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vernutzung - das ist bitter



Kritik an digitalem Führerbunker

Virtuelle Realität: Entwickler wollen mit einer Doku anschaulich machen, warum nichts an den „jämmerlichen“ letzten Tagen der NS-Führung zum Mythos taugt

Von Björn Vahle

Warum sollte man einen Ort erlebbar machen, an dem Menschen unvorstellbare Ängste litten? Und genauso unvorstellbare Gräueltaten begingen? Mit „Führerbunker VR“ soll genau das möglich werden. Das Virtual-Reality-Projekt soll eine am Computer begehbare, historisch authentische Dokumentation werden. Kann das funktionieren?

Die erste Frage an den Macher lautet entsprechend: Was soll das? Martin Schwiezer muss sie wiederholen, scheint aufrichtig überrascht: „Was das soll? Es geht uns um die Aufarbeitung eines Stücks Geschichte, das es verdient, entmystifiziert zu werden,“ sagt der Projektleiter beim Entwickler NordVR. Soll heißen: Nichts an den den letzten Tagen des Nazi-Regimes taugt „auch nur im
Entferntesten“ zur Glorifizierung. „Die haben in Miniräumen zehn Meter unter der Erde gesessen, bei flackerndem Licht und Artilleriebeschuss. Und irgendwann erst ihre Hunde, dann die Kinder, und zuletzt sich selbst umgebracht.“

Die Software-Entwickler aus Hannover kommen in Teilen aus der Games-Branche. Auch Schwiezer, 47, hat früher Spiele entwickelt. „Führerbunker VR“ sei aber keineswegs so konzipiert, das ist ihm wichtig. Das Prinzip ist simpel: Mit der VR-Brille auf dem Kopf soll man als Besucher die Gänge und Räume des Luftschutzbunkers unter der Reichskanzlei erkunden. In hochauflösender Grafik und
historisch möglichst authentisch bauen die Entwickler den Komplex nach, SS-Poster und Notizblock Hitlers inklusive. Auch die Geräuschkulisse mit Artilleriebeschuss und Resten von Gefechtslärm soll im fertigen Produkt zu hören sein.

»Mit Virtual Reality 
wird Geschichte 
nicht erfahrbar«

Das Büro des „Führers“ ist dabei, wo Hitler sein Leben und das von Eva Braun beendete. Auch das Familienzimmer, in dem Magda Goebbels ihre Kinder umbrachte, lässt sich erkunden. An Interaktionspunkten kann dann der dokumentarische Teil des Projektesausgelöst werden. Aktiviert man einen von ihnen, beginnt ein Erzähler, die Geschichte, die einen im jeweiligen Raum umgibt, zu
berichten.

Erst dann bevölkert sich der Bunker. Grundsätzlich trifft man hier erst einmal niemanden. Erst an den Interaktionspunkten erscheinen dann holographische Abbilder der Personen, die am jeweiligen Ort gehaust haben. So soll, wenn Schwiezers Plan aufgeht, jederzeit der dokumentarische Charakter der Erfahrung im Vordergrund stehen. „Ich glaube, wenn man das hautnah erlebt, dann bleibt einem das Erbärmliche, das Grausame, das Menschenverachtende in Erinnerung.“

Die Mystifizierung, glaubt er, rührt eher von Unkenntnis. „Da kann man am besten gegen angehen, indem man darüber aufklärt.“ Das Wort Führerbunker suggeriere eine pompöse Anlage, „doch das genaue Gegenteil ist ja der Fall“, sagt Schwiezer. Deshalb hält er, der mit NordVR sonst interaktive Showrooms und VR-Simulationen für Industriekunden entwickelt, die virtuelle Realität auch für
das richtige Medium für diese Doku.
Das sieht allerdings nicht jeder so. Michael Wildt ist Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität Berlin. Er sagt: „Virtual Reality ist für Spiele sicher klasse, aber Geschichte wird mit ihr nicht erfahrbar.“ Wildt will nicht verhehlen, dass „ich als Wissenschaftler ein Projekt, das den Führerbunker erlebbar machen will, ablehne“. Geschichte sei eben vergangen. Außerdem bezweifelt er, dass eine historisch korrekte Darstellung überhaupt möglich ist. 
„Wir haben nur wenige Dokumente zu dem, was in der Vergangenheit geschehen ist, die, je nach Fragestellung, stets einen nur begrenzten Blick auf das Vergangene möglich machen.“
Ähnlich äußert sich auch der Münchner Historiker Sven Keller. Er ist Leiter der Dokumentation Obersalzberg, dem Museum in Hitlers Feriendomizil und zweitem Regierungssitz der Nazis. Er sei „ein bisschen entsetzt“, sagt er, wobei man seiner Stimme anhört, dass das „bisschen“ wohl der Höflichkeit geschuldet ist. Eigentlich sei es natürlich ein gutes Ansinnen, das Thema zu beleuchten.
Aber eine Geschichtsvermittlung mit VR-Brille sei „für dieses Thema denkbar ungeeignet“ und komme eigentlich nicht in Frage. Das Problem, sagt er, liege in der Emotionalisierung. „Man versetzt Menschen in die Situation, sich an diesem Ort bewegen zu können.“ Da stehe der Gruselfaktor und die Faszination für Hitler der Inhaltsvermittlung im Weg, es bestehe die Gefahr, dass der Benutzer
überwältigt werde. Dass die Entwickler sich auf Augenzeugenberichte beziehen wollen: auch keine gute Idee. „Die sind hochproblematisch, weil notorisch unzuverlässig.“

Der Druck für die Entwickler wird also nicht kleiner. Denn in gewisser Hinsicht hat sogar der Steuerzahler ein Interesse daran, dass aus der Arbeit in Hannover etwas Vorzeigbares hervorgeht. Immerhin unterstützt die Medien-Förderung Nordmedia, zu drei Vierteln in der Hand der Bundesländer Niedersachsen und Bremen, das Projekt – mit 60.000 Euro. Schwiezer versteht das eher als Signal, dass sein Team auf dem richtigen Weg ist. Denn: „Denen war natürlich wichtig, dass das keine Hobby-Interpretation ist, sondern historisch fundiert.“

Schwiezer kann die Kritik der Historiker in Teilen nachvollziehen. Der Schrecken der NS-Zeit soll aber nicht dazu dienen, aus seinem Projekt eine Art „Nazi-Geisterbahn“ zu machen. Die virtuelle Realität sorge gerade durch die Erlebbarkeit dafür, die Gesamteindringlichkeit des Themas zu veranschaulichen. Dennoch ist ihm klar: „Wenn das ganze Thema in auch nur einer Disziplin –
technische Umsetzung, mediale Inszenierung oder historische Authentizität – die gesetzten hohen Ansprüche nicht erfüllt, dann hat das ganze Projekt sein Ziel verfehlt.“

Die Dokumentation „Führerbunker VR“ soll spätestens Anfang 2020 erscheinen und lässt sich sowohl mit als auch ohne VirtualReality-Brille am Computer starten.

Hintergrund 
„Tatsächlich ist das Wissen über den Aufbau des Bunkers öffentlich zugänglich, wenn auch teilweise sehr fragmentiert, so dass man Details und Widersprüche selbst durchleuchten muss. Hierzu arbeiten wir mit Historikern zusammen“, erklärt Entwickler Martin Schwiezer. Die sollen die Arbeit von NordVR penibel kontrollieren und auf mögliche Probleme hinweisen. Das Team hat außerdem bekannte Augenzeugenberichte, beispielsweise von Hitlers Sekretärin Traudl Junge, Fotos der Alliierten und vor der Sprengung des Bunkers ausgewertet.
Text und Bild: NEUE WESTFÄLISCHE - Dienstag, 5.Februar 2019 - Kultur/Medien

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Die fiktionale Vernutzung des Holocausts wird zunehmen. Dem muss die Gesellschaft mit kritischem Geschichtsbewusstsein entgegentreten. (Quelle)
eine "fiktionale vernutzung" hat norbert frei, professor für neuere und neueste geschichte an der universität jena, das genannt, was nun verstärkt auf uns zu kommen wird: die vermarktung des nazi-regimes als ruck-zuck-"event" im internet - und mit ihr einhergehend ein aufweichen der gedenk- und erinnerungskultur zu einer vorübergehenden augenblicksaktion - ohne jede nachhaltigkeit und ohne tiefgang.

von einer durch smartphones und internet-games "verseuchten" und abgerichteten jugend kann man aber vielleicht auch gar nichts anderes mehr erwarten. so "lernt" sie ja auch: in kleinen unzusammenhängenden auswendiggelernten und nur bis zur nächsten klassenarbeit reproduzierbaren kleinst-portiönchen, möglichst noch im multiple-choice-verfahren ... und so wird sie ja auch unwillkürlich in der werbung zu willigen konsumenten herangezogen. 

die dann "für das leben" fit gemacht werden für irgendeinen kurzzeitigen augenblicks-"job" oder gleich nach der hochschule zu solch einem förderungswürdigen "start-up"-gedöns - wo sie dann - abgeschieden und abgespalten von dem, was einstmals "persönliche authentizität" genannt wurde - ohne jede "persönlichtkeits"-entwicklung - nur noch halbherzig "auf arbeit" fährt bis zum nächsten freizeit-event am abend und am wochenende - oder bis zum click auf den 3-d-führerbunker...: alles wird als vorübergehend ("es geht alles vorüber - es geht alles vorbei ...") vermittelt - wie auch ebenso häppchenweise die "news" - eben wie alle derzeitigen "ereignis-' und 'trend'säue', die durch's globale dorf getrieben werden",  um im nächsten moment platz zu machen für die dann nachfolgende 'sau' usw. -  in dieser unserer neoliberalen turbokapitalistischen völlig von (a)sozialen netzwerken zum andauernden konsum gestalteten zeit...

da ist es schwer, wirkliche im kern "berührende" fakten zu vermitteln - und "geschichte" erfahrbar zu gestalten ... - aber zu einer echten authentischen "wahr"nehmung gehört ja auch wirklich etwas als "richtig" einzuordnen und als bleibende "erfahrung" richtungsweisend auf dem eigenen internen "navi" abzuspeichern. 

mit einem vorüberrauschenden geisterbahn-besuch im virtuellen führerbunker als bespaßung wird man die geschichte von 1933 - 1945 nicht be- oder aufarbeiten können - dort will man ja nur damit "spielen" ...

man wird sich mit solchen virtuell begehbaren "events" vielleicht die inzwischen leider schon obligatorisch gewordene klassenfahrt nach auschwitz aus kostengründen ersparen wollen: aber auch zu auschwitz haben inzwischen ja schüler die erwartungshaltung entwickelt, endlich mal "krass" und "voll geil" selbst zu sehen - "äeei - was da wirklich los war" ...

aber diesen derzeitigen bewusstheits-status darf man wohl nicht nur den (a)sozialen netzwerken allein anlasten, diesen zustand muss man auch den ohnmächtig vor sich hin taumelnden elternhäusern mit in die schuhe schieben, die sich ja, um eigenen "fehlern" aus persönlicher unsicherheit aus dem weg zu gehen, die "erziehung" ab dem 2./3. lebensjahr des kindes überhaupt dem tv und dem internet und den medien und der kita und dann der schule überhaupt überlassen und übergeben haben, damit die eigene "karriere" entwickelt werden kann und das häuschen und das wohnmobil auch fristgerecht und kostengünstig abbezahlt werden können.

ein "virtueller führerbunker" wird dann rasch eine innermoralische umkehrung bei manchen wenig gefestigten menschen auslösen: viele konsumenten dieses events werden plötzlich zutiefst mitleid empfinden für den "führer" und seinem schicksal oder mit der familie goebbels ... - ja - "endlich zeigt man auch mal, was die zu ertragen hatten" - das wird das resümee sein: und die pseudo- und echten rechten werden diese neuen pilgerstätte im netz für sich vereinnahmen und entsprechend downloaden - und werden ihre schwarze krawatte zurechtrücken vor mitleid und falscher empathie: solche virtuellen nachstellungen wird der afd-höcke vielleicht gemeint haben, als er von der "180°- kehrtwendung der erinnerungskultur" schwadronierte ...

und wie war das doch neulich schon bei einer zeitzeugin, die vor einer schulklasse von der über-nacht-deportation in den tod einer jüdischen nachbarsfamilie berichtete - und deren hunden, mit denen sie seinerzeit als kleines mädchen gespielt hatte - als die schüler dann nur voller mitleid fragten: " ... und was ist aus den beiden armen hunden geworden ???" ...

kritisch zu dem artikel will ich aber auch bemerken: 
dass er meiner meinung nach doch auch alle kriterien zu einem "viralen marketing" erfüllt ... (s.d.)
und nix für ungut - und chuat choan