"
Posts mit dem Label ecce homo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label ecce homo werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

geschichtsdesign, -performance und -choreografie

der "spiegel" schreibt in einem artikel über alexander von humboldt: "Der gute Deutsche - wirklich?":
"Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und ihr Kollege David Blankenstein bereiten für das Deutsche Historische Museum – schräg gegenüber der Schlossbaustelle – eine Ausstellung über die Brüder Humboldt vor, im November soll sie eröffnet werden, und sie wird Diskussionsstoff bieten. 
Savoy war 2017 aus dem Beirat des Humboldt Forums ausgetreten, weil sie den Eindruck hatte, im künftigen Schloss solle mit der unkritischen Präsentation ethnologischer Objekte deutsche Kolonialgeschichte beschönigt werden. Sie löste mit ihren Einwänden eine internationale und in Berlin noch nicht verwundene Debatte aus.
Vielen gilt sie seither als Rebellin, vor allem ist die gebürtige Französin aber eine viel beschäftigte Professorin, sie lehrt in Paris und Berlin. Die Einladung des Deutschen Historischen Museums, mit Blankenstein diese Ausstellung zu gestalten, nahm sie dennoch an. Zu verlockend erschien beiden Experten die Möglichkeit, "historische Zusammenhänge, Tatsachen zu repräsentieren und nicht das, was daraus gemacht wurde".
Denn jede Epoche stülpte ihre eigenen Deutungen und Umdeutungen über die Humboldts – die beiden Kunsthistoriker nennen das "Geschichtsdesign". Und sie möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, wie es gelingen könnte, sich von diesen Interpretationen zu emanzipieren." ...

"geschichtsdesign", das ist für mich das stichwort. ich meine das gar nicht despektierlich. und man könnte wohl auch das ganze dem menschen anheimfallende zeitgeschehen, in das er hineingeboren wird, und was ihm seine eltern  und ahnen transgenerational und vielleicht sogar spiegelneuronisch mitgeben und seine jeweilige anpassungen darauf, sein zurechtlegen eines individuellen "normativen lebens", auch als "geschichts-performance" bezeichnen, zu deren gelebter alltäglicher "choreografie-anforderung" er ja eine antwort finden muss - und oft eben ein mit-gehen und abwägen.


lebenslinie - sinedi.@rt


hier im blog habe ich in einem anderen zusammenhang schon einmal definiert: gerade "wir deutschen" - aber auch sicherlich all die "aus"-länder, die in den schrecken der kriege miteinbezogen wurden - haben sich wahrscheinlich alle mehr oder weniger in ihren beteiligten familiengeschichten auch mit "dunklen aspekten", mit schattenseiten, bewusst oder unbewusst auseinanderzusetzen. das problem ist, dass durch verschweigen, durch scham - und schlicht aus unwissenheit und unsensibilität - es oft zu einer vernünftigen aufarbeitung der eigenen herkunfts-familiengeschichte durch schonungslose recherche erst gar nicht kommt.


geschichte-tes - sinedi.@rt
von einem gestalttherapeuten erfuhr ich vor jahren bereits seine definition des wortes: "ge-schichte" gehört: 

  • ge-schichte ist das - wie das wort schon andeutet - in uns aufgetürmte, ge-schicht-ete selbst erfahrene und überkommene, vererbte, weitergegebene, erspürte erleben in uns, das sich als ureigene "erfahrung" wie jahresringe über- und durcheinander "schichtet", verstrickt und verkettet und uns individuell prägt und unser verhalten bestimmt - "bis ins 3. und 4. (generations)glied" - wie die bibel in "exodus 20" feststellt - eine zeitspanne, die in psychologischen studien zur "trans-generationalen übertragung" in den heutigen zeiten voll bestätigt wird (click = bundestags-drucksache der 'wissenschaftlichen dienste' zu diesem thema).


und auch nach dem grimm'schen wörterbuch gibt es noch im mittelhochdeutschen eine heute verloren gegangene bedeutung von "schicht" als synonym für "ge-schichte":
schicht, ableitung von ahd. scehan: sich schicken, fügen, ereignen, das ebenfalls einfach nicht vorhanden, aber in geschehen erhalten ist. In der bedeutung ist "schicht" synonym mit "geschichte" [...].
geschichte durchläuft also "phasen" des geschehens, die der mensch sich in seinem leben zu eigen machen muss - zumindest muss er sich aktiv damit auseinandersetzen - und sie "lagern sich ab" in seinem inneren erfahrungsschatz - und üben durch ihn ihre choreografie in und an ihm aus, als "designs" und "performances".


entscheidung treffen - sinedi.@rt
ich bin jetzt fast 73 jahre alt - und bin ja auch als "linksgrünversiffter" 68-er und als sohn eines diakons und einer haushaltsgehilfin, aber gleichzeitig väterlicherseits auch eines "wehrmachts"soldaten, aber auch als neffe eines mordopfers der ns-euthanasie (vor meiner zeit) - aber dann "bewusst" als zeitzeuge des kennedy-mordes, des vietnam-krieges, des berliner mauerbaus und des falls der gleichen mauer nach 28 jahren und allen fantastischen und unerhörten begleiterscheinungen dazu, und dem flüchtlingsdrama und der wahl von trump zum amerikanischen präsidenten - und der persönlichen ausübung in 7 (sieben) verschiedenen abgeschlossenen berufstätigkeiten in insgesamt fast 50 berufsjahren - (jeweils von der pieke auf) -  und und und... - schon oftmals sicherlich zu "pirouetten" und "purzelbäumen" und zur "schraube rückwärts" in meinem relativ überschaubaren "geschichtsdesign" gebracht worden. -

aber für jede verhaltens-entscheidung gibt es eben tausend andere möglichkeiten - die hat uns unsere uns eingeborene und mitgegebene "freiheit" eingeräumt - und da ist mein eingebautes und mir überkommenes "navi" für "moral" und "gut" und "schlecht" ein guter wegweiser - wenn wir seine inneren signale überhaupt wahrnehmen können - evtl auch als ad-hoc-"bauchentscheidung", wo ja das [!] "ge-schichte-te" eingelagert erscheint.

und da kommt dann unsere jeweilige "antwort" auf die geschehnisse in und um uns herum ins spiel - unsere "ver-antwort-ung" - ja, für mich auch "vor und mit gott"... - also quasi unsere gewählten bewegungsablauf- und entscheidungsantworten auf die jeweiligen situationen im äußeren und inneren uns prägenden hier und jetzt: ecce homo - siehe: ein mensch...

und ob die "zuschauer" im saal nun mehrheitlich nach jeder sequenz dazu beifall klatschen oder doch trampeln und pfeifen oder sich gar zum "standing ovation" aus ihren sesseln erheben für das jeweilig irgendwie aufgestülpte oder gewählte oder verantwortete "design" - und für die performance und die choreografie-"antwort" dazu - das sei mal dahingestellt.

aber wenn wir jetzt beim tödlichen attentat auf fritz von weizsäcker auch über die hintergründe der weizsäcker-familiengenerationen und ihren verstrickungen und lebens"lösungen" und -losungen in den jeweiligen epochen lesen - oder über die anbiederungen an die nationalsozialisten von emil nolde, auch um seiner verkaufsstrategien willen - den weg von herbert ernst karl frahm hin zu willy brandt - oder die balkan-verirrungen eines peter handke - den lebensweg von leonard cohen - und viele andere mehr - so sind das unter vielen anderen "aufführungen" und "darbietungen" unter den jeweiligen zeitlichen und überkommenen umständen eben "perfomances" im blickpunkt, im grellen licht des spots, eines öffenlichen interesses an einer gewissen allgemeinen "prominenz" - einer "elite", die genau beobachtet und bewertet wird und über sie berichtet wird.

und nicht umsonst spricht man ja bei unternehmen und behörden oft "körper-schaften", weil sie eben im großen und ganzen ebenso funktionieren und ticken wie einzelwesen - und sich, um zu überleben, auch kollektiv anpassen müssen an den jeweiligen zeitgeist (wir haben das gehört von bahlsen, krupp, benteler und anderen mehr - aber auch bethel sowie anderen "heilanstalten" von früher: denn "zeit = geld" - und ist der ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert...

aber wie der einzelmensch sollte auch die "körper-schaft" sich ihrer jeweiligen vergangenheit und verantwortung bewusst werden und schonungslos aufdecken und als feste "lebenserfahrung" integrieren in den heutigen werksalltag - die obligatorische gedenktafel - und dann den abspaltungs-haken dahinter - das ist da zu dürftig.

macht et jut - un nix für ungut - chuat choan...


hier geht's lang - sinedi.@rt




"ecce homo" - siehe, ein mensch...

Ecce Homo, 1871 - Antonio Ciseri (1821-91) - Öl auf Leinwand
Betr.: Doppel-Literatur-Nobelpreise





Die Stock­hol­mer Jury mag sich er­neu­ert ha­ben und ge­läu­tert, sie mag trans­pa­ren­ter auf­tre­ten, so­gar jün­ger ge­wor­den sein – in ei­nem ist auch beim neu­en Li­te­ra­tur­no­bel­preis al­les beim Al­ten: Wer auch im­mer die Aus­zeich­nung be­kommt, eine Preis­trä­ge­rin, ei­nen Preis­trä­ger ohne Schwä­chen kann es nicht ge­ben. Ent­spre­chend ge­spal­ten war das Echo in den di­gi­ta­len Netz­wer­ken.

Das ist viel­leicht die ent­schei­den­de Er­kennt­nis, die die­se bei­den ers­ten Li­te­ra­tur­no­bel­prei­se nach der Kri­se der Aka­de­mie ver­mit­teln: Die Zeit der Dich­ter­fürs­ten ist ab­ge­lau­fen. Schrift­stel­ler sind kei­ne Göt­ter. Den un­strit­tig alle über­ra­gen­den Au­tor gibt es nicht.

aus: "Abschied von den Göttern - Umstrittene Literaturnobelpreise für Handke und Tokarczuk" - spiegel+ v. 11.10.2019 


ja - das ist erleichternd aber auch bedrückend zugleich: das auch die nobelpreis-stars - hier also der literatur von 2018 und 2019: olga tokarczuk und peter handke - ihre jeweiligen "brüche" mit sich herumschleppen oder in sich tragen.

bei tokarczuk ist es angeblich ihr begrenztes sprachausdrucksvermögen, wie es ihre übersetzerin ins deutsche, die schriftstellerkollegin esther kinsky, wahrzunehmen scheint: "ihre stärke ist nicht die sprache", meint sie anmerken zu müssen - vielmehr sei ein "esoterischer feminismus" ihr ding, der ihr in polen und anderswo viele anhängerinnen beschert hat. und das "deutsche polen institut" verortet sie in die nähe des gigantisch geheimnisumwobenen mystisch-mythischen psychonalytikers c.g. jung, von dessen überlegungen und nischenbildungen sie "inspiriert" würde, wie sie selbst betont.

ja - und handke trägt ja als "bruch" trotz all seiner genialen sprach- und betrachtungsakrobatik seinen milosevic-spleen mit sich herum: seine serbien-affinität, besonders auch während des balkan-kriegs, in die er sich völlig verrannt hat. er soll außerdem eine lebensgefährtin geschlagen und getreten haben, einen unliebsamen interviewer angegangen sein - und soll sich nicht immer unter kontrolle haben, wenn er in frage gestellt wird, bei aller ruhiger naturbetrachtung, die er ansonsten gern heraushängen lässt.

aber so ist das mit den "brüchen", eben jener kehrseite jeweils der medaille: emil nolde ist deutschlands bekanntester und wirkmächtig-meisterlich buntester expressionist, aber er dient sich wahrscheinlich auch aus purem geschäftssinn über die maße dem ns-regime an und tritt als grenzbewohner in einen zweig der nsdap im deutsch-dänischen nordschleswig ein. inwieweit er nun tatsächlich auch innerlich ein durch und durch "überzeugter" nazi war oder es doch in erster linie um seine kunstmarkt-verkaufschancen in jener zeit dabei ging, hat er uns ja nicht zweifelsfrei offenbart - wohl aber, wie er pünktlich nach kriegsende am ende des nazi-spuks sein dortiges engagement vehement verleugnete und mit dem mantel des schweigens zudecken oder gar ins gegenteil verkehren wollte, was ihm auch mit unterstützung zunächst gelang.

zwar hat die bundeskanzlerin nolde nun aus ihrem büro wegen der erst jetzt so richtig öffentlich gewordenen ns-verquickungen abhängen lassen und für immer verbannt - aber sie besucht wie selbstverständlich mitsamt der angeblich großen deutschen (finanz)"elite" regelmäßig die wagner-festspiele jährlich in bayreuth, wo auch ein adolf hitler seinerzeit regelmäßig ein gern gesehener gast manchmal sogar ohne uniform und im festanzug war - und vielleicht sitzt frau merkel heute auf einem ähnlich günstigen platz bei den stundenlangen aufführungen wie er damals - der wagner-clan des komponisten insgesamt wenigstens war damals eindeutig und verbrieft pro-nationalsozialistisch...

aber: ich bin inzwischen davon überzeugt - desto älter ich werde - dass in jeder biographie bei objektiver "belichtung" und "durchleuchtung" solche oder ähnliche brüche auszumachen sind. und das ist auch dem jeweiligen "zeitgeist" natürlich geschuldet, der sich mit den nachfolgenden generationen jeweils ändert - und dann im nachhinein heutzutage vielleicht von algorithmen aber auch von historikern und soziologen anders bewertet und verdeutet werden kann - oft genug sogar diametral entgegengesetzt.

beispielsweise standen die eugeniker und rassenhygieniker der zwanziger bis fünfziger jahre des letzten jahrhunderts nach eigener überzeugung auf der damals "modernsten" und wissenschaftlich fortschrittlichsten stufe der menschlichen entwicklung und forschung überhaupt - und das nicht etwa nur in ns-deutschland, sondern weltweit gleichermaßen... - und erst heutige genetische mikrountersuchungen lassen den schluss zu, dass man überhaupt keine durchgängige verschiedenheit menschlicher "rassen" in statur und hautfarbe etc. ausmachen kann.

streng biologisch heißt es jetzt in der "jenaer erklärung" im september 2019: »Es gibt im menschlichen Genom unter den 3,2 Milliarden Basenpaaren keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches ›rassische‹ Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar.«

diese Erklärung, so genau sie wissenschaftlich argumentiert, ist vor allem ein politisches zeichen: ein signal an eine gesellschaft, in der rassistisches gedankengut in den vergangenen jahren immer weiter in die mitte gerückt ist. - und inzwischen verortet die einschlägige wissenschaft eine individuell ausgeprägte persönlichkeitsbildende prägekraft den spiegelneuronen mit der transgenerationalen emotionalen "vererbung" durch (traumatische) familienereignisse und durch die jeweiligen reaktionen der bezugspersonen.  

der schon oben erwähnte c.g. jung nannte diese phänomene der immer mitschwingenden und einhergehenden "dunklen" und "entgegengesetzten" unbewussten persönlichkeitsanteile den (noch) nicht integrierten und einverleibten "schatten". dieser schatten enthält nach jung die anteile, die seinem positiven  und naiv-einfach eingebildeten und nach außen projizierten selbstbild und seiner so der umwelt vorgegaukelten 'theatermaske' (die bei jung "persona" heißt) entgegenstehen. des schattens dunkle seite – vom ich-bewusstsein aus gesehen – umfasst auch seine unbewusstheit, und außer 'bösem' können aus dem schatten auch positive impulse bei geglückter motivierender bewusstmachung und integration erwachsen. 

der schatten umfasst also nach jung un- oder teilbewusste persönlichkeitsanteile, die häufig verdrängt oder verleugnet werden, weil sie dem nach außen vorgetäuschten vorstellungsbild des ichbewusstseins von sich selbst entgegenstehen. 

folglich gehören zum kompletten umfassenden persönlichkeitsbild alle 'licht'- und 'schatten'-seiten: also immer die jeweils vorgegaukelte und gelebte "schokalenseite" mit all den oftmals entgegengesetzten bruchstücken und brüchen aus dem verborgenen. 

derzeitig suchen ja die medien und #me-too-aktivist(inn)en wie wild gerade bei prominenten, die sich für eine besonders hehre sache einsetzen oder die als mann irgendwie auffällig und übergriffig wurden  - wie z.b. eben auch auch bei handke aber auch bei greta thunberg - flugs diese "brüche" und "unpassenden" anteile auf - und dann steigert das die leser- und publicity-clicks und die verkaufte auflage, wenn man dann solche brüche "entlarvt" und sich daran hochzieht.

jesus sagte den männern, die die ehebrecherin steinigen wollten: "wer von euch ohne sünde (ohne irgendeinen "bruch") ist, der werfe den ersten stein auf sie. und da ließen diese moralischen "rächer" ihre pflastersteine fallen und trollten sich... - einer nach dem anderen... 

das all zusammenfassende resultat lautet dazu in den meisten fällen bei solchen "aufklärerischen" und bloßstellenden unternehmungen - wie schon vor 2000 jahren bei pontius pilatus nach dem "verhör" des vor ihm stehenden geschundenen jesus von nazareth: "ecce homo" - siehe, ein mensch...