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Ausriss BILD v. 06.01.2020 |
Wolfsspur
Ein zum Abschuss freigegebener, berüchtigter Wolf wurde in Niedersachsen von einem Fahrzeug tödlich angefahren. Ein Nachruf.
Vielleicht muss die Geschichte dieses Wolfs mit seinem Ende beginnen. Am Ende der Jagd stieß GW924m mit einem Fahrzeug zusammen, er erlitt schwere innere Verletzungen, er schleppte sich etwa drei Kilometer weiter, bis er bei Gifhorn zusammenbrach. Jäger fanden ihn am 6. Januar, stark verwest, in einem Waldstück im Laub. Er wurde in eine Pathologie nach Berlin gefahren, ihm wurde Gewebe entnommen, welches bewies, dass es sich um GW924m handelt, den Wolf, über den man im Norden Deutschlands lange gesprochen hatte. GW wie Grauer Wolf, 924 als genetische Kennung, männlich.
131 Nutztiere hatte GW924m in anderthalb Jahren und 64 Angriffen fast nur in Schleswig-Holstein gerissen. Er galt als gefährlicher Wolf, der mehr Schafe getötet hatte als wohl je ein anderer Wolf im Land.
37 Tage später erhielt Jens Matzen, 63, Wolfsbetreuer in Schleswig-Holstein, eine E-Mail mit der Nachricht, dass GW924m tot sei.
Matzen sitzt in einem Seminarraum des zuständigen Landesamts bei Kiel, er hat ein vom Wetter gerötetes Gesicht. Matzen ist gelernter Forstwirt und sagt, dass er ja eigentlich Wölfe betreue, aber in letzter Zeit vor allem die Menschen.
Vor 19 Jahren wurden das erste Mal wieder Wolfswelpen in Deutschland geboren, rund tausend Wölfe leben mittlerweile hier, aber die Menschen hätten sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass der Wolf zurück sei. GW924m hat die Sache nicht besser gemacht.
Wenn man Matzen nach GW924m fragt, nennt er ihn präzise, schlau, gewieft. In Matzens Stimme liegt Anerkennung. Beinahe alles, was er über GW924m sagen kann, weiß er aus den Berichten, Protokollen und Bildern der Rissgutachter, also der Menschen, die die Verletzungen der Nutztiere dokumentieren. »Man lebt dann praktisch mit dem Wolf«, sagt er.
Geboren wurde GW924m im Jahr 2017 in Dänemark bei Ulfborg, nahe einem Naturschutzgebiet. Er hat mindestens sieben Geschwister. Wölfe sind soziale Tiere, das Rudel kümmert sich gut um die Jungen, bis diese mit ein bis zwei Jahren davonziehen. Und so lief auch GW924m im Frühjahr 2018 in Richtung Süden und nahm wahrscheinlich eine Schwester und zwei Brüder mit. Die Schwester starb auf der A 23, ein Bruder kehrte zurück in die Heimat, der andere Bruder lief zur Nordseeküste. GW924m zog es südwärts, bis in die Krei-se Steinburg, Pinneberg, Segeberg. Dort blieb er zunächst. Matzen, der Wolfsbetreuer, hörte zum ersten Mal von GW924m nach dem ersten Schafriss des Wolfs im Juli 2018. Es folgten weitere Schafe, viele Schafe, Schafe hinter elektrischen Weidezäunen, die in der Regel 30 bis 40 Zentimeter hoch sind. Für GW924m waren sie kein Hindernis.
Matzen wurde als Wolfsbetreuer hinzugezogen, er riet den Schaf- und Ziegenhaltern, ihre Zäune zu erhöhen, für Material kam das Land auf. Sie bauten stromführende Netze an Stangen, 1,05 bis 1,08 Meter hoch. Diese Höhe gilt als wolfssicher. GW924m überwand sie. »Manchmal musste man den Hut ziehen«, sagt Matzen an diesem Tag im Landesamt, an dem GW924m schon seit vielen Wochen tot ist.
Ab Januar 2019 begann eine Task Force, nach dem Wolf zu suchen, eine kleine Gruppe Jäger, die aufbrach, um GW924m zu erlegen. Wölfe sind eine durch viele rechtliche Regelungen geschützte Art, es greift das Washingtoner Artenschutzabkommen, die Berner Konvention, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, das Bundesnaturschutzgesetz. Nur wenn der Wolf nicht zu bändigen ist, wird er zum Abschuss freigegeben. Ab Herbst wurde die Zahl der Jäger erhöht.
Die Jäger durften, so war es festgelegt, nur im Revier des zum Abschuss freigegebenen Tieres jagen, damit sie nicht aus Versehen den falschen Wolf erschießen. Es schien fast, sagt Matzen, als habe GW924m die Gefahr gespürt: Er begann, sein Revier regelmäßig zu verlassen.
Woche um Woche verging, und Woche um Woche lebte GW924m weiter. Die Lokalzeitungen schrieben »Problemwolf wird zum Problem.« Der Umweltminister des Landes sagte im Interview: »Wir arbeiten intensiv daran, den Abschuss des Problemwolfs zu erreichen.« Das Raubtier hatte eine Debatte ausgelöst. Wolfsschützer begannen, im Wald zu wandern, um die Jäger zu stören.
Auf eine gewisse Art jagten sich mittlerweile auch die Menschen.
»Ein Wolf mag keine Konflikte«, sagt Matzen. Wann genau sich GW924m aus dem Staub machte, ist nicht klar. Am 25. Oktober 2019 riss er Schafe südlich von Schwerin, Mecklenburg Vorpommern, rund 130 Kilometer entfernt von seinem eigentlichen Revier. Danach blieb es ruhig. Vielleicht war er, glaubt Matzen, für die Menschen unsichtbar geworden, weil er eine Partnerin gefunden hatte und verstärkt Rehe jagte. Wie fast immer bei Wölfen weiß der Mensch es nie genau.
Wenn man mit Matzen über den Wolf spricht, nennt er ihn 924, als sei es ein Kosename. 924 war in Niedersachsen gestorben, um dorthin zu gelangen, könnte er durch die Elbe geschwommen sein, vielleicht bei Amt-Neuhaus, wo der Fluss einen Knick macht und schmal wird. »Da hast du uns so lange zum Narren gehalten und bist jetzt so geendet«, dachte Matzen, als er von dem Tod des Tiers hörte. Matzen findet: Es war ein guter Tod für einen Wolf, der von so vielen gejagt wurde. Ein neutraler Tod, ohne Schuld.
Sein Kadaver wurde in der Pathologie in Berlin im Computertomografen gescannt, GW924m wurde gewogen und vermessen, auf Krankheiten untersucht und dann entsorgt, verbrannt, in der Tierkörperbeseitigungsanstalt.
Text: Barbara Hardinghaus | DER SPIEGEL 11/2020 reporter
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manchmal stellen die medien, die man so konsumiert - aufschlägt, betrachtet, studiert, liest - eine ganz eigenartige performance von bildern und meldungen zusammen.
heute z.b. sah ich eine kurzreportage von einem biolandwirt, der bio-schweine züchtete zum verzehr durch das unersättliche raubtier mensch.
sein stall sah optisch sauber und gepflegt aus - und mir als zuschauer wurde mitgeteilt, dass das fleich der schlachtschweine umso besser schmeckt, desto weniger stress sie bei ihrem schlachthaustod entwickelten.
also ging der gute den schweinen von kleinauf bekannte bio-schweinezüchter mit auf den letzten weg und setzte kaltblütig den elektroschocker ein und tötete die schweine, eins ums andere - ganz stressfrei, weil sie von ihrem bezugs-bio-bauern bisher ja nur gutes erfahren hatten. er streute ihnen ja das futter hin, sprach sie liebevoll an und verwöhnte sie regelrecht - bis zu ihrem jähen tod zum verzehr durch uns menschen.
gestern hörte ich noch, dass leider das lukrative asiengeschäft des massenschlachters tönnies mit schweine-öhrchen, schwänzchen, schnäuzchen und ich meine auch pfötchen (man beachte das verniedlichende "...chen" am ende der kleinteil-listen-aufzählung) nach china durch die corona-krise gestört wäre - und ganze kühlcontainer dieser angeblich so leckeren inhalte auf ihre abfuhr warteten. aber: keine sorge - die kühlkette dieser schweinereste sei i.o. - und alles ging seinen regelrechten gang ...
der gemeine chinese verzehrt also öhrchen vom schlachthof aus rheda-wiedenbrück. ja das ist mal globaler handel & wandel vom feinsten.
und dann heute der obige artikel zu "gw924m", der, wie sein "betreuer" meint, geradezu "präzise, schlau, gewieft" 131 nutztiere, zumeist wohl schafe, zumeist aus schleswig-holstein gerissen hat - in 547 tagen, bei 64 angriffen.
das ist schon im ersten moment eine ansehnliche strecke für einen einsamen wolf - aber wiederum: 131 verblutete und angebissene schafe in 547 tagen, dass ist sicherlich schon auch eine gewisse wolfs-diät, eine schlankheitskur mit viel abstinenz-tagen zwischendurch und versteckspiel vor seinen ihn jagenden jägern, die ihm auflauern sollten: bei 64 angriffen ist das jede gute woche ein angriff mit gut 2 angeknabberten "gerissenen" tieren - im schnitt...
wenn man dagegen die kaltherzige massentötung durch den bio-schweinzüchter betrachtet - unter vortäuschung falscher tatsachen und grobem vertrauensbruch - und die nicht beförderten kühlcontainer mit dem schweinekleinkram für die menschlichen raubtiere in asien, ja dann wird mir gw924m noch regelrecht sympathisch. und ich danke dem "spiegel" für seinen nachruf. denn so wird gw924m zumindest virtuell ein bleibendes andenken gesichert.
auf seinem letzten "bild"-foto von joachim remitz oben sieht man ja auch, der war nicht etwa dick und fett angefressen und vollgefüllt mit ja auch von menschen geschätzten leckerem lammfleisch - nee - das war ein armer abgemagerter gejagter einsamer zeitgenosse, bevor er dann nach seinem unfall und dem schmerzhaften schrecklichen 3 kilometer langen todesmarsch, nach seinem jämmerlichen zusammenbruch, dann nach gründlicher untersuchung der tierabdeckerei zugeführt wurde.
und wir lesen ja: "es war ein guter tod für einen wolf, der von so vielen gejagt wurde. ein neutraler tod, ohne schuld" - ein ehrlicher tod also, den man den armen bio-schweinen und den china-kleinkram-schwein"chen" sicherlich nicht bescheinigen kann.
- mir fiel adeles 007-song "skyfall" - dazu ein, das ich dem gw924m ausdrücklich widmen möchte:
SKYFALL SONGTEXT ÜBERSETZUNG
Das hier ist das Ende.
Halte den Atem an und zähle bis 10.
Spüre, wie die Erde bebt
und dann hör auf mein Herz – wie es zerspringt.
Weil – DAS hier - ist das Ende!
Während meines Untergangs,
habe ich von diesem Moment geträumt,
Er war längst überfällig und ich bin ihnen jetzt was schuldig
Viel zu lange war ich wie vom Erdboden verschwunden...
Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt, werden wir aufrecht stehen
und gemeinsam antreten in Skyfall.
Hier fangen wir neu an,
tausend Meilen und Pole voneinander entfernt,
wo die Welten aufeinander krachen
und die Tage im Schatten liegen.
Vielleicht hast du meine Nummer - kann sein.
Du kannst auch meinen Namen haben – aber
NIEMALS wirst du mein Herz besitzen!
Wo auch immer du bist, ich folge dir
Was du siehst, sehe ich auch
und ich weiß, dass ich niemals ich selbst sein kann
ohne den Schutz deiner liebevollen Umarmung,
die alles Böse von mir fern hält.
Komm, nimm meine Hand und wir stehen das gemeinsam durch.
Lass den Himmel einstürzen!
Wenn alles zerfällt,
werden wir aufrecht dastehen
und gemeinsam antreten in Skyfall.
... und - übrigens - man kann den wolf auch als mensch richtig liebgewinnen - trotz unseres künstlich genetisch angelegten "rotkäppchen-trauma" ... - sieh selbst: