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die wahrheiten in der community

achtung: satire. nichts als satire

Die Wahrheit auf taz.de

Sie ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den Tom. Und drei Grundsätze.

Die Wahrheit
ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit.

Die Wahrheit
hat den einzigartigen täglichen Cartoonstreifen: ©Tom Touché.

Die Wahrheit
hat drei Grundsätze:
  • Warum sachlich, wenn es persönlich geht.
  • Warum recherchieren, wenn man schreiben kann.
  • Warum beweisen, wenn man behaupten kann.
Deshalb weiß Die Wahrheit immer, wie weit man zu weit gehen kann.
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Angela und ihre Klatschhasen
Sie wollen auch mal trollen? Hier ist der Wahrheit-Service: So schreiben Sie einen Welt.de-Leserkommentar

VON HEIKO WERNING | taz-wahrheit

Die Welt ist eine Community. In den Kommentarspalten von Welt.de wird das Offensichtliche noch einmal besonders offensichtlich. Aber keine Angst vor Hürden und Barrieren, nur keine Hemmungen! Mit unserer Gratisanleitung schön old-school in Printformat können auch Sie lernen, wie respektvoller Umgang im Welt-Netz funktioniert.Und so geht ’s:

1. Relevanz des Kommentars
Um sachliche Diskussionen zu fördern, bitten wir, Kommentare ausschließlich auf das Thema des jeweiligen Artikels zu beziehen. Stützen Sie Ihre Meinung mit Argumenten und Belegen, vermeiden Sie Verallgemeinerungen. Prüfen Sie deshalb gewissenhaft, wie Sie das Thema am elegantesten auf den Islam beziehen.

2. Keine Diskriminierungen, Beleidigungen, Provokationen
Bitte bleiben Sie höflich im Ton. Debatten leben nicht von Grobheiten, sondern davon, dass jeder seinen eigenen Standpunkt darlegt und sich mit Dritten fair auseinandersetzt. Selbst wenn dieser Dritte ein linksgrün versiffter Antifant, eine Frau oder ein verdammter Moslem sein sollte, verdammt.

3. Vorsicht Wahlumfragen
Wir veröffentlichen auf Welt.de etwa drei Mal am Tag eine Wahlumfrage, die anschließend von einigen hundert Lesern kommentiert wird. Damit es nicht zu Fehlinterpretationen kommt, argumentieren Sie streng sachbezogen: Wenn die Werte für die AfD gut sind, betonen Sie, dass der deutsche Michel endlich aufwacht und sich von den Systemparteien nicht mehr für dumm verkaufen lässt. Wenn die Werte für die Grünen gut sind, hinterfragen Sie, wer daran ein Interesse hat, diese Gutmenschen groß zu schreiben. Und warum gerade Welt.de. Fordern Sie internationale Wahlbeobachter.

4. Kein Antisemitismus
Die Axel Springer AG hat sich der Aussöhnung Deutschlands mit den Juden in ihren Grundstatuten verschrieben. Wir dulden deshalb keinerlei antisemitische Äußerungen auf unseren Seiten. Achten Sie bitte streng darauf, nur von den globalen Eliten, dem globalen Finanzkapital oder einfach von Israel, den Rothschilds oder George Soros zu schreiben, wenn Sie das Finanzjudentum oder die Weisen von Zion meinen.

5. Keine Diskriminierung von Minderheiten
Vermeiden Sie, andere User nur wegen ihrer rechten Äußerungen als Rechte zu beleidigen. Da die globalen Eliten in Deutschland Grüne, Moslems und Frauen an allen Schalt­hebeln des Landes installiert haben, handelt es sich bei diesen Gruppen hingegen definitionsgemäß nicht um Minderheiten, tun Sie sich also keinen Zwang an.

6. Merkel muss weg!
Das Terror-Regime von Angela Merkel und ihren Klatschhasen steht noch immer nicht in Den Haag vor Gericht oder ist nach Südamerika geflohen. Weisen Sie deshalb unter jedem Artikel nachdrücklich darauf hin, dass Merkel wegmuss.

7. Keine Angst vorm Elfenbeinturm
Wann immer sich sogenannte Künstler, Kulturschaffende oder Intellektuelle zu Wort melden, vergessen Sie nicht die Anführungszeichen oder das Wort „sogenannte“ und weisen Sie darauf hin, dass diese von Ihren GEZ-Zwangsgebühren und Steuern gemästeten Millionäre nicht wissen, wie es dem hart arbeitenden Mann auf der Straße geht. Oder weisen Sie darauf hin, dass diese sogenannten „Künstler, Kulturschaffenden und Intellektuellen“ noch nie Geld verdient haben und mit Hartz IV gemästet werden. So oder so sollten die die Klappe halten. Ist schließlich Demokratie hier.

