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FOR FOREST


Abseits im Grün

In Klagenfurt steht ein Wald in einem Stadion, das wohl spektakulärste Kunstprojekt Österreichs 2019. Warum gibt es darum einen so heftigen Streit?

Von Franziska Horn | SPIEGEL+

Die Farbe Grün, sie gehört ins Fußballstadion wie das Runde ins Eckige. Was aber, wenn das Grün kein sorgsam gehegter Kunstrasen ist - sondern ein Mischwald von aus- und hochgewachsenen Bäumen der schönsten europäischen Arten? Den es so kaum mehr gibt in der freien Natur?
So sieht der Wald aus, den Klaus Littmann für sein Projekt "For Forest" in das Wörthersee Stadion in Klagenfurt gepflanzt hat.


Für die Installation "For Forest" werden 299 Bäume - 14 Meter hoch, bis zu 40 Jahre alt - vom 8. September bis 27. Oktober auf dem Rasen des Wörthersee Stadions Klagenfurt aufgestellt. Ein Quäntchen Wahnsinn gehört wohl zu solch einer Aktion, die "Österreichs größtes Kunstprojekt 2019 im öffentlichen Raum" sein will.

Initiator des Projekts ist der Basler Kulturvermittler Klaus Littmann. Er studierte einst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Beuys, der schon zur Documenta 1982 unter dem Slogan "Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" 7000 Eichen in Kassel pflanzen ließ.

Littmanns neues Projekt ist allerdings viel stärker von einem Werk des österreichischen Künstlers Max Peintner inspiriert: "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" heißt dessen kolorierte Bleistiftzeichnung von 1970/71 - es ist zugleich auch der Untertitel von "For Forest".

Direkte Vorlage für Littmanns Aktion ist die Zeichnung "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" von Max Peintner, die Littmann selber nachkoloriert hat.


Peintner, 1937 geboren in Hall in Tirol, ist bekannt für seine ir- und surrealen, futuristisch-phantastischen Zeichnungen, sie thematisieren Umwelt- und Naturzerstörung und hinterfragen zivilisationskritisch die Wahrnehmung. Er zeichnet, was jeder kennt. Doch erst in scheinbar absurder Kombination werfen seine Szenarien ganze Fragenkomplexe auf. Was, wenn ein natürlicher Mischwald einst von höchster Attraktion sein wird, weil er nur noch als Ausstellungsstück existiert? So wie heute ein seltenes Tier im Zoo?

Atme, Österreich!

"Die Bäume sollen Aspekte der Nachhaltigkeit im Hirn der Beschauer verwurzeln", sagt Littmann, der das Projekt sechs Jahre vorbereitete. Die Kritik aus Reihen der Gegner, dass gefälligst keine Steuergelder verschwendet werden dürften, kontert der Schweizer so: "Mein Wald ist privat finanziert, mit der Unterstützung von Firmen, Stiftern, Donatoren." Groß angelegte Kulturprojekte haben es oft schwer, Kontroversen erscheinen vorprogrammiert, zumal in Zeiten von Rechtspopulismus. "Man kann doch gar nicht gegen den Wald sein", glaubt Littmann.

"Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur" ist auch der Untertitel von Littmanns selbsterklärter "Kunstintervention".


Tatsächlich steht der Wald schon länger im Zentrum von Kunst und Kultur. Schon 2015 drängten sich die Massen auf der Mailänder Weltausstellung durch einen Pavillon, der eigentlich keiner war: Für Österreich hatte "breathe.austria" unter dem Aspekt Luftqualität einen Wald mit Wasserschleierregen kreiert, in dem sich erhitzte Besucher begeistert abkühlten.

Im gartenverrückten England feierte die Presse zuletzt eine von der Duchess of Cambridge im Rahmen der Chelsea Flower Show selbst entworfene Grünzone mit Bach und Brücke. Diese stellte den Entwurf in den Zusammenhang mit physischer und psychischer Gesundheit.

Ein Teil der Kontroverse um "For Forest" hat allerdings nichts mit den künstlerischen Meriten des Projekts zu tun: Weil sich der Kärntner Fußballklub Wolfsberger AC in der vergangenen Saison für die Europa League qualifizierte und in der Nähe nur das Wörthersee Stadion internationalen Auflagen entspricht, meldete der Verein Spielbedarf an. Doch der Vertrag zwischen Littmann und Stadt war schon 2017 unterschrieben, der WAC muss nun ins entlegene Graz ausweichen.

Ein bisschen Fitzcarraldo

Gegenwind kam auch von der FPÖ, sogar persönliche Beschimpfungen. In der aufgeheizten Debatte fielen Äußerungen wie "Hurensohn!" und "Hängt den Künstler am nächsten Baum auf!", zudem wurde zu Vandalismus an den Stadionbäumen aufgerufen. Klagenfurts Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz von der SPÖ betrachtet "For Forest" hingegen als "eine einmalige Chance, Klagenfurt als weltoffene Stadt zu präsentieren".

Ab Sonntag ist sie fürs Publikum geöffnet. Sowohl tagsüber...



...als auch abends bei Flutlicht.


Littmanns Erzählungen rund um das "For Forest"-Projekt erinnern an Werner Herzogs Film "Fitzcarraldo", in dem ein manischer Klaus Kinski ein Schiff über den Berg zieht, um eine Oper mitten im Amazonas-Urwald zu bauen. Doch während die Filmfigur Fitzcarraldo ein Stück Hochkultur in einer ursprünglich-chaotischen Natur implementieren will, hat sich im Klagenfurter Projekt die Botschaft genau umgekehrt: Inzwischen ist der - wenn auch inszenierte - Wald selbst das rare Gut. Er steht als Memento mori für ursprüngliche Natur inmitten einer urbanen Spaßarena des heutigen Industriezeitalters.

Ab Sonntag ist er nun zu begehen, der Mischwald im 30.000 Menschen fassenden Wörthersee Stadion. Bei freiem Eintritt können Besucher das Oeuvre tagsüber und nachts bei Flutlicht bestaunen, begleitet von einem kulturellen Rahmenprogramm. Auf dem Spielplan des Stadttheaters Klagenfurt: die Oper "Tannhäuser" und die Uraufführung des Stücks "Bitte gehen Sie nicht ins Stadion".

Am 27. Oktober endet "For Forest" schließlich. Danach wird der Kunstwald in ein stadtnahes Gelände verpflanzt.


Für die Realisierung suchten eigene Baumscouts unter Leitung von Landschaftsarchitekt Enzo Enea die verschulten Gewächse in europäischen Baumschulen zusammen, denn: "Solche Bäume waren in Höhe und Alter in Österreich gar nicht zu finden", sagt Littmann. Er hofft für seine "Lebensbäume" auf einen ähnlich starken Widerhall, wie ihn einst die "Wrapped Trees" von Christo hervorriefen.

Und weil sich die Frage nach der Nachhaltigkeit natürlich aufdrängt: Danach wird der Kunstwald in ein stadtnahes Gelände verpflanzt und sozusagen ausgewildert.

For Forest, ab 8.9. bis 27.10.2019 im Wörthersee Stadion Klagenfurt.


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das ist für mich "echte" science-fiction pur: wenn der wald nur noch in fitzelchen jeweils in stadien von den zuschauerrängen betrachtet werden kann - vielleicht auch - um einmal wieder etwas frische luft zu schnappen aus dem co²-smog heraus rundherum, dem man hier vielleicht etwas entfliehen darf.

so sehen dann vielleicht die letzten "grünen lungen" aus, die man im jahr 2560 - falls unser erdball dann überhaupt noch besteht und bewohnt ist - noch hier und da in den ballungsräumen vorfindet.

mit künstlicher lichtbeflutung und bewässerung - und hinter dem stadtrand nur noch die pure ausgedörrte wüste und nackte felsen.

wenn wir alle soooo weitermachen - und ernstgemeinte ultimaten z.b. von greta thunberg oder auch peter wohlleben (s. unten) oder mojib latif einfach verächtlich machen und ignorieren, wird das einfach mal eben unsere zukunft sein.

das ist nicht "ir- oder surreal", wie das wohl auf der ideengeber-zeichnung von max peintner gemeint war, mal eine spinnerei ins blaue gekritzelt - nee das wird in unserer zukunft vielleicht ziemlich manifest - und vielleicht müssen wir dann uns auch tickets kaufen, um 20 minuten im stadion frischluft zu tanken - vielleicht ähnlich wie schon bei den gradierwerken in den kurorten, wie hier in bad salzuflen oder bad rothenfelde, wo das ja schon seit über 150 jahren so ähnlich gehandhabt wird.

irgendwie bleibt einem also die bewunderung für diese großartige kunstinstallation in den augen kleben - und man spürt ganz tief innen: das ist vielleicht die welt unserer nachfahren - 
und vielleicht wird ein wiedergänger von donald trump den nachfahren dann im kassenhäuschen am stadion das ticket aufs handy spielen  - denn mit schlechtem karma büßt man ja für die verfehlungen in den leben zuvor...👳
also - wer schon mal ein wenig zukunft tanken will: auf nach klagenfurt: und "atme" ...
  • p.s. früher, wenn ich etwas angestellt hatte, sagte meine mutter immer: "so - nun atme dich erstmal wieder lieb" ... - aber der "echte" wald war auch ganz in der nähe - und du siehst ja, was dieser rat damals aus mir inzwischen noch gemacht hat ...



und im nachfolgenden spiegel+-interview mit peter wohlleben gibt der dann ein paar prohylaxe-tipps, damit es erst gar nicht so weit kommt, wie uns das bewaldete stadion von klagenfurt zu suggerieren scheint.

aber dazu bedarf es unserer aktiven (selbst)mithilfe und die verabschiedung vom billigen holz als grundstoff für alles und jedes. und wenn wir inzwischen ja wahrscheinlich weltweit die zeitungen und zeitschriften online lesen, ließe sich doch meines erachtens schon eine menge an holzschlagen für die papierherstellung einsparen - und auch die mails benötigen ja kein briefpapier mehr.

irgendwie scheint diese meines erachtens immense einsparung aber kaum durchzuschlagen - vielleicht weil wir ja den holzkohlegrill anzünden und das schmucke holzhaus uns bauen lassen (ist ja so herrlich öko... - als rasch nachwachsender rohstoff... - aber holz wächst eigentlich entgegengesetzt zu unserer schnellebigen zeit - gaaaaaanz langsam) und natürlich auch mit dem stuben-kamin das ganze haus beheizen und das co² aus dem schornstein jagen: vergelt's gott ...




Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben erklärt, warum man auch vertrocknende Bäume nicht fällen sollte. 


Eigentlich ist Peter Wohlleben Förster in der kleinen Gemeinde Wershofen mitten in der Eifel. Doch der 55-Jährige hat mit vielen in seiner Zunft gebrochen, seit er sich der ökologischen Bewirtschaftung seines Waldes verpflichtet sieht und darüber auch schreibt. Sein Buch "Das geheime Leben der Bäume" hat sich über eine Million Mal allein im deutschsprachigen Raum verkauft. Gerade ist sein neues Werk erschienen: "Das geheime Band zwischen Mensch und Natur". 

Zum Gespräch hat er in seine Waldakademie eingeladen, doch am Ende finden weite Teile des Interviews im Wald statt, der ein paar Hundert Meter hinter dem Dorf beginnt. Schauer und Gewitter sind über das Land gezogen, der Regen hat gerade aufgehört. Doch der Wald dampft noch vor Feuchtigkeit. Es ist ein Mischwald mit vielen Buchen. Daneben erstreckt sich eine Plantage aus schlanken, hoch aufgeschossenen Douglasien. "Sehen Sie", fragt Wohlleben, "wie viel trockener es unter den Nadelbäumen ist?" Der Wald vor seiner Haustür dient ihm als eine Art Labor, in dem er seine Botschaft am real existierenden Objekt erklären kann. 

SPIEGEL: In Ihrem neuen Buch schreiben Sie über die Frage, ob die Sinnesorgane des Menschen eine Kommunikation mit Bäumen ermöglichen. Was würden uns die Bäume derzeit sagen, wenn wir ihre Sprache verstehen könnten? 

Wohlleben: Die meisten Bäume in Deutschland leben in einer Art Massentierhaltung. Das wäre also so ähnlich, als wenn Sie sich mit Zuchtschweinen in einem großen Mastbetrieb unterhielten. Die kennen nichts anderes als diesen Stall. Die würden ihnen nicht erzählen, dass sie gerne einen Stall mit mehr Platz haben wollen. 

SPIEGEL: Wie ist das für einen Baum, wenn er unter hohen Temperaturen und ohne Niederschlag leben muss, so wie derzeit so viele in deutschen Wäldern?

Wohlleben: Das bedeutet für die Bäume Stress, der viel schlimmer ist als für uns Menschen in diesem Sommer. Denn Bäume mögen es bis auf ganz wenige Ausnahmen eigentlich kühl und feucht. Und die Ironie dieses Hitzesommers ist: Bäume würden sogar selber für diese kühleren und feuchteren Bedingungen sorgen, die sie so gerne haben. Bäume dunsten unglaublich viel Wasser aus, der Kühleffekt ist enorm. Doch so wie der Mensch die Wälder in Deutschland gepflanzt hat, können sich die Bäume nicht richtig gegenseitig kühlen.

SPIEGEL: Wie muss man sich diese Massenbaumhaltung vorstellen?

Wohlleben: Sie können sich das wunderbar aus dem Zug oder Auto anschauen, wenn Sie dieser Tage durch die Wälder fahren. Man erkennt sie daran, dass sie braun und vertrocknet sind. Diese Bäume rafft es derzeit dahin. So wie im Mastbetrieb die Tiere extrem anfällig sind, im Vergleich zu den wild lebenden Artgenossen. Es handelt sich um Bäume eines gleichen Alters, viel zu schnell und viel zu hoch gewachsen. Der Durchschnittsbaum in Deutschland ist ja nur 78 Jahre alt.

SPIEGEL: Das ist jung?

Wohlleben: Unter natürlichen Verhältnissen dauert eine Baumjugend, selbst im Regenwald, 200 bis 300 Jahre. In einem Urwald hat ein Baum 10, 20, vielleicht sogar mehr Kubikmeter an Biomasse. Bäume in Deutschland haben im Durchschnitt 0,5 Kubikmeter.

SPIEGEL: Die werden also gemästet, um dann schnell geschlachtet zu werden?

Wohlleben: Zunächst mal werden sie in Reih und Glied gepflanzt, sehr eng. Die Wurzeln werden schon beim Setzen beschnitten. Dabei regenerieren sich die Wurzelspitzen, die abgeschnitten werden, nicht mehr vollständig. Das ist auch der Grund, warum die Bäume aus Baumkulturen grundsätzlich flach wurzeln. Selbst für Eichen gilt das, die eigentlich als Tiefwurzler bekannt sind. Diese Bäume werden quasi schon beim Pflanzen zu Krüppeln gemacht, nur weil es billiger ist. Diese Bäumchen vernetzen sich auch nicht mehr so wie natürlich gewachsene Bäume. Es sind lauter Einzelgänger, die in einem riesigen Verband leben. 

SPIEGEL: Und was hat das für Nachteile? 

Wohlleben: Da findet keine große Hilfe untereinander statt. Die sind viel zu schnell gewachsen, was auch daran liegt, dass keine erwachsenen Bäume drum herum existieren. Sie würden das Wachstum der jungen Bäume drosseln. Sie haben eben ja von Mästen gesprochen. Wissen Sie, wie die klassische Forstwirtschaft das nennt? 

SPIEGEL: Keine Ahnung. 

Wohlleben: Bei uns heißt es Lichtmast. Die Bäume, die auf einer Plantage aufwachsen, haben viel Licht, weil keine hohen Mutterbäume drum herum stehen. Sie bilden mit dem Licht jede Menge Zucker und wachsen wie blöde. So ein Mastschwein ist nach sieben Monaten schlachtreif. Ein Baum ist es nach 80 Jahren, obwohl er locker 800 Jahre alt werden würde. 

SPIEGEL: Das sind also Jugendliche. 

Wohlleben: Das sind Baum-Kindergärten, die wir da fällen. Und jetzt stellen Sie sich vor, sie haben fünfjährige Kinder in der Sahara. Die kommen da auch nicht gut zurecht. 

SPIEGEL: In der Öffentlichkeit stellen sich die Waldbesitzer als die Opfer des Klimawandels dar. Wie sehen Sie das? 

Wohlleben: Na ja, Täter ist vielleicht ein bisschen hart ausgedrückt. Aber das sind die Verursacher der eigenen Misere. Gerne schieben sie das Problem auf ihre Vorfahren ab. Die Forste von heute stammen zumeist aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Da ging es um Wiederaufbau. Das Aufforsten musste schnell gehen und wenig kosten. Stimmt teilweise. Aber dann wurden bis in die 70er-Jahre noch die Laubwälder kaputtgespritzt. Mit einem Wirkstoff, der ein Bestandteil von Agent Orange ist, was die Amerikaner im Vietnamkrieg verwendet haben. Hier in der Eifel wurde der Stoff großflächig verwendet. Einfach totgespritzt. Das kann man mit der Nachkriegssituation jedenfalls nicht mehr rechtfertigen. Damals wollte man aus ökonomischen Gründen Nadelbäume haben. Ab den 1990er-Jahren kamen die großen Stürme: Wiebke, Kyrill, Lothar. Da hat man gesehen, dass die Plantagen umknicken wie die Streichhölzer. 

SPIEGEL: Hat das zu einem Umdenken geführt? 

Wohlleben: Leider zu keinem, das von Dauer gewesen wäre. Seit zwei Jahren hört man aus den Forstverwaltungen und von vielen Waldbesitzern, man brauche wieder mehr Nadelhölzer, weil die Holzindustrie danach verlange. Die Förster scheinen vergessen zu haben, welche schlechten Erfahrungen wir in der Vergangenheit mit dieser Strategie gemacht haben. 

SPIEGEL: Wie kann es sein, dass die Fehler der Vergangenheit fortgeführt werden? 

Wohlleben: Wälder werden immer noch nicht als das gesehen, was sie eigentlich sind: riesige Klimaanlagen. Zumindest jedenfalls alte Laubwälder. Die werden immer noch abgeholzt, weil man sagt, nur junge Wälder seien gut. Dafür gibt es zwar keine wissenschaftliche Begründung. Aber junge Bäume wachsen schneller in die Höhe und erscheinen dadurch vitaler. Und sie nehmen angeblich mehr Kohlendioxid auf und speichern es, was gut für das Klima sein soll, was natürlich nicht stimmt. Förster gehen dieser Tage sogar durch die Wälder und lassen Buchen fällen, die in der derzeitigen Trockenheit etwas ramponiert aussehen und anfangen, Laub abzuwerfen. Aber diese Bäume berappeln sich oft wieder. Wir haben so eine Buche gleich hier bei uns in Wershofen am Waldrand stehen. Die sah letztes Jahr schlechter aus als in diesem. In einem normalen Forst wäre die schon längst gefällt worden. Aber die wird wieder. 

SPIEGEL: Was ist so schlimm daran, vertrocknete Bäume zu fällen? 

Wohlleben: Wenn Sie einen Baum fällen, dann dringt die Sonne tiefer in den Wald. Die Förster erweitern den Frontverlauf, an dem die Klimaerwärmung unseren Wald angreift. Deswegen fordern Baumwissenschaftler jetzt auch einen Einschlagsstopp. Die sagen, jetzt lasst uns doch erst mal nachdenken, bevor wir die Motorsäge herausholen. 

SPIEGEL: Was macht Nadelbäume wie die Fichte oder die Douglasie so anfällig für den Klimawandel? 

Wohlleben: Diese Baumarten kommen unter Trockenheitsstress, weil sie hier nicht hingehören. Was da bei den Fichten passiert, ist doch nichts Neues. Solche Borkenkäferplagen kamen doch schon in der Vergangenheit in regelmäßigen Wellen. Die meisten ereigneten sich nach einem großen Sturm, 2003 etwa, da lag jede Menge totes Holz im Wald, und da breiteten sich die Borkenkäfer aus. 

SPIEGEL: Die Fichte hätte also schon unter normalen klimatischen Bedingungen hier nichts zu suchen? 

Wohlleben: Die Fichte ist ein Baum der Taiga. Die mag es noch kälter und noch feuchter, als es hier eigentlich ist. Die lebte also immer schon am Rande dessen, was sie gerade noch aushalten konnte. Das ist so, als wenn Sie einen Eisbären in Marokko aussetzen und sich wundern: Mensch, der stirbt ja! Es regiert weiter die Unvernunft. Immer mehr Waldböden sind durch den Einsatz schwerer Maschinen kaputtgemacht worden. Auf der Grundlage einer Untersuchung der baden-württembergischen Forstlichen Versuchsanstalt sind es schätzungsweise 50 Prozent. 

SPIEGEL: Was ist daran so problematisch? 

Wohlleben: Böden, die bis zu zwei Meter tief verdichtet sind, speichern kaum mehr Wasser. Die nehmen den Niederschlag des Winters nicht mehr auf, von dem der Baum dann im Sommer lebt. Das Wasser fließt einfach ab, weshalb wir noch mehr Hochwasser bekommen. Das sind Schäden, die einfach nicht mehr zu reparieren sind. Alles unter 20 Zentimetern Tiefe regeneriert sich auch in Jahrtausenden nicht. Wir brauchen diese Speicher aber. Denn im Sommer regnet es immer zu wenig, auch unter normalen klimatischen Bedingungen. Wir fahren den Tank des Waldes kaputt und wundern uns dann, dass er den Sommer nicht durchhält. 

SPIEGEL: Würde sich ein natürlicher Wald dem Klimawandel anpassen? 

Wohlleben: Definitiv. Wir haben leider keine Urwälder mehr. Aber selbst wenn wir die Wälder mal tun lassen würden, dann würde es Verschiebungen geben. Es ist schwer zu sagen, ob sich die Buche stärker verbreiten würde oder die Eiche oder vielleicht doch der Ahorn. Das weiß keiner. Natur ist ein ständiger Prozess, aber genau das ist ja das Wertvolle. Wir haben 30 Laubbaumarten, die bei uns heimisch sind. Aber in der derzeitigen Forstwirtschaft spielen nur wenige von denen eine Rolle. 

SPIEGEL: Dominieren stattdessen die Fremdgewächse? 

Wohlleben: Das würden natürlich viele Forstwissenschaftler abstreiten. Die sagen, Kiefer und Fichte sind hier doch auch heimisch. Aber in Wahrheit sind sie es nur an speziellen, höher gelegenen Stellen, vor allem in den Alpen oder dem Bayerischen Wald. Nach der Logik könnten wir aber auch Seehunde im Bodensee aussetzen und sagen, die sind doch heimisch bei uns in Deutschland. 

SPIEGEL: Waldbesitzer und die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) schlagen nun vor, die in der Hitze abgestorbenen Bäume mit fremden, an wärmere Gegenden angepassten Gewächsen wieder aufzuforsten. Was halten Sie davon? 

Wohlleben: Da sieht man doch, wie wir auf Holz fixiert sind und nicht auf die Bäume. So ein Ökosystem besteht aus Hunderttausenden Arten, bis hin zu Bakterien, und die sind alle auf unsere Bedingungen spezialisiert, also überwiegend Lauburwald. Und wir tauschen die wesentliche Nahrungsgrundlage für diese Lebewesen aus, indem wir Fremdgewächse anpflanzen, mit denen unser Ökosystem nicht klarkommt. 

SPIEGEL: Welchen Vorteil haben unsere heimischen Baumarten? 

Wohlleben: Sie sind anpassungsfähiger, als Frau Klöckner glaubt. Bäume können lernen. Gibt es viel Wasser, bilden sie viel Holz. Nach einem Dürrejahr allerdings produzieren sie weniger Holz. Dann teilen sie sich das Wasser besser ein, ziehen sich im Frühjahr weniger Wasser und haben dann im Sommer mehr über. Förster würden sagen, der Zuwachs sinkt, und das ist wirtschaftlich schlecht. Für den Baum, das Ökosystem und das Klima ist dieses Verhalten allerdings wesentlich besser. 

SPIEGEL: Passen sich die Bäume also an den Klimawandel an, wenn man sie nur lässt? 

Wohlleben: Genau. Das ist eine Anpassungsstrategie, um über den Sommer zu kommen, und deshalb müssten die Förster auch sagen, wir hauen den Baum nicht um, nur weil er zu wenig wächst. Es wird insgesamt viel zu viel entnommen, weil der Bedarf an Holz immer stärker anwächst, nicht zuletzt weil Holz aus dem Wald als klimaneutral gilt, und es dann heißt: Wenn wir es hier nicht entnehmen, müssen wir es aus den Tropen holen. 

SPIEGEL: Was müssten wir also machen? Einen Zaun um unsere Wälder ziehen und nichts mehr tun? 

Wohlleben: Ganz so radikal würde ich nicht sein. Wir brauchen aber ganz sicher viel größere Schutzgebiete, und wir brauchen eine Bewirtschaftung, die sich an dem orientiert, was die Bäume brauchen. Dann hätten wir automatisch einen Wald, der fit ist und gesund. Das ist ja auch ein Wald, der am Ende mehr Holz hergibt. Wenn er von sich aus feucht ist, wächst er gut, man bekommt bessere Holzqualitäten und erntet das Holz, wenn man es braucht. 

SPIEGEL: Die Waldbesitzer scheinen Ihrer Logik allerdings nicht zu trauen. 

Wohlleben: Die verfahren nach ihrer eigenen Logik. Die Bäume werden vom Sturm oder vom Borkenkäfer oder der Trockenheit dahingerafft, und es ist so viel Holz da, dass Waldbesitzer und Förster dafür praktisch nichts mehr bekommen. Dann rufen sie wieder nach Subventionen, mit denen der Staat ihnen die Neupflanzung finanziert. 

SPIEGEL: Was muss die Politik leisten, um die Klimaschutzfunktion des Waldes zu fördern? 

Wohlleben: Wir brauchen einen politischen Konsens, der einen höheren Grad von Schutz für den Wald bedeutet. Aktuell haben wir weniger als 3 Prozent der Wälder geschützt. Die Brasilianer sagen: Bei uns sind 70 Prozent der Amazonaswaldfläche intakt, ihr habt keinen echten Urwald mehr und haut uns trotzdem auf die Finger. Leider legen sie da bei uns einen Finger in die Wunde. 

SPIEGEL: Brauchen wir also auch 70 Prozent Urwälder? 

Wohlleben: Auf 70 oder 80 Prozent werden wir natürlich nicht mehr kommen. Aber wie wäre es schon mal mit 10 oder 20 Prozent? Und auf der restlichen Fläche arbeiten wir mit der heimischen Waldgesellschaft: Ahorn, Buchen, Eichen, Ulmen, Eschen. 

SPIEGEL: Was sollte Frau Klöckner mit den vielen Hundert Millionen Euro machen, die sie den Waldbesitzern geben will? 

Wohlleben: Die sollte sie lieber in die Förderung der ökologischen Landwirtschaft stecken. Damit könnten dann alle diese ökologisch so wertvollen Ackerrandstreifen wieder aufgebaut werden, die umgepflügt wurden, um diese endlosen Maisfelder anzulegen. Um den Wald braucht sie sich eigentlich nicht zu kümmern. Der ist ein Ökosystem, das sich wunderbar von alleine erneuert. Es ist zum Glück so, dass wir auch in 100 Jahren noch Wald haben, egal wie der Klimawandel ausfällt. Zumindest dann, wenn wir ihn in Ruhe lassen.

peter wohlleben: herz und wald und wolf und schwein - alles intakt

galore | interviews, mittwoch 12.Dezember 2018

S!|art



»Geht in den Wald, 
macht ordentlich Krach!«
  • Auszug aus einem Galore-Interview mit dem "Wald"-Autor Peter Wohlleben
19. Oktober 2018, Wershofen in der Eifel. Er rufe an, hat Beatrice Braken-Gülke, seine Ansprechpartnerin vom Verlag, gesagt. Sie müsse ihn ein wenig schützen. Peter Wohlleben hatte 2009 ein Burn-out erlitten, vor zwei Jahren geriet sein Herz aus dem Takt. Um genau 10 Uhr vibriert das Telefon. Sofort bricht Wohllebens rheinische Frohnatur durch: Seine Stimme ist voll Singsang, Zuversicht und Humor. Er hat bis zum nächsten Termin eine Stunde Zeit. Er gibt sich gelassen, trinkt Kaffee und erklärt Wald, Wildschwein und Wolf. Im Hintergrund schlägt viertelstündlich eine Standuhr dunkel die Zeit. Das gibt Orientierung.

INTERVIEW: CHRISTOPH OELLERS | GALORE

Herr Wohlleben, heute Morgen schon im Wald gewesen?

Ja, klar. Ich wohne im Wald.

Und? Wie geht es ihm? Was gibt er von sich?

Der bereitet sich auf den Winterschlaf vor. Das ist analog zu den Bären zu sehen, der Wald hat sich die ganze Zeit mit Zucker vollgepumpt, um über den Winter zu kommen. Die Bäume sind ja dann nicht tot, die schlafen. Der Organismus arbeitet weiter, Zucker wird verbraucht, ohne dass neuer gebildet wird. So atmet der Wald jetzt im Winter auch nur noch CO2 aus, keinen Sauerstoff mehr.



Die gesunde Waldluft ist im Winter also nicht ganz so gesund.

So ist es. Aber dieser Sommer war natürlich sehr, sehr hart.

Die Dürre.

Ja, das ist aber nichts, was die Bäume nicht verkraften könnten.

Was für Geräusche hat er von sich gegeben heute Morgen?

Das weiß ich nicht. Da müsste ich in den Boden gehen, weil Pflanzen Geräusche mit den Wurzeln machen. Der Wald macht aber nicht nur Geräusche. Er kann auch hören, und jüngste Forschungen internationaler Wissenschaftler geben erste Hinweise, dass er wohl auch sehen kann.

Wie das?

So genau weiß man das noch nicht. Jedenfalls kann er nicht nur zwischen hell und dunkel unterschieden, da ist wohl noch mehr. Warten wir ab, was die Forschung noch ergibt.

S!|photography


Erschrecken Sie noch im Wald?

Nur wenn neben mir ein Baum umfallen würde. Das habe ich aber noch nicht erlebt. Für mich bedeutet Wald immer Entspannung, er ist für mich wie das verlängerte Wohnzimmer.

Da bringt Sie nichts aus der Ruhe? Auch kein Rascheln eines Tieres?

Die Leute denken immer, dass es nachts im Wald ganz unheimlich sei. Im Gegenteil: Da wird es deutlich ruhiger. Auch vom Wind her. Und die meisten Tiere schlafen.

Vom Wald kurz zu Ihnen, wie geht es Ihrem Herz?

Vor zehn Jahren hatte ich ein Burn-out, weil ich quasi im Alleingang den Wald retten wollte. Das hat nichts mit dem Schreiben jetzt zu tun, ich hatte einfach zu viele Verpflichtungen. Meine Frau hält jetzt eisern den Terminkalender im Griff.

.........

Bei Wolf und Wildschwein kommen sich Kultur- und Naturlandschaften ins Gehege, es gibt Stress. Wie damit umgehen?

Da muss man unterscheiden, wer die Ängste schürt. Beim Wolf sind das die Jäger und die Schafhalter. Die Schafhalter werden von der Politik alleine gelassen oder zumindest nicht ausreichend unterstützt, es gibt aber natürlich auch welche, die ihre Tiere nicht richtig einzäunen. Der zweite große Gegner sind Jäger. Der Wolf frisst ihnen den Rehbock, der nächstes Jahr auf der Trophäenschau die Goldmedaille holen sollte. Somit fängt man an, Märchen zu erzählen. Man kann die Menschen ja ganz einfach triggern, indem man sagt, dass ein Wolf in der Nähe einer Bushaltestelle gesehen worden sei. Und schon haben Sie da die Verbindung Wolf und Kind.

Rotkäppchen lässt grüßen.

Dabei sind Wölfe Opportunisten. Wenn die von A nach B wollen, laufen die keinen Bogen. Also laufen sie nachts auch mal durch ein Dorf. Tagsüber nicht, weil sie dem Menschen aus dem Weg gehen. Andererseits gibt es jährlich 30.000 Beißattacken von Hunden auf Menschen. Von Wölfen keine einzige. Wenn, dann müsste man also die Hunde verbieten.

Es besteht aber die Angst, dass es immer mehr werden.

Das wird sich in Grenzen halten, also bei maximal 2.000 Wölfen einpendeln. Das Revier eines Rudels mit sechs bis zehn Tieren ist 200 Quadratkilometer groß. Da werden Eindringlinge getötet.

Wie mit dem Wildschwein umgehen?

Auch die sind völlig harmlos. Nutzergruppen wie Förster und Jäger empfinden es als störend, wenn viele Menschen im Wald sind. Ich sage: Geht in den Wald, macht ordentlich Krach. Da entspannen sich die Tiere. Das stört aber natürlich Jäger bei der Ausübung ihres Hobbys. Also werden Gefahren beschworen: beispielsweise die Bache mit ihren Frischlingen. Nur: Wie viele Menschen werden pro Jahr von Wildschweinen verletzt? Wenn überhaupt, dann sind es Jäger, die den Tieren nachgehen und sie in die Enge treiben. Abgesehen vielleicht von Ausnahmen in städtischen Gebieten, wo Wildschweine Gärten umwühlen.

Ganz offensichtlich gibt es zu viele Wildschweine.

Das liegt an der Lockfütterung durch die Jäger. Wenn pro Wildschweinkilo zwölf Kilo Mais verfüttert werden – das Dreifache von dem, was es in der Massentierhaltung gibt –, dann setzen die Tiere diese Energie in Reproduktion um – und der Bestand geht durch die Decke. Wenn man also auf die Fütterung radikal verzichten würde – man macht so etwas ja auch nicht mit Dachsen –, könnte man die Jagd einstellen.

Kein Wunder, dass Sie bei Förstern und Jägern nicht sonderlich beliebt sind.

Ich gelte als Nestbeschmutzer. Wenn das einer macht, der als Förster auch noch im Dienst ist, ist das natürlich bitter. Man versucht das dann herunterzuspielen: ist alles unwissenschaftlich und so weiter. Aber klar, das ist auch der Reflex bei Massentierhaltern, wenn die erzählt bekommen, was für Gefühle Schweine haben.

Mitunter wird Ihre Sprache kritisiert: die Vermenschlichung, der kinderleichte Erklärungsstil. Wald und Märchenton passen gut zusammen, so besteht aber die Gefahr, dass man nicht ernst genommen wird.

Ich schreibe so, dass ich verständlich bin. Dahinter steckt knallharte konservative Forschung. Die Sprache ist nicht wissenschaftlich, die Vorgänge sind es schon. Ich habe 30 Jahre Waldführungen gemacht, und die habe ich aufgeschrieben – meine Bücher sind verschriftlichte Waldführungen.

Peter Wohlleben im Wald - galore-foto: Henning Ross


Aber Sie haben den Ton geändert.

Das hängt mit meiner eigenen Entwicklung zusammen, mit dem Burn-out. Und zusätzlich habe ich mir gesagt, dass ich nicht über, sondern aus der Perspektive des Protagonisten, also des Baumes, schreiben will. Außerdem habe ich die Tonart von Moll in Dur gewechselt; man hält das nicht aus, wenn es die ganze Zeit nur Alarmmeldungen gibt.

Permanente Erregung führt nur zu Herzbeschwerden und Unwohlsein.

Sie sagen es.

Wenn der Baum des Lebens nicht mehr Metapher ist, sondern zur Metaphysik wird: Was unterscheidet den Menschen noch von Fauna und Flora?

In der Frage steckt schon die Angst vor der Entthronung. Meine Antwort: Im Wesentlichen nichts. Das eine ist die Wissenschaft. Natürlich fliegen Bäumen nicht zum Mond. Aber bei den wesentlichen Dingen, also beispielsweise bei der Frage, wie man mit Krankheit umgeht oder wie man miteinander kooperiert und so weiter und so weiter – da gibt es unglaublich viel Parallelen. Also: Biologisch gesehen unterscheidet uns vom Baum gar nicht so viel, wie wir immer meinen.

Nachher ist der Baum noch der bessere Mensch.

Selbstverständlich nicht. Emotional gesehen bestehen nach wie vor sehr, sehr große Unterschiede. Wir sollten schon noch Egoisten bleiben. Mein Garten ist zum Beispiel ganz klar mein Revier. Da bestimme ich, was da wächst. Auch wenn ich für Schutzgebiete bin und im Garten eine gewisse Wildheit zulasse, mähe ich auch Rasen. Und Rasen mähen heißt: Da wächst nie ein Baum.

Wenn man einen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch sowie Tier und Pflanze verneint, wird das Rechtsverständnis ein anderes. Wenigstens verfassungsrechtlich müsste man doch einiges ändern, also im Grundgesetz.

Das wäre ein starkes Signal. Die Tiere stehen schon drin. In der Schweiz auch die Pflanzen. Wenn wir Naturschutz betreiben, betreiben wir das nach wie vor so: Hier ist der Mensch, da ist die Natur. Wir beschützen uns in erster Linie selbst, wenn wir die Natur schützen. Die Natur werden wir nicht kaputtmachen können. Unser Öko- System, in dem wir leben, das kriegen wir hin.

Stehen wir vor einem Paradigmenwechsel oder gar einer Revolution?

Paradigmenwechsel ist gut, da kommen wir auf den Hambacher Forst. Hier manifestiert sich etwas, wo altes Establishment auf neues Denken prallt. Das hatten wir schon vor 30 Jahren und wurde von anderen politischen Themen verdrängt. Da knüpfen wir wieder an.

Sie denken an die 80er-Jahre, als die Grünen ihren Gründerzeitboom erlebten. Die Grünen sprechen nach dem Rodungsstopp von der „Geburtsstunde einer neuen Bewegung“.

Das ist ein Paradigmenwechsel in Bezug auf Wirtschaftswachstum: Der Schwerpunkt wird wieder auf die Natur gelegt. Wenn wir dieser helfen, lösen sich viele andere Probleme. Wie das Thema Flüchtlinge, das ja extrem mit Klimawandel, Wasserknappheit, Ressourcen zu tun hat.

Haben Sie schon Ihre letzte Ruhestätte ausgeguckt?

Wir legen zurzeit einen neuen Bestattungswald an...

...noch einen?

Ja, ja. Und da werde ich mir was aussuchen.

Der erste ist 15 Jahre alt. Wie viele Ruhestätten haben Sie bislang verteilt?

Um die 4.000.

Das haben Sie gemacht, um Urwald zu retten.

Ja, das ist eine Möglichkeit. Inzwischen haben wir aber auch ein Urwaldprojekt, bei dem man quadratmeterweise per Mausklick Urwald schützen kann, indem man Pate wird. Wir als Waldakademie pachten Wald von der Gemeinde, pro Quadratmeter vier Euro für 50 Jahre. So ein Quadratmeter Buchenurwald bindet 100 Kilo CO2, das entspricht etwa dem Ausstoß bei einer Autofahrt von 400 Kilometern.

Ihr Vorhaben erinnert ein wenig an Dschungelpatenschaften in Costa Rica.

Der Unterschied ist, dass man bei uns schauen kann, was man da erworben hat und dafür nicht in ein Flugzeug steigen muss. Der nächste Schritt ist, dass wir Waldflächen vor Berlin, Hamburg und München kaufen wollen, sodass die Wälder noch näher bei den Leuten sind, die gepachtet haben. Der Wald kommt zum Menschen zurück – das ist das Ziel.

Das gesamte Galore-Interview liest Du hier ...




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WOHLLEBENS BÜCHER 
Wohlleben hat mehrere Bestseller geschrieben, über Bäume, Tiere und die Natur als Netzwerk. Den Bänden gemeinsam ist eine einfache, leicht verständliche Sprache. Außerdem schreibt er in einem vermenschlichenden Ton, indem er die Perspektive seiner Beobachtung einnimmt – von Buchen, Schweinen, Regenwürmern und Eichhörnchen. Deswegen ist es nur konsequent, wenn Wohlleben zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen im Wesentlichen keine Unterschiede macht: Hier wie dort gebe es Schmerz, Trauer, Mitgefühl und die Fähigkeit zur Kommunikation. Dabei beruft Wohlleben sich stets auf wissenschaftliche Forschung. 
ZUR PERSON 
Peter Wohlleben (geboren 1964 in Bonn) ist Sohn eines Beamten im Bundesfinanzministerium der damaligen Hauptstadt. Er war vier, als die Eltern mit ihm und seinen drei Geschwistern 20 Kilometer rheinaufwärts nach Sinzig zogen. Nach dem Abitur studierte er Forstwirtschaft. Auf dem Gebiet der Gemeinde Hümmel in der Eifel fand er vor 27 Jahren seine Berufung als Diplomförster. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er unter dem Aspekt des nachhaltigen Forstens, indem er einen Teil des Reviers in einen Urwald verwandelte. Dafür ließ er ein Areal zu einem Bestattungswald ausweisen, um Fällungen zu stoppen. Zudem gründete er eine Waldakademie, die Führungen anbietet. Den Wald betreuen inzwischen überwiegend seine Mitarbeiter – Wohllebens Erfolg als Bestsellerautor kostet Zeit und Kraft. Er lebt in der Eifel, ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

unser aller wald-guru peter wohlleben bestätigt das hier ja,  was ich schon neulich hier geäußert [click] habe zur wiederkehr des wolfes: da herrscht ein regelrechter psycho-krieg zwischen den wolfsschützern und den wolfsgegnern - und da wird mit manipulationen und unfairen mitteln gekämpft. und das ist durchaus gleichzusetzen mit dem krieg zwischen den aktivisten im hambacher forst und dem energieversorger rwe ...

um die schafherden zu schützen schlug ich auch laienhaft optische und akustische abwehrmittel vor - und wohlleben sagt ja auch: um euch vor eurer angst zu schützen vor der wildschweinrotte mit ihren frischlingen und dem bösen wolf: "geht in den wald - macht ordentlich krach", dann machen bache und fähe einen großen bogen - und das müsste ja auch mit der eingezäunten schafherde klappen, mit lichtschranken und gongs, klappern oder gar einer lautsprecher-anlage - oder so ähnlich ...

wohlleben meint ja sogar: der wald und die tiere würden sich bei orfentlichem krach sogar "entspannen" ...

ich weiß auch: peter wohlleben ist - besonders bei allen waidmännern und waidfrauen - äußerst umstritten - und das wird ja auch im interview erörtert.

er kriecht soweit in seine grünen protagonisten, als wäre er selbst jahrelang wald und buche und salamander gewesen - und könnte uns genau sagen, wie die miteinander im verbund und mit uns jeweils ticken.

natürlich modifiziert er dabei aber wissenschaftlich exakte erkenntnisse direkt in seine bäume und beritet das lesbar für laien auf ... - aber erst einmal zeigt er uns an: da ist was - da "läuft" auch zwischen den bäumen und pflanzen und tieren was, was unsere altvorderen noch ahnten oder auch noch instinktiv wussten, was aber die "aufklärung" und die jägerzunft und unsere industrialisierte produktions-landwirtschaft zum allergrößten teil aus unserem bewusstsein verdrängt haben ...

und dabei sagte noch meine oma, die als landfrau auf dem hof arbeitete: 
"quäle nie ein tier zum scherz, denn es fühlt wie du den schmerz" - und dem ist ja eigentlich nichts hinzuzufügen - und eine weitere landwirtin mit herz erzählte mir von ihren kühen, die sie alle  mit namen kannte, wie die ihr morgens beim melken nach einer unausgeschlafenen partynacht mit einem dreckigen kuhschwanz durchs gesicht fuhren, wenn sie unwirsch mal rasch ohne die notwendige einfühlung ans werk gehen wollte ... - "das merkten die - und sie wussten das ganz genau" ...
die kuh - das echte sensibelchen ... - und vielleicht auch die solitär-buche, die sich nach kumpels sehnt ...