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Anne Franks Tagebuch & Corona-Lockdown

Was man beim Wiederlesen von Anne Franks Tagebuch für die Corona-Gegenwart lernen kann
Das klappbare Bücherregal zum Hinterhaus, wo Anne Franks Versteck war - click auf einen virtuellen Rundgang

Margot darf nicht husten

Millionen haben das Tagebuch der Anne Frank gelesen. Heute verschafft es einen ganz neuen Blick, der unser Lockdown doch eher trivial erscheinen lässt. Kaum hatte Anne Frank ihren 13. Geburtstag gefeiert und das ersehnte Tagebuch bekommen, mussten sie und ihre Familie überstürzt in dem Versteck im mittlerweile berühmtesten Hinterhaus der Welt untertauchen. Zwei Ehepaare, drei Teenager und ein Junggeselle teilten sich fortan eine ziemlich kleine Wohnung. Kein Raum für Social Distancing. Sie mussten von morgens um acht bis abends um sechs unhörbar sein, sie konnten kein Wasser laufen lassen und das Klo nicht benutzen. Die Lagerarbeiter in den Räumen unter ihnen hätten sie sonst gehört und an die Gestapo verraten können. Krank werden durften sie nicht, einen Arzt konnten sie nicht aufsuchen. Als sie Anfang Juli 1942 untertauchten, schleppte sich Annes 16-jährige Schwester Margot mit einer schweren Grippe herum. Anne trug in ihr Tagebuch ein: „Wir haben Margot verboten, nachts zu husten (...) und geben ihr große Mengen Codein.“

Nach einer Woche im Versteck notierte Anne: „Ich träume hier so schön. Aber die Wirklichkeit ist, dass wir hier sitzen müssen, bis der Krieg vorbei ist.“ Von Sommerferien und Reisen träumte sie nicht. Es ist „die Stille nämlich, die mich abends und nachts so nervös macht.“ Kein Protest, keine Depression, kein Ausrasten hätte sie dem Ende der Isolation näher gebracht. Das Kind Anne, überdreht und quirlig, geht allen auf die Nerven. Netflix, ZOOM, Instagram standen ihr im besetzten Amsterdam auch nicht zur Verfügung. Anne liest ihre Bücher, macht Unterricht beim Vater und ihre Hausaufgaben. Das Tagebuch ist ihre Gesprächspartnerin „Liebe Kitty“. Auf dem Dachboden erhascht sie durch ein Fensterchen ein Stück Himmel und träumt von draußen, von der Zukunft.

Anders als die Erwachsenen liebt sie den viertelstündigen Schlag der Turmuhr der Westerkerk, weil er die Realität in ihr Verließ lässt. Ende September, da ist sie fast drei Monat untergetaucht, schreibt sie: „Es beklemmt mich doch mehr, als ich sagen kann, dass wir niemals hinausdürfen und ich habe große Angst, dass wir entdeckt und dann erschossen werden“. Keine „angenehme Aussicht“, fügt sie lakonisch hinzu.


Anne Frank - ullstein-bild/adn-bildarchiv/Jüdische Allgemeine


In unserer Corona-Quarantäne ist niemand interniert. Eingeschlossen sind nur die Alten in den Seniorenheimen, wo auch der Tod lauert. Familien können laut sein, singen, essen, telefonieren oder zoomen und sogar zum Postkasten laufen. Sie können Zeitungen kaufen, Nachrichten schauen, und wird es ihnen mit den Schreckenszahlen der Pandemie zu viele, dann schauen sie putzige Tierfilme oder James Bond oder Amazon prime. Nichts dergleichen war den Versteckten im Hinterhaus vergönnt und das rettende Kriegsende war weiter weg als der Impfstoff gegen Covid 19.

Sie hielten durch, mürbe, verzweifelt zuweilen, oft hungrig, doch auch gelassen. Als die Bomber 1944 in der Nähe ihre Last abwarfen schrieb Anne: „Das Haus dröhnte und die Bomben fielen. Ich drückte meine Fluchttasche an mich, mehr, um mich an etwas festzuhalten, als um zu flüchten, denn wir können ja doch nicht weg. Im Notfall ist die Straße für uns genauso lebensgefährlich wie eine Bombardierung.“

Die komplizierte Gruppendynamik der Hinterhaus-WG verschärft den Druck. Das tägliche Einerlei macht alle schmallippig und genervt. „Unsere Gedanken haben genauso wenig Abwechslung wie wir selbst. Wie bei einem Karussell dreht sich alles von Juden zum Essen, vom Essen zur Politik“, schreibt Anne, als sie 15 Monate versteckt ist. Ihr fehlen die Freunde, ihr früherer Alltag. Anne notierte schon Monate nach dem Untertauchen: „Ich fühle mich in letzter Zeit immer verlassener. Um mich herum ist eine große Leere.“ Ihr wird klar, „dass Vater mir doch nicht meine frühere Welt ersetzen kann“.

Heute hören wir, wie die Schlangen in Läden, das Slalom-Laufen beim Jogging, das Abstandhalten im Park oder das Verbot der Parkbank den Leuten auf die Seele schlagen. Die Hinterhäusler hätten derlei Beschwernisse locker hingenommen. Als ich als junger DDR-Flüchtling in einem Zimmer mit zwanzig Menschen in Stockbetten im Lager in Berlin lebte, hatte ich weniger Freiheiten als im so genannten Lockdown. Abends weggehen war verboten. Wer zu den Mahlzeiten nicht antrat, blieb hungrig, denn den Flüchtlingen fehlte das Geld für die Bratwurst vom Kiosk. Den Reinigungsdienst zu verweigern ging auch nicht, jeder Bewohner, ob Teenager oder Erwachsener war in der Pflicht. Licht aus um zehn, ob man müde war oder nicht.

Anne, die im Hinterhaus 14 und dann noch 15 Jahre alt wurde hat zuweilen geweint, weil ihr alles zu viel wurde. Alle Versteckten hatten ihre Krisen, aber über Seelenqualen wurde nicht geredet. Ihre Ängste und Phantasien vertraute Anne ihrem Tagebuch an. „Wie ich mich fühle, könnte ich dir nicht sagen. Den einen Augenblick sehne ich mich nach Ruhe, den anderen wieder nach Fröhlichkeit. Lachen sind wir hier nicht mehr gewöhnt so richtig lachen, bis man nicht mehr kann.“

Da war sie fast 20 Monate untergetaucht. Sie wäre zu gern zur Schule gegangen. Sie und ihre Schwester waren gute Schülerinnen gewesen, doch im Hinterhaus vergeht der jungen Anne je länger die Isolation dauert manchmal die Lust am Lernen. Doch nach großer Traurigkeit und einigem Nachdenken rafft sie sich auf, weil sie was werden will, wenn sie wieder draußen ist. „Ich muss arbeiten, um nicht dumm zu bleiben, um weiterzukommen, um Journalistin zu werden (). Ich weiß, dass ich schreiben kann.“ Anders als die Heutigen konnten die Untergetauchten nicht nach sechs Wochen schreien: „Jetzt reicht's!“

Eine Gemeinsamkeit gibt es aber doch. Heute lauschen wir zwanghaft den stündlich wechselnden Covid-Nachrichten. Jedermann mutiert zum Westentaschen-Virologen. Zwischen 1942 und1944 waren die Franks und ihre Leidensgenossen auf die BBC fixiert, um die erlösende Botschaft zu hören. Sie kannten die Namen der Luftlandedivisionen auswendig und verfolgten die Bewegungen an den Fronten, in Russland wie Afrika. Strategische und taktische Besserwissereien waren auch dem Hinterhaus nicht fremd. Die Augenzeugenberichte ihrer Helfer waren ihnen so wichtig wie die Lebensmittel, die sie herbeischafften.

Das „Tagebuch der Anne Frank“ ist das Buch der Stunde. Die junge Verfasserin zeigt uns an ihrem Beispiel, wie man Isolation verarbeiten kann. Immerfort fragt sie sich, wer sie sei, was der Sinn des Lebens und was Glück sei. Dieser Teenie entwickelt sich zum Philosophen, Psychologen und Soziologen - mit scharfem Verstand und kluger Beobachtung. Den Kriegsverlauf analysierend, glänzt sie sogar als Strategie-Expertin. Das Kind ist in 22 Monaten Isolation zur Erwachsenen geworden - trotz Traurigkeit und Todesangst, aber mit viel Introspektion.

Gibt es eine gute Quarantäne? So wenigstens findet es Kirill Serebrennikow. Er muss es wissen. Er hat 18 Monate Hausarrest hinter sich, der nicht einmal aufgehoben wurde, als seine Mutter im Sterben lag. Seit über einem Jahr ist er draußen, darf aber Moskau und Russland nicht verlassen. Als Geschenk des Himmels soll man die Quarantäne begreifen. „Quarantäne ist Aufladen, Ausruhen, Entspannen. Nehmt das ernst. Nehmt euch selbst in die Pflicht. Habt aber auch Spaß, schaut Filme, hört Musik, entdeckt Neues!“

Auf den Perspektivwechsel kommt es an. Zu beklagen, dass es nicht ist wie sonst - es ist recht nutzlos. Selbst die Frauen, die angeblich die Verlierer der Krise seien, gewinnen, wie diese Friseurin: „Ich habe meine kleinste Tochter ganz neu kennengelernt, was die mir den lieben langen Tag erzählt, fantastisch und was meine 14-jährige Tochter diskutieren will, unerhört. Nein, die Krise muss ich nicht beklagen.“

Ein Ende wie Anne Franks steht uns nicht bevor. Auch droht kein Unterdrückungsstaat. Wir müssen das Beste aus einer unvermeidlichen Situation machen. Sommerferien auf Balkonien tun es da auch. Ob wir, wie die untergetauchte und verfolgte Tagebuchschreiberin, am Ende des Tages immer noch an „das innere Gute im Menschen glauben“, das wird man sehen. Den Hygiene-Demonstranten sollte man das Tagebuch in die Hand drücken, damit wenigstens manche den Blickwinkel ändern und lernen in welcher Freiheit sie leben. 

Christine Brinck im TAGESSPIEGEL vom 24.05.2020, S.18 Kultur

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manche halten es vielleicht für makaber, anne franks zwangs-quarantäne mit dem jetzigen corona-lockdown zu vergleichen. 

und doch fordere ich auf meinen verschiedenen seiten zum mörderischen schicksal meiner tante erna kronshage ja auch dazu auf: zu sehen, zu lesen, zu hören - mitzufühlen, sich in das hineinzuversetzen was da damals abging.

und das sind auch für mich die aufzusuchenden wahrzunehmenden punkte, ein "gedenken" mit in das alltagserleben zu nehmen - als reflexiionsabgleich: wie war die situation konkret damals - und was erleben wir - in welchen zusammenhängen, und was fühlen wir dabei in uns...

das ist dann etwas anderes als die zentralen gedenkfeiern vor ehrenmalen und erinnerungstafeln beim zelebrierten schein der fackelfeuer oder den ernsten klängen eines sinfonieorchesters und den hehren eindringlichen reden, die dann am nächsten tag in einem beitrag mit vielleicht 4-minuten leselänge in der lokalen presse abgehandelt werden - gleich neben der anzeige eines möbel-supermarktes. diese zentralen gedenkfeiern sind auch wichtig - und bieten orientierung - aber das erinnern im eigenen mitfühlen ist sicherlich eindrücklicher und teilhabender.

unter diesem aspekt ist es also schon gestattet, diese zeiten miteinander zu vergleichen - und sich vor augen und ins gemüt zu führen, was das bedeutet, isoliert zu sein - über welche zeitdistanz auch immer - und auch den vorteil heutzutage schätzen zu lernen: dass uns die "unterhaltungs"medien zur verfügung stehen, das wir singen dürfen, dass wir - wie beispielsweise in italien und wohl auch in dortmund praktiziert - ans fenster oder auf den balkon treten können, um den unermüdlichen kräften bei der kranken- und altenbetreuung spontan mitzuapplaudieren.

es hat sich durch unsere eigene corona-krise eben auch etwas verändert: wir sind sensibler für die kleinen dinge im leben geworden, wir vermissen plötzlich im "alltag" banale dinge, die sonst nebensache waren - und wir hören geräusche, die wir sonst ausgeblendet haben, wir empfinde musik als bereicherung und nicht nur als kaum wahrgenommenes nebenhergedudel.

und gemessen an anne franks internierung von 22 monaten, sind unsere 8-/9 wochen lockdown objektiv gesehen einfach nur ein clacks.

aber das überangebot an "ablenkung", an freizeitspaß und urlaubsmöglichkeiten macht uns eben auch nach diesenm paar wochen bereits um ungeduldigen menschen, der "jetzt endlich heilfroh ist", dass es "vorbei" ist.

aber: dass wissen wir noch gar nicht - und das weiß noch kein mensch ganz genau - welchen haken das #coronavirus nun und dann schlagen wird - und was uns noch alles blüht.

und auch diese ungewissheit lastet ja auf unserem gemüt. ich finde, dass mir zumindest die jetzigen ersten kleinen ausflüge bei gelockertem lockdown noch immer wie durch eine "wattewand" gefiltert vorkommen: wo eigentlich ein schneeweißes "weiß" ist, liegt nun ein gelber schleier, ein "gilb" über allem. und die außenwahrnehmung ist etwas eingeschränkt bei mir in der reproduktion, in der kurzzeit-er"innerung". 

mir kommt es so vor, wie in einem (zu) schnell geschnittenen experimentalfilm oder video, wo andauernd einstellungen auf den betrachter einprasseln, die der gar nicht mehr auseinanderhalten kann und die sich ineinander vermixen.

auch anne frank, diesem teenie mitte der 40er jahre des vorigen jahrhunderts, wird ja konstatiert, sie habe sich zumindest in den texten ihres tagebuchs in ihrer isolation zur philosophin, zu einer psychologin entwickelt und auch soziologische betrachtungen vorgenommen - mit "scharfem verstand und kluger beobachtung".
 und unseren jetzt erzwungenen kurztrip in eine soziale abgeschiedenheit sollten wir daraufhin analysieren und resümieren.

kirill serebrennikow, der in russland unter hausarrest gestellt wurde, preist seine quarantäne ja als "geschenk des himmels": „quarantäne ist aufladen, ausruhen, entspannen. nehmt das ernst. nehmt euch selbst in die pflicht. habt aber auch spaß, schaut filme, hört musik, entdeckt neues!“

und dankt gott dafür, dass wir heutzutage all diese möglichkeiten haben, die anne frank in ihrem versteck nicht hatte - und trotzdem ja nicht gänzlich verzweifelte oder vor wut die wände hochging.

die alten kirchen- und wüstenväter der großen religionen haben den "spieß" umgedreht und für sich ganz positiv wochen- oder gar monatelange auszeiten freigeschaufelt und genutzt für alltägliche geistliche exerzitien-übungen: sie sollen raum schaffen für ein geistliches wachsen.

auch jesus wird ja nachgesagt, er sei 40 einkehrtage in der "wüste" gewesen, und habe dabei allerhand innere filme im kopf wahrgenommen, wie ihn die "dunkle seite" des lebens mindestens 3 x "versucht" hat, ihn zu überlisten. 

sich täglich eine auszeit zu gönnen, schöpferische ruhe genießen, ein wort, einen gedanken, einen sinnspruch - auch aus der bibel - zu betrachten - ja- und vielleicht sogar zu beten: das sind auch die grundelemente von exerzitien. sie helfen, sich neu zu orientieren und das suchen nach gottes spuren und atem im eigenen leben wahrzunehmen und einzuüben... - 

das wäre dann: aus der not eine tugend zu machen ...

und alle mal viel viel besser, als sich vor angst und vor wut in völlig schräge verschwörungstheorien zu flüchten, die irgendwelchen herbeigezeterten umständen "die schuld" in die schuhe schieben wollen, sei es dem ehepaar gates oder der 5g-technologie, den windrädern oder oder oder - dem haar in der suppe... 

wess das herz voll ist - dess geht der mund über


Das war meine Rettung
Die Ho­lo­caust-Über­le­ben­de 
führ­te ein ein­sa­mes Le­ben, 
bis sie über ih­re Er­leb­nis­se re­den konn­te

ZEIT | ZEITMAGAZIN Nr. 3 v. 09.01.2020 - S. 54 - Feuilleton

Frau Schloss, Sie ha­ben sich als Kind in Ams­ter­dam ver­steckt, wur­den ver­ra­ten und de­por­tiert. Sie und Ih­re Mut­ter ha­ben Ausch­witz über­lebt. Doch nicht Ihr Schick­sal, son­dern das Ih­rer Stief­schwes­ter An­ne Frank hat die Welt be­wegt. Wie ha­ben Sie das emp­fun­den?

Ich war ei­fer­süch­tig. Das ist ge­nau­so, als wür­de man has­sen. Auf den Ti­tel mei­nes ers­ten Buchs hat der Her­aus­ge­ber »Stief­schwes­ter von An­ne Frank« ge­schrie­ben. Das ha­be ich noch ver­stan­den, weil es sonst nicht so gut ver­käuf­lich ge­we­sen wä­re. Vie­le Jah­re spä­ter bin ich aber wei­ter als »die Stief­schwes­ter« vor­ge­stellt wor­den. Das hat mich dann doch ge­är­gert. Je­der kennt An­nes Ta­ge­buch, aber nie­mand hat je von Eva Schloss ge­hört. Es hat lan­ge ge­dau­ert, bis ich das ak­zep­tie­ren konn­te. Ich hat­te ja das­sel­be mit­ge­macht und bin so­gar am Le­ben!

Eva Schloss - sinedi.@rt-graphic 
nach einem Foto von Herline Koelbl
An­nes Va­ter Ot­to Frank hat als Ein­zi­ger sei­ner Fa­mi­lie den Ho­lo­caust über­lebt. 1953 hei­ra­te­ten er und Ih­re Mut­ter. Ih­re Fa­mi­li­en kann­ten sich be­reits aus Ams­ter­dam. An­ne und Sie wa­ren fast gleich alt, aber nicht be­freun­det. War­um?

An­ne hat­te zwei gu­te Freun­din­nen und ei­ne fes­te Cli­que: An­ne, San­ne und Han­ne. Das ma­chen Mäd­chen doch gern so, und die­se Cli­que woll­ten sie nicht er­wei­tern. An­ne ist mit vier Jah­ren nach Ams­ter­dam ge­kom­men, sprach flie­ßend Nie­der­län­disch und war an der Montes­so­ri-Schu­le. Ich bin erst mit neun aus Wien da­zu­ge­kom­men und war an der ge­wöhn­li­chen Schu­le. Wir ha­ben uns aber mit al­len Kin­dern oft auf dem Platz vorm Haus ge­trof­fen, die Woh­nun­gen hat­ten ja kei­nen Gar­ten. Ich ha­be mit den Bu­ben Sport ge­macht, die An­ne ei­gent­lich nie. Sie hat­te im­mer Kin­der um sich her­um, hat Ge­schich­ten er­zählt, Klei­der und Haa­re wa­ren ihr wich­tig, und sie hat mit Jungs ge­flir­tet. Sie schreibt das auch im Ta­ge­buch. Mir wa­ren sol­che Din­ge ganz egal, und so ähn­lich ist es auch heu­te noch.

Ih­re Kind­heit en­de­te schlag­ar­tig an Ih­rem 15. Ge­burts­tag 1944. Sie wur­den ver­haf­tet und de­por­tiert. In Ausch­witz er­krank­ten Sie rasch an Ty­phus. Ei­gent­lich das si­che­re To­des­ur­teil ...

Es war ein Wun­der! Auf der Kran­ken­sta­ti­on ha­be ich Min­nie, die Cou­si­ne und bes­te Freun­din mei­ner Mut­ter aus Prag, wie­der­ge­trof­fen. Sie muss­te für den La­ger­arzt Jo­sef Men­ge­le ar­bei­ten und hat nicht nur mich auf­ge­päp­pelt, son­dern auch mei­ne Mut­ter vor der Se­lek­ti­on ge­ret­tet. Ich dach­te da­mals, sie wä­re tot. Das ha­be ich auch mei­nem Va­ter ge­sagt, als ich ihn das letz­te Mal im La­ger traf: Sie wur­de ver­gast! Ich ha­be ihm da­mit die Hoff­nung ge­nom­men. Dann be­gan­nen die To­des­mär­sche, und ich war zu schwach, um mit­zu­ge­hen. Mein Va­ter und mein Bru­der ka­men da­bei um, mei­ne Mut­ter und ich wur­den von den Rus­sen be­freit. Die Zeit nach Ausch­witz war für mich ei­gent­lich schwe­rer als die Zeit im La­ger.

War­um?

Im La­ger muss­te ich tap­fer sein, ich hat­te den Wil­len und die Hoff­nung zu über­le­ben. Aber als ich er­fuhr, dass mein Va­ter und Bru­der tot wa­ren, ha­be ich al­les ver­lo­ren, auch den Glau­ben an Gott. Ich fühl­te mich schul­dig, weil ich über­lebt hat­te. Mei­ne Mut­ter und ich ha­ben uns nie ge­sagt, wie un­glück­lich je­de von uns war. Wir ta­ten so, als ob uns das nichts aus­mach­te. Ko­misch, nicht? Ich war vol­ler Hass. Am 1. Ja­nu­ar 1946 ha­be ich auf ei­nen Zet­tel ge­schrie­ben, dass das Le­ben oh­ne Va­ter, Bru­der und Fa­mi­lie sinn­los ist. Ich woll­te mich um­brin­gen.

Has­sen zer­stört das ei­ge­ne Le­ben, ein Bu­me­rang. Wie über­wan­den Sie den Hass?

Ich woll­te Kin­der ha­ben. Mein Va­ter hat mir früh ge­sagt, du wirst na­tür­lich ster­ben, aber in dei­nen Kin­dern lebst du wei­ter. Er hat mich zur Tap­fer­keit er­zo­gen und als Kind ins Was­ser ge­wor­fen, be­vor ich schwim­men konn­te. Das hat ge­passt, da­nach ha­be ich mich al­les ge­traut. Mei­ne Kin­der woll­te ich ge­nau­so er­zie­hen, weil ich weiß, wie schwer das Le­ben sein kann. Ich ha­be ih­nen aber nie er­klärt, war­um ich so streng bin. Selbst mei­nem Mann ha­be ich nichts er­zählt. Da war völ­li­ge Sprach­lo­sig­keit. Ich ha­be ein ein­sa­mes, schreck­li­ches Le­ben ge­führt. Erst als ich in Lon­don 1986 bei ei­ner An­ne-Frank-Aus­stel­lung über den Ho­lo­caust spre­chen soll­te, ist es aus mir her­aus­ge­bro­chen. Es war al­les in mei­nem Kopf. Al­les. So­lan­ge man nicht da­von spricht, sitzt es da. Und dann konn­te ich auf ein­mal los­las­sen. Mei­ne Kin­der se­hen mich seit­dem wahr­schein­lich in ei­nem ganz an­de­ren Licht.

Ha­ben Sie Ih­ren Frie­den ge­fun­den?

Mit der Zeit ha­be ich we­ni­ger ge­hasst, aber der Hass war noch da. Nachts ha­be ich von der Se­lek­ti­on mei­ner Mut­ter ge­träumt. Dar­über zu spre­chen war mei­ne zwei­te Ret­tung. Ot­to Frank hat im­mer ge­sagt: Die Leu­te, die du hasst, die wis­sen das ja nicht, nur du lei­dest dar­un­ter. Ich ha­be jetzt Frie­den in mir selbst, aber nicht mit der Welt ge­fun­den.

  • Das Gespräch führte Her­lin­de Ko­elbl
  • Eva Schloss, 90, stammt aus Wien. 1938 emi­grier­te sie mit El­tern und Bru­der nach Ams­ter­dam. 1944 wur­de die jü­di­sche Fa­mi­lie dort ver­haf­tet und nach Ausch­witz de­por­tiert. Ihr Bru­der und ihr Va­ter star­ben. Ih­re Mut­ter hei­ra­te­te 1953 Ot­to Frank, den Va­ter von An­ne Frank. Über ih­re Er­leb­nis­se schrieb Eva Schloss meh­re­re Bü­cher, sie lebt in Lon­don und hat drei Töch­ter
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und auch in diesem, ja man kann ja sagen, "prominenten" zeitzeugen-artikel - kommen bei frau schloss auch wieder einige typisch haftengebliebene symptome einer traumatischen erlebnisaufarbeitung des holocaust zum tragen, die ihr leben bis heute entscheidend beeinflussen und beeinflusst haben. 

da ist diese "jugendliche eifersucht" auf ihre stiefschwester anne frank, mit der sie ja gar nicht so sehr verbandelt war zu ihren gemeinsamen lebzeiten. anne hatte ja andere dinge im kopf als sie - und den vater frank heiratete die mutter von frau schloss ja erst in den 50er jahren.

aber da war diese nagende eifersucht, dass diese andere mit ihrem mörderischen schicksal und ihrem jugend-tagebuch dazu in den gleißenden fokus der welt-aufmerksamkeit rückte - und eva "nur" immer als die "stiefschwester von anne frank", vielleicht auch nur unter dem einsatz von ellenbogen des stiefvaters otto frank, "auch" dann öffentlich wahrgenommen wurde.

und dann war da dieses eisige schweigen in den opferfamilien, dieses randvolle "zusitzen" voller wut und scham und unverarbeiteter erlebnisse im lager, die einem die kehlen abschnürte... 

und dann eben auch die allmähliche morgendämmerung: bei eva die durchgemachte typhus-erkrankung, die sie überstanden und überlebt hatte, und die zu der zeit, zumal in auschwitz, zumeist tödlich verlief. sie war stark - sie hatte den tod besiegt. sie hat das lager überlebt, auch weil auschwitz ja dann fast genau vor 75 jahren am 27. januar 1945 von der sowjetischen armee endlich befreit wurde.

damals war eva 15 jahre alt, und fiel aber direkt danach in ein tiefes emotionales loch, mit viel leid und trauer um bruder und vater, aber sicher auch in selbstmitleid und lebensnot, bis hin zu selbstmordgedanken - und die enge einschnürung in diese schicksalseinsamkeit der eigenen person, auch vor der eigenen familie dann, vor den eigenen kindern und dem ehemann.

und erst 41 jahre nach der befreiung von auschwitz, bei einer ausstellungseröffnung zum schicksal ihrer stiefschwester anne frank fielen diese eigenen fesseln endlich ab - und der bibel-evangelist würde jetzt wohl formulieren: "und ihre zunge löste sich" - und "wess das herz voll ist, dess geht der mund über" und sie konnte plötzlich über all das verdrängte und abgespaltene sprechen - ja geradezu lossprudeln - und seitdem - also jetzt auch schon wieder seit über 30 jahren - reist sie durch die welt und berichtet als noch "echte zeitzeugin der ersten generation" schulklassen und hält vorträge bei ausstellungen, kongressen und tritt als zeugin auf.

und nun wissen auch die töchter und deren kinder und kindeskinder, warum sie so sind wie sie sind, und warum mutter und (ur-)oma so ist wie sie ist und wie sie war.

das tagebuch der anne frank - immer wieder neu ...

Weltdokumentenerbe

Ab 8. Mai: Sonderedition von Anne Franks Tagebuch



Die Sonderausgabe des Tagebuchs von Anne Frank. Foto: Verlag/dpa


Von dpa | westfalen-blatt.de


Das Tagebuch der Anne Frank ist nicht nur in Deutschland Schullektüre. Eine Sonderedition vereint erstmals beide Versionen des Textes. Sie erscheint mit dem Titel, unter dem Anne Frank auf eine Veröffentlichung nach dem Krieg hoffte.

Den weltweiten Ruhm als Schriftstellerin hat Anne Frank, die am 12. Juni ihren 90. Geburtstag feiern würde, nie erlebt. Das jüdische Mädchen aus Frankfurt, das im Versteck der Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam sein berühmtes Tagebuch schrieb, starb 1945 an den Folgen von Hunger, Krankheit und unmenschlichen Lebensbedingungen im Konzentrationslager Bergen-Belsen.


Anne Frank


Die Unesco nahm das Tagebuch in die Liste des Weltdokumentenerbes auf. Am Mittwoch (8. Mai) erscheint auf dem deutschen Buchmarkt eine Sonderausgabe des Tagebuchs von Anne Frank, in dem erstmals die originale Vollversion zusammen mit der sogenannten Version b des Tagebuchs veröffentlicht wird.

Anne hatte ihr Tagebuch teilweise umgeschrieben, nachdem sie im Radio den Aufruf eines niederländischen Ministers gehört hatte, die Leiden der Niederländer unter der deutschen Besatzung zu dokumentieren. Das Mädchen, das davon träumte, Schriftstellerin zu werden, hoffte auf eine Veröffentlichung des Textes nach Kriegsende. Diese Fassung des Textes wird als Version b bezeichnet. Version a ist das Tagebuch, wie Anne es ohne Vorentwurf und zunächst nur für sich schrieb. Die Sonderedition des Tagebuchs in beiden Versionen hat den Titel «Das Hinterhaus - Het Achterhuis». Diesen Titel hatte Anne Frank einst für die Veröffentlichung ihres Berichts über das Leben im Versteck geplant.

«Dies ist wirklich ein einmaliges Buch und für uns eines der zentralen Bücher, die auch transportieren, wofür wir stehen oder worum wir uns als Verlag kümmern wollen - Aufklärung, Menschenrechte, die Zeit des Nationalsozialismus. Von daher steht dieses Buch für den Verlag schon im Zentrum verlegerischer Identität», sagte Alexander Roesler, Programmleiter Sachbuch des Fischer-Verlags, über Anne Franks Tagebuch.

Anne Franks Text, nicht nur in Deutschland Schullektüre und in Dutzende Sprachen übersetzt, hat für Roesler eine universelle Botschaft, die über die Zeit des Nationalsozialismus und Anne Franks Erfahrung mit Verfolgung und Exil hinausgeht. «Anne Frank findet eine Sprache für diese spezielle Zeit der Pubertät, in der man sich in einer Entwicklung befindet», sagte Roesler. Die Konflikte mit den Eltern, die Suche nach der eigenen Stimme - und all dies unter den besonderen Bedingungen im Versteck. «Das ist natürlich ein ganz starker Text. Das muss man gar nicht künstlich wach halten - der spricht zu vielen, gerade in diesem Alter, über den Nationalsozialismus hinaus.»

Die Sonderedition ist nicht das einzige Verlagsprojekt zum 90. Geburtstag Anne Franks: Neben einer überarbeiteten Leseedition der Tagebuch-Fassung wird es nach Verlagsangaben eine kritisch-wissenschaftliche Edition geben. Diese Ausgabe erscheint voraussichtlich im Herbst 2020, in einer neuen Übersetzung, in der es nach Angabe Roeslers eher um korrekte Übersetzung als um den in der Leseausgabe bevorzugten sprachlichen Ausdruck geht. Denn Anne Frank wurde zwar in Frankfurt geboren, identifizierte sich aber mit ihrer neuen niederländischen Heimat und schrieb auch ihr Tagebuch auf Niederländisch.

In der kritisch-wissenschaftlichen Ausgabe werden auch Anspielungen Annes im Tagebuchtext aufgelöst und erläutert. Spektakuläre Neuentdeckungen gebe es da wohl weniger, so Roesler. «Das sind eher Mikrodetails, die vor allem für Wissenschaftler und Spezialisten von Interesse sind.»

Mit einem «Graphic Diary», 2017 in deutscher Version erschienen, wurde zudem versucht, Anne Franks Tagebuch einer neuen Leserschaft zu erschließen. Ari Folman, einer der beiden Autoren, arbeite an einem Animationsfilm über Anne Frank und ihr Tagebuch, hatte kürzlich Yves Kugelmann gesagt vom Anne Frank Fonds in Basel, der von Annes Vater Otto Frank gegründet wurde und die Rechte an sämtlichen Schriften Anne Franks verwaltet. Die Stiftung fördert Projekte im Sinne von Anne Frank - unter anderem zur Stärkung von Rechten von Frauen und Kindern.

Verlag zur Sonderedition des Tagebuchs
Anne Frank Fonds


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Das Tagebuch der Anne Frank: 
Graphic Diary. 

Umgesetzt von Ari Folman und David Polonsky




Anne Franks Tagebuch, weltbekannt und geliebt, liegt jetzt in einer völlig neuen Fassung vor: »Das Tagebuch der Anne Frank: Graphic Diary. Umgesetzt von Ari Folman und David Polonsky« ist eine einzigartige Kombination aus dem Originaltext und lebendigen, fiktiven Dialogen, eindrücklich und einfühlsam illustriert von Ari Folman und David Polonsky. Beide bekannt für ihr Meisterwerk »Waltz with Bashir«, das u.a. für den Oscar nominiert war. So lebendig Anne Frank über das Leben im Hinterhaus, die Angst entdeckt zu werden, aber auch über ihre Gefühle als Heranwachsende schreibt, so unmittelbar, fast filmisch sind die Illustrationen. Das publizistische Ereignis zum 70. Jahrestag der Erstveröffentlichung, autorisiert vom Anne Frank Fonds Basel.

»Ari Folman und David Polonsky ist es auf eine unglaublich intelligente und einfühlsame Art gelungen das Tagebuch zu illustrieren und eine eigene fundierte, gefühlsbetonte und immer wieder auch witzige Interpretationen hinzuzufügen. Ich bin begeistert!«
Mirjam Pressler

Das Tagebuch der Anne Frank. Graphic Diary in der Kategorie 10-14 Jahre in den LEIPZIGER LESEKOMPASS 2018 aufgenommen werden.

Ari Folman ist Filmregisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent. Er wurde 1962 als Sohn polnischer Holocaust-Überlebender in Haifa geboren. Als junger israelischer Soldat erlebte er 1982 den Ersten Libanonkrieg mit. Über die teils autobiografischen traumatischen Erlebnisse drehte er 2008 den animierten Dokumentarfilm Waltz with Bashir, der als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert wurde, den Europäischen Filmpreis und den César erhielt.

David Polonsky, geboren 1973 in Kiew, ist ein preisgekrönter Illustrator und Comiczeichner. Weltbekannt wurde er durch seine Zeichnungen fu¨r den Animationsfilm »Waltz with Bashir« und die gleichnamige Graphic Novel. Er unterrichtet an Israels angesehener Kunstakademie Bezalel in Jerusalem.

Amazon.de - Verlagsbesprechung


Der 2-std. Film

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anne frank - das war wohl die erste bekanntgewordene einzel-opferbiografie eines menschen, der im holocaust umgekommen ist: das tagebuch dieser jungen heranwachsenden frau - das in deutschland zum pflichtlesestoff in schulen wurde. aber eben dadurch und durch die vielen auflagen und fassungen des tagebuchs und durch verfilmungen etc. bekam es auch eine ganz eigenartige bestseller-note... mit diesem buch versuchte sich die deutsche seele nach dem krieg von seinen verstricktheiten mit den geschehnissen um "shoah" und "ns-'euthanasie' und die zustände in den arbeitslagern und kz zu ent-lasten und "schuld" aufzuarbeiten.

das ist meines erachtens so wie mit diesen späten prozessen dieser tage hier und da mit den dort angeklagten inzwischen hochbetagten greisen, die damals als 17-/20-jährige hitlerjungen voller enthusiasmus mitmarschiert sind - wie aber all die millionen landsleute, eltern und klassenkameraden auch, seit an seit mit ihnen und voran - oft voller jubel und "sieg heil" auf den lippen - unsere (ur-)großväter und -väter und -...*mütter ... ich habe ja gestern bereits darüber in diesem blog nachgedacht: mit diesen meines erachtens inzwischen "un-zeitgemäßen" letzten prozessen will man das kollektive schlechte gewissen in seinen hartnäckigkeiten kurz vor toresschluss doch noch besänftigen und verdrängen - was aber nicht gelingen wird.

und sich zum ankläger und richter zu machen gegenüber diesen alten und in ihrer jugend vom "zeitgeist" verführten greisen, von denen kein echter "widerstand" mehr zu erwarten ist - es sei denn sie sterben "recht"zeitig - das ist ja ein ganz anderes gefühl als in diesem millionenfachen nachkommen-heer heutzutage aktiv mitzuschwimmen, das sich insgesamt schwer damit tut und getan hat, eine angemessene und würdevolle verantwortungsbewusste haltung dazu einzunehmen, ohne zuviel an aufgetragenem pathos: mea culpa - mea culpa - mea maxima culpa - und in dem ja nach 70 - 80 jahren nun ungebeugt wieder unverbesserlicher tiefbrauner ideologieschlamassel sogar in einer wählbaren partei herumirrt ... 

ja - so oder so ähnlich ging es wohl zunächst bei vielen nachkriegsdeutschen zu:
da kann man eh nichts machen - und die eltern und großeltern schweigen zu alledem - aber wir haben wenigstens in der schule "anne frank" gelesen - und ich habe sogar ein referat gehalten - und wir haben auf der klassenfahrt auch eine gedenkstätte besucht - schrecklich war das alles - voll krass ... -  
naja, und das buch war ja auch mal ein beliebtes konfirmationsgeschenk, mit dem man bei den anderen konfi-mitgästen und verwandten seinerzeit echt eindruck schinden konnte.
und doch: es war auch gut - und musste wohl so sein, anhand dieses einzelschicksals, gerade auch von so einer pubertierenden heranwachsenden jungen frau, ganz mit hineingenommen zu werden, in die damaligen gedankenwelten und hoffnungen und träume, und in dieses abrupte qualvolle ende dann nach so einem katz-und-maus-versteckspiel mit den deutschen besatzern in amsterdam.

und diese puren nackten zahlen sagen ja nichts über die verstricktheiten und schicksale der opfer - und der täter und ihrer helfer und helfershelfer: 6 mio. ermordete europäische juden - und mitbürger von nebenan oder gar aus der eigenen familie oder verwandtschaft - 300.000 ns-euthanasie-mordopfer: summen - aufaddierte zahlen - hinter denen jeweils ein gelebtes leben stand - mit sehnsüchten, wünschen, enttäuschungen, liebschaften und zärtlichkeiten von mensch zu mensch ...

treten nach und nach immer mehr einzelschicksale
von ns-opfern in den aufmerksamkeits-fokus
und im "windschatten" dieses überwältigenden erfolgs des tagebuchs der anne frank traten und treten nach und nach immer mehr einzelschicksale von ns-opfern in den aufmerksamkeits-fokus: die masse der toten erhält dadurch immer mehr lebendige namen und gesichter ... - und diesen gesichtern müssen wir wieder und noch immer sprache und gedanken geben - das ist dann die (ge)rechte angemessene form von kollektiver "buße" - in jeder generation ein leben lang- noch und noch immer ... - bis zum sankt nimmerleins-tag --- "un gutt is - is nich" ...