8. Argumentieren Sie streng wissenschaftlich
Wann immer sogenannte Wissenschaftler zitiert werden, die vor den Folgen des Klimawandels, der Umweltverschmutzung oder von Diesel-Abgasen warnen, weisen Sie darauf hin, dass wirkliche Wissenschaftler an Dogmen zweifeln, statt sie zu bestärken. Berufen Sie sich auf Kopernikus, Galileo und Henryk M. Broder. Vergessen Sie nicht darauf hinzuweisen, dass Klimawandelforscher von interessierter Seite finanziert werden. Ganz anders als die unerschrockenen Querdenker, die am Klimawandel zweifeln und sich für die verfolgte Autoindustrie einsetzen.

9. Für Frauenrechte
Wann immer ein Migrant ein Sexualverbrechen begeht, fordern Sie mit Nachdruck eine Wende in der Migrationspolitik, denn Sie haben ja schließlich nicht jahrhundertelang für die Rechte von Frauen gekämpft, damit die jetzt von muslimischen Messermännern einfach so geschändet werden. Sollten sich gendermainstreamverwirrte Frauen kritisch dazu äußern, weisen Sie höflich darauf hin, dass die das als Frauen ja überhaupt nicht beurteilen können und zudem nur mal ordentlich vergewaltigt werden müssten, dann würden sie nämlich schon sehen.

aus: taz - die wahrheit

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also - "die wahrheit" - das ist die satire-seite der taz - und deshalb darf sie auch die wahrheit sagen - und nichts als die wahrheit:

apropos der liedzeile des franz-josef degenhardt: "hier im innern des landes, da leben sie noch" - oder "...leben sie wieder":...

zweimal habe ich mich zu einem abo der © WELT hinreißen lassen, weil mich die typografie und das layout jedesmal verführt haben. einmal nach wohl gut einem halben jahr - und vor kurzem schon nach ein paar tagen - habe ich jedesmal diese © WELT-abo's fluchtartig verlassen - zumeist vertrieben von diesem zynismus (nicht zionismus!) den unter anderen der afd-flüsterer henryk m. broder dort ohne jede einschränkung ablassen darf - und gleichzeitig in dessen berühmter kolumne bei der rechtslastig-"liberalen" "achse des guten - achgut.com" [originalton "achcom" von heuteach hätte bundespräsident steinmeier doch in yad vashem lieber geschwiegen, wie roman herzog seinerzeit...[und sich somit auch wieder vor verantwortung hergedrückt -si.], wo es förmlich trieft in gebräuntem fett - immer wieder neu aufgewärmt - aber nicht oft genug gewechselt in der fritteuse.

und als © WELT-abonnent bin ich jeweils ohne extra aufnahme-antrag scheinbar automatisch wohl mitglied der © WELT-COMMUNITY.

und da kommt man fast gar nicht drum rum, durch das bestechende layout hindurch tatsächlich diese etwas einseitig nach einer gewissen seite hin sich neigenden artikel zu lesen - und dazu eben auch diese schmuddeligen hard-core-leserkommentare in den "meinungs-foren" zu den artikeln - die scheinbar die redaktionelle prüfzone ohne beanstandungen passieren können - nach dem motto: freie meinung für freie bürger - oder: ist der ruf erst ruiniert - schreibt es sich ganz ungeniert ...

und da geht es tatsächlich so zu, wie diese taz-wahrheit-"satire" das andeutet: aber diesmal ist es deshalb gar keine satire - sondern schlichtweg die reine wahrheit - und nichts als die wahrheit ...

und wegen diesem gebräunten sumpfmoor, in dem man jeweils als leser ganz rasch zu versinken droht - eben aus diesen foren und leserbrief-spalten - bin ich dann immer zur eigenen seelenhygiene hals-über-kopf per abo-kündigung wieder von dannen gerannt - denn vor diesem sud da sei der herr vor...

zu meiner scheinbaren mitgliedschaft in dieser © WELT-COMMUNITY kann ich meine fragen daran nicht zweifelsfrei klären, denn sobald ich mal jetzt als nicht-abonnent mich im dschungel dort verlaufe oder umsehen will, stoße ich immer im nu auf meine alten abo-daten usw.: einmal in der kommune - scheinbar immer in der kommune - oder so ...

überzeuge dich bei gelegenheit dort selbst - aber zieh dir gummistiefel oder gar ein ganzkörper-kondom an, denn es geht ins tiefe moor - in den morast, mit unbotmäßigem top-design raffiniert aufgehübscht - und doch: du versinkst sofort - und etwas halt findest du vielleicht noch beim redakteur alan posener - aber der kann es allein ja auch nicht richten - denn der ulf poschardt, der chefredakteur - dör hat es schwör: der ist mit seinem kopf meistens ganz woanders und muss seinen sport-suv gerade mal wieder zum waschen bringen: die vielen moorspritzer machen dreck - und außerdem gibt's doch noch etwas anderes als ewig diese zeitung zu machen ...

als ich neulich bei "meedia.de" die rückgängige abo-zahlen der © WELT-produktionen in vielfalt sah, fühlte ich eine klammheimliche freude in mir aufsteigen - besonders auch der satz des dortigen kommentators, das die taz-abo-zahlen immer näher an die © WELT-abo-zahlen heranrücken: es lebe die wahrheit...

das klorauschen der nachbarn


Weihnachten ist
wie das Klorauschen der Nachbarn:
irgendwann
hat man sich daran gewöhnt.


Charles Bukowski

Kotzen vor jeder Lesung

Im Band „Ein Dollar für Carl Larsen“ sind bislang unveröffentlichte Texte von Charles Bukowski versammelt. Sie zeigen unter anderem sein Wirken im literarischen Underground

Ein Selbstdarsteller vor dem Herrn: Charles Bukowski, 1986 - Foto: bukowskiforum - frajndlich-photos


VON FRANK SCHÄFER für die taz

Allem Gerede vom einsamen Wolf zum Trotz hatte Charles Bukowski literarische Verbündete. Dazu zählten etwa die Schriftsteller Steve Richmond, Al Purdy, William Wantling und nicht zuletzt Douglas Blazek, der Bukowski und anderen mit seiner auflageschwachen, aber einflussreichen Undergroundzeitschrift Ole' eine Plattform bot. Bukowski unterstützte seine Leute mit lobenden Kritiken und Vorworten, er betrachtete sich als Teil einer „Poetischen Revolution“ gegen die etablierte Dichtung, die nun endlich „die Muse auf die Tellerwäscher, Tankwarte, Bauern, Betrüger, Traubenpflücker, Landstreicher und Fabrikarbeiter losgelassen“ hätte.

Bukowski propagierte dabei eine unakademische und unelitäre Literatur, eine Literatur von unten, die in den bürgerlichen Publikationen damals kaum eine Rolle spielte. Er und seine Mitstreiter mussten sich schon selbst helfen und eigene Zeitschriften gründen. Dabei profitierten sie von den technischen Neuerungen auf dem Druckmarkt. Mit Matritzen-Kopierern ließen sich relativ preisgünstig und schnell Hefte von ein paar hundert Exemplaren herstellen. Sie sahen oft schäbig aus, billig, improvisiert, aber sie erfüllten ihren Zweck, indem sie die gewünschte Gegenöffentlichkeit herstellten. Als „Mimeo Revolution“, benannt nach der Vervielfältigungsmethode der Mimeografie, ist diese Bewegung in die US-Literaturgeschichte eingegangen. Dank der nun erschienenen Textsammlung „Ein Dollar für Carl Larsen“ kann man Bukowskis Bezug zu jener literarischen Off-Kultur bestens nachvollziehen.

Denn dieser Szene fühlte er sich zugehörig, obwohl sie ihm bisweilen unglaublich auf den Geist ging, weil sich seiner Meinung nach so viele Nichtskönner darin tummelten. Die Herausgeber reagierten zu langsam oder überhaupt nicht, schickten abgelehnte Texte trotz frankiertem Rückumschlag nicht zurück und verloren schnell ihren oppositionellen Drive. Sie „legen oft einen guten Start hin“, konstatiert er in seiner polemischen Bestandsaufnahme „Die Minipresse in Amerika“, „aber meistens dauert es nicht lange, bis sie nicht mehr das sind, was sie mal waren, weil sie sich der Meinung anderer Herausgeber, Kritiker, Leser, Schreiber, Drucker, Straßenbahnschaffner, Freundinnen, Universitätsbibliothekaren, Eunuchen, Wahrsager, Abonnenten, Punks, Dilettanten, Clowns, Ahnenforscher und all dem Dampf und Gestank und dem Würgegriff des Zeitgeists beugen müssen, der ihnen vorschreibt, was sie zu tun haben. Und irgendwann ist dann aus so einer Literaturzeitschrift ein Vorzimmer für Teetrinker geworden.“ Dennoch hat er den Zeitschriften-Underground weiterhin beliefert, auch als er bereits gegen Honorar in Tittenheften, Illustrierten und Tageszeitungen wie der L.A. Free Press publizierte.

Der Band „Ein Dollar für Carl Larsen“ enthält bislang größtenteils unübersetzte Stories, Reportagen, Vorworte, Rezensionen und Interviews aus den Jahren 1961 bis 1974, der mittleren Werkphase also, in der aus Bukowski langsam ein professioneller Schriftsteller wurde. Das Buch dokumentiert sehr schön, wie er an der Konsolidierung und Selbstverständigung der Szene strategisch mitwirkte und sich trotzdem seine Unabhängigkeit und schriftstellerische Integrität zu bewahren suchte. Gelegentliche Kompromisse nicht ausgeschlossen: So gab er nach der Demission bei der Post 1969 seine „splendid isolation“ auf und nahm schweren Herzens Lesungsangebote an. Die Tantiemen und Magazinhonorare sprudelten noch nicht so reich wie in der zweiten Hälfte der 70er Jahre – er musste Geld verdienen. Universitäten holten sich zudem gern einen bunten Hund wie ihn auf den Campus und zahlten ordentlich.

  • Charles Bukowski: „Ein Dollar für Carl Larsen. Über Schriftsteller und das Schreiben“, aus dem amerikanischen Englisch von Esther Ghionda-Breger. Maro Verlag, Augsburg 2019. 327 Seiten, 24 Euro.

Antrag abgelehnt

In einer bislang wenig bekannten „Dirty Old Man“-Kolumne erzählt er von einem zweitägigen Lese-Trip, der ihm angeblich üppige 375 Dollar einbrachte (laut Inflationskalkulator mehr als 2.000 Dollar heute). „Ruckzuck verdientes Geld und hundert Prozent Vaudeville“, schreibt er. Der Text zeigt auch, wie schwer ihm solche öffentlichen Auftritte fielen: Er kotzte vor jeder Lesung.

In einem der abgedruckten Interviews gibt er zu, dass er überhaupt erst „vier oder fünf“ Abende erlebt hat, die er als gelungen bezeichnen würde. Dabei war er doch ein ziemlich guter Entertainer, es gelang ihm, die Figur des dreckigen alten Mannes auf der Bühne mit Leben zu füllen, weil er die Sache ernst nahm. „Ich habe schon viele dieser Dichter erlebt: sie haben nur das Geld kassiert, sich hingestellt und den Heiligen gemimt. Wenn man sich schon prostituiert, dann sollte man auch eine gute Prostituierte abgeben.“

In den hier versammelten Texten zeigt sich einmal mehr Bukowskis Souveränität als Autor. Er verstellte sich nie, redete keinem nach dem Mund. Sogar im Bewerbungsschreiben für ein Guggenheim-Stipendium lieferte er keine Antragslyrik, sondern die übliche unverfrorene – von Esther Ghionda-Breger zupackend übersetzte – Klartextprosa. Er wurde natürlich abgelehnt.

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da bemerke ich doch glattweg, wie uralt ich schon bin: wenn man von bukowski schreibt, als sei er ein methusalem aus der grauen antike.

ich durfte bukowski - ganz in echt jetzt - schon lesen auf packpapier hektographiert und kopiert in deutschen "minipressen", deren erzeugnisse in dem damals von mir abonnierten "ulcus molle info" vom guten biby wintjes (gott hab ihn selig) angeboten wurden. 

und ich erinnere mich an wuchtige, pralle, zotige und unerhörte  lyriktexte, unzensiert damals und nur äußerst schamvoll übersetzbar - eben auf packpapier kopiert in schreibmaschinenschrift. und wenn dieses packpapier dann beim frühstück kaffee- und fett- und gauloises(blau)flecken bekam, dann war das eben die stolze patina, die einen bukowski damals umflorte.

und wie die "revoluzzer" kam man sich beim lesen und konsumieren dieser "im wirklichen leben" eigentlich kaum druckbaren texte "recht verwegen" vor - und gab sie nur an gute gleichgesinnte freunde weiter - quasi unterhalb des rardarschirms, unter der "ladentheke", eben wie schmuddelsexheftchen.

und ich hütete diese texte und versteckte sie vor meinem kleinen sohn damals, obwohl der ja noch gar nicht lesen konnte - aber man wusste ja nie...

ich hab mich gefreut, in der taz diesen abriss über bukowski zu entdecken - und war schwupps wieder in die alten zeiten abgetaucht.

und dann dachte ich mir - fast so wie früher beim versteckspiel vor meinem jungen - solch eine rezension kann man doch nicht so kurz vor weihnachten bringen - wo doch wenigstens alle freude einen hehren tiefgang nach sich ziehen sollte.

aber dann kam mir eine lösung in den sinn: du googelst mal nach einem apostrophierten weihnachtstext von karl (ich schreib mal karl, denn er wurde ja 1920 in andernach am rhein geboren...) - und dann passt das schon - auch wenn die klospülung als metapher zu weihnachten ja sicherlich auch heute noch angurgelt und abgang nimmt - aber vielleicht sucht ja jemand noch ein weihnachts-geschenk, das buch, für so einen alten knochen wie mich. also - bei aller ernsthafter weihnacht - viel lesevergnügen - aber auch nachdenklichkeit und hier und da vielleicht sogar betroffenheit und solidarität mit denen da unten und mitleid mit denen hier oben bei der lektüre.



Charles Bukowski
Das Lachende Herz

Dein Leben ist dein Leben
lass es nicht in klamme
Unterwerfung prügeln.

Sei wachsam.
Da sind Auswege.
da ist ein Licht irgendwo.

es ist vielleicht nicht viel Licht aber
es ist besser als die Dunkelheit.

Sei wachsam.
Die Götter werden dir Angebote machen.
kenne sie. nimm sie.

Du kannst den Tod nicht besiegen aber
du kannst den Tod im Leben besiegen,
manchmal

und je öfter du lernst das zu tun,
desto mehr Licht wird da sein.

Dein Leben ist dein Leben.
kenne es solang du es hast.

Du bist wunderbar
die Götter warten darauf sich an dir
zu erfreuen.

Charles Bukowski – Das lachende herz
(The laughing heart) Amerikanische Literatur
Gedichte, Text ins Deutsche übersetzt

mein abgesang auf das märchen um greta - eine große enttäuschung für mich

DIENSTAG, 17. DEZEMBER 2019
Person der Woche

 
Greta Thunberg - eine Halbwahrheit zu viel
Von Wolfram Weimer

Die Klimaaktivistin leidet zusehends an Überinszenierungen. Die Stimmung kippt nach halbwahren Bahnfotos: Familienministerin Giffey übt Kritik und sieht Gretas Glaubwürdigkeit schwinden. Ein Staatssekretär schimpft sie scheinheilig. Und der nächste Skandal ist schon da.

Zarte Frauen, die melancholisch aus dem Fenster schauen, sind ein bewährtes Motiv der Kunstgeschichte - von Caspar David Friedrich bis Max Liebermann. Denn sie stehen seit Jahrhunderten für eine romantische, unerfüllte Sehnsucht nach einer besseren Welt. Der Fotograf von Greta Thunberg im deutschen Fernzug nutzt genau diese Assoziationen für eine professionelle, bildmächtige Sehnsuchtsperspektive. Greta schaut zur Seite, aus dem Dunkel hoch ins tröstende Licht. Es soll wie ein zufälliges Privatfoto aus der Bahn aussehen, doch es ist hochprofessionelle Foto-PR.

So ist es bei Greta Thunberg vom Beginn ihres medialen Siegeszugs an. Schon die allerersten Fotos, als sie sich im August 2018 mit ihrem Pappschild "Schulstreik für das Klima" vor den schwedischen Reichstag setzt, sollen wie Zufallsbilder eines engagierten Kindes aussehen, in Wahrheit handelt es sich um eine inszenierte Show von Medienprofis.

Greta wird vom schwedischen PR-Großinvestor Ingmar Rentzhog und dessen Medienteam damals perfekt ins rechte Bild gesetzt. Gut ausgeleuchtete Fotos und emotional durchdachte Videos - PR-professionell gleich in englischer Sprache - lässt Rentzhogs Agentur von Facebook bis Instagram viral verbreiten. Der Zeitung "Svenska Dagbladet", sagt Rentzhog hernach, er sei der Entdecker Gretas, um für einen grünen Facebook-Konzern ("We don’t have time"-Aktiengesellschaft) Millionen einzusammeln: "Ja, so war es. Ich habe Greta dann auch mit vielem geholfen und dazu auch mein Kontaktnetzwerk verwendet."

Zynisches Medienspiel

Mittlerweile wird die Überinszenierung Gretas durch ihre Hintermänner zusehends zum Problem. Das Mädchen lebt showgetrieben wie ein Hollywoodstar mit dem Terminkalender eines Spitzenpolitikers: Fotoshootings, Presseinterviews, Parlamentsreden, Demonstrationsauftritte und dazwischen das Dauerbaden im Social-Media-Strom.

Immer häufiger ist das Publikum irritiert über verunglückte Inszenierungen (wie der Fototermin im Braunkohlerevier Hambacher Forst mit einer vermummten Aktivistin), übertriebene Redetexte, um durchschaubar Schlagzeilen zu produzieren (wie beim "How dare you"-Auftritt) und Spektakel wie die Atlantikfahrten, die zwar schillernde Fotos hervorbringen, aber auch jede Menge CO2, wenn zur Organisation des Törns ganze Segelteams eingeflogen werden müssen.

Nun sorgt das melancholische Kunstfoto aus der Bahn für die nächste Debatte, denn aus Sicht des Publikums verrutscht immer wieder der Vorhang im Greta-Schauspiel und hinter dem tapferen, verletzlichen Kind wird ein zynisches Medienspiel sichtbar. Gretas Twitter-Botschaft vom Boden eines überfüllten ICE ist nämlich nur die halbe Wahrheit ihrer Reisegeschichte mit der Deutschen Bahn. Sie saß mit ihrem gesamten Team für den großen Teil Ihrer Deutschlandreise in den weichen Sesseln der ersten Klasse und ließ sich liebevoll und fürstlich vom begeisterten Zugpersonal bedienen.

Heilig oder scheinheilig?

Das Twitter-Bild vom Fußboden empfanden daher nicht nur die Schaffner und Mitreisende als Frechheit, billige Mitleidsheische und gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Die Deutsche Bahn stellte sich vor ihre Mitarbeiter und enttarnte die Halbwahrheit: "Noch schöner wäre es gewesen, wenn du zusätzlich auch berichtet hättest, wie freundlich und kompetent du von unserem Team an deinem Sitzplatz in der ersten Klasse betreut worden bist." Damit ist der Eklat da und nur mehr ganz grüne Zeitgenossen ärgern sich zuvorderst über die Bahn, die die Posse des Greta-Schauspiels entlarvt hat.

Das Meinungsklima um Greta kippt langsam. So sehr, dass sich nun die Bundesregierung - ausgerechnet in Person ihrer rundum konzilianten Familienministerin Franziska Giffey - zu Wort meldet und Greta ziemlich entschieden die Meinung geigt: "Sie hat den zweiten Teil der Geschichte halt nicht öffentlich erzählt, wahrscheinlich wusste sie, warum. Klar, das ist auch ein Stück weit Selbstinszenierung", urteilt die SPD-Politikerin und resümiert: Das kostet "wahrscheinlich schon ein paar Glaubwürdigkeitspunkte".

Giffey trifft offenbar die Meinung vieler. Der CDU-Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums, Thomas Bareiß, sekundiert: "Heilige und Scheinheilige liegen oft ganz nah beieinander." Die dänische Zeitung "BT" schreibt gar: "Deutsche Bahn enttarnt Greta". Im Internet toben plötzlich ein Shitstorm gegen Greta und eine Debatte, ob sie nun scheinheilig sei oder nicht. Gretas Team verteidigt sich mit allerlei Einlassungen über Twitter, veröffentlicht eilfertig eine Videosequenz, die doch beweise, dass sie zeitweise wirklich auf dem Boden gesessen habe - doch der Eindruck, sie sei bei einer Inszenierung mit Halbwahrheiten erwischt worden, ist da.

Greta nimmt Schaden als Mensch

Und während man noch zum Bahn-Eklat herumtwittert, bricht der nächste Greta-PR-Skandal los. Denn bei ihrer letzten Rede vor der Heimfahrt nach Schweden attackierte Greta abermals pauschal die Politiker und rief ihrem johlenden Publikum in beinahe hasserfüllter Weise zu: "Wir werden dafür sorgen, dass wir sie an die Wand stellen und dass sie ihre Arbeit tun und unsere Zukunft schützen müssen."

Politisch Andersdenkende an die Wand stellen! Das klingt nach Aufruf zur Gewalt, nach Diktatur und Schießbefehl. Und noch größer als das Kopfschütteln über die scheinheilige Fotoinszenierung in der Bahn ist nun das Entsetzen über Gretas vermeintlich grüne Gewaltfantasien. Greta - oder vielmehr ihr PR-Team - beeilen sich bereits um Schadensbegrenzung. Über Twitter entschuldigt sich Greta: "Gestern habe ich gesagt, dass wir unsere Führer zur Rechenschaft ziehen müssen, und leider gesagt, 'stellt sie an die Wand'", schreibt sie. Und weiter: "Das ist Schwenglisch: "att ställa någon mot väggen" (jemanden an die Wand zu stellen) bedeutet, jemanden zur Verantwortung zu ziehen. Natürlich entschuldige ich mich, wenn jemand das falsch verstanden hat."

Übertreibungen, Missverständnisse, Entschuldigungen, Scheinheiligkeiten - selbst unter Greta-Sympathisanten wächst die Sorge, was da gerade mit dem Superstar des Öko-Zeitgeistes veranstaltet wird. Denn Greta nimmt durch die Überinszenierungen ihrer Hintermänner nicht nur in ihrer politischen Glaubwürdigkeit Schaden - sondern vor allem als Mensch, als Kind zumal.

Quelle: n-tv.de

Nicht vergessen: 
Greta Thunberg hat vor allem eine Botschaft – 
„Rettet das Klima!“

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taz - vom 10.02.2019

Greta Thunberg kommerziell ausgenutzt

Aktivistin als Werbefigur

Ein schwedischer Geschäftsmann wirbt Investoren mit dem Namen von Greta Thunberg. Sie selbst oder ihre Familie wurden wohl nicht gefragt.

Von Reinhard Wolf | taz - 10.02.2019 (!)


STOCKHOLM taz | Klimaaktivistin Greta Thunberg bringt Geld ein: Ein schwedischer Geschäftsmann, der für sich in Anspruch nimmt, sie „entdeckt“ zu haben, zog mit ihrem Namen Investoren für ein Startup an. Umgerechnet rund eine Million Euro an neuem Aktienkapital kamen zusammen. „Wir haben nichts davon gewusst“, betonen Greta Thunbergs Eltern.

Wie mit dem Namen der 16-jährigen Schwedin offenbar erfolgreich Geschäfte gemacht werden, enthüllt die Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet in ihrer Sonntagsausgabe.
„Das weltweit größte soziale Netzwerk für Klimaaktion“ zu schaffen ist die Ambition von Ingmar Rentzhog. Im September 2017 hatte er die Aktiengesellschaft „We don’t have time“ gegründet. Auf seinem Linkedin-Account formuliert Rentzhog das Ziel, eine Plattform aufzubauen „auf der sich Millionen von Mitgliedern zusammentun, um Druck auf Leader, Politiker und Unternehmen auszuüben, um für das Klima zu agieren“. Gegenüber einer Finanzzeitschrift entwickelte er die Vision eines Netzwerks mit 100 Millionen Usern, das Ganze finanziert durch Anzeigen „klimafreundlicher Unternehmen, die bewusste Kunden ansprechen wollen“.

Rentzhog, der 2004 ein Finanzmarkt-Kommunikationsbüro gegründet und jahrelang geleitet hatte, ist Mitglied des „Climate Reality“-Projekts des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore und Vorstandsmitglied eines schwedischen Think Tank für „nachhaltige Entwicklung“. Im vergangenen Jahr wurde er von einer schwedischen Umweltzeitschrift zum „Umweltbeeinflusser des Jahres“ ernannt.

Beispiel für Erfolg und Durchschlagskraft
Kurz nachdem Greta Thunberg am Morgen des 20. August 2018 vor dem schwedischen Reichstag mit ihrem Pappschild „Schulstreik für das Klima“ Platz genommen und erstmals ihren freitäglichen Klimastreik begonnen hatte, war Rentzhog in Begleitung eines Fotografen dort aufgetaucht, hatte Bilder und ein Video aufgenommen und kurz darauf auf seiner Facebook- und Instagram-Seite veröffentlicht. Ein Video mit englischsprachigem Text stellte er am gleichen Tag auf dem Youtube-Kanal von „We don’t have time“ ein. Er habe zufällig von dieser Aktion erfahren, betont er – und dann auch Medien darüber unterrichtet.

Auf die Frage von Svenska Dagbladet, ob er der Meinung sei, Thunberg entdeckt zu haben, antwortet Rentzhog: „Ja, so war es. Ich habe dann guten Kontakt mit Greta und ihrer Familie bekommen. Ich habe Greta dann auch mit einer Menge geholfen und dazu auch mein Kontaktnetzwerk verwendet.“

Am 24. November teilte „We don’t have time“ mit, dass Thunberg nun einen Platz als Ratgeberin im Vorstand der Stiftung eingenommen habe, die die Marke der gleichnamigen Aktiengesellschaft entwickeln solle. Drei Tage später präsentierte diese AG einen 120-seitigen Prospekt mit dem Ziel, Investoren zu finden, die neues Aktienkapital zeichnen sollten. Die Social Media-Plattform solle am 22. April lanciert werden. Das Ziel des Unternehmens sei es binnen drei Jahren profitabel zu werden.

In diesem Prospekt taucht elfmal der Name Greta Thunberg auf – als Beispiel für Erfolg und Durchschlagskraft der Firma. Beispielsweise heißt es: „Das Unternehmen trug zu einer erfolgreichen Kampagne zur Steigerung des Klimabewusstseins bei, indem es in seinen eigenen Social-Media-Kanälen den Schulstreik der Klimaaktivistin Greta Thunberg einem internationalen Publikum vorstellte.“

Warum man das getan habe? „Wir sind eine Plattform mit großer globaler Reichweite und wir haben Greta geholfen, mit ihrer Botschaft gehört zu werden. Das zeigt, dass wir Reichweite haben – und in die haben die Leute wohl investiert. Das ist nichts, worüber wir uns schämen müssen.“ Und wussten Greta und ihre Eltern davon? In diesen konkreten Prozess selbst seien die Eltern nicht eingebunden gewesen, sagt Rentzhog: „Sie haben es aber gesehen, nachdem der Prospekt öffentlich wurde. Sie hatten es nicht kommentiert.“

„Marionette“ in der Hand einer PR-Maschinerie
Thunbergs Eltern betonen im Gegensatz dazu, nichts von der Aktion gewusst zu haben. Rentzhog habe sie nicht darüber informiert, dass der Name ihrer Tochter in einem Prospekt über finanzielle Investitionen auftauche. Sie hätten diesen Prospekt auch nie gesehen. So wie sie es verstanden hätten, sei „We don’t have time“ eine ideelle Stiftung, die zwar auch einen kommerziellen Ableger habe, mit dem Greta aber überhaupt nichts zu tun haben sollte.

Svante Thunberg, Gretas Vater betont gegenüber Svenska Dagbladet, man sei sich der Kritik bewusst, die behaupte, Greta sei nur eine Marionette in der Hand einer PR-Maschinerie. Gerade deshalb sei es „unglücklich, wenn sie da kommerziell ausgenutzt wurde“: „Aber sie wusste nichts davon. Niemand von uns wusste davon. Niemand steht hinter Greta als Greta selbst.“

Anfang vergangener Woche teilte „We don’t have time“ in einer Pressemeldung (.pdf-Download) mit, dass Greta Thunberg ihren Platz als Ratgeberin des Stiftungsvorstands verlassen habe. Die Begründung: Sie sei nun „eine der gefragtesten Menschen auf der Welt geworden“ und habe für diese Tätigkeit „keine Zeit mehr“. Sie glaube aber weiterhin an „We Don’t Have Time“ und „We Don’t Have Time“ werde sie auch in Zukunft unterstützen. Vater Thunberg kommentiert: „Sie hat keine Verbindung mehr dazu. Sie will nicht mit irgendeiner Organisation in Verbindung gebracht werden. Ob ideell oder nicht. Sie will ganz frei sein.“

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pardon


ich bin einfach zu gutgläubig. ich habe dieses moderne märchen von dem mädchen, der frau, geglaubt, das sich da mit einem pappschild hinsetzt und ihre schule bestreikt, damit endlich etwas für das klima getan wird.

und auf allen medien und in allen städten folgt man ihr nach und nach: "friday for future" - und greta thunberg ist in aller munde - und ihre mama schreibt ein buch, wie das ist und war mit greta, die etwas autistisch beeinträchtigt ist - in der leichteren form, dem "asperger"-syndrom.
 

und ihr fallen die herzen zu, und was sie lostritt - welchen hype sie heraufbeschwört, das fasziniert so einen alten mann wie unsereins. ein ganz modernes märchen direkt vor unseren augen in allen uns zugänglichen medien life erzählt in echtzeit: ein leicht beeinträchtigtes mutiges mädchen zeigt es der welt mit einer ganz simplen einfachen geste - und im nu gibt es zähe verhandlungen zum umweltschutz in vielen regierungen und auf konferenzen in der welt - und sie bekommt den alternativen nobelpreis - und alles ist gut - und nun: 

ist es zu schön, um tatsächlich wahr zu sein.
 

ich habe den artikel in der taz vom februar 2019 zwar wahrgenommen, aber wohl verdrängt, weil inzwischen auch die springer-presse und einige andere medien stellung gegen greta bezogen - und ich mir wohl mein modernes märchen nicht kaputtmachen lassen wollte.

und auch die kritik an ihre spektakuläre antlantiküberquerung auf einem luxus-segelschiff, um nicht zu fliegen aus umweltschutzgründen, mit den aber wohl immensen nebenkosten und die damit verbundenen co²-emissionen für ihre helfer- und die begleitcrew im hintergrund, über die man da schon raunte, das alles wollte ich einfach übersehen und überhören.
 

und da war dann ihre rede vor den vereinten nationen: "how dare you?" - "wie könnt ihr es wagen"... - und der trampelige auftritt von trump ihr gegenüber bei einer begegnung [die aber wahrscheinlich auch nur inszeniert war - und bei der wahrscheinlich die kasse für eine echte werbeträchtige zuwendung nicht stimmte] ... - und jetzt jüngst diese eifersucht trumps auf ihr prangendes conterfei auf dem "time"-titel zur "person des jahres 2019" ...

das märchen nahm kein ende und schrieb immer neue episoden - und lieferte beweise ihrer untadeligkeit frei haus. ja - bis jetzt mit dem toll inszenierten boden-foto im deutschen bahn-ice auf der heimfahrt nach hause, das sie ja selbst nicht geschossen haben konnte - und was wohl nur inszeniertes "fake news" war - von ihrer agentur produziert und von ihr nachträglich autorisiert.

da klingt das theatergrollen in meinen ohren, der vorhang geht zu: das märchen um "greta" geht damit abrupt zu ende - und sogar der trump hat recht, wenn er sagt: sie solle lieber chillen, sie solle entspannen und sich einen schönen alten film anschauen, das täte ihr gut.

ich bin etwas unglücklich, dass ich alter knochen mich hab über ein jahr lang mit hab einseifen lassen.

ich werde meine jüngsten posts um greta hier im blog löschen... - ich bin maßlos - aber im wahