"
Posts mit dem Label Olafur Eliasson werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Olafur Eliasson werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

der kunstmarkt - das bist du & ich...

Kunstmarkt

Schluss mit dem Kult der Exklusivität!

Die Kunstwelt muss endlich demokratisch werden. Ein Aufruf zum Neuanfang – für Künstler und Betrachter

Ein Gastbeitrag von Stefan Heidenreich und Magnus Resch

DIE AUTOREN
  • Stefan Heidenreich unterrichtet Medientheorie an der Universität Basel und lebt in Berlin.
  • Magnus Resch ist Gründer der Magnus-App, Professor für Kulturmanagement und lebt in New York .

Die Kunst ist in einer Sackgasse. Seit Jahren wächst die Abhängigkeit vom Markt und von den großen Sammlern. Und so bleiben im Grunde nur zwei Alternativen: Entweder die Kunst verliert sich in einem Kult leerer Exklusivität – oder aber sie wendet sich dem Publikum zu.



Damien Hirsts berühmter Diamantenschädel mit dem Titel "For the Love of God" © Reuters - ZEIT


Die Stimme der Betrachter ist in den letzten Jahrzehnten überall stärker geworden. Mittlerweile sind es alle gewohnt, sich den eigenen Kulturgebrauch jederzeit nach eigenen Vorlieben zusammenzustellen. Dass die vielen Stimmen sich äußern und wahrgenommen werden, hat viel mit sozialen Medien und Online-Plattformen zu tun. Wie nie zuvor wird kommentiert, bebildert, gelikt und geteilt.

Nur in der Kunst ist die neue Souveränität der Betrachter noch nicht angekommen. Sie lebt weiter in ihrer alten Welt, nach wie vor entscheiden allein Kuratoren, was in den Ausstellungen gezeigt wird. Wenn es hoch kommt, zählt man die Besucher. Ihre Ansichten interessieren nicht.

Hinzu kommt, dass die meisten Ausstellungen heute auf die Unterstützung von Galerien und von Sammlern angewiesen sind, sodass öffentliche Institutionen und Großevents wie Biennalen vieles von dem zeigen, was der Geldelite gefällt und von dieser gekauft wird. Manchmal kann es einem vorkommen, als seien die Museen zu einer Dauerwerbesendung für den Kult der großen Preise verkommen.

Dabei wäre es nicht schwierig, dem Publikum mehr Mitsprache einzuräumen. Sobald die Betrachter erst merken, dass sie nicht nur die Vermögenswerte anderer bestaunen sollen, sondern mit ihrer Stimme entscheiden können, was sie für sehenswert halten und was gezeigt werden soll, werden sie die Kunst wieder als ihr eigenes Anliegen wahrnehmen. Als eine Kulturform, an der sie selbst beteiligt sind, für die sie sprechen können, die auf ihre Stimme hört und die umgekehrt auch für sie spricht.

Unternehmen wir also den Versuch, die öffentlichen Institutionen der Kunst demokratischer zu gestalten. Wir fordern:

Besucher, wählt aus, was sehenswert ist! 
Der erste Aufruf richtet sich an alle, die gerne Kunst anschauen und gemeinsam entscheiden wollen, was ausgestellt wird. Sucht Gleichgesinnte, und entscheidet mit, was ihr für sehenswert haltet! Die Demokratie der Kunst muss nicht auf eine Diktatur der Mehrheit hinauslaufen. Wir können viele verschiedene Kunstformen von vielen verschiedenen Betrachtern auswählen lassen. Nur so wird Kunst wieder zu etwas, das nicht dem Markt dient, sondern unsere eigenen Interessen abbildet und wiedergibt. 
Künstler, mobilisiert eure Fans! 
Der zweite Aufruf geht an die Künstler: Verlasst die Sackgasse des Marktes. Verweigert dem Kult der Exklusivität euren Dienst. Wartet nicht darauf, "entdeckt" zu werden. Wendet euch den Betrachtern zu. Löst euch von den Formzwängen der Moderne: Wir brauchen keine Werke, die es nur einmal gibt. Vergesst die Aura, diese jämmerliche Marketing-Lüge des Exklusiven. Macht Kopien, ahmt nach, mischt neu, sampelt. All das, was in der Musik längst geht, steht auch Künstlern frei. Nutzt die Freiheiten der Kunst! Sie sind ein Recht, das es zu verteidigen gilt. 
Kuratoren, belebt eure leeren weißen Kuben! 
Werdet Teil eines institutionellen Ökosystems, in dem Betrachter der Kunst Bedeutung geben. Belebt wird Kunst nicht durch Vermittler, Experten und Sammler, sondern durch die vielen Stimmen, die dazu etwas sagen wollen. Hört auf sie! Gebt ihnen ein Echo! Gebt ihnen Raum! 
Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt! 
Die große Menge möglicher Käufer wird vom Kult des Exklusiven vor den Kopf gestoßen. Und um diese vielen kleinen Sammler können sich die Galeristen in ihrem nomadischen Gehetze von Messe zu Messe nicht kümmern. Diese Kunstliebhaber, die Kunst nicht als Investment, sondern aus Begeisterung kaufen, müssen wir erreichen, an neuen Orten, mit Apps und Plattformen. Kunst ist keine Geldanlage, Kunst ist erschwinglich. Wir brauchen einen Kunstmarkt für die vielen und nicht nur für einige wenige.
Ob das der Kunst guttut? Aus Sicht der herrschenden Experten wohl kaum, denn das Urteil der vielen wird mit ihrem eigenen nicht unbedingt übereinstimmen. Zu Recht fürchten sich Künstler, die Jahrzehnte in Netzwerke von Sammlern und Kuratoren investiert haben, vor dem Publikum. Kuratoren schrecken vor dem Kontrollverlust zurück, wenn in ihren Räumen plötzlich Betrachter mitreden sollen.

Wir werden eine ganz andere Kunst bekommen, weil sie sich an ganz andere Bedürfnisse richtet und ihre Anerkennung im Publikum sucht. Sollte es gelingen, die Kunst demokratisch neu zu beleben, werden am Ende alle etwas davon haben. Die Betrachter, die mit den Werken wieder etwas anfangen können. Die Künstler, die wieder Anerkennung finden, auch außerhalb der kleinen Szene, auf die sie jetzt zurückgeworfen sind. Die Sammler, die wieder Dinge von Bedeutung erwerben können. Wir glauben an die Kraft der Kunst. Befreien wir sie vom Kult des Exklusiven und öffnen sie den vielen, die Kunst lieben.

Quelle: click here 

_______________________________________________________________

Kunstmarkt

Kunst für alle? Ja, aber nicht so!

Eine Erwiderung

Ein Kommentar von Christian Kaspar Schwarm


  • CHRISTIAN KASPAR SCHWARM ist Gründer der Online-Plattform Independent Collectors und wurde dafür 2019 mit dem Art Cologne-Preis für Kunstvermittlung ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.

Vorige Woche erschien in diesem Feuilleton ein Appell: Unter dem Titel "Schluss mit dem Kult der Exklusivität!" riefen Stefan Heidenreich und Magnus Resch die Kunstwelt dazu auf, "endlich demokratisch" zu werden. Ich entgegne: Unbedingt, aber nicht so!



Die Kunstwelt hat sich doch längst auf Publikumswünsche eingestellt. Zum Beispiel mit Werken von Olafur Eliasson. © Timothy A. Clary/​AFP/​Getty Images - ZEIT

Die beiden Autoren beschreiben einen Kunstmarkt, der immer abhängiger wird von sehr wenigen Sammlern, Händlern und Strippenziehern. Und es stimmt, der globale Kunstmarkt befindet sich in einer unguten Konzentrationsbewegung, immer mehr Macht bündelt sich in den Händen immer weniger Akteure. Doch was folgt daraus?

Resch und Heidenreich fordern, das Publikum solle künftig auswählen, was in den Museen gezeigt wird. Keine Elitenkunst mehr, dafür das, was die "eigenen Interessen abbildet und wiedergibt". Diese Forderung ist schon deshalb erstaunlich, weil sie vielerorts längst umgesetzt wird: Kaum ein Museum erlaubt sich heute noch, Ausstellungen zu konzipieren, ohne auf die erwarteten und tatsächlich erzielten Besucherzahlen zu schielen. Im Fernsehen nennt man das "die Quote", und die allgemeine Quotenhörigkeit hat keineswegs dazu geführt, dass das TV-Programm in den letzten Jahrzehnten besser wurde. Es ist, ganz im Gegenteil, so fad, dass sich innovative Streamingdienste wie zum Beispiel Netflix den größten Teil der jungen Zielgruppe wegschnappen – durch inhaltliche Qualität.

Auch die Forderung, die Künstler sollten endlich das große Publikum für sich erschließen – "Wendet euch den Betrachtern zu" –, kommt mir einigermaßen absurd vor. Wer wartet denn heute noch im stillen Kämmerlein darauf, "entdeckt" zu werden. Fast alle Künstler präsentieren sich auf eigenen Websites und in den sozialen Medien. Auch hier nicht nur mit guten Folgen, schließlich weist die Anzahl der erzielten Likes nicht zwingend den Weg zu einer erfolgreichen Kunstproduktion.

Ähnliches gilt für die Kuratoren, auch sie verschließen sich nicht in elitären Zirkeln, sondern suchen das große Echo: Ich entdecke auf meinen Reisen immer mehr interaktive Formate und ausgesprochen zugängliche Formen der Kunstvermittlung.

Wenn man sich also in der Kunstwelt umschaut, erkennt man rasch, dass sie keineswegs so selbstbezogen ist, wie Heidenreich und Resch es darstellen. Im Gegenteil, sie versucht das Publikum einzubinden, Partizipation wird in den meisten Museen groß geschrieben. Die Frage ist nur, was das eigentlich bringt.

Leider wird ja die Kunst kein bisschen demokratischer, wenn wir ihre Inhalte verallgemeinern. Sie wird nur eines: flacher. Übertragen auf unser Bildungssystem, hieße das, was Heidenreich und Resch planen, einfach die Bildungsstandards radikal zu senken, um endlich mehr Menschen ein Abitur oder einen Hochschulabschluss zu ermöglichen. Das aber sähe nur vordergründig nach mehr Demokratie aus, denn die Wohlhabenden einer Gesellschaft fänden gewiss immer Wege, sich weiterhin hochklassig auszubilden. Statt die Kluft zwischen den unterschiedlichen Milieus zu verkleinern, wäre sie am Ende nur noch größer – und noch zementierter.

Das Gleiche droht, wenn wir den Vorschlägen von Heidenreich und Resch für die Kunstwelt folgen. Es würde gerade nicht dazu führen, dass die Masse der Kunstmarkt-Elite eine wie auch immer geartete, "volksnähere" Kunst aufzwingen könnte. Vielmehr würden sich die Ungleichheiten noch verstärken.

In der Bildung wie in der Kunst muss die Lösung darin liegen, mehr und mehr Menschen für die lohnende Herausforderung zu begeistern, sich auch mit anspruchsvolleren Inhalten auseinanderzusetzen. Aktive, persönliche Beschäftigung mit Kunst darf dabei nicht – wie von Resch und Heidenreich getan – auf reines Konsumverhalten heruntergebrochen werden. Sie gleicht vielmehr dem Erlernen eines Instruments: Die Freude entsteht beim Spielen. Und es ist doch das Neue, das Unbekannte, das noch Ungelernte, das uns Menschen wachsen lässt. Das ist es, was wir all jenen erzählen müssen, die noch gar nicht ahnen, was gute Kunst mit ihrem Seelenleben anstellen kann. Ich fürchte, Stefan Heidenreich und Magnus Resch zählen dazu.

Quelle: click here 


________________________________________________________________


ach - wer bin ich denn, dass ich mich hier mit diesem thema zum schiedsichter aufplustern würde. das ist so wie der volksmund sagt: die einen sagen so, die anderen sagen so: resch & heidenreich sagen so, und schwarm sagt so - und beide parteien betreiben eine "app" oder eine "online-plattform" und schreiben sicherlich auch zu diesem thema, um sich clicks abzuholen - also nur bedingt selbstlos... - und unrecht haben ja beide nicht.

insofern sind beide aufsätze sicherlich auch "ein stück weit" pr-arbeit in eigener sache...

ich war vor ein paar tagen in münster im dortigen lwl-museum, und habe mir nach dem obligatorischen geduldsfaden in der warteschlange die dortige turner-ausstellung angeschaut: joseph mallord william turner (1775-1851) "horror and delight", mit seinen flauschig-wattigen licht-schatten-landschaften wie auf schwülstig-alten theater-bühnenbildern, wie extra betonte kulisse: oftmals "riesen-schinken" - aber dann auch wieder kleine exquisite aquarelle unter gedämpfter beleuchtung - eine ausstellung in kooperation mit der "tate"-gallery im brexit-erwartungsland.



licht und farbe (goethes farblehre) -
der morgen nach der sintflut -
mose schreibt das buch genesis -
j.m.w. turner, 1843 . (handyfoto von sinedi in münster)
von daher war es schon auch etwas besonderes, hier auf dem europäischen festland diese kunst zu schauen - wer weiß wann und ob das wieder einmal geht.

und als kunstbanause hätte ich mir vor allem bei den "see-stücken" oft einen vergleich gewünscht - ein gegenüber - vielleicht mit dem hier in ungnade gefallenen expressionisten emil nolde, der hier im norden deutschlands 100 jahre später mit wesentlich kräftigerer palette und grober und abgehackter sein innerstes expressionistisch auf die leinwand bannte.

und während der "romantiker" turner schon von jugend auf mit der "royal academy" auf du und du stand, musste nolde ja 100 jahre später immer um die gunst der jeweils auch regional "herrschenden" und des publikums rundherum buhlen - und musste sich dazu anbiedern und seine biographie je nach gusto verknoten und verschränken...

in der ländlichen heimatgegend von nordfriesland und süddänemark gab es
emil nolde: brecher, 1936 - das abgehängte bild aus dem
kanzlerin-büro
nach kunst von haubarg zu haubarg wenig nachfrage - und deshalb suchte nolde anschluss an die salons und galerien in berlin und hamburg.


und doch haben beide künstler immer auf ihre art und weise landschaft und (un)wetter und sturm und sonnenuntergang und sonnaufgang prachtvoll festgehalten - jeder auf seine "art" - jeder in seiner "kunst"...

ja - warum will ich die beiden gegenüberstellen: mir ging es in der turner-ausstellung zu "schön" und zu "geleckt" zu, alles war fast photographisch korrekt in gedeckten farben und ganz hauchzart hingetupft und wie in einem bebilderten tagebuch festgehalten. hinzu kamen zwar auch ein paar "ungegenständliche" nuancen oder wirbel und strömungen, die wohl eher der psyche des mr. turner geschuldet waren, vielleicht war es aber auch schon zu der zeit sein "verkaufs-gag", seine "marke", die er setzte.

nolde hatte da ja eher einen groben pastös grellen farbaufstrich - und trotz seiner
sinedi.art: venedig
anbiederei an den nationalsozialismus geriet er damit auf das abstellgleis und wurde als "entartet" aussortiert - und bekam auch vielleicht tatsächlich ein "malverbot" aufgebrummt - vielleicht war das aber auch nur eine "vertelleken" für die verkaufserlöse nach dem krieg und der nazi-zeit gut ausgedacht...


in der diskussion von oben war turner wohl eher der publikumsabgehobene, darüber hinwegschwebende selbstbezogene "royal-academy"-künstler, mit verbindungen zur "national-gallery" und den feinen top-museen - während noldes kunstproduktion wohl eher bodenständig ja mit kleinen postkarten anfing und dem dazugehörenden "klinkenputzen" vor ort - und dann rasch da oben im norden für das rauhe nordseeklima seinen unverwechselbaren stil entwickelte, aus dem noch kräftig die ölfarben nachdampften - und der die kunstsammler in den metropolen verblüffte mit seiner holzschnittartigen farbigkeit.


sinedi.art: eine lese meiner "werke" (= jeder ist künstler)
click here
wie gesagt - die diskussion oben, wie man heute "kunst" am besten und am zeitgemäßesten etabliert, damit das publikum davon auch etwas hat, ist für mich einfach "unentscheidbar"... - "jeder nach seiner facon"... - und noldes kraft-protz-bilder bilden sich in mir eher ab als turners photo-wisch im gewitter-blitz, wie ein kurzes blitzlicht - und dann wieder dunkelheit und grollen...

am besten aber geht es mir damit, wenn ich selber kreativ werde nach der methode "beuys": "jeder ist künstler" - "alles ist kunst"... - dann brauch ich kein museum, keine agentur, keinen kurator dann muss ich auch nicht auf preise schielen, dann entscheidet ganz still der betrachter in meiner sinedi-gallery vorm pc oder auf dem smartphone was er mag oder nicht mag - was er herunterlädt für seine wand oder weiterverschickt an freunde und bekannte...

und "barrierefrei" und "kostenlos" sind auch ein hohes gut in dieser zeit: ganz natürlich und urmenschlich...

IN REAL LIFE . OLAFUR ELIASSON




ein genaues physikalisches und biologisches wahrnehmen und ein abstimmen dieser phänomene aufeinander benötigt es, um die kunst des olafur eliasson zu entwickeln und zu installieren.
diese kunst genießen ist immer ein augenschmaus und ein "trip" ganz ohne jede halluzinogene substanzen - sondern mitten ins leben - "in real life".


und ein ttt-beitrag aus 2014 zum gleichen thema

fjordenhus vejle - danmark

Auf Wasser gebaut. Gemeinsam mit seinem langjährigen Architektenpartner Sebastian Behmann schuf Olafur Eliasson im dänischen Vejle das „Fjordenhus“ für das Unternehmen Kirk Kapital. Foto: Anders Sune Berg
Licht und Stein

Olafur Eliasson schenkt der dänischen Hafenstadt Vejle ein architektonisches Wahrzeichen

Von Falk Jaeger | Tagesspiegel

Wie eine Renaissance-Wunderkammer, vollgestopft mit Bildern, Modellen, Artefakten, Materialproben mutet das Studio des dänischen Künstlers Olafur Eliasson auf dem Pfefferberg in Berlin an. In der 1907 erbauten Flaschenabfüllerei, einem viergeschossigen Backsteinbau nach Art eines florentinischen Palazzos, arbeiten 120 Mitarbeiter, Künstler, Architekten, Handwerker und Medienspezialisten, erforschen geometrische Objekte, Farb- und Lichteffekte, produzieren die Kunstwerke und erarbeiten Baupläne, Ausstellungen, Medienpräsenz und Bücher.

Wenig überraschend, dass es den Universalkünstler auch reizt, sich mit Architektur zu beschäftigen, da er sich mit geometrischen Strukturen und deren Erscheinung auseinandersetzt und häufig im Kunst am Bau-Bereich unterwegs ist. Zur Planung und Abwicklung von Bauaufgaben hatte Eliasson 2014 gemeinsam mit seinem langjährigen Architektenpartner Sebastian Behmann eine eigene Firma gegründet, Studio Other Spaces, die den Part des klassischen Architekturbüros übernahm. Nun ist der erste Bau aus dieser Konstellation entstanden, und es ist ein bemerkenswertes Baukunstwerk geworden.

Die dänische Hafenstadt Vejle an der Ostküste Jütlands ist Sitz des Investmentunternehmens Kirk Kapital, einer Familienstiftung des LEGO-Imperiums, das in Immobilien investiert, zum Beispiel am Hafen von Vejle. 


Internet-Auftritt-Titel von KIRK-KAPITAL

Der Auftrag für Eliasson, für Kirk Kapital ein Verwaltungsgebäude zu errichten, kam über persönliche Kontakte zum Bauherrn zustande. Wie in vielen Küstenstädten ist das Hafenareal einem radikalen Wandel unterworfen und wird in ein privilegiertes Wohngebiet konvertiert. Landaufschüttungen schufen Platz für ein neues Stadtquartier, Wohnungsbau, eine Marina, ein Freibad und einen Kanu-Club. Eliassons „Baugrundstück“ liegt im Wasser, im Hafenbecken im Vejle Fjord.

Der Neubau erhielt den Namen Fjordenhus und wurde zum städtebaulichen Fanal. Die Großform entstand aus geometrischen Überschneidungen von vier Zylindern und 29 von oben und unten hineingesteckten kleineren, leicht konischen Zylindern. Dadurch ergeben sich parabelförmige Ausschnitte als haushohe Fensteröffnungen. Eliasson und Behmann korrigieren das idealgeometrische System hier und da für räumliche Optimierungen, um Aus- und Einblicke zu erweitern oder technische Funktionen besser unterbringen zu können.


Bildcollage Kirk Kapital Headquarters - Bildquelle: © 2019 Transsolar Energietechnik GmbH


Entstanden ist eine geometrische Großskulptur, die dennoch architektonische Assoziationen weckt, von Wasserburg über Donjon und venezianischem Palazzo bis zum Hafensilo. Es ist kein hermetisch wirkendes Haus, das sich im unteren Bereich in Pfeiler auflöst. Über einen schmalen Steg schlendern Spaziergänger ins offene Erdgeschoss und schauen den Kajakfahrern des benachbarten Klubs zu, die in den Türmen herumpaddeln. Die drei Obergeschosse beherbergen ein Casino, fließende Räume für Büros und durch eindrucksvolle, gewölbte Glastüren abgeteilte Besprechungsräume und Chefbüros. Bis auf die Stühle hat Eliasson die gesamte Inneneinrichtung entworfen. Sein Stil ist zurückhaltend, fast bescheiden, doch spürt man, dass beim Bau Budgetgrenzen eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Die gerundeten Formen und Parabeln der Fassade und Innenwände wurden in sorgfältiger Handwerksarbeit gemauert. Keine leichte Arbeit für die Handwerker, sind doch im ganzen Haus keinerlei gerade Wände anzutreffen. Allein von den unglasierten dänischen Kohlebrandziegeln wurden 15 verschiedene Farbtöne ausgewählt und in gemischter Sortierung verbaut. Zwischengestreut auf vorher genau festgelegte Positionen kamen Sonderziegel mit farbig glasierten Längsseiten in verschiedenen Farben hinzu, im wassernahen Bereich mehr grüne Töne, zum Himmel hin mehr blaue.

Wer davon weiß, kann an einer Stelle im Erdgeschoss auf halber Höhe einen einzelnen, schwarzglänzend spiegelnden Stein sehen. Er wurde bei einem Besuch während der Bauzeit von Königin Margarethe II. gesetzt. Hier und da bleibt das Auge an „Webfehlern“ hängen. Mal sind einzelne Steine senkrecht eingesetzt, mal sind es größere rechteckige oder quadratische Formate, hier und da sogar kreisrunde Ziegelplatten. Auch diese das perfekte Erscheinungsbild störenden Unkorrektheiten sind akribisch geplant. Die farbigen Sonderziegel, die Wasserspeier, die Rund- und Quadratformate sind in der traditionsreichen Ziegelmanufaktur Glindow bei Berlin gebrannt worden, die sich auf Sonderanfertigungen spezialisiert hat und hauptsächlich Denkmalpflegeprojekte beliefert.

Schwer zu sagen, was mehr beeindruckt: das Raumerlebnis mit den Ausblicken Richtung Stadt und Hafen oder die atmosphärisch wunderbar gestimmten Räume, deren Materialität und Inneneinrichtung Gediegenheit und künstlerische Subtilität ausstrahlen. Zur Wirkung kommen nur wenige Naturfarben und das Licht, das natürliche wie das durch den Lichtkünstler modulierte. Denn selbstverständlich fanden einige Kunstwerke Eliassons im Haus ihren Platz: „Der Innere Himmel“, eine lamellierte Sonnenkugel im Lichtdom des Obergeschosses, die von oben durch einen der Sonne folgenden Heliostat-Spiegel belichtet wird, oder „Fjordwirbel“, eine wie eine Windhose von der Decke herabwachsende, spiegelbesetzte Metallspirale. Hinzu kommt ein Unterwasserlicht, das geheimnisvoll heraufleuchtet.



Im Endergebnis entstand ein Gesamtkunstwerk. Die künstlerische Grundidee wurzelt im archetypischen Denken. Der Bau besitzt eine Dekorfreude, die auf Ornament verzichtet und das pure Material sprechen lässt. Das Fjordenhus ist ein Einzelfall, eine elitäre Bauaufgabe jenseits ökonomischen Renditedenkens, mag mancher kritisieren. Doch in einer Zeit, wo neue Wohngebiete und Büroquartiere als charakterlose Bauklotzansammlungen wuchern und die Stadtbaukunst zugrunde geht, müssen derlei Glanzlichter der Baukunst mit Wahrzeichenqualitäten höchst willkommen sein.


Das Studio Olafur Eliasson arbeitete auch mit den Architekten Lundgaard & Tranberg und den Landschaftsarchitekten Vogt an einem Masterplan für die gesamte Marina zusammen, hier im Luftbild. - Bildquelle: dezeen.com

Textquelle und Bild oben: Tagesspiegel vom 06.01.2019 - S. 24 - Kultur



ich habe hier mal für euch und für mich ein architektonisch-städtebauliches meisterwerk des künstlers olafur eliasson mit dem "tagesspiegel"-bericht noch mit bildmaterial und video aufgepeppt und erweitert:

in erster linie - weil ich einfach begeistert bin von diesem gesamtkunstwerk - eingebettet in die  gestaltung der "marina" von vejle in dänemark. 

noch heute habe ich einen kurzen bericht über das kunstjahr 2018 im hinblick auf die spektakulären auktions-aktionen vornehmlich bei sotheby's und christie's gelesen: 

450.312.500 us-dollar sind umgerechnet circa 381,6 millionen uro. soviel geld bezahlte ein anonymer bieter in new york für das gemälde „salvator mundi“ von leonardo da vinci - oder aus einer seiner zahlreichen werkstätten von assistenten vielleicht nur unter seiner anleitung auf die leinwand gebracht. es ist wohl auch sehr sehr "eigen-sinnig" von einer an sich gerühmten expertin für den verkauf restauriert worden... 

ein astronomischer betrag also für ein in expertenkreisen umstrittenes werk mit einer ebenso umstrittenen provenienz, aber der das bild trotzdem zum teuersten kunstwerk der welt gemacht hat. doch seit seiner ersteigerung wurde es nicht mehr gesichtet: im "louvre"-museum von abu dhabi in qatar, wo es ausgestellt werden sollte, kam es bis heute jedenfalls nicht an...

und dann zum beispiel diese schredderaktion von banksy - und das von digitalen algorithmen zusammengemixte äußerst hässliche ergebnis eines bildes von verschiedenen von studenten eingefütterten porträtbildern in einen computer, dass dann tatsächlich für mehrere 100.000 dollar versteigert wurde - ich hätte dieses ergebnis tatsächlich lieber schamvoll geschreddert ...

aber daran erkennt man die pure dekadenz, die inzwischen diese welt und auch die kultur zumindest hier und da in den klauen hält: in der "großen politik" mit populisten vom schlage eines trump oder seinen nachahmern in süd- und ost-europa und anderswo - und bei uns - 

oder jüngst auch das in goldfolie eingewickelte steak des m. franck ribéry (video click here): so, dass einem sogar die reine, unschuldige freude an der zutiefst komödiantischen qualität dieses zelebrierungs-videos verleidet wird - mit seinem fast schon künstlerischen symbolwert: da liegt es also ganz bildlich und buchstäblich, das "goldene kalb", um das sich das ganze kicker-gespöke so dreht - und nicht nur dort... ein noch viel schöneres bild für die absurdität nicht nur des business als der vergoldete lamborghini von arsenals pierre-emerick aubameyang. aber alles sicherlich allerbeste "vorbilder" für unsere kinder und jugendlichen ...

doch dann - hier - im totalen gegensatz zu diesen schrägen und dekadent durchgedrehten und verrückten auswüchsen - quasi als kontrapunkt - diese wirklichen, die lebensqualität verändernden und trotzdem die ökologischen gegebenheiten berücksichtigenden tatsächlichen  k u n s t w e r k e  von eliasson und seinen mitarbeitern und partnern ...

ich wünsche uns allen viel freude schon vom puren anblick und den weiteren infos hierzu: denn das ist ja auch im neuen jahr die gewissheit: wo viel schatten ist, kommt ab und zu auch noch ein lichtschein durch die wolken ...