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peter wohlleben: herz und wald und wolf und schwein - alles intakt

galore | interviews, mittwoch 12.Dezember 2018

S!|art



»Geht in den Wald, 
macht ordentlich Krach!«
  • Auszug aus einem Galore-Interview mit dem "Wald"-Autor Peter Wohlleben
19. Oktober 2018, Wershofen in der Eifel. Er rufe an, hat Beatrice Braken-Gülke, seine Ansprechpartnerin vom Verlag, gesagt. Sie müsse ihn ein wenig schützen. Peter Wohlleben hatte 2009 ein Burn-out erlitten, vor zwei Jahren geriet sein Herz aus dem Takt. Um genau 10 Uhr vibriert das Telefon. Sofort bricht Wohllebens rheinische Frohnatur durch: Seine Stimme ist voll Singsang, Zuversicht und Humor. Er hat bis zum nächsten Termin eine Stunde Zeit. Er gibt sich gelassen, trinkt Kaffee und erklärt Wald, Wildschwein und Wolf. Im Hintergrund schlägt viertelstündlich eine Standuhr dunkel die Zeit. Das gibt Orientierung.

INTERVIEW: CHRISTOPH OELLERS | GALORE

Herr Wohlleben, heute Morgen schon im Wald gewesen?

Ja, klar. Ich wohne im Wald.

Und? Wie geht es ihm? Was gibt er von sich?

Der bereitet sich auf den Winterschlaf vor. Das ist analog zu den Bären zu sehen, der Wald hat sich die ganze Zeit mit Zucker vollgepumpt, um über den Winter zu kommen. Die Bäume sind ja dann nicht tot, die schlafen. Der Organismus arbeitet weiter, Zucker wird verbraucht, ohne dass neuer gebildet wird. So atmet der Wald jetzt im Winter auch nur noch CO2 aus, keinen Sauerstoff mehr.



Die gesunde Waldluft ist im Winter also nicht ganz so gesund.

So ist es. Aber dieser Sommer war natürlich sehr, sehr hart.

Die Dürre.

Ja, das ist aber nichts, was die Bäume nicht verkraften könnten.

Was für Geräusche hat er von sich gegeben heute Morgen?

Das weiß ich nicht. Da müsste ich in den Boden gehen, weil Pflanzen Geräusche mit den Wurzeln machen. Der Wald macht aber nicht nur Geräusche. Er kann auch hören, und jüngste Forschungen internationaler Wissenschaftler geben erste Hinweise, dass er wohl auch sehen kann.

Wie das?

So genau weiß man das noch nicht. Jedenfalls kann er nicht nur zwischen hell und dunkel unterschieden, da ist wohl noch mehr. Warten wir ab, was die Forschung noch ergibt.

S!|photography


Erschrecken Sie noch im Wald?

Nur wenn neben mir ein Baum umfallen würde. Das habe ich aber noch nicht erlebt. Für mich bedeutet Wald immer Entspannung, er ist für mich wie das verlängerte Wohnzimmer.

Da bringt Sie nichts aus der Ruhe? Auch kein Rascheln eines Tieres?

Die Leute denken immer, dass es nachts im Wald ganz unheimlich sei. Im Gegenteil: Da wird es deutlich ruhiger. Auch vom Wind her. Und die meisten Tiere schlafen.

Vom Wald kurz zu Ihnen, wie geht es Ihrem Herz?

Vor zehn Jahren hatte ich ein Burn-out, weil ich quasi im Alleingang den Wald retten wollte. Das hat nichts mit dem Schreiben jetzt zu tun, ich hatte einfach zu viele Verpflichtungen. Meine Frau hält jetzt eisern den Terminkalender im Griff.

.........

Bei Wolf und Wildschwein kommen sich Kultur- und Naturlandschaften ins Gehege, es gibt Stress. Wie damit umgehen?

Da muss man unterscheiden, wer die Ängste schürt. Beim Wolf sind das die Jäger und die Schafhalter. Die Schafhalter werden von der Politik alleine gelassen oder zumindest nicht ausreichend unterstützt, es gibt aber natürlich auch welche, die ihre Tiere nicht richtig einzäunen. Der zweite große Gegner sind Jäger. Der Wolf frisst ihnen den Rehbock, der nächstes Jahr auf der Trophäenschau die Goldmedaille holen sollte. Somit fängt man an, Märchen zu erzählen. Man kann die Menschen ja ganz einfach triggern, indem man sagt, dass ein Wolf in der Nähe einer Bushaltestelle gesehen worden sei. Und schon haben Sie da die Verbindung Wolf und Kind.

Rotkäppchen lässt grüßen.

Dabei sind Wölfe Opportunisten. Wenn die von A nach B wollen, laufen die keinen Bogen. Also laufen sie nachts auch mal durch ein Dorf. Tagsüber nicht, weil sie dem Menschen aus dem Weg gehen. Andererseits gibt es jährlich 30.000 Beißattacken von Hunden auf Menschen. Von Wölfen keine einzige. Wenn, dann müsste man also die Hunde verbieten.

Es besteht aber die Angst, dass es immer mehr werden.

Das wird sich in Grenzen halten, also bei maximal 2.000 Wölfen einpendeln. Das Revier eines Rudels mit sechs bis zehn Tieren ist 200 Quadratkilometer groß. Da werden Eindringlinge getötet.

Wie mit dem Wildschwein umgehen?

Auch die sind völlig harmlos. Nutzergruppen wie Förster und Jäger empfinden es als störend, wenn viele Menschen im Wald sind. Ich sage: Geht in den Wald, macht ordentlich Krach. Da entspannen sich die Tiere. Das stört aber natürlich Jäger bei der Ausübung ihres Hobbys. Also werden Gefahren beschworen: beispielsweise die Bache mit ihren Frischlingen. Nur: Wie viele Menschen werden pro Jahr von Wildschweinen verletzt? Wenn überhaupt, dann sind es Jäger, die den Tieren nachgehen und sie in die Enge treiben. Abgesehen vielleicht von Ausnahmen in städtischen Gebieten, wo Wildschweine Gärten umwühlen.

Ganz offensichtlich gibt es zu viele Wildschweine.

Das liegt an der Lockfütterung durch die Jäger. Wenn pro Wildschweinkilo zwölf Kilo Mais verfüttert werden – das Dreifache von dem, was es in der Massentierhaltung gibt –, dann setzen die Tiere diese Energie in Reproduktion um – und der Bestand geht durch die Decke. Wenn man also auf die Fütterung radikal verzichten würde – man macht so etwas ja auch nicht mit Dachsen –, könnte man die Jagd einstellen.

Kein Wunder, dass Sie bei Förstern und Jägern nicht sonderlich beliebt sind.

Ich gelte als Nestbeschmutzer. Wenn das einer macht, der als Förster auch noch im Dienst ist, ist das natürlich bitter. Man versucht das dann herunterzuspielen: ist alles unwissenschaftlich und so weiter. Aber klar, das ist auch der Reflex bei Massentierhaltern, wenn die erzählt bekommen, was für Gefühle Schweine haben.

Mitunter wird Ihre Sprache kritisiert: die Vermenschlichung, der kinderleichte Erklärungsstil. Wald und Märchenton passen gut zusammen, so besteht aber die Gefahr, dass man nicht ernst genommen wird.

Ich schreibe so, dass ich verständlich bin. Dahinter steckt knallharte konservative Forschung. Die Sprache ist nicht wissenschaftlich, die Vorgänge sind es schon. Ich habe 30 Jahre Waldführungen gemacht, und die habe ich aufgeschrieben – meine Bücher sind verschriftlichte Waldführungen.

Peter Wohlleben im Wald - galore-foto: Henning Ross


Aber Sie haben den Ton geändert.

Das hängt mit meiner eigenen Entwicklung zusammen, mit dem Burn-out. Und zusätzlich habe ich mir gesagt, dass ich nicht über, sondern aus der Perspektive des Protagonisten, also des Baumes, schreiben will. Außerdem habe ich die Tonart von Moll in Dur gewechselt; man hält das nicht aus, wenn es die ganze Zeit nur Alarmmeldungen gibt.

Permanente Erregung führt nur zu Herzbeschwerden und Unwohlsein.

Sie sagen es.

Wenn der Baum des Lebens nicht mehr Metapher ist, sondern zur Metaphysik wird: Was unterscheidet den Menschen noch von Fauna und Flora?

In der Frage steckt schon die Angst vor der Entthronung. Meine Antwort: Im Wesentlichen nichts. Das eine ist die Wissenschaft. Natürlich fliegen Bäumen nicht zum Mond. Aber bei den wesentlichen Dingen, also beispielsweise bei der Frage, wie man mit Krankheit umgeht oder wie man miteinander kooperiert und so weiter und so weiter – da gibt es unglaublich viel Parallelen. Also: Biologisch gesehen unterscheidet uns vom Baum gar nicht so viel, wie wir immer meinen.

Nachher ist der Baum noch der bessere Mensch.

Selbstverständlich nicht. Emotional gesehen bestehen nach wie vor sehr, sehr große Unterschiede. Wir sollten schon noch Egoisten bleiben. Mein Garten ist zum Beispiel ganz klar mein Revier. Da bestimme ich, was da wächst. Auch wenn ich für Schutzgebiete bin und im Garten eine gewisse Wildheit zulasse, mähe ich auch Rasen. Und Rasen mähen heißt: Da wächst nie ein Baum.

Wenn man einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch sowie Tier und Pflanze verneint, wird das Rechtsverständnis ein anderes. Wenigstens verfassungsrechtlich müsste man doch einiges ändern, also im Grundgesetz.

Das wäre ein starkes Signal. Die Tiere stehen schon drin. In der Schweiz auch die Pflanzen. Wenn wir Naturschutz betreiben, betreiben wir das nach wie vor so: Hier ist der Mensch, da ist die Natur. Wir beschützen uns in erster Linie selbst, wenn wir die Natur schützen. Die Natur werden wir nicht kaputtmachen können. Unser Öko- System, in dem wir leben, das kriegen wir hin.

Stehen wir vor einem Paradigmenwechsel oder gar einer Revolution?

Paradigmenwechsel ist gut, da kommen wir auf den Hambacher Forst. Hier manifestiert sich etwas, wo altes Establishment auf neues Denken prallt. Das hatten wir schon vor 30 Jahren und wurde von anderen politischen Themen verdrängt. Da knüpfen wir wieder an.

Sie denken an die 80er-Jahre, als die Grünen ihren Gründerzeitboom erlebten. Die Grünen sprechen nach dem Rodungsstopp von der „Geburtsstunde einer neuen Bewegung“.

Das ist ein Paradigmenwechsel in Bezug auf Wirtschaftswachstum: Der Schwerpunkt wird wieder auf die Natur gelegt. Wenn wir dieser helfen, lösen sich viele andere Probleme. Wie das Thema Flüchtlinge, das ja extrem mit Klimawandel, Wasserknappheit, Ressourcen zu tun hat.

Haben Sie schon Ihre letzte Ruhestätte ausgeguckt?

Wir legen zurzeit einen neuen Bestattungswald an...

...noch einen?

Ja, ja. Und da werde ich mir was aussuchen.

Der erste ist 15 Jahre alt. Wie viele Ruhestätten haben Sie bislang verteilt?

Um die 4.000.

Das haben Sie gemacht, um Urwald zu retten.

Ja, das ist eine Möglichkeit. Inzwischen haben wir aber auch ein Urwaldprojekt, bei dem man quadratmeterweise per Mausklick Urwald schützen kann, indem man Pate wird. Wir als Waldakademie pachten Wald von der Gemeinde, pro Quadratmeter vier Euro für 50 Jahre. So ein Quadratmeter Buchenurwald bindet 100 Kilo CO2, das entspricht etwa dem Ausstoß bei einer Autofahrt von 400 Kilometern.

Ihr Vorhaben erinnert ein wenig an Dschungelpatenschaften in Costa Rica.

Der Unterschied ist, dass man bei uns schauen kann, was man da erworben hat und dafür nicht in ein Flugzeug steigen muss. Der nächste Schritt ist, dass wir Waldflächen vor Berlin, Hamburg und München kaufen wollen, sodass die Wälder noch näher bei den Leuten sind, die gepachtet haben. Der Wald kommt zum Menschen zurück – das ist das Ziel.

Das gesamte Galore-Interview liest Du hier ...




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WOHLLEBENS BÜCHER 
Wohlleben hat mehrere Bestseller geschrieben, über Bäume, Tiere und die Natur als Netzwerk. Den Bänden gemeinsam ist eine einfache, leicht verständliche Sprache. Außerdem schreibt er in einem vermenschlichenden Ton, indem er die Perspektive seiner Beobachtung einnimmt – von Buchen, Schweinen, Regenwürmern und Eichhörnchen. Deswegen ist es nur konsequent, wenn Wohlleben zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen im Wesentlichen keine Unterschiede macht: Hier wie dort gebe es Schmerz, Trauer, Mitgefühl und die Fähigkeit zur Kommunikation. Dabei beruft Wohlleben sich stets auf wissenschaftliche Forschung. 
ZUR PERSON 
Peter Wohlleben (geboren 1964 in Bonn) ist Sohn eines Beamten im Bundesfinanzministerium der damaligen Hauptstadt. Er war vier, als die Eltern mit ihm und seinen drei Geschwistern 20 Kilometer rheinaufwärts nach Sinzig zogen. Nach dem Abitur studierte er Forstwirtschaft. Auf dem Gebiet der Gemeinde Hümmel in der Eifel fand er vor 27 Jahren seine Berufung als Diplomförster. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er unter dem Aspekt des nachhaltigen Forstens, indem er einen Teil des Reviers in einen Urwald verwandelte. Dafür ließ er ein Areal zu einem Bestattungswald ausweisen, um Fällungen zu stoppen. Zudem gründete er eine Waldakademie, die Führungen anbietet. Den Wald betreuen inzwischen überwiegend seine Mitarbeiter – Wohllebens Erfolg als Bestsellerautor kostet Zeit und Kraft. Er lebt in der Eifel, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

unser aller wald-guru peter wohlleben bestätigt das hier ja,  was ich schon neulich hier geäußert [click] habe zur wiederkehr des wolfes: da herrscht ein regelrechter psycho-krieg zwischen den wolfsschützern und den wolfsgegnern - und da wird mit manipulationen und unfairen mitteln gekämpft. und das ist durchaus gleichzusetzen mit dem krieg zwischen den aktivisten im hambacher forst und dem energieversorger rwe ...

um die schafherden zu schützen schlug ich auch laienhaft optische und akustische abwehrmittel vor - und wohlleben sagt ja auch: um euch vor eurer angst zu schützen vor der wildschweinrotte mit ihren frischlingen und dem bösen wolf: "geht in den wald - macht ordentlich krach", dann machen bache und fähe einen großen bogen - und das müsste ja auch mit der eingezäunten schafherde klappen, mit lichtschranken und gongs, klappern oder gar einer lautsprecher-anlage - oder so ähnlich ...

wohlleben meint ja sogar: der wald und die tiere würden sich bei orfentlichem krach sogar "entspannen" ...

ich weiß auch: peter wohlleben ist - besonders bei allen waidmännern und waidfrauen - äußerst umstritten - und das wird ja auch im interview erörtert.

er kriecht soweit in seine grünen protagonisten, als wäre er selbst jahrelang wald und buche und salamander gewesen - und könnte uns genau sagen, wie die miteinander im verbund und mit uns jeweils ticken.

natürlich modifiziert er dabei aber wissenschaftlich exakte erkenntnisse direkt in seine bäume und beritet das lesbar für laien auf ... - aber erst einmal zeigt er uns an: da ist was - da "läuft" auch zwischen den bäumen und pflanzen und tieren was, was unsere altvorderen noch ahnten oder auch noch instinktiv wussten, was aber die "aufklärung" und die jägerzunft und unsere industrialisierte produktions-landwirtschaft zum allergrößten teil aus unserem bewusstsein verdrängt haben ...

und dabei sagte noch meine oma, die als landfrau auf dem hof arbeitete: 
"quäle nie ein tier zum scherz, denn es fühlt wie du den schmerz" - und dem ist ja eigentlich nichts hinzuzufügen - und eine weitere landwirtin mit herz erzählte mir von ihren kühen, die sie alle  mit namen kannte, wie die ihr morgens beim melken nach einer unausgeschlafenen partynacht mit einem dreckigen kuhschwanz durchs gesicht fuhren, wenn sie unwirsch mal rasch ohne die notwendige einfühlung ans werk gehen wollte ... - "das merkten die - und sie wussten das ganz genau" ...
die kuh - das echte sensibelchen ... - und vielleicht auch die solitär-buche, die sich nach kumpels sehnt ...