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jage die ängste fort



Rezept

Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muß, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.

(Mascha Kaléko . aus: Die paar leuchtenden Jahre)

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der #corona-lockdown trifft die kunst- & kulturschaffenden bis tief ins mark, denn hier wird begegnung, austausch, nähe, das publikum und der applaus zum (über)leben benötigt.

die kultur-staatsministerin monika grütters hat jetzt in einem interview mit der süddeutschen zeitung fragen beantwortet zur derzeitigen lage dieses "elementaren lebensbedürfnisses" der menschen in allen facetten und erscheinungsformen. kunst & kultur sind eben nicht "verzichtbar", sondern "lebensnotwendig".

Das interview, das du hier lesen kannst, endet mit folgendem passus:

SZ: Es gab in den letzten zehn Jahren so viel Theater, Oper, Kunst, Preise wie noch nie. Vielleicht lernen wir das jetzt erst zu schätzen. Oder könnte man umgekehrt fragen: Brauchen wir das wirklich alles?

Grütters: Kennen Sie das Gedicht "Rezept" von Mascha Kaléko? Da schreibt sie: "Jage die Ängste fort. / Und die Angst vor den Ängsten. / Für die paar Jahre / Wird wohl alles noch reichen. / Das Brot im Kasten / Und der Anzug im Schrank. // Sage nicht mein. / Es ist dir alles geliehen. / Lebe auf Zeit und sieh, / Wie wenig du brauchst. / Richte dich ein. / Und halte den Koffer bereit." Kaléko war Jüdin und musste sich in ihrem Leben immer wieder woanders einrichten. Die Erfahrung dieser Menschen müsste man sich viel häufiger vergegenwärtigen. Oft merkt man erst dann, wenn man sich diese Frage stellen muss, wie viel einem etwas wirklich wert ist. Wie viel ist uns die Kultur wert? Das ist eine Frage für die ganze Gesellschaft - und vielleicht eher in schwierigen als in satten Zeiten, dann, wenn die Kultur konkurriert mit elementaren Bedürfnissen: Gesundheit, Unterkunft, Heizung, Nahrung. Ist auch die Kultur ein elementares Bedürfnis? Das ist eine spannende philosophische Betrachtung. Ich persönlich beantworte diese Frage eindeutig mit "Ja".


sinedi.mach@rt: rochade

Virtuelle Top-Museums-Rundreise

Kunst vom Sofa aus erleben 

Diese 15 berühmten Museen bieten virtuelle Touren an

von Laura Klemens
Kölner Stadt-Anzeiger 18.03.20

Zuhause. 
Eigentlich ein schöner Ort. Wenn man aber dort bleiben soll, ja sogar muss, fühlt man sich schnell eingesperrt. Viele suchen dann nach Beschäftigung oder Unterhaltung. Filme und Serien schauen, steht dabei weit vorne an. Aber wenn auch das langweilig wird, kann ein Alternativ-Programm nicht schaden. Wie wäre es mit Kultur?

Google Arts & Culture hat sich mit vielen Hunderten Museen und Galerien weltweit zusammengetan, um auf ihrer Plattform gesammelt virtuelle Touren und Ausstellungen anzubieten. So kann man diese von überall aus bewundern. Auch vom heimischen Sofa aus. In Zeiten, in denen wir wegen des  Coronavirus alle lieber Zuhause bleiben sollten, ist das eine gute Möglichkeit zumindest virtuell in die Welt der Museen einzutauchen.


Wir haben eine Auswahl von 15 berühmten Museen zusammengestellt.


Szene aus dem Guggenheim-Rundgang


1 Guggenheim Museum, New York
Mit der Google Street View Funktion können Besucher das spiralförmige Treppenhaus des Guggenheim Museums besuchen, ohne das Haus zu verlassen. Dort kann man beeindruckende Kunstwerke aus den Bereichen Impressionismus, Post-Impressionismus oder aus der Moderne anschauen. Verschiedene Online-Ausstellungen und einzelne Objekte werden ebenfalls präsentiert.

2 The Museum of Modern Art, New York
Das Museum mitten in Manhatten hat sich als erstes der Moderne gewidmet. Viele Sammlungen, Objekte und eine Story wird online vom „MoMA" angeboten, so dass man die Kunst auch hier von Zuhause anschauen kann. Hier hängt zum Beispiel Van Goghs berühmtes Bild „Sternennacht“. Auch Installationen und Bildhauerkunst kann man sich virtuell ansehen.

3 National Gallery of Art, Washington, D.C.
Zwei Online Ausstellungen kann man in diesem berühmten Kunst-Museum besuchen, außerdem mehr als 40.000 Objekte bestaunen. Die erste Ausstellung behandelt die amerikanische Mode von 1740 bis 1895. Die zweite ist eine Sammlung, die aus Barock-Werken des niederländischen Künstlers Johannes Vermeer besteht.

4 The J. Paul Getty Museum, Los Angeles
Das „Getty“ zeigt europäische Kunst in Form von Gemälden, Handschriften, Zeichnungen und Skulpturen sowie europäische, asiatische und amerikanische Fotografien. Ohne in den Flieger steigen zu müssen, kann man einen großen Teil der Sammlung online erleben.

5 British Museum, London
Dieses bedeutsame Museum mitten im Herzen von London erlaubt den Besuchern virtuell durch Zeit und Raum zu wandeln und dabei Hunderte von Artefakten aus verschiedenen Bereichen wie „Kunst und Design“ oder „Religion und Glaube“ anzuschauen. Viele Online-Ausstellungen, mehr als 7000 Artefakt-Darstellungen und drei Museumsansichten machen den Besuch rund.

6 Musée d’Orsay, Paris
Das Museum d’Orsay, beherbergt viele bekannte Werke von französischen Künstlern wie Monet, Cézanne oder Gauguin, die zwischen den Jahren 1848 und 1914 gearbeitet und gelebt haben. Die visuelle Tour bietet einen Einblick in die Entwicklung des Museums – von der Bahnstation zum bekannten Museum.

7 National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul
Eines von Korea’s bekanntesten Museen kann man nun auch von überall auf der Welt betreten. Die virtuelle Tour nimmt den Besucher in vier Ausstellungen mit, die die Entstehung und Entwicklung des Museums und auch koreanische Kunst ergründen. 235 Objekte und vier Erkundungstouren lassen viele Einblick ins Museum zu.

8 Rijksmuseum, Amsterdam
Hier kann man die Meisterwerke der niederländischen Blütezeit bestaunen, inklusive der Werke von Vermeer und Rembrandt. Dank einer Street View Tour durch das Museum, wandert man durch die Hallen des Museums und kann dabei die Werke zwar nicht riechen, aber fast genauso gut anschauen. Außerdem gibt es die Bilder auch in elf Stories zu bewundern.

9 Van Gogh Museum, Amsterdam
Welcher Kunstliebhaber kennt ihn nicht, den genialen aber tragischen Maler Van Gogh? In Amsterdam steht mit über 200 Bildern, 500 Zeichnungen und über 750 Briefen die größte Sammlung des Künstlers. Online kann man in zwei Ausstellungen zum Thema „Van Goghs Bücher“ und „Van Goghs Liebesleben“ mehr über den Künstler erfahren. Außerdem kann man mit Street View durch das Museum wandern.

10 Uffizi Gallery, Florence
Diese Galerie beherbergt die Kunst-Sammlung einer der berühmtesten Familien in Italien – den Medicis. Das schöne Gebäude können wir von außen schlecht bestaunen, aber die Innenräume können wir mit Street View ablaufen. Immerhin muss man jetzt nicht anstehen. In der Hochsaison kann das nämlich bis zu vier Stunden dauern. Mit vier Online-Stories, zahlreichen Objekten und Sammlungen, in denen wir etwas über die Zeit der italienischen Renaissance lernen können, kann es der Online-Besuch mit dem realen Besuch fast aufnehmen.

11 National Museum of Science and Technology Leonardo Da Vinci, Mailand
Als eines der wichtigsten Museen in Europa im Bereich Wissenschaft und Technik wird hier die größte Sammlung von Maschinen, die auf der Grundlage von Da Vincis Skizzen gebaut wurden, gezeigt. Im virtuellen Rundgang kann man in 19 Ausstellungen ein U-Boot von innen besichtigen, alte Dampfloks betrachten und den Raumfahrtbereich entdecken.

12 Museum für Naturkunde, Berlin
Bei dem virtuellen Rundgang mit Google Street View lernt man auch vom Sofa aus einiges über Evolution und Geoprozesse. Auch das Skelett von Tyrannosaurus Rex Tristan kann man online noch bewundern. Ende Januar wurde der Saurier nämlich nach Kopenhagen ausgeliehen. Die Dauerausstellung und viele Sonderausstellungen kann man ebenfalls online betrachten.

13 MASP, São Paulo
Das Museum in São Paulo gilt als das bedeutendste Kunstmuseum in Lateinamerika. Online darf man zwischen sechs Bereichen wählen. So scheinen in einer Ausstellung die Bilder in der Luft zu schweben. Eine andere beschäftigt sich mit Mode. Außerdem gibt es Kunst aus Brasilien, Italien oder Frankreich zu sehen.

14 Museo Frida Kahlo, Ciudad de México
Die berühmte Künstlerin aus Mexiko hat ein eigenes Museum bekommen, das auch gleichzeitig ihr Geburtshaus und das Haus war, in dem sie bis zu ihrem Tod lebte.  Auf der Tour sieht man Teile der Einrichtung, Kleidung, Malutensilien oder auch Gemälde von Frida Kahlo.

15 National Museum of Anthropology, Mexico City
Dieses Museum widmet sich der Archäologie und Geschichte in Mexiko. 23 Räume sind mit alten Artefakten, auch der Mayas, ausgestattet. Eine Vorstellung der Sammlung dort bekommt man auch online.

Auf Google Arts & Culture ist das Angebot riesig. Mit dieser Liste haben wir nur eine Auswahl geschaffen. Wenn Sie sich weitere Museen oder auch kulturelle Stätten wie die Osterinseln oder Versailles anschauen möchten, suchen Sie die Website hier auf und schauen Sie sich um. Aber auch andere Museen bieten virtuelle Touren, beispielsweise über ihre eigenen Webseiten an. So kann man auch der Kunst im Wallraf-Richartz-Museum in Köln ohne einen physischen Besuch näher kommen. Oder den Louvre in Paris besuchen.

Louvre
Vielleicht das bekannteste Museum der Welt ist der Louvre (französisch Musée du Louvre). Es ist auch das meistbesuchte Museum überhaupt. Auf der Sammlung von Google Arts & Culture ist es nicht zu finden, dennoch kann man auch hier Virtuelles erleben. Denn das Museum in Paris hat ein eigenes Angebot, das man auf seiner Webseite anschauen kann und drei virtuelle Touren beinhaltet. So gibt es hier einmal Ägyptische Antiquitäten zu begutachten. Eine weitere Tour führt uns zum mittelalterlichen Louvre, hier kann man sich Palastgraben und Zugbrücken anschauen. Das dritte Angebot leitet den Besucher in die restaurierte Galerie d'Apollon.
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eine virtuelle weltreise zu den top kunst-museen - damit lässt sich doch mal wieder ein großer anteil zeit, den wir jetzt durch corona gewonnen haben, überbrücken und äußerst sinnvoll füllen - und vor allen dingen führt es jeweils vielleicht weiter zu neuen website-verknüpfungen, die wir aufschließen und erschließen können. und natürlich gibt es als nachtisch auf dem nachhauseweg auch noch meine bescheidene sinedi.mach.@rt.gallery... -


viel spaß - & bleib(t) gesund!

völliger quatsch



Kunstexperte Magnus Resch

"Das Gerede von guter Kunst ist völliger Quatsch"

Magnus Resch will Künstler in Geldfragen beraten - und mag steile Thesen: Ein Kunststudium, sagt der Wirtschaftsmann, führt in die Arbeitslosigkeit. Und Selbstvermarktung ist wichtiger als Qualität.

Ein Interview von Sebastian Späth | SPIEGEL



Maurizio Cattelans Bananen-Installation "Comedian" wurde auf der Art Basel irgendwann vor den Augen der Besucher verspeist - RHONA WISE/ EPA-EFE/ REX / SPIEGEL


  • Magnus Resch, 35, ist Kunstexperte. Er schrieb Bestseller wie "Management von Kunstgalerien" und hält Vorlesungen an der Yale University. Sein neues Projekt heißt "MagnusClass". Das Online-Seminar für Künstler ist gewissermaßen eine Kampfansage an alle traditionellen Kunsthochschulen: Resch legt darin den Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Seite des Betriebs. In bisher 55 Unterrichtseinheiten erklärt Resch etwa, wie Künstler eine Galerie für sich gewinnen, Journalisten dazu bringen, über sie zu berichten - und vor allem, wie sie mit Kunst Geld verdienen.


SPIEGEL: Herr Resch, Sie haben eine Online-Kunstakademie gegründet. Produzieren die Hochschulen in Deutschland nicht schon genug erfolglose Künstler?

Magnus Resch: Die Ausbildung an Kunsthochschulen ist einseitig. Dort wird konsequent vermieden, über Geld zu sprechen oder über den Kunstmarkt. Jeder Künstler ist Selbstunternehmer, aber übers Unternehmersein wird nichts unterrichtet. Auch Künstler müssen Miete bezahlen, und das geht nur, wenn sie ihre Kunst verkaufen. In diese Lücke gehe ich mit meinen Onlinekursen. Besonders in Deutschland gibt es große Vorbehalte gegen eine marktorientierte und realitätsnahe Ausbildung, was absurd ist. Es scheint, dass es für Künstler erstrebenswerter ist, arm und erfolglos zu sein, als Geld zu verdienen. Das Kunststudium führt in die Arbeitslosigkeit.

SPIEGEL: Eine steile These - vor allem, weil Sie selbst nie an einer Kunsthochschule studiert haben.

Resch: Ein Professor für Unternehmensführung muss auch nicht Amazon gegründet haben. Ich arbeite seit 15 Jahren im Kunstmarkt und habe viele Künstlerfreunde. Ich erlebe hautnah, wie schwer es ist, von Kunst zu leben und bekomme täglich E-Mails von Künstlern. Die häufigste Frage lautet: "Magnus, wie werde ich erfolgreich?"

SPIEGEL: Ihr Kurs richtet sich an die Brotlosen. Also an 80 Prozent aller Künstler, wie Sie selbst in einem ihrer Lehrvideos behaupten. Die meisten werden sich schon die 300 Dollar allein für das Basispaket nicht leisten können.

Resch: Der Preis ist vielleicht sogar zu niedrig. Die vom Sotheby's Institute kosten das Achtfache.

SPIEGEL: Sie sind promovierter BWLer, Start-up-Investor und Bestsellerautor. Ihre unternehmerischen Erfolge will ich gar nicht kleinreden. Aber was sollen Künstler von Ihnen lernen können?

Resch: Ich bin kein Künstler, das stimmt, und ich will das auch gar nicht sein. In anderen Kursen geht es um Pinselstriche, Farbe und Impressionismus. Bei mir geht es ums Geld. Und da kenne ich mich aus: Mit 20 habe ich bereits eine Galerie geführt, meine Doktorarbeit habe ich über das Geschäftsmodell von Kunstgalerien geschrieben.

SPIEGEL: Einer der Tipps in ihrem Kurs lautet: "Lass nicht einen Sammler entscheiden, welches Kunstwerk er kauft. Er weiß es eh nicht. Sag ihm, du hättest da ein Bild, das wunderbar an seine Wand passt." Mit anderen Worten: Künstler sollen Sammlern ihre Kunst aufschwatzen?

Resch: Sie sollen Verkaufstechniken lernen. Ich empfehle zum Beispiel auch: "Sag den Preis… und dann nichts mehr. Entschuldige dich vor allem nicht!" Das erlebe ich nämlich häufig: Ich frage nach einem Preis für ein Werk, dann drucksen die rum. Besonders in Deutschland gehen Künstler und Galeristen extrem verkrampft mit Geld um. Natürlich müssen sie nicht ständig über Geld reden, aber sie sollten simple unternehmerische Prinzipien beherzigen. Es ist nicht schlimm, wenn man nach außen das Klischee des Verträumten gibt. Entscheidend ist aber, was hinter verschlossener Tür passiert.

SPIEGEL: Sie benannten einst eine Handy-App nach sich, Ihre Online-Kunsthochschule trägt auch wieder Ihren Namen: "MagnusClass". Ist das nicht nur ein weiterer Self-Marketing-Coup?

Resch: Ihre Frage ist typisch deutsch, in den USA fragt mich das niemand. Die David Zwirner Gallery heißt auch wie ihr Besitzer. Wenn Sie sich meine Onlinekurse ansehen, merken Sie, dass der Schwerpunkt auf den Inhalten liegt. Ist doch klar, dass ich nicht Künstlern predigen kann, wie wichtig Selfbranding ist, und es dann nicht selbst anwende. Um als Künstler Erfolg zu haben, muss man eine Marke sein. In meinem Kurs erkläre ich, wie man das schafft.

SPIEGEL: Warum nehmen Sie Eigenwerbung so wichtig? Glauben Sie nicht, dass sich künstlerische Qualität am Ende durchsetzt?

Resch: Darauf kann ich ihnen eine datenbasierte Antwort geben. Meine Studie, die ich letztes Jahr im Wissenschaftsmagazin Science herausgebracht habe, zeigt, dass der Erfolg eines Künstlers nicht von seiner Kunst abhängt, sondern von seinem Netzwerk. Wenn Sie als junger Mensch die Option hätten, in einer Kunstgalerie in New York zu arbeiten oder dort Assistent eines berühmten Künstlers zu werden, würde ich das dem Studium an der Kunstakademie Karlsruhe in jedem Fall vorziehen. Denn in New York lernt man die wichtigeren Leute kennen. Die Ausbildung ist nicht relevant, um ein erfolgreicher Künstler zu werden.

SPIEGEL: Ist es heute also gar nicht mehr wichtig, gute Kunst zu machen?

Resch: Das Gerede von guter Kunst ist völliger Quatsch. Aktuell ist gute Kunst, was eine kleine Gruppe einflussreicher, alter weißer Männer festlegt. Frauen, Afroamerikaner, Mitglieder der LGBTQ-Community werden dadurch stark benachteiligt. Heute muss gute Kunst vor allem eins sein: teuer. Der Inhalt zählt nicht. Die Banane von Maurizio Catellan, die er auf der Art Basel Miami Beach für 120.000 Dollar verkauft hat, zeigte das kürzlich.

SPIEGEL: Aber Sie selbst argumentieren ja auch ohne inhaltlichen Bezug zum Werk: Solange die PR stimmt, könnte ich auch ein Bild von einem Dreijährigen für Millionen verkaufen. Haben Sie wirklich überhaupt keine Kriterien, was gute Kunst ausmacht?

Resch: Das Problem ist: Viele tolle Künstler werden nicht fair entlohnt, weil sie nie gelernt haben, ihre Kunst richtig zu erklären. Deshalb gebe ich in meinem Kurs auch Anleitungen für ein perfektes Artist's Statement.

 SPIEGEL: Nehmen wir an, Sie würden irgendwann Direktor einer Kunstakademie werden. Was würden Sie als erstes ändern?

Resch: Ich würde sie sofort schließen.

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tja - als "das" beispiel einer echt zu vermarktenden "kunst" - "ohne inhalt", führt herr resch diese skandal-banane an, die da neulich auf einer kunstmesse in new york so großes aufsehen erregte: mit klebeband an die wand gepeppt - für 120.000 von jetzt auf gleich als "conzept-art" verhökert - und dann glattweg in einer weiteren "kunst-aktion" von einem (abgesprochen oder nicht ???) kollegen vor ("zufällig???") laufender video-kamera in aller seelenruhe aufgepellt und aufgegessen, wie man das mit einer normalen banane so macht - und diese "bana"lität in alle welt als video verkauft.

und fast entschuldigend meinten der käufer und der galerist dann - es kame bei dieser art "kunst" ja nicht etwa auf diese banane an, die sowieso immer wieder ausgetauscht werden müsse: es wäre halt die "idee" hinter der banane - also quasi das "pappende" - oder so ...

also - liebe kunstbanausen - aufgepasst: wer bei sich zuhause mit etwas breiterem  grauem tesa-klebeband aus plastik etwa eine banane an die wand klebt, kann wegen "copyright"-verletzungen dann sicherlich belangt werden - und ein paar nicht ganz ausgelastete rechtsanwälte und kanzleien warten ja nur auf solche gewinnbringenden auseinandersetzungen - und der alte spruch: "von nix kommt nix" wird einfach mit solchem schmarren ad absurdum geführt - so generiert sich knete aus einer fast schwarzen banane...

und auch der street-art-graffiti-"banksy" scheint bei herrn rasche in die lehre gegangen zu sein, denn auch von ihm kommen zu strategisch wichtigen zeitpunkten und begebenheiten pünktlich seine beiträge zur scene - die ihm dann regelmäßig eine gute presse bringen - die dann auch den marktwert seiner arbeiten, fotos und abzüge ausmachen - echt chanz doll...

nur der tatsächlich teuerste lebende künstler auf diesem erdenrund, der olle gerhard richter, tut sich mit seinem marketing oftmals schwer und so schrecklich wenig "professionell" und irgendwie "introvertiert"... - aber verdient auch ohne resch seine kohle, die es ihm erlaubt, auch werke als dauerleihgabe der bundesregierung zur verfügung zu stellen.

und um seine vermaktungs-ebene zu erreichen, bedarf es schon einem gewissen "können", aus dem dann die "kunst" erwächst.

ohne substanz, nur mit dem mund angepriesen - oder nur mal als "idee" in den raum gestellt, lässt es sich zwar gut labern - aber längst noch nicht verkaufen.

und auch das, was ich da als marktstrategie des herrn resch wahrnehme und instinktmäßig meine zu erspüren, ist deutlich mehr lametta, als etwa eine darunterliegende seriöse echte handfeste weihnachtsnordmanntanne - ungespritzt und wie gewachsen, aus holz: da ist vielleicht viel idee und strategie und marktwissen, aber wenn die ware faul ist, kommt sie eben schnurstracks als remittenden-sendung zurück: return to sender ... - idee hin, concept her ...

ich rate jedem künstler ganz schlicht, neben einem handfesten seriösen beruf seine "kunst" am markt vorbei ohne rücksicht auf den "mainstream" zu "produzieren", zu schaffen, zu werkeln - einfach aus spaß an der freud...

auch die allergrößten längst verflossenen spitzenkünstler hatten ihre agenten und galeristen, schüler oder gespiel(inn)en für das geschäftliche und für die akquise, und schrappten oft zumindest vorübergehend am prekariat entlang ... das waren oft "typen", die einen agenten wie herrn resch rasch aus dem atelier geschmissen hätten... - aber ein(e) jede(r) muss glücklich werden nach seiner/ihrer "facon" ...

und chuat choan - wird schon wieder - und auf ein gutes neues jahrzehnt

ist das kunst - oder kann das weg ???

symbol-bild richter-skizzen: gerhard richter: bühler höhe (skizze) - bühler höhe (sketch) - 1991 52 cm x 62 cm werkverzeichnis: 749-2 - öl auf leinwand - by www.gerhard-richter.com


Geldstrafe für Diebstahl von Richter-Skizzen

Prozess: Zwischen weggeworfenem Altpapier vor Gerhard Richters Haus entdeckt ein Mann Skizzen des Malers – und versucht, sie zu Geld zu machen. Sind die entsorgten Entwürfe überhaupt etwas wert?

Die Bilder, um die es geht, sind dick mit Pappe, Folie und Klebestreifen verpackt. „Jetzt muss ich aber ganz vorsichtig sein“, sagt Richterin Katharina Potthoff, als sie sich mit einer Schere an dem flachen Päckchen abmüht.

Schließlich befinden sich darin Originale des Malers Gerhard Richter, der einer der teuersten lebenden Künstler ist. Nur, dass die Bilder nach dessen Ansicht misslungen sind. Darum hat er sie nicht signiert, sondern in seine Altpapiertonne geworfen. Und von dort hat ein Mann sie mitgenommen. Dafür verurteilte das Kölner Amtsgericht ihn wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe.

Der Angeklagte schweigt im Prozess zu den Vorwürfen. Manchmal zieht der 49-Jährige die Stirn spöttisch in Falten oder schüttelt den Kopf. Gerhard Richter ist nicht erschienen. Bei der polizeilichen Vernehmung war der Angeklagte nicht so schweigsam wie im Gerichtssaal. „Er sagte, der Müllcontainer sei durch einen Sturm umgeweht worden“, schildert ein Polizeibeamter. Der Angeklagte habe nach eigenen Angaben „etwas Gutes tun wollen“, indem er im Juli 2016 die herausgefallenen Papiere einsammeln und wieder in die Tonne legen wollte. Dabei habe er die vier Werke – postkartengroße, mit Öl übermalte Fotos – gefunden.

Der Angeklagte sei an Richters Kölner Villa gewesen, um ihm eine Kunstmappe zum Kauf anzubieten. Doch der Maler habe abgelehnt. Auch über die Skizzen aus dem Altpapier hätte er sich – so erklärte der Angeklagte es der Polizei – später gerne mit Richter „geeinigt“, aber er habe ja kein Gehör gefunden. So bot der arbeitslose Angeklagte zwei der Bilder einem Münchner
Auktionshaus an. Für das Gericht steht laut Urteil außer Frage, dass die eigentlich unverkäuflichen Bilder dennoch einen guten Preis erzielen könnten, würde man einen Käufer finden. Der genaue Wert könne aber nicht geschätzt werden – in der Anklage ist die Rede von 60.000 Euro. Am Ende verurteilt das Gericht den Mann zu einer Geldstrafe von 3.150 Euro – 90 Tagessätze zu je 35 Euro.

Die Bilder sollen eingezogen werden. „Auch wenn die Skizzen neben der Papiertonne lagen, waren sie noch Eigentum des Künstlers“, sagt Richterin Potthoff in der Urteilsbegründung. Indem der Maler die Bilder in den Müll warf, habe er sie „an einen Entsorgungsbetrieb zum Zwecke der Entsorgung übereignet“.

Richter selbst hat nach Angaben seines Ateliers an einer Strafverfolgung des Angeklagten kein Interesse, sondern wolle nur, dass die Arbeiten vernichtet werden.



symbolbild richter-skizzen: gerhard richter: skizzen blatt - sketch sheet: 1967 29.7 cm x 40 cm zeichnungen-wvz: 67/7 - graphit und kugelschreiber auf papier - by www.gerhard-richter.com 



Text: NEUE WESTFÄLISCHE, 25.04.2019, Kultur/Medien

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tja - ist das kunst - oder kann das weg ??? - ab wann wird kunst zur kunst: jetzt gerade in der diskussion um die nazi-vergangenheit von emil nolde, und auch bei der diskussion um die missbrauchsvorwürfe gegen michael jackson, sagen die fans, es komme einzig und allein auf die "kunst" an: also bei nolde sein expressiver einzigartiger malstil und bei michael jackson seine einzigartigen songs und performances - es komme nicht so sehr auf den künstler an, der das jeweilige werk geschaffen hat: das kunst-"produkt", seine ureigene kreation ist das entscheidende.

der künstler / die künstlerin hat wie alle menschen brüche in der biographie - und musste sich oft auch durch prekäre phasen - wie alle menschen im leben - durchschlagen: erst gestern las ich diese toll und treffend formulierte zeile vom "ambivalenten material gelebten lebens" ...- das es in jedem fall zu konstatieren gilt.

der kunstbetrieb selbst sieht das anders: da kommt es auf die signatur auf dem werk an, auf seine "autorisierung", damit etwas zur kunst wird: das werk selbst ist nicht soooo wichtig (stichwort: "das kann mein vierjähriger auch" ...)

bei gerhard richter ist es nun so, dass der oft übermalte photographien zur unverwechselbaren kunst kreiert, die auch seinen "stil" mit ausmachen. und natürlich "verwirft" der künstler auch entwürfe, die ihm nicht "gelungen" erscheinen - er verwirft sie nach gutdünken - und genauso erhebt er andere - für den außenstehenden fast verwechselbare gleiche exemplare - zu seiner "kunst", durch seine signatur und nimmt sie in sein werkverzeichnis auf (s. abb. hier...)

und den schäbigen rest legt er in die abfallkiste, die dann irgendwann ein entsorgungsbetrieb abholt und (hoffentlich) gewissenhaft vernichtet.

also: kunst / keine kunst - signatur / keine signatur ...

und bei dem streetart-künstler banksy wird das ganze prozedere noch komplizierter: der schuf den abzug eines bildes auf leinen aus einer seiner unverwechselbaren genial gestalteten schablonen - hier mit dem titel: "the girl with balloon", das er sonst als graffiti an hauswände drappiert - er signiert das bild dann als echten "banksy" - liefert es in einem von ihm selbst mechanisch präparierten rahmen in ein auktionshaus ein - und just, als sich der auktionshammer nach dem gebot von 1,2 mio. gesenkt hat, zerschreddert die vom künstler eingebrachte mechanik im bildrahmen das werk in streifen - aber nur bis zur hälfte ...- was eine panne darstellte, denn banksy wollte es ganz zerstören und so gegen den kunstmarkt-wahnsinn protestieren.

die käuferin ist eine "europäische sammlerin und langjährige kundin von sotheby's", teilt nun das auktionshaus mit -  und nehme es auch zerschreddert an: dies sei das "erste kunstwerk der geschichte, das während einer auktion live entstanden" sei - so ein sprecher dazu von "sotheby's".

die käuferin ersteht also nun das bis zur hälfte zerschnittene bild trotzdem - eben zum aufgerufenen auktionspreis - und flugs steigen die werte nochmal - nun für diesen bildtorso - und selbst das ehrwürdige burda-museum ist sich nicht zu schade, diesen kunstfetzen nun anzupreisen und auszustellen ...

"love is in the bin§
da will also ein künstler sein werk bei seiner millionenschweren veräußerung gleichzeitig in schnipsel zerstückeln, aber die mechanik versagt bei der hälfte - und schnipsel und restbild bilden nun ein neues kunstwerk, dem banksy den titel: "love is in the bin" - die liebe ist im eimer gibt...

und diesen banksy-akt insgesamt nun mit dem restefund von richter zu vergleichen zeigt ja auch, wie schwer es ist, kunst-(aktionen) tatsächlich richterlich zu bewerten - das ist juristisch sicherlich ein drahtseilakt.

denn da geht es doch nur noch um die reine sache: wer hat wann wem zu welchem zweck etwas "übereignet"... - und sogar unverdorbene speisereste aus dem müllcontainer eines discounters werden ja als "diebstahl" geahndet...

wir sind so frei ...

Die Kunst war noch nie frei – wir aber waren nie freier

Auch die Kunstszene braucht ihre Skandälchen – und sei es jenes, dass die Freiheit der Kunst in Gefahr sei. Von Philipp Meier | NZZ

Alles schreit immer und überall, die Freiheit der Kunst sei in Gefahr. Und die Debatte wird am Laufen gehalten mit den immergleichen paar Beispielen. Zuerst: Balthus. Dabei hat die Fondation Beyeler in ihrer schönen Übersichtsschau vom letzten Jahr die umstrittene Leihgabe aus dem Metropolitan Museum – ja, jenes Bild eines halbwüchsigen Mädchens mit geschürztem Rock – eben gerade nicht aus dem Programm genommen, sondern trotz allem gezeigt. «Trotz allem», das heisst hier, um uns zu erinnern, trotz der Petition, die in New York an das Metropolitan ging, weil 12 000 Unterzeichnende ihre Bedenken äußerten, das Werk könnte pädophile Neigungen bedienen.


 Balthasar Kłossowski de Rola, genannt Balthus, ein polnisch-deutsch-französischer Maler: «Thérèse rêvant»
 (Bild: André Held / akg-images)

Die neue Zensur von unten

Herhalten muss auch Eugen Gomringers Gedicht «avenidas» an der Fassade einer Berliner Hochschule, das auf Begehren der Schülerschaft als nicht mehr zeitgemäss eingestuft und übermalt wurde. Auch diese Inschrift wird immer wieder dafür als Beispiel angeführt, wie sehr heute die Freiheit der Kunst unter Beschuss geraten sei. Dann gibt es noch eine Handvoll weiterer Fälle. Etwa der Fall Sam Durant, an dessen Installation «Scaffold» sich Indianer störten, weil sie den Völkermord der Indigenen Amerikas thematisiert. Oder das Skandälchen um die temporäre Entfernung eines Nymphenbildes vom Präraffaeliten John William Waterhouse aus den Räumen der Manchester Art Gallery.

„Hylas and the Nymphs“ (1896) von John William Waterhouse, abgehängt, um eine Debatte über die politisch unkorrekte Kunst des Viktorianischen Zeitalters zu provozieren. Die Aufregung über diesen Bildersturm in Manchester war groß und die Reaktionen überwiegend negativ, und so hängt das anstößige Gemälde wieder an seinem angestammten Platz.

Diese Fälle werden als Zensur dargestellt. Und zwar als eine solche von unten. Nur, was ist dabei so ungewöhnlich? Anders ist allein die Richtung, aus der hier Zensur erfolgt. Früher kam sie von oben, jetzt kommt sie von unten. Dabei bleibt eigentlich alles beim Alten: Kunst war noch nie frei. Vielmehr ist sie seit je begehrter Zankapfel jener, in deren Dienst sie treten soll.

Vor nicht allzu langer Zeit erhitzte noch Brancusis Bronzekopf der «Princess X» (1916) als obszönes Phallussymbol die Gemüter und wurde 1920 aus einer Pariser Ausstellung entfernt. Damals stand die Kunst eben noch im Dienst eines von Doppelmoral geprägten Bürgertums. Zeitweilig waren es die Nazis und die Kommunisten, die sich die Kunst als effektives Propagandamittel dienlich machten. Wer nicht mitmachte oder nicht ins Bild passte, wurde verfemt und verfolgt. Auf solche Weise kontrollieren diktatorische Staaten auch heute die Kunstproduktion.

Tiermalereien in der Höhle von Lascaux - Foto: Patrick Aventurier | getty images | NZZ

Aber eigentlich war das nie wirklich anders. Kunst hatte die Macht von Fürsten und Kirchenvätern zu repräsentieren. Hochkulturen wie das alte Ägypten nahmen sie in Dienst des göttlichen Pharaonentums. Und nicht einmal bei den Höhlenbewohnern von Lascaux war sie frei. Die Tiermalereien an den Wänden jedenfalls entsprangen gewiss nicht irgendeinem ausgelassenen Selbstverwirklichungs-Workshop, sondern galten dem schamanistischen Jagdzauber.

Was wir für die Freiheit der Kunst halten, ist ein junges Phänomen. Mit Kunstfreiheit meinen wir vor allem die Freiheit einer antibürgerlichen Kunst. Diese Kunst war indes keineswegs freier als jene anderer Epochen. Sie stand ganz einfach im Dienst einer neu etablierten kulturellen Macht, nämlich jener der Linken.

Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing – das gilt eben auch für die Kunst. So hat heute bald jede Stimme, die sich Gehör zu verschaffen vermag, auch ihre Kunst. Die Feministinnen haben sie, die Homosexuellen und die ­Schwarzen ebenfalls. Was wäre die Kunst ohne Louise Bourgeois oder Valie Export, ohne Robert Mapplethorpe oder Keith Haring, ohne Kara Walker oder Chris Ofili?

Und so echauffiert sich heute kein scheinheiliger Bourgeois mehr an Jeff Koons’ Kopulationsbildern mit Cicciolina; Thomas Ruffs Porno-Close-ups sind längst salonfähig. Denn die 68er haben uns die sexuelle Revolution gebracht und mit ihr sozusagen den porno­grafischen Kunst-Freipass. Auch vermochte Thomas Hirschhorns unappetitliche Attacke auf Blocher vor 15 Jahren kaum grosse Wellen zu schlagen, denn solche Schläge gegen die Konservativen gehören schliesslich zur Kunstfreiheit der Linken.

Alles geht

Heute ist die Kunst nun aber eben nicht mehr allein Sprachrohr der Linken. Auch ist sie nicht länger abendländisch dominiert, sondern mittlerweile so bunt geworden wie eine Benetton-Werbung. Kaum ist etwa der Hype um chinesische Gegenwartskunst verflogen, meldet sich bereits der nächste aus Indien oder Indonesien. Die angebliche Kunst­freiheit von heute besteht in ihrem schieren Pluralismus. Die Kunstproduktion der Gegenwart ist ein Abbild unserer Multikultigesellschaften: Anything goes. Könnte man meinen.

Vielstimmiger Kunstkonsum

Dabei hat sie sich längst den Mächtigen und Reichen angebiedert, ja angedient. Die Exzesse auf dem Kunstmarkt jedenfalls machen deutlich, wer der neue Herr ist. Was produziert wird, muss vermarktet werden, und was sich vermarkten lässt, gilt als gute Kunst. Und das kann für den globalisiert-vielstimmigen Chor der Kunstkonsumenten so ziemlich alles sein. Noch nie war Kunst so vielfältig wie heute. Noch nie auch hatte sie ein solch breites Publikum. Museen und Kunstinstitutionen schiessen weltweit wie Pilze aus dem Boden. Es herrscht der freie Markt des Kulturbetriebs, die Massen strömen in die Musentempel, und Kunstwerke zirkulieren millionenfach im Internet.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass in dieser Vielstimmigkeit nicht mehr so klar ist, in wessen Dienst – abgesehen von den Geldgebern – die Kunst eigentlich noch steht. Oder vielmehr stehen sollte. So viele künstlerische Ausdrucksformen es gibt, so viele Stimmen gibt es auch, die die Kunst gerne für sich reklamieren und Anspruch auf sie zu haben glauben.

Und so gibt es heute eben auch immer mehr von denjenigen, die sich stören an all jenen Kunstwerken, die nicht ihre Sache vertreten. Schwarze stören sich an Kunst, die nicht von ihnen selbst beglaubigt ist. Feministinnen stören sich an Kunst von Männern. Einschlägig Traumatisierte sehen plötzlich überall vermeintliche «Pädophilenkunst». Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Dass Kunst aber einigen Gruppierungen nicht passt, ist nichts Neues. Neu ist höchstens die diffus anmutende Diversität von Zensurwilligen. Diese ist aber symptomatisch für das digitale Zeitalter. Und sie ist symptomatisch für noch etwas: die Freiheit selber. Denn diese sogenannte Zensur kommt von unten.

Ist nun aber solche Zensur von unten irgendwie schlechter als solche von oben? Sie ist vielleicht unberechenbarer, weil man nicht genau weiss, mit wem man es zu tun hat. Ist es aber nicht vielmehr die Freiheit, die Zensur von unten überhaupt ermöglicht?

Freiheit der Vermarktung

Wenn sich irgendwelche Leute über irgendwelche Kunst aufregen, dann geschieht das, weil sie den Freiraum dazu haben, und sei er auch vor allem jener des Internets. Das Individuum welcher Couleur auch immer meldet sich zu Wort und tut sein Missfallen kund. Denn frei sind jene, die sich zu Wort melden können. Und im Dienst dieser Freiheit stehen denn auch all die unterschiedlichsten Ausdrucksformen der Kunst von heute.

Wenn nun nämlich Ausstellungsmacher und Festivalbetreiber – das kommt vor – im Zeichen des Zuspruchs den Empfindlichkeiten irgendwelcher Gruppierungen nachgeben und sogenannte Zensur üben, dann geschieht dies aufgrund der Freiheit eines sich optimal vermarktenden Kulturkapitalismus.

Wirkliche Zensur aber, das ist dann doch noch etwas anderes. Sie kommt nämlich von oben.

Neue Zürcher Zeitung, Nr. 60, Mittwoch 13.März 2019, Feuilleton S. 35




"wat den eenen sin uhl, is den annern sin nachtijall" - und hinzufügen kann man bei einigen bildern oder anderen kunstwerken, die irgendeiner zensur verdächtig sind: "nachtijall - ick hör dir trapsen" - also: "jeder sieht die sache aus seiner perspektive!" - und "vorsicht - mir schwant schon was" ... - und neudeutsch würde man wahrscheinlich formulieren: es kommt auf das momentum an - in welchem trend bewegt sich das werk ...

und das hat nun mal öffentlich gezeigte kunst so an sich: da ist zunächst der/die künstler*in, der/die sich "verwirklichen" - sich "ausdrücken" will - oder eine "auftragsarbeit" konzipiert und auf die leinwand bringt - also 
  • künstler*in und 
  • motiv - und dann ist da der/die 
  • betrachter*in: 
in dieser wahrnehmungstriade entwickeln sich nun dynamisch hin und her springende ebenen und beziehungen und blickwinkel, die zufriedenmachen oder entspannen und zum meditieren anhalten oder eben aufschrecken, die eigene moral angreifen, oder den zeitgeist positiv oder negativ berühren...

aber dieser "zeitgeist", ist nur eine flüchtige schimäre: die sich je nach partner*in, geldbeutel oder politik oder geschmack oder bischof oder herrscher oder politklasse oder regime jeweils wie ein chamäleon verändern kann - und die farbe jeweils ganz opportunistisch wechselt und sich anpasst - oder eben nicht - und abgehängt oder gar verbrannt wird ...

man denke nur an die geschichte des bauhauses, das als "avantgarde" zunächst gefeiert wurde und mit dem man auch international anerkennung bekam - und dann bei den nazis teilweise als "kulturbolschewismus" in "entartete kunst" abgleitete ...  - und die geschichte der bauhaus-architektur von jüdischen bauhaus-architekten z.b. im exil heute in der "weißen stadt" ausgerechnet im israelischen tel aviv.

das sind  regelrechte metamorphosen in der kunstentwicklung und -bewertung des immer gleichen gegenstandes ... - die menschen verändern sich und ihre wahrnehmung und ihre betrachtungsweise.

von daher wird es immer wieder skandale und skandälchen um kunstwerke geben. und wenn mr. banksy sein werk mit einer im bilderrahmen eingebauten automatik als "kunst" zu unbrauchbaren fetzen schreddern will - um so auch den fadenscheinigen kunstmarkt "vorzuführen" - bleibt doch tatsächlich die zerstörung wegen eines defekts in der mitte stecken - und der übriggebliebene werk-torso gewinnt in genau diesem akt im nun ein vielfaches an marktwert hinzu - und wird so, in streifen zerschnitten bis zur hälfte, zur zeit im burda-museum ausgestellt - mit großem publikumserfolg...

das ist vielleicht alles ziemlich verrückt - aber im sport (200 millionen für ronaldo) und in der kunst (450 millionen für ein fragliches und reichlich überpinselt restauriertes bild aus der schüler-werkstatt von leonardo da vinci: das "salvator mundi") kann man nicht mit "nornalen" kriterien urteilen: das sind - für mich wenigstens - spiele, die sich die menschheit einfach gönnt: denn wir waren noch nie freier wie jetzt im moment ...