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in einer anderen haut leben - update

Marie Sophie Hingst ist kein Einzelfall 
Vom prekären Begehren, „jüdisch“ zu sein

Von Caroline Fetscher | Tagesspiegel


Eine Historikerin mit gestörtem Verhältnis zur Realität ist gestorben. Mit ihrem Syndrom, das Teil eines umgekehrten Antisemitismus ist, war sie nicht allein.
frau hingst - in einer bildbearbeitung von sinedi | nach einem foto im tagesspiegel

Aus einer jüdischen Familie wollte Marie Sophie Hingst stammen. Aber das entsprach nicht den Fakten. In der Fantasie bastelte sich die junge Frau eine solche Verwandtschaft aus Fragmenten zusammen. Im virtuellen Raum des Internets präsentierte sie diese alternativen Fakten der Öffentlichkeit, meist verpackt in Anekdoten. Im analogen Raum füllte die am irischen Trinity College promovierte Historikerin für die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Opferbögen mit den Lebensdaten von 22 erfundenen Personen aus.   

All das kam ans Licht, als eine Gruppe von Archivaren, Historikern und Genealogen dem Konstrukt auf die Spur kamen. Als Hingst darauf nur leugnend reagierte, wandte sich das Team an den Spiegel, der Ende Mai 2019 - nach einer Konfrontation des Redakteurs mit der Blog-Autorin in Dublin - die Ergebnisse des Rechercheteams veröffentlichte. Einmal bloßgestellt verstrickte Hingst sich in Widersprüche, berief sich auf die Literazität ihrer Texte und drohte Klagen an.

Es half nichts, die Diskrepanz zwischen Fiktion und Fakten lag klar zutage. Bald wurde Hingst der Ehrentitel „Bloggerin des Jahres 2017“ aberkannt, den sie für ihren Blog “Read on my dear, read on” erhalten hatte. Im Interview zur Preisverleihung wirkte sie ein bisschen, als würde sie den Kopf einziehen, und hatte ihren Glauben daran beteuert, „dass jedes einzelne Wort hilft.“

An sich hatte die Gruppe der ehrenamtlichen Rechercheure schlicht gehofft, den Betrug, der unerträglich für reale Holocaustopfer ist, diskret beenden zu können. „Wir wollten eigentlich nur, dass sie damit aufhört“, sagte der Altphilologe und Genealoge Ingo Paul der Märkischen Allgemeinen Zeitung Anfang Juni „Wir wollten kein Leben oder keine Karriere zerstören, aber jetzt scheint es doch so zu sein.“

Das Phänomen ist oft Symptom für eine anders gelagerte Störung

Und jetzt hat sich Marie Sophie Hingst offenbar das Leben genommen. Sie wurde, wie die Irish Times berichtete, am 17. Juli in ihrer Wohnung in Irland tot aufgefunden. Deren Berlin-Korrespondent, Derek Scally, hatte Hingst nach der Aufdeckung getroffen, und sie, alarmiert durch ihr agitiertes Auftreten, zu instabil gefunden, um über sie zu berichten. Freunde, ein Mediziner und ein Psychologe, hatten ihn darüber aufgeklärt, „das Phänomen jüdisch sein zu wollen“ sei durchaus auch unter anderen nichtjüdischen Deutschen anzutreffen, und oft Symptom für eine anders gelagerte Störung.

Ein Fall aus dem eigenen Erleben, um 1974 herum. Ein älterer Herr, etwa Jahrgang 1910, hatte seine Wohnung in Süddeutschland dekoriert mit Judaica, Chanukka-Leuchtern, Davidsternen, alles legte den Eindruck nahe, er sei jüdisch. Ein Besucher, der ihn mitfühlend darauf ansprach, fragte direkt: „Und wie haben Sie die NS-Zeit überlebt?“ Der alte Herr wurde hochrot im Gesicht, und musste einräumen, dass er gar nicht jüdisch ist.

Sein philosemitisches Ambiente brauchte er offenbar, um sich und andere von seiner belasteten Vergangenheit als glühender Antisemit wegzulenken. Einen erheblichen Schritt weiter gehen Leute wie Wolfgang Seibert, ehemals Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg in der Nähe von Hamburg. In seiner Rolle als Holocaust-Überlebender konnte er öffentlich Judenfeindlichkeit beklagen und dafür Aufmerksamkeit erhalten. 2018 wurden seine Lügen entlarvt und er des Amtes enthoben, tatsächlich kam er – wie Hingst - aus einer evangelischen Familie und hatte sogar wegen Betrügereien im Gefängnis gesessen.

Das Publikum kann sich auf die moralisch attraktivere Seite schlagen

Als „Wilkomirski-Syndrom“ bezeichnete eine einschlägige Publikation Fälle, in denen der Drang, jüdisches Opfer oder verwandt mit Opfern zu sein, so stark ist, dass er zum Verkennen und Verdrehen von Realität verleitet, und in Illusionsgespinsten wie denen von Sophie Hingst enden kann. Der Titel bezieht sich auf Bruno Dösseker, der als Binjamin Wilkomirski 1995 die ausgedachte Geschichte eines jüdischen Kindes veröffentlichte, das Ghettos und Lager überlebt hatte, als seine ausgab und mit seinem Buch „Bruchstücke“ zunächst Erfolg hatte, bis herauskam, dass kein Wort wahr war. Vielmehr hatte er, so die Fachleute, sein Leid als Adoptivkind überhöhen und sich für Erlittenes rächen wollen.

Einige Historiker wie Raoul Hilberg hatten von Beginn an Zweifel an der Darstellung gehabt, andere waren ihr erlegen, Kritiken in deutschen Zeitungen wie in der New York Times ließen Anerkennung auf den Autor regnen.

Der Band zum Wilkomirski-Syndrom entstand aus einer Tagung am Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum, die sich der Frage stellte, warum solche Opfergeschichten derart faszinierend und attraktiv sind. In dem vermeintlichen Überlebenden sah der Historiker Stefan Mächler einen „aus der Verdrängung aufgetauchte Schuldvorwurf in Person.“ Das eindringliche Erzählen erlaubte Einfühlung, das Publikum – das deutsche zumal  - kann sich, wie Mächler schreibt, „auf die moralisch attraktivere Seite der Opfer zu schlagen.“

Bewusst und betrügerisch oder weniger bewusst und pathologischer spekulieren selbsternannte Juden auf solche Effekte – beim Publikum wie bei sich, vor sich selber. Bewunderung, Mitempfinden, Achtung, Aufmerksamkeit, Rücksicht, Ansprache – all das hatte Hingst mit ihrem Blog erfahren, dem 240.000 Leute „folgten“.

Hingsts Familie, in der es offenbar keine Juden gibt, während ein Verwandter in der NS-Zeit als Lehrer arbeitete, bot vermutlich zeithistorisch vor allem die entsetzliche und entsetzlich durchschnittliche Mischung unserer deutschen Familien der Zeit, die aus Mitläufern und Tätern besteht. Dass Sophie Hingst sich der Ungeheuerlichkeit ihrer Täuschungen und Lügen nicht bewusst war, könnte ihr mutmaßlicher Freitod belegen. 

Sie hatte in einer anderen Haut leben wollen

Im Fall Hingst verzichtete die Irish Times auf eine Reportage. Erst nach ihrem Tod beschrieb Scally das Gespräch mit ihr. Sie sagte, sie habe sich durch den Text im Spiegel „wie gehäutet“ gefühlt. Das wäre passend, denn sie hatte in einer anderen Haut leben wollen, die sie selber aus Texten gewebt hatte, wie Textilien zum Verkleiden. Diese waren ihr quasi öffentlich ausgezogen worden. Von der Mutter in Wittenberg hatte Scally gehört, ihre Tochter habe unter psychischen Probleme gelitten und einige Therapieversuche hinter sich. Im Verlauf des Gesprächs hatte Hingst einen gelben Judenstern aus Stoff hervorgeholt, das einzige, was von ihrer Großmutter nach Auschwitz geblieben sei.

In Hingsts fabulierten Geschichten hatte eine Großmutter überlebt, und der Enkelin etwa von „Isidor Eisenstein“ einem Freund des Urgroßvaters erzählt, der als Arzt noch dann half, als einer seiner jugendlichen Patienten ihn mit einem Schlägertrupp zusammen attackiert hatte. Der Mann „mit einem verschmitzten Lächeln und Karamellbonbons in der Jackentasche“ konnte nicht anders, „´Er hat ein krankes Herz´, sagte Onkel Isi und dann ging er und sah nach dem Jungen.“

Der Fall Hingst ist mitten in der Gesellschaft entstanden

Nach dem Zweiten Weltkrieg war in Deutschland die Haltung weit verbreitet, man habe „nie etwas gegen Juden gehabt“. Niemand sei Nazi gewesen, stellte Saul Padover fest, der als Mitarbeiter der US-Army gegen Kriegsende die Mentalität der Bevölkerung erkundete, und Aussagen hörte wie diese: „Jetzt, da es in den Läden praktisch nichts mehr zu kaufen gibt, sagen die Leute verbittert, dass es ein furchtbarer Fehler gewesen sei, die Juden zu vertreiben. Als es die Juden noch gab, habe man alles kaufen können, was das Herz begehrt, und zwar zu reellen Preisen.“

Neben Leugnen und Verdrängen, Bagatellisieren und Ausweichen, blieb der Antisemitismus über Jahrzehnte stark, wie parallel die andere Seite der Medaille, der Philosemitismus, der die Verbindung zu Tätern leugnen ließ.

Heute sehen sich Deutsche wie die Pegida-Marschierenden gern als Vertreter eines „christlich-jüdisches Abendlands“, und der Begriff eignet sich, Jahrhunderte der Pogrome so einzuebnen wie die Shoah als „Vogelschiss“ in der Geschichte abzutun. Hochambivalent flackert in dieser Konstellation das Phantasma, Opfer wie Retter zu sein. Sein Konstrukt lautet: Unser Abendland wird von Fremden bedroht, deren Opfer wir alle sind, wir aber retten das Abendland. Im Amalgam des „jüdisch-christlichen“ werden die jüdischen Opfer der Vergangenheit so geleugnet wie Juden vereinnahmt.

Zugleich wird zugelassen, dass an den breiter werdenden, rechten Rändern Antisemitismen und Rassismen erstarken. Und während es unter jungen Linken als richtig galt, dass Söhne und Töchter von Wehrmachtssoldaten eine Zeitlang in einem israelischen Kibbuz arbeiten, ist die Haltung kritikloser Solidarität mit Palästinensern gewichen. Die andere Seite der Medaille - auch da eine Kaskade von Projektionen. Politischer Realismus und integre Empathie würden sich anders äußern. 

Der Fall von Sophie Hingst ist nicht außerhalb der Gesellschaft entstanden, sondern mitten in ihr. Im Mikrobild des privaten Falls spiegelt sich ein Makrobild, und das besonders deutlich, wenn die verzerrende Übersteigerung so groß war, wie hier.

& click here

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mein gott - das ist jetzt mein dritter beitrag zum schicksal von frau hingst - und das hier war heute nachmittag der aufmacher in "tagesspiegel" online-news - und ich wundere mich, dass diese "tödliche verstrickung" - wie ich das gestern schon überschrieben habe - immer noch dem ressort "kultur" zugeordnet wird. ich finde, diese ausführungen jetzt zur einordnung des ganzen pathologischen backgrounds dieses phänomens, wäre eher den ressorts "wissen" oder "gesellschaft" zuzuordnen - aber das ist eine frage der redaktionellen nomenklatur dort am rande.

ich bin dankbar, dass man das schicksal von marie sophie hingst nun noch einmal mit einem anderen spot in den blick nimmt - und auch den allgemeingesellschaftlichen kontext des ganzen deutlicher beleuchtet.

eine umfassend abgeschlossene krankenakte mit ausführlicher anamnese und diagnosestellung von frau hingst als "einzelfall" wird man auch im nachhinein nicht mehr seriös erstellen und anlegen können. 

man sagt und denkt ja im turbokapitalistischen alltag gern diese floskel "...und was hab ich davon ?..." - und ich bin deshalb davon überzeugt, dass jede individuelle menschliche gestik, jede handlung, jede manipulation im sinne von handlings, jede subjektive konstruktion von "wahrheit", eine für die betreffende person (psychisch & körperlich ganzheitliche) entlastende, schützende und erhaltende ja "gesunde" funktion hat (eine "objektivität" ist aus systemischer sicht ja gar nicht möglich: denn immer ist man irgendwie "verbandelt" und irgendwomit "verstrickt" und emotional abhängig - und manchmal weiß und kennt man diese unsichtbaren leitlinien und "zwänge" (und "triebe") ja gar nicht...) - um zu "überleben", um sich (wovor?) zu wappnen, um andere schwer nagende fakten zu verdrängen und abzuwehren - und um irgendwie "seinen schnitt" zu machen...

interessant ist aber, dass es - zur zeit auffällig - scheinbar auf der 
  • einen seite "gespielte" opferrollen und ein übersteigert krankhaftes solidaritätsempfinden mit den ns-opfern bis hin zur vollständigen übernahme von neuen und ausgesponnenen (opfer-)identitäten gibt - und sogar das erfinden weiterer verzweigter "jüdischer" identitätssysteme - und dafür zigtausendfachen beifall und follower und preise gibt... 
  • auf der anderen seite gibt es nach fast 80 jahren nun kaltblütige rechtsradikale mörder und erneut antisemitische gewalttäter, die diese "andere seite" der ns-vergangenheitsmedaille brutal zurückspiegeln - und die auch in gewissen kreisen dafür "gefeiert" und "freigesprochen" werden...
und doch hat es eben den anschein, als seien diese beiden seiten der gleichen "medaille" alle dämme durchbrechende ausbrüche von aufgestauten weit zurückliegenden aggressionen und unbearbeiteten verdrängungen - und auch die jeweiligen follower und beifallklatscher spielen darin ihre rollen mit in dieser gesamtgesellschaftlichen "opfer-täter-claqueur-/retter-triade" oder auch "drama-triade"...

und doch verwirren mich diese theroretischen erklärungs-versuche in der presse mit dem offensichtlichen suizid von frau hingst - sowie fast gleichzeitig die kaltblütige ermordung des regierungspräsidenten lübcke vom offensichtlich rechtsextremen täter stephan ernst, und der mordversuch an dem hessischen eritreer, der völlig unbedarft vor seiner unterkunft auf der straße stand, mit dem späteren überlegten und bewusst verübten suizid mit abschiedsbrief dieses dortigen rechtslastigen gewalttäters roland k. - und dem nsu-komplex mit seinen zehn brutalen morden und den drei selbstmorden und den geschehnissen in chemnitz vor einem jahr und-und-und ...

und auch schon vor 50 jahren zu zeiten der "raf" gab es ja diese mordattacken und dann schließlich wahrscheinlich den kollektiven selbstmord der täter und "köpfe"...

wenn man diese jetzigen mord- und selbstmordtaten nun als zwei seiten einer medaille wahrnimmt - wie sich das ja auch aufdrängt
  • und vielleicht die projüdische identifikation nur die innerpsychische ableitung eines doch irgendwie verunglückten "wiedergutmachungs"-dranges irgendwelcher früherer "schuld" in der familie ist - 
  • was ist dann der aufkeimende und vollendete antisemitismus und der fremdenhass und die wieder eugenisch übersteigerten rassenüberlegungen in bezug auf flüchtlinge oder auch andersfarbige und andergläubige und anderswählende menschen überhaupt und z.b. auch die (kirchliche) homophobie und die abneigung gegenüber menschen mit anderen sexualvorlieben.
was wird damit innerlich "bearbeitet" und abgearbeitet und drängt "zwanghaft" in verirrungen und verwirrungen nach außen: sind das in jeden menschen irgendwelche schlummernden anfechtungen und aufrechnungen "von anderswoher", die sich da nun unabdingbar je nach sozialisation und biographie und "äußerem auslöser" bahn brechen???

frau hingst ging es ja wohl nach eigenem bekunden auch darum, endlich so ein publikum für ihre "worte" zu finden - und dafür spannte sie ihre erfundenen opferstorys ein: und sie hatte ja erfolg als mitleids-influencerin damit: zigtausend follower folgten ihrem blog - und sie bekam preise und anerkennung für ihr wackelig erdachtes kartenhaus, dessen echtheit zunächst gar nicht nachgeprüft wurde.

aber sind es wirklich diese langsam immer stärker "abgenudelten" sätze von der "schlechten kindheit" oder inzwischen auch dem "migrations-hintergrund", als voraussetzung für diese art tödliche "ausraste" und verstrickungen gegen andere und gegen sich selbst...???

"vogelschiss"

auf alle fälle, herr gauland, ist die nazi-vergangenheit deutschlands kein einfach abwaschbarer "vogelschiss" in der deutschen geschichte - sondern es ätzt und rumort und giftet noch in den menschen, die auch generationen danach mit sich selbst nicht fertig werden können - und die wohl von wilden und eigenartigen träumen und auch realitätsverschiebungen verfolgt werden, die dann nach außen drängen - unbearbeitet und unverdaut und nicht integriert - höchstenfalls oberflächlich "abgespalten" und verdrängt.

und das ist dann auch jetzt wieder einmal mein ruf an die schulen: jetzt, wo die letzten augen- und zeitzeugen der schrecken und tragödien von damals immer weniger werden, nicht nachzulassen mit der umfassenden (!) aufarbeitung dieser kollektiven traumatischen belasungsstörungen im bewusstsein der bevölkerung - und das höchstenfalls nicht nur zum thema machen in den letzten ("frei")stunden direkt vor ferienbeginn - wenn bereits alle mit ihren gedanken anderswo sind - oder als eine art "denkmal" publizitätsträchtig einmal für die lokalpresse  - denn all diese belastungen und auch die ihnen aufgezwungenen taten unserer altvorderen "wirken" tatsächlich, wie es in der bibel steht, "bis mindestens in die dritte und vierte generation nach"... (Exodus 20)

aber das ist auch gleichzeitig mein ruf an die familien: arbeitet die familiengeschichte schonungslos und vollends auf ...: das ist nach meiner überzeugung die beste prophylaxe vor charakterlichen verirrungen zur einen oder zur anderen seite ... - 

und habt acht - gebt aufeinander acht, beo-acht-et genau - und geht achtungsvoll und in achtsamkeit mit euch und den altvorderen um - aber geht den dingen achtsam auf den grund: nicht in schuld & sühne - sondern eher als "ermittlungsbeamte" und "spurensicherung" - wie im "tatort" - das aufspüren bzw. annähern an "die ganze wahrheit" - an den unverfälschten subjektive kern...

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UPDATE

die "taz" schreibt heute u.a. dazu: 

Der Skandal spielt woanders

Klar, Hingst, die Holocaust-Hochstaplerin, ist ein Faszinosum. Wie konnte sie? Und nun: Was hatte sie? Aber der Skandal spielt eigentlich ganz woanders. Er liegt in der erschütternden Erkenntnis, dass sich Holocaust-Geschichte recht einfach fälschen lässt. Dass die fabrizierten Erinnerungen bei allen beteiligten Institutionen jahrelang unhinterfragt durchgekommen sind. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei der Bloggerszene und bis hin zur Gedenkstätte Yad Vashem, die Einsendungen im guten Glauben annimmt. All diese Institutionen schaffen Wahrheit. In diesem Fall stützten sie gegenseitig eine Lüge. Für die Erinnerungskultur ist das eine Katastrophe.

Es wäre keine Option gewesen, weder für Doerry noch für irgendwen, eine Berichterstattung über all das einfach zu unterlassen. Die Hauptverdächtige dabei aus Rücksicht aus dieser Geschichte herauszuhalten, war wiederum auch nicht möglich. Sie stand ja mit ihren Geschichten in der Öffentlichkeit.


Was hingegen Marie Sophie Hingst psychisch gequält hat, und auf welche Weise sie nun ums Leben gekommen ist, das geht uns nichts mehr an. Die Geschichte muss ab sofort woanders spielen. Marie Sophie Hingst soll in Frieden ruhen können.
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auch wenn so ein trauriges ereignis unweigerlich bei mir dann auslöst, mitzuspekulieren, welche beweggründe frau hingst an der erfindung ihrer lebenslüge und jetzt für ihren viel zu frühen tod hatte, möchte ich mich daran nicht über gebühr beteiligen.

mich interessieren viel mehr die gesellschaftlichen kollateralschäden die falsche mitleids-influencer*innen und rechte pöbler und täter hinterlassen.

die taz hat recht: "für die erinnerungskultur ist das eine katastrophe" - und deshalb fühlte ich mich als autor des opferprotokolls meiner tante erna kronshage bereits in meiner ersten stellungnahme nach dem spiegel-artikel von doerry im mai/juni geradezu von solchen falschen aktionen mit "diskreditiert".

damals schrieb ich schon in meinem post dazu
gut, dass ich von anfang an mit meinen schon in die 80er jahre zurückreichenden recherchen dann vor gut 10 jahren direkt an die öffentlichkeit gegangen bin - und die relevanten echt vorhandenen beurkundungen dieses opferschicksals erst verschlüsselt, dann aber bald schon mit klarnamen, jeweils in den blogs und magazinen mit reproduziert habe - so dass sie sich von jederfrau oder jedermann in den angegebenen auch amtlichen quellen jederzeit tatsächlich auch verifizieren und überprüfen lassen. 
bei diesen von den nazi's und allen beteiligten und deren helfern wie am fließband industriell und kleinteilig aber zum kriegsende hin immer weniger bürokratisch betriebenen massentötungen mit anschließender vernichtung der unterlagen dazu, ist dazu eine äußerst diffizile puzzle-arbeit vonnöten.
und heute würde ich hinzufügen: diese eben nur zum teil geglückten vertuschungsversuche der nazis kurz vor kriegsende führen eben leider auch dazu: "dass sich holocaust-geschichte [= und auch ns-euthanasie-opfergeschichte] recht einfach fälschen lässt ..." - wie die taz das schreibt und an die tatsächliche historie relativ hilflos ausliefert...

gesellschaftlich zeigen sich für mich dabei - 80 jahre danach - zwei diametral zueinander sich gruppendynamisch bildende schon oben erwähnte "drama-triaden" ab (die übereinander gelegt zufällig sogar einen judenstern ergeben...):

  • einmal die der eingebildeten "opfer" - und 
  • einmal die der erneut verführten rechtsradikalen nachahmer-täter, 


wobei beide aktions"bündnisse" scheinbar jeweils irgendeinen lustgewinn in den jeweiligen rollen"spielen" produzieren, der dann suchtcharakter und pathologische züge annehmen kann, wie alles, was irgendwie lustgeprägt daherkommt.

es gibt noch viel zu tun - aber bis dahin müssen wir wohl damit leben - und achtgeben ...



tödliche verstrickungen

click here = ausriss aus dem sinedi-blog 31.05./01.06.2019



direkt in den ersten juni-tagen dieses sommers nahm ich hier in diesem blog stellung zu einem "spiegel"-beitrag über die in dublin/irland wohnende deutsche bloggerin marie-sophie hingst, die in ihrem blog seinerzeit von identitäten berichtete, wobei sie jüdische familienmitglieder und verwandte aus dem nichts erfand, die angeblich alle im holocaust umgebracht wurden - und sie hat sogar ein paar dieser erfundenen identitäten ins jüdische dokumentationszentrum yad vashem eingereicht, um sie als holocaust-opfer zu benennen und beurkunden zu lassen.

all diese angaben waren falsch und erdacht, wohl nur um eindruck zu schinden, wie die recherchen des spiegels zweifelsfrei ergaben.

frau hingst stritt das aber gegenüber dem spiegelredakteur martin doerry vehement ab - und sprach davon, sich einen anwalt zu nehmen, um all diese "story's" richtigzustellen, die maßgeblich ihren blog füllten und von vielen followern geteilt wurden - und die ihr mitgefühl aussprachen.

über diesen anwalt ließ frau hingst dann erklären, sie habe in ihrem blog "erhebliche schriftstellerische freiheiten" walten lassen.

dass sie damit aber menschen verletzt habe, die tatsächlich als nachfahren der ermordeten ns-opfer noch litten und trauerten, täte ihr leid...

schon damals schwante mir nichts gutes und das alles klang doch sehr pathologisch - und ich schrieb u.a. in meinem post dazu:
doch im spiel mit (er- und gefundenen) identitäten balanciert man auch gemeinhin immer auf dem drahtseilakt zwischen "genie & wahnsinn" entlang: wenn das rollenspiel pathologisch ausartet und man wie in der schizophrenie den inneren identitätshalt ganz verliert oder vergisst und nicht mehr aufgefangen wird - und nicht mehr weiß, wer man ist: so lässt sich in den psychiatrie-diagnosen zum verhalten von frau hingst auch eine "artifizielle störung" ausmachen, die man treffend mit "münchhausen-syndrom" bezeichnet - aber ein solches verhalten gibt es ansatzweise auch bei der "borderline"-persönlichkeitsstörung (bps). doch ich will hier nun nicht laienhaft herumstochern - denn mit einer einschlägigen diagnose würde ja frau hingst sogar noch entlastet - etwa im sinne von "sie konnte ja gar nicht anders"...
heute lese ich nun im berliner "tagesspiegel" folgende nachricht:
Umstrittene Historikerin  
Bloggerin Marie Sophie Hingst offenbar tot 
Sie gab sich als Nachfahrin von Holocaust-Opfern aus – obwohl sie keine jüdischen Verwandten hatte. Sie schickte Shoah-Akten an die israelische Gedenkstätte Yad Vashem – doch die hatte sie gefälscht. Hunderttausende lasen ihre Texte – und hielten sie für real. Für ihren besonderen literarischen Stil wurde sie zur Bloggerin des Jahres gewählt, bis der Preis ihr wieder aberkannt wurde. Marie Sophie Hingst schuf sich eine eigene Wahrheit. Sie flog auf. Nun ist sie mit nur 31 Jahren gestorben. Über die genaue Ursache ihres Todes gibt es von offizieller Seite bisher keine Angaben. Darüber berichtet hatte die „Irish Times“ in einem ausführlichen Porträt.

Der Autor der „Irish Times“ zeichnet darin das Bild einer Frau, die schwere psychische Probleme hatte. Bei einem Treffen am Wannsee habe Hingst ihm gegenüber trotz allem an ihrer Version der Geschichte festgehalten, sie habe sogar einen Judenstern aus Stoff präsentiert, der angeblich von ihrer Großmutter stammt, die in Auschwitz gewesen sein soll. Als der Reporter bei Hingsts Mutter angerufen habe, widersprach diese ihrer Tochter. Es gebe keine jüdische Vergangenheit in der Familie. Von den 22 Biografien, die Hingst an Yad Vashem geschickt hatte, existierten 19 überhaupt nicht.

Herausgefunden hatte das im Mai ein Journalist des „Spiegel“. Der Reporter hatte Hingst für seine Recherche in Dublin getroffen, wo sie lebte, und sie mit den Vorwürfen konfrontiert. An der Recherche war auch die Berliner Historikerin Gabriele Bergner beteiligt, die auf Unstimmigkeiten in Hingsts Blog aufmerksam geworden war. Die Bloggerin stritt die Vorwürfe zunächst ab, nahm sich später jedoch einen Anwalt und berief sich auf die Freiheit der Literatur. Sie habe „ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch genommen“. Zahlreiche Medien, darunter auch der Tagesspiegel, hatten im Anschluss über den Fall berichtet und Hingst für ihr Handeln kritisiert. „Sie scheint den Nimbus der Opferrolle gesucht zu haben“, hieß es in dieser Zeitung. Bei Twitter wurde der Hashtag #readonmyfake populär. Das Erfinden falscher jüdischer Identitäten sei eine Beleidigung und eine Respektlosigkeit gegenüber denen, die die Judenverfolgung wirklich erleben mussten, lautete der Tenor.

Hingst hatte "mehrere Realitäten

Hingst schien die Aufmerksamkeit fast zwanghaft zu suchen. So hatte sie in den vergangenen Jahren Artikel veröffentlicht, wonach sie angeblich eine indische Klinik aufgebaut und in Deutschland als Sexualtherapeutin für Flüchtlinge gearbeitet hatte. Das stellte sich ebenfalls als erfunden heraus. Hingsts Mutter wird in der „Irish Times“ zitiert, ihre Tochter habe „mehrere Realitäten. Ich habe nur zu einer Zugang“. Auch der „Spiegel“-Journalist hatte nach einer Begegnung mit der Bloggerin im Mai befunden: „Marie Sophie Hingst hat sich in eine Parallelwelt hineinfantasiert“, an die sie zuweilen sogar selbst geglaubt habe.

Während des Treffens mit dem Reporter der „Irish Times“ hatte Hingst gesagt, sie fühle sich, als sei sie vom „Spiegel“ „lebendig gehäutet“ worden. Auf Nachfrage des Tagesspiegels teilte der Verlag mit, man bedauere den Tod der Bloggerin, beim Gespräch in Dublin habe sie jedoch „einen konzentrierten, souveränen und keineswegs psychisch angegriffenen Eindruck“ gemacht. Hingst habe dem Magazin zwar mit rechtlichen Schritten gedroht, die aber offenbar nicht eingeleitet. Weiter hieß es in der Stellungnahme, man werde sich an „einer öffentlichen Diskussion über die Ursachen und Hintergründe des Tods“ nicht beteiligen.

Wie weit geht die journalistische Pflicht zur Aufklärung?

Hingsts Arbeitgeber in ihrer Wahlheimat Irland, die Computerfirma Intel, hatte sie laut dem Bericht der „Irish Times“ nach Bekanntwerden der Vorwürfe nicht entlassen, sondern ihr angeboten, sich hausintern psychologische Hilfe zu holen. Diese habe sie wohl auch angenommen. Die „Irish Times“ berichtet, die 31-Jährige habe sich vermutlich das Leben genommen. Sie wurde am 17. Juli tot in ihrem Bett gefunden, ein Autopsiebericht steht noch aus, es habe jedoch keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gegeben. Sophies Mutter habe laut dem Bericht sofort Selbstmord vermutet.

Der Fall warf schnell die Frage auf, wie weit die journalistische Pflicht zur Aufklärung geht. Erste Kommentatoren im Internet schrieben, für psychisch Kranke müsse es besondere Sorgfalt geben. Eine Frage, die schon einmal aufgekommen war, vor nicht allzu langer Zeit. Ende 2018 war öffentlich geworden, dass „Spiegel“-Reporter Claas Relotius systematisch Geschichten gefälscht hatte. Ein notorischer Schwindler, der die Glaubwürdigkeit nicht bloß des Magazins, sondern des Journalismus insgesamt beschädigte. Auch damals wiesen viele Kommentatoren auf die Fürsorgepflicht hin, die gegenüber dem Beschuldigten gelten müsse. Kann jemand, der so labil ist, dass er sein gesamtes Umfeld täuscht, derart massive Kritik aushalten?

Doch was wäre die Alternative gewesen? Nicht aufklären, aus Rücksicht auf die junge Autorin? Hingsts Mutter warf dem „Spiegel“-Reporter vor, er habe „hinter den Fakten die Person nicht gesehen“.
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als "konsument" und leser des "spiegel"-berichtes über frau hingst damals ende mai/anfang juni war ich natürlich zunächst wütend über so viel unverfrorene flunkerei und irreführung - aber menschen, die frau hingst näher kannten - und die von ihren realitätsverschiebungen wussten oder sie ahnten, haben hier doch wohl eine eigentlich angezeigte hilfeleistung unterlassen.

warum man von seiten ihrer familie und ihrer angehörigen und freunde nun nicht professionellerseits bei dieser hanebüchenen geschichte maßnahmen ergriff, um sie offensichtlich hilfsbedürftig nun therapeutisch wieder aufs "rechte gleis" zu setzen - in ihren verirrungen und offensichtlichen verwirrungen von erdachten fakes - ist mir insgesamt ein rätsel. eigentlich sind solche pathologischen realitätsverschiebungen durchaus therapierbar, schreibt "irish times" - und nur ihr arbeitgeber hatte ihre eine interne hilfe angeboten, die sie nun aber nicht mehr abgeschlossen hat.

dann hätte nämlich nach einer therapie der behandelnde therapeut und der anwalt auch eine richtigstellung mit dem einverständnis von frau hingst veröffentlichen können - und das leben wäre ja irgendwie weitergegangen...

aber: "hätte - hätte - fahrradkette" ...

dem redakteur des nun sehr einfühlsamen porträts der "irish times", derek scally, hat frau hingst kurz vor ihrem ableben offenbart:
"Ich bin etwas eifersüchtig auf alle Menschen, die wussten, was sie tun wollten, die wussten, dass Wörter zu ihnen gehören", schrieb sie. „Ich bin immer nur ein gieriger Dieb, voller Hunger nach Worten. Und wie Sie und die ganze Welt sehen können, ist es nicht gut gelaufen.“ 
"irish times" berichtet, frau hingst würde am 31.07.2019 in wittenberg beigesetzt.

mir tut das tragische ende dieser entwicklung und dieser allseitigen verirrung leid.

in fakes verrannt

click here  oder in "Spiegel" Nr. 23/2019, S. 112 ff. lesen ...


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Die NEUE WESTFÄLISCHE schreibt am 03.06.2019 auf ihrer "Kultur/Medien"-Seite dazu:
Skandal: Die deutsche Bloggerin Marie Sophie Hingst hat wohl gar keinen Großvater, der Auschwitz-Häftling war. Holocaust-Opferbögen hat sie gefälscht
Jüdische Familie frei erfunden

Sie galt als engagierte Kämpferin für Holocaust-Opfer, ihr Opa war angeblich in Auschwitz. Sie moderierte Podiumsdiskussionen für den Förderkreis des Berliner Holocaust-Denkmals, engagierte sich bei der Jewish Society ihrer Universität und meldete sogar die Namen von 22 angeblichen Holocaust-Opfern bei der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Doch nun wird bekannt: Die erfolgreiche deutsche Bloggerin Marie Sophie Hingst, die in Dublin lebt, hat ihre jüdische Familiengeschichte frei erfunden.

Wie der Spiegel berichtet, hat die promovierte Historikerin gar keine jüdische Verwandtschaft. Ihr Großvater war evangelischer Pfarrer und nicht, wie angegeben, Auschwitz-Häftling.

Hingst habe 22 gefälschte „Pages of Testimony“, sogenannte Opferbögen, in Yad Vashem eingereicht, die den Eindruck erwecken, dass große Teile ihrer Familie im Holocaust umgekommen seien. Unterlagen des Stadtarchivs zeigen allerdings, dass die Bloggerin aus einer evangelischen Familie stammt. Von den angeblichen Holocaust-Opfern haben wohl nur drei wirklich gelebt, schreibtDer Spiegel. Darüber hinaus hat Hingst in ihrem Blog mehrmals behauptet, dass sie eine Slumklinik in Neu Delhi gegründet und dort eine Sexualberatung für junge indische Männer angeboten habe. Seit 2016 habe sie in einer Arztpraxis auch syrische Flüchtlinge in Deutschland beraten, wie sie bei Zeit Online unter dem Pseudonym Sophie Roznblatt behauptet hatte.

Die Berliner Historikerin Gabriele Bergner war auf den Fall aufmerksam geworden. Mit einer Anwältin, einem Genealogen und einem Archivar hatte sie sich über die Unstimmigkeiten in Hingsts Blogeinträgen ausgetauscht. Mitarbeiter des Stralsunder Stadtarchivs haben gegenüber demSpiegelvon „falschen Identitäten“ gesprochen. Aus der Stadt sollen acht der angeblichen Holocaust-Opfer aus Hingsts Familienumfeldherstammen. Bis auf einige Namen, seien die Umstände frei erfunden gewesen. Die Stralsunder Behörden haben das Auswärtige Amt nun gebeten, die Gedenkstätte Yad Vashem zu informieren, dass die von Hingst eingereichten Formulare wohl gefälscht seien.

Die Chefredaktion von Zeit Online zeigt sich erschüttert. „Nach derzeitigem Stand müssen wir davon ausgehen, dass die in unserem Beitrag geschilderten Ereignisse weitgehend falsch sind“, schreibt die Chefredaktion in ihrem Blog Glashaus. „Die Autorin hat Teile ihrer Biografie erfunden, andere verfälscht, und mit großem Aufwand jahrelang öffentlich vorgetäuscht, eine Person zu sein, die sie nicht ist.“ So nutzte Hingst offenbar die Identität einer verstorbenen Person, um in deren Namen E-Mails an die Redaktion zu schreiben. Selbst Teile ihres engeren Umfelds würden ihren Schilderungen bis heute glauben, so die Chefredaktion. Zeit Online habe die Autorin mit den Recherchen konfrontiert, sie möchte sich allerdings derzeit zu den Vorwürfen nicht äußern.

Dem Spiegel teilte Hingst über einen Anwalt mit, dass die Blogeinträge „ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch“ nähmen. „Es handelt sich hier um Literatur, nicht um Journalismus oder Geschichtsschreibung.“ Berühmt wurde Hingst durch ihren Blog „Read on my dear, read on“. In den vergangenen Jahren erhielt sie zahlreiche Würdigungen für ihre Arbeit.

2017 wurde sie von den Goldenen Bloggern zur „Bloggerin des Jahres“ gewählt, bei der Preisverleihung warb sie, mit leiser Stimme und bescheidenem Auftreten, für eine Freilassung von Deniz Yücel, dem sie Postkarten ins Gefängnis geschickt haben soll. Im letzten Jahr erhielt sie für einen Essay den „Future of Europe“-Preis der Financial Times.

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es ist schlimm, dass es menschen gibt, die sich mit der not und dem gewaltsamen opfergang erfundener menschen regelrecht "schmücken" und aufmotzen wollen oder müssen, um auf- und ansehen zu erheischen - die dazu holocaust-opfer aus der eigenen familie einfach erfinden und hinzudichten - und denen es scheinbar spaß macht, ihre follower und user in den dazu betriebenen einschlägigen lügenblogs - und in diesem fall sogar noch mit der überschrift "read on my dear, read on" - zu täuschen, in denen sie ihre so bewusst erdachten lügen verbreiten und sich mit echter anteilnahme "bedauern" und mit preisen dafür "feiern" lassen - und nach dem auffliegen sagen: "was regt ihr euch auf - das ist doch alles als erdachte literatur gemeint gewesen"...

das spiel mit identitäten, mit rollen und masken ist ja uralt - und gerade auch in der "darstellenden" kunst: im theater und im film sowieso - und wenn ich zur biennale nach venedig blicke, bespielt den deutschen pavillon dort eine dafür nominierte künstlerin, die sich "natascha süder-happelmann" nennt, ja auch mit "falschen identitäten" und wechselnden namen und trägt einen pappmaschee-steinkopf, um ihr "antlitz" darunter zu verbergen, und spricht nicht selbst sondern lässt stellungnahmen verlesen...

hinter solchen strategien verbirgt sich oft im kern für mich auch immer etwas von "sich-nicht-stellen-können", von "dahinter-verstecken" und von verantwortungsverweigerung und verdrängung - von "tauber nuss"...

als eigenständige kunstform ist das ja vielleicht im digitalen heutzutage und hier & jetzt als "spiel" noch akzeptabel - und theater und film leben ja vom rollenspiel der darsteller - aber im historisch-urkundlichen real-bereich führt man damit das in der verfassung ja besonders gehütete, im alltag aber auch gern inflationär benutzte und oft nur vorgeschobene grundrecht des persönlichkeitsrechts mit dem damit verbundenen "persönlichkeitsschutz" meines erachtens ad absurdum: jeder legt sich dann bald mehrmals wechselnd ungekennzeichnet seine identitäten zurecht, die ihm gerade zupass kommen - und wechselt die je nach "stimmung" wie die kleidung - im internet ist das ja schon lange gang und gäbe: "wer bin ich - und wenn ja wie viele?" lautete der titel von precht schon vor über 10 jahren - und jetzt haben wir dazu den identitäts-schnipsel-"salat". und ein paar migranten tragen drei oder vier verschiedene gekaufte oder erkungelte identitätspapiere bei sich, mit verschiedensten fantasie-namen und geburtsdaten...

doch im spiel mit (er- und gefundenen) identitäten balanciert man auch gemeinhin immer auf dem drahtseilakt zwischen "genie & wahnsinn" entlang: wenn das rollenspiel pathologisch ausartet und man wie in der schizophrenie den inneren identitätshalt ganz verliert oder vergisst und nicht mehr aufgefangen wird - und nicht mehr weiß, wer man ist: so lässt sich in den psychiatrie-diagnosen zum verhalten von frau hingst auch eine "artifizielle störung" ausmachen, die man treffend mit "münchhausen-syndrom" bezeichnet - aber ein solches verhalten gibt es ansatzweise auch bei der "borderline"-persönlichkeitsstörung (bps). doch ich will hier nun nicht laienhaft herumstochern - denn mit einer einschlägigen diagnose würde ja frau hingst sogar noch entlastet - etwa im sinne von "sie konnte ja gar nicht anders"...

besonders wütend bin ich darüber, dass sie damit auch den leuten der rechts-populistischen couleur in die hände spielt, die schon lange die kolportierte opferzahl der shoah öffentlich in zweifel ziehen - und damit das tatsächliche opferleid all der nazi-morde verunglimpfen - und die ja sowieso schon "fake news" hinter jeder ecke vermuten und "lügenpresse" krakeelen - und diesen "fall" jetzt sicherlich "nutzen" für ihre thesen.

da macht diese frau tatsächlich ihren echten abschluss als historikerin und erfindet sich dann für die eigene familie und person ihre "familien-historie", um damit falschen eindruck zu schinden - leute an der nase herumzuführen und falsche preise für die blogs einzusammeln - und: falsches mitleid ... : das ist für mich im wahrsten sinne des wortes einfach nur bodenlos "niederträchtig".

insgesamt erinnert dieses gebaren für mich schon an den "fall relotius", wo ein spiegel-redakteur ein großteil seiner veröffentlichten recherchen einfach erfunden hat, ebenfalls um eindruck zu schinden und preise einzuheimsen.

okay - hochstapler hat es immer gegeben - auch menschen mit eigenartigsten macken: aber dass man mit erfundenen leiden und falschen massenmord-leichen einfach nur eindruck schinden will, ist für mich schon einigermaßen pervers und höchst makaber. 

im kurzen spiegel-video dazu wird ja auch vermutet, dass es eben milieus gibt, gerade auch da wo diese frau hingst lebt und gelebt hat, wo man damit eindruck schinden konnte und kann und zuwendung bekommt. frau hingst hatte 240.000 follower für ihre blogs, die mit ihren erstunkenen und erlogenen "münchhausen"-geschichten mitfieberten...

und mit den in meinen memorial-blogs veröffentlichten seriösen recherchen tatsächlicher familiengeschichtlicher fakten  zur "erna-story", dem ns-euthanasiemord-protokollen meiner tante erna kronshage, fühle ich mich durch solche falsche und spinnerte "forschungs-kolleg*in", die auch noch akademische abschlüsse als anscheinend "echte" historikerin vorweist, aufs höchste diskreditiert.

gut, dass ich von anfang an mit meinen schon in die 80er jahre zurückreichenden recherchen dann vor gut 10 jahren direkt an die öffentlichkeit gegangen bin - und die relevanten echt vorhandenen beurkundungen dieses opferschicksals erst verschlüsselt, dann aber bald schon mit klarnamen, jeweils in den blogs und magazinen mit reproduziert habe - so dass sie sich von jederfrau oder jedermann in den angegebenen auch amtlichen quellen jederzeit tatsächlich auch verifizieren und überprüfen lassen.

bei diesen von den nazi's und allen beteiligten und deren helfern wie am fließband industriell und kleinteilig aber zum kriegsende hin immer weniger bürokratisch betriebenen massentötungen mit anschließender vernichtung der unterlagen dazu, ist dazu eine äußerst diffizile puzzle-arbeit vonnöten.

einiges an bildmaterial in den magazinen habe ich jeweils dann gekennzeichnet, wenn es lediglich der reinen symbolhaften situations- und milieu-illustration dienen soll - eben auch weil "ein bild mehr sagt als 1000 worte", und weil man bis ende der 40er jahre - und dann auch im krieg - wenig an einschlägigen bildmaterialien erstellt und schon gar nicht dokumentiert hat bzw. erstellen konnte, im vergleich zum schon fast inflationären digitalen "knipsen" z.b. mit dem smartphone heutzutage.

und doch ist natürlich die bildliche darstellung in der geschichts(be)schreibung zum holocaust und zu den kranken- und nazi-morden gerade für junge menschen heutzutage besonders aufschlussreich, weil man viele alltägliche gegebenheiten und das jeweilige milieu aus der damaligen zeit erst im bild plausibel nachvollziehen kann.

gerade die "story" um erna kronshage ereignete sich ja darüberhinaus auch an der schwelle vom endgültigen niedergang des lokalen ländlich weitläufigen acker-milieus - hin zu einer urbanen und industriellen allgemein-entwicklung, die man besonders auch hier in der lokalgeschichte von ernas geburtsort senne II hin zur "sennestadt" und jetzt als südlicher randstadtteil von bielefeld bildlich und ideell mit nachvollziehen muss, wenn man das opferschicksal ernas auch an diese flankierenden, auf die psyche und werte einer heranreifenden jungen frau aber einwirkenden geschehnisse mit "be-greifen" und einigermaßen nachvollziehen will.

click zu dem "fall hingst" auch hier - und hier ...