9. und 10. April 2005 versteigerte. Christie’s in New York hatte den Salvator Mundi also zweimal vor der Nase, sowohl 2004 als auch 2017. Beim ersten Mal hielt man ihn dort offenbar für nicht so wertvoll, dass man ihn unbedingt hätte versteigern wollen. Beim zweiten Mal wurde daraus ein Riesengeschäft.

Man ahnt jetzt, warum das New Yorker Auktionshaus im Jahr 2017 keinen Ehrgeiz entwickelte, die Provenienz des Salvators genau zu prüfen: Die Experten wären dann nämlich auf die unangenehme Erkenntnis gestoßen, im Jahr 2005 einen Original-Leonardo verkannt zu haben. Umgekehrt hätte Christie’s sich dem Vorwurf aussetzen müssen, seinen Kunden im November 2017 ein Bild angeboten zu haben, dessen Urheberschaft keineswegs so eindeutig ist, wie manche nun behaupteten.

Tatsächlich zeigt sich nun, dass erst durch die tief greifenden Restaurierungen der Jahre 2005 bis 2017 der Salvator zu einem "Leonardo" gemacht worden war. Aus einer Bildruine wurde ein Spitzenstück.

Meisterhaft gemalt, aber nicht von Leonardo

In unrestauriertem Zustand hätten auch die größten Kenner nicht vermutet, dass es sich um ein Werk von der Hand des Meisters handeln könnte. Das zeigte sich etwa auf der Versteigerung der Sammlung von Sir Francis Cook 1958. Die Sammlung galt als eine der bedeutendsten privaten Altmeistersammlungen des 19. Jahrhunderts in Europa, daher waren bei der Auktion die entsprechenden Experten anwesend, unter ihnen Ellis Waterhouse. Der britische Kunsthistoriker vermerkte in seinem Exemplar des Bestandskataloges der Cook-Sammlung die Bieter und die Zuschlagspreise der Versteigerung, darunter auch den in Kunstmarktkreisen unbekannten "Kuntz" und dessen Verkauf. Man kann sich schwer vorstellen, dass ein Altmeisterexperte wie Waterhouse auf dem Cook Sale ein Originalgemälde Leonardos übersehen hätte.

Doch damit nicht genug: Zu den von Waterhouse notierten Bietern der Auktion gehörte auch Sir Kenneth Clark, wohl der beste Leonardo-Kenner seiner Generation. Clark, der auf dem Cook Sale ebenfalls mehrere Gemälde erwarb, hatte zuvor umfassend zu Leonardo publiziert, auch zu dessen Vorzeichnungen zum Salvator Mundi. Er war also, anders als "Kuntz", kein naiver Laie, sondern ein bestens informierter Spezialist. Daher ist auch im Fall von Lord Clark kaum vorstellbar, dass er auf dem Cook Sale ein authentisches Leonardo-Gemälde übersehen und es einem "Kuntz" aus den USA überlassen hätte.

Detailvergrößerung aus den beiden gegenübergestellten Reproduktionsfotos von oben


Um die Echtheit des Bildes heute beurteilen zu können, müsste endlich geklärt sein, wie gut es erhalten war und was genau daran restauriert und retuschiert wurde. Ein ausführlicher Bericht ist jedoch trotz mehrfacher Ankündigung nicht erschienen. Immerhin gibt es einige Fotos zu den unterschiedlichen Zuständen des Bildes in den Jahren zwischen 2004 und 2017, darunter auch eine Aufnahme vom April 2005, die der sogenannte Entdecker des Bildes, Robert Simon, großzügig zur Verfügung gestellt hat. Diese Fotografie könnte ein Ausgangspunkt für die Bewertung des Gemäldes sein.

Vor einer kennerschaftlichen Beurteilung des New Yorker Salvator Mundi muss man sich klarmachen, dass Leonardos Ruhm als Maler eng mit seiner langjährigen akribischen Beobachtung der Natur zusammenhängt. Noch im Jahrzehnt vor seinem Tod hat er unermüdlich nach geeigneten Techniken gesucht, seine Beobachtungen perfekt und wirkungsvoll in Malerei umzusetzen. An diesem Anspruch Leonardos muss sich auch der Salvator Mundi messen lassen. Einige Details wie die Modellierung der Segenshand Christi und der Kristallkugel oder die Gestaltung der filigranen Stickmuster unterhalb des Brustausschnitts reichen zumindest an diesen Anspruch heran. Auch die mit feiner Schattierung konturierten Fingernägel erinnern an Originalgemälde Leonardos. Allerdings weist der Salvator Mundi auch Schwächen auf. So wirkt die Hautfarbe der Segenshand, das Inkarnat, ähnlich wächsern wie auf etlichen Werkstattgemälden. Viel zu schematisch gestaltet sind zudem die "Korkenzieherlocken" Christi auf der rechten Seite und damit in einem Bereich des Bildes, das relativ gut konserviert war. Ausgerechnet der am besten erhaltene Teil der originalen Maloberfläche erinnert also an Arbeiten aus der Werkstatt Leonardos!

🔵 FRANK ZÖLLNER
ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig und gilt als einer der weltweit besten Leonardo-Kenner.

Genau umgekehrt verhält es sich mit den schadhafteren Bereichen des Bildes. Gerade dort, wo das Bild nachgebessert wurde, ist der "Sfumato" und damit die suggestive Lichtführung des Salvator Mundi am überzeugendsten gestaltet. Das gilt für die Modellierung großer Teile des Gesichts und der Kristallkugel in der linken Hand Christi. Ebendiese "Sfumato"-Effekte verdankt das Gemälde zu einem guten Teil den restauratorischen Überarbeitungen, die sich wie ein zweites Gesicht auf das Antlitz des Erlösers legen.

Meisterhaft gemalt, aber nicht von Leonardo, sondern von der kongenialen Restauratorin Dianne Modestini aus New York!

Und das lässt nur einen radikalen Schluss zu: Alle bisherigen Restaurierungen müssten rückgängig gemacht werden, besonders die der letzten Jahre, um eine erneute Echtheitsprüfung des Bildes zu ermöglichen. Aber wer wird sich noch einmal an ein 450-Millionen-Gemälde herantrauen? Wer wird den Fall ergebnisoffen prüfen dürfen? Und wer wird zugeben, dass so viel Geld sich irren konnte?
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Text und Bild: DIE ZEIT Nr. 2, 3. Januar 2019, Feuilleton, S. 45 

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auch oben - im "opener" des neuen "zeit"-artikels steht wieder: "... ein bild, das jesus den erlöser zeigt" ... 

ja - da ist immer von einem "jesus-porträt" die rede - und dabei handelt es sich doch um ein fantasie-gebilde des leonardo bzw. seiner werkstatt und seiner schüler: wie sie sich eben diesen "jesus" 1500 jahre nach dessen ableben vorstellten - als "heiland/erlöser der welt" (als "salvator mundi"), zu dem ihn in der zwischenzeit vor allen dingen die auf paulus eingeschworene kirche in rom mit "unfehlbaren" dogmen theologisch hochstilisiert hatte - denn er war ja nach den biblischen berichten zunächst ein einfacher handwerksbursche und tagelöhner und dann ein wanderprediger, der das damals verkrustete judentum revolutionieren bzw. reformieren wollte - und der seinen nahen vielleicht "inneren" gott seinen "abba" - seinen "papa" - nannte...

das wird heute oft vergessen: jesus von nazareth war nie "christ" und auch nicht "begründer" einer kirche, sondern ein jude, der predigend nur ein paar jahre durch das kleine galiläa zog, mit einer kleinen gruppe von frauen und zotteligen männern, die mit ihm zogen: nicht mehr und nicht weniger - alles andere ist theologie und fantasie und "meditation" - und eben "selbstgebastelte religion", über die ich erst neulich berichtete ...

ja - und 450 millionen dollar sind relativ viel - aber fußballspieler neymar war ja seinem jetzigen "besitzer" (moderner sklavenhandel) immerhin auch schon 222 millionen wert - also alles ist relativ...

das umstrittene kunstwerk selbst strahlt trotz aller von skeptikern beanstandeten ungenauigkeiten eine faszinierende ruhe auf mich aus - und ist in seiner derzeitigen wirkung sicherlich ein spitzenwerk in der weltkunst: entstehung hin - provenienz her ...

für mich ist eben die frage, ob erst mit einer lückenlosen provenienz des bildes - also zurück-recherchieren: bis zum tatsächlichen pinselstrich des meisters leonardo selbst, am besten mit der angabe von zeit und stunde und der größe und beschaffenheit der pinselborsten - ob das bild erst so seinen "wert" erlangt - oder ob wir es in seinem sosein trotz aller restaurierungsauffrischungen der letzten jahrhunderte oder auch gegenüber dem original missglückten restaurierungsabwertungen sein sosein im hier & jetzt bewerten dürfen - und in einem höheren sinne "schätzen" lernen dürfen.

ob das nun angeblich einem muslimischen prinzen aus den vereinigten arabischen emiraten (wahrscheinlich prinz badr bin abdullah bin mohammed bin farhan al saud) 450.312.500 us-dollar wert sein musste - immerhin für ein "jesus"-porträt - gedacht zur ausstellung in einem staatsmuseum in einem muslimischen land - oder ob das irgendein bis heute uns undurchsichtiger deal mit irgendeinem "höheren ziel" war - bleibt im ungewissen, denn im neuen louvre-museum in abu dhabi - wo es präsentiert werden sollte -  taucht es bis heute entgegen aller ankündigungen nicht auf ...

und ob es jetzt durch all diese bewertungen und umwidmungen auch im nachhinein zur auktion noch jemals eine ähnliche spekulations-summe erzielen könnte, ist fraglich - aber fraglich bleibt ja auch, ob der deal überhaupt jemals über die bühne gegangen ist - und die 450 millionen bei irgendeinem bankhaus in der welt eingegangen sind mit der zweckbestimmung: "für salvator mundi" ...

das restaurierte und ersteigerte werk - das aber zur zeit "verschollen" ist ...




die meinetwegen auch weiterhin fiktive auktionssumme zeigt aber auch den stand der allgemeinen inflation zumindest auf dem kunstspekulationsmarkt an ... - und zeigt, dass die schere zwischen den gesellschaftlichen schichten allen unkenrufen zum trotz immer weiter auseinanderklafft: eine upperclass, die sich jetzt eine weitere trophäe in den safe legen kann - auf nimmerwiedersehen - aber so wird die allgemeinheit nichts davon haben: ein jesus für reiche - vielleicht sogar für muslimische multimilliardäre aus dem königshaus der emirate - eingebunkert vor sich hinschlummernd - und von wegen "heiland der welt"... 

na - dann "salem aleikum" - "friede sei mit dir" ...

nix für ungut - und chuat choan ...

p.s. dieses ist eine leicht modifizierte stellungnahme zu anderen "salvator mundi" posts auf diesem blog [click]...