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gute künstler sind nicht unbedingt auch gute menschen

Ausstellung im Israel-Museum
Werke aus der Gurlitt-Sammlung in Jerusalem

Bei der Suche nach NS-Raubkunst spielt Israel seit Jahren eine aktive Rolle. In Jerusalem wird nun erstmals ein Teil des Gurlitt-Funds ausgestellt. Die dort gezeigten Werke speziell stehen aber nicht unter Raubkunstverdacht.

Mehr als 80 Werke aus dem Erbe des deutschen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895-1956) sind nun von Dienstag an erstmals in Israel zu sehen. Die Ausstellung mit dem Titel «Fateful choices» (etwa: Schicksalsentscheidungen) im Israel-Museum in Jerusalem zeigt Werke bekannter Künstler, darunter Otto Dix, Max Ernst, Erich Heckel, George Grosz, Pierre-Auguste Renoir, Claude Monet und Emil Nolde. Sie befasst sich auch mit der komplexen Figur Gurlitt, der einer der wichtigsten Kunsthändler der Nationalsozialisten war.


Im Besitz von Gurlitts Sohn Cornelius waren 2012 rund 1500 Werke, viele auf Papier, entdeckt worden. Große Teile der Sammlung standen im Verdacht, jüdischen Besitzern während der Nazi-Zeit geraubt worden zu sein. Bisher haben sich aber erst sieben der Kunstwerke eindeutig als NS-Raubkunst erwiesen. Cornelius Gurlitt starb 2014. Er vermachte die ganze Sammlung dem Kunstmuseum Bern. (aus: WESTFALEN-BLATT/dpa)

Direktor des Israel-Museums 

„Die Geschichte dieser Bilder wurde sehr gut erforscht“

Von Anja Reich

Als Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor einem Jahr zu Regierungskonsultationen in Jerusalem war, vereinbarte sie mit dem israelischen Kulturministerium, die Gurlitt-Ausstellung nach Israel zu bringen. Nun ist es so weit. Im Israel-Museum in Jerusalem wird seit Mittwoch eine Auswahl der Werke gezeigt, die Cornelius Gurlitt, Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, in seiner Münchner Wohnung aufbewahrte. Die Ausstellung heißt „Schicksalswahlen“ und ist bis zum 24. Januar 2020 zu sehen. Mit Ido Bruno, dem Direktor des Israel-Museums, sprachen wir am Abend der Eröffnung.

Was bedeutet es Ihnen, diese Ausstellung hier in Jerusalem zu zeigen?

Wir sind ein Kunstmuseum und einfach sehr froh, diese wunderbaren Werke zeigen zu können. Da sind ein paar wirklich sehr schöne Stücke dabei.

Welches ist Ihr Lieblingsbild? 

Schwierige Frage. Von den zeitgenössischen Werken vielleicht die von Emil Nolde. Außerdem mag ich die Bilder von Cornelia Gurlitt, der Schwester von Hildebrand Gurlitt.

Emil Nolde - Mann und Weibchen, Holzschnitt 1912 - eins der Exponate in der Jerusalem-Ausstellung


Emil Nolde, ausgerechnet? 
Ich finde, er war ein sehr guter Künstler. 
Stört Sie nicht, dass er Antisemit war? 
Das hat mit seiner Kunst nichts zu tun.

In Deutschland wird diese Frage heftig diskutiert. Die deutsche Kanzlerin hat zwei Noldes abgehängt. 
Was Sie ansprechen, ist eine sehr große Frage, die nicht nur Nolde betrifft und die viele andere Fragen nach sich zieht: Müssen wir einen Künstler boykottieren, nur weil wir seine Einstellungen problematisch finden? Nach welchen Kriterien entscheiden wir, ob ein Künstler tragbar ist oder nicht? Wer legt diese Kriterien fest? Wer entscheidet, wer hält Gericht? 
Haben Sie Antworten darauf? 
Ich glaube, wenn wir uns einmal auf diese Diskussion einlassen, werden wir schnell feststellen, dass wir kaum noch auf die Kunst achten, sondern viel Zeit damit verbringen, Urteile über Künstler zu fällen und dass Politiker aus allen möglichen Richtungen sich diese Diskussion zu nutzen machen, um Kunst zu verhindern. Womöglich völlig ungerechtfertigt. Das ist ein sehr gefährliches Spiel, und deshalb finde ich, jeder sollte für sich selbst entscheiden, was er sich ansieht und was nicht. Wenn jemand meint, Nolde war ein Antisemit oder sogar aktiver Nazi und aus diesem Grund seine Kunst nicht sehen will, ist das zu akzeptieren.
Gibt es Künstler, die Sie in Ihrem Museum nicht zeigen würden?

Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

Ist das eine sehr deutsche Diskussion?

In gewisser Weise schon. Aber sie wird auch hier geführt, im Bereich der Musik zum Beispiel.

Sie meinen, die Diskussion darüber, ob in Israel Richard-Wagner-Kompositionen gespielt werden dürfen oder nicht.


Genau. Die Diskussion über Komponisten, die von den Nazis bewundert wurden. Es geht um dieselbe Frage, und es ging eine Weile heiß her. Ob das bei Nolde auch so sein wird, weiß ich nicht.
Wenn Adolf Eichmann ein sehr guter Maler gewesen wäre, hätten wir seine Werke sicher nicht gezeigt. Oder wir würden sie gerade deshalb zeigen. Um den Riss zwischen Künstler und Person darzustellen und darüber zu diskutieren, warum gute Künstler nicht unbedingt gute Menschen sind.

Was haben Sie gedacht, als Sie das erste Mal vom Fall Gurlitt gehört haben?

Ich dachte, das ist eine ziemlich typische Geschichte, eine, die in diese Zeit passt. Aber diese hat einen besonderen Reiz, weil sie wie ein Kriminalfall ist, ein guter Kriminalfall.

Typisch inwiefern?

In dem Sinn, dass es viel Raubkunst in Nazideutschland gab und Kunsthändler, die das ausgenutzt haben. Wir im Israel-Museum hatten hier alleine zwei Ausstellungen dazu.

Wie bekannt ist der Fall Gurlitt in der israelischen Gesellschaft?

Er ist kaum bekannt. In Kunstkreisen natürlich schon. Unsere Kuratorin für europäische Kunst Schlomit Steinberg war Mitglied der Taskforce, die nach den ursprünglichen Besitzern der Gurlitt-Bilder geforscht hat. Aber für einen Großteil der Leute hier in Israel ist das alles sehr weit weg.

Obwohl es Teil der jüdischen Geschichte ist?

Nicht alle Israelis haben die gleiche Verbindung zu jedem Teil der jüdischen Geschichte. Natürlich hat jeder hier vom Holocaust gehört. Aber es gibt dabei so viele Nebengeschichten, und Raubkunst ist eine sehr kleine Nebengeschichte.

Wie sind die Reaktionen auf die Ausstellung?

Das müssen Sie mich in einer Woche noch einmal fragen.

Was erwarten Sie?

Ich denke, im Unterschied zu Europa können wir die Diskussion ein bisschen mehr öffnen. Wir sind freier, denn es ist nicht hier passiert und uns belastet keine Schuld.

Sind unter den sechs Familien, die bisher Werke rückerstattet bekamen, auch israelische?

Nein, davon ist mir nichts bekannt.

Könnte es passieren, dass Besucher durch die Ausstellung gehen und sagen: Guck mal, das Bild hing doch bei unserer Oma in Berlin?

Natürlich kann es sein, dass jemand im Familienalbum der Großmutter ein Foto findet, wie sie im Salon sitzt, und hinter ihr hängt ein Bild, das nun hier in der Ausstellung zu sehen ist. Sehr wahrscheinlich ist das jedoch nicht. Die Geschichte dieser Bilder wurde sehr gut erforscht.

Warum ist die Ausstellung so klein? Sie zeigen nur 100 von mehr als 1500 Werken.

Wir möchten die Geschichte auf einfache und klare Art erzählen, in vier Kapitel unterteilt, leicht zugänglich. Die Qualität der Kunstwerke ist sehr unterschiedlich. Wir haben uns vor allem für hochwertige Bilder entschieden. Außerdem ist es generell so, dass die meisten Besucher kleine Ausstellungen mehr schätzen als große. Sie fühlen sich weniger überfordert.

Waren Hildebrand oder Cornelius Gurlitt jemals in Israel?

Soweit ich weiß, nein.

Ist es möglich, dass es noch mehr versteckte Kunstsammlungen wie die von Gurlitt gibt? Irgendwo auf der Welt?

Klar, warum nicht? Wir wissen nur, was wir wissen, nicht, was wir nicht wissen. Niemand von uns hat mit einem Mann gerechnet, der in seiner Wohnung in München mehr als tausend Kunstwerke versteckt. Aber dass es Kunsthändler gab in der Nazi-Zeit, die zwielichtige Geschäfte betrieben, das wussten wir. Und die gesamte Kunstwelt stellt sich die Frage: Warum haben wir nicht schon vor 20 oder 50 Jahren nach dem Verbleib dieser Bilder geforscht?

Ido Bruno, 1963 in Jerusalem geboren, hat 25 Jahre lang an der Jerusalemer Bezalel Academy of Arts&Design unterrichtet, an der er selbst studiert hat, und eine Design-Firma geleitet. Zudem hat er zahlreiche Ausstellungen in Israel und international kuratiert. Seit November 2017 ist er Direktor des Israel-Museums. 
Das Israel-Museum in Jerusalem ist eines der größten Museen des Landes. Es beherbergt rund 500.000 Objekte, darunter die Schriftrollen vom Toten Meer.

Berliner Zeitung - click



da muss ausgerechnet der direktor des jerusalem-museums, professor bruno, zeigen, wie man die kunst vom künstler getrennt sehen sollte - aber dass das eine individuelle persönliche entscheidung ist.

ich habe in diesem blog schon einmal gesagt, dass emil nolde nun kein schlechterer künstler geworden ist, weil seine aktive nsdap-mitgliedschaft und -sympathie inzwischen auch von der nolde-stiftung offen kommuniziert wird - und der lack des sogenannten "deutschstunde"-nolde, den meine generation in der nachkriegszeit noch vom frühen fernsehen eingeimpft bekam, nun endgültig abgeplatzt ist (nach dem roman "deutschstunde" von siegfried lenz, der wohl unwissentlich nolde darin etwas zu sehr glorifiziert und ihm ein verfälschendes image verpasst hat in der hauptfigur nansen dort).

es ist schwierig, sich hierzu untadelig gerade mit einem deutschen personalausweis in der tasche zu verhalten - da ist man aufgrund der sogenannten "trangenerationalen traumaweitergabe" hin- und hergerissen: einerseits von noldes expressionistischer meisterschaft und andererseits von seiner nazi-anbiederei und seiner geschichtsklitterung nach dem krieg, obwohl das ja auch bei richtern, beamten und ärzten z.b. durchaus ein übliches verfahren der spurenöschung und des §neuanfangs" war.

da ist es gerade gut, wenn ein junger jüdischer museums-direktor hier seinen klaren standpunkt vertritt: die kunst kommt vor der moral des künstlers.

die me-too-bewegung hätte mit picasso heutzutage sicherlich auch ihre probleme - und wenn die deutsche elite aus politik und kultur jedes jahr auf den grünen hügel nach bayreuth zu den wagner-festspielen eilt,  dann hat das ja im hinblick auf wagners aktive empathie für die nazis zumindest auch insgesamt ein "gschmäckle".

dass frau merkel nun nach dem abhängen ihrer nolde-bilder aus dem büro nun auch nicht mehr nach bayreuth fährt, hab ich nun noch nicht gehört.

anselm kiefer: dein goldenes haar margarethe
(zeile aus der 'todesfuge' von celan)
und professor bruno schränkt ja auch ein, ob man gegebenenfalls gemälde von adolf eichmann präsentiert hätte - fügt dann aber an: vielleicht gerade - um deutlich zu machen: ein guter künstler muss nicht zwangsläufig auch ein guter mensch sein...

schon 1996 habe ich im jerusalem-museum werke von anselm kiefer hängen sehen, der mit seinen motivbearbeitungen zur "teutschen" mythenwelt auch oft in eine rechte ecke gedrängt wurde und noch wird. und auch heute kennt ihn das ausland insgesamt wesentlich besser und vorurteilsloser als seine landsleute hier...

aber bei kiefer muss man konstatieren, dass seine motive zu gedichtzeilen vom rumänien-deutschen juden paul celan (z.b. "todesfuge") den nachkriegsdeutschen genauso schwer im magen lagen wie ein etwaiges goutieren der diametral gegenüberstehenden seite alten national(sozial)istischen mythenkults...
...scham - schuld - schlechtes gewissen - und es ging den (west-)deutschen doch tatsächlich "unverdient" gut als "tätervolk" nach dem krieg, ver- und gekauft und finanziell gepuckert von den alliierten...
es ist ein typisch deutsches phänomen: dass wir künstler und kunst kaum voneinander unterscheiden wollen und können: auch weil wir immer etwas "hineininterpretieren" und hineigeheimnissen" wollen und fast zwanghaft müssen: und was soll das sein? - und was bringt mir das? - was will mir der künstler damit sagen - als seine persönliche unverbrüchliche botschaft. doch wir müssen lernen auf dem internationalen parkett im globalen dorf: manchem künstler ging und geht es um bloße ästhetik oder gefühlsduselei und meditation und manchmal nur um klamauk und knete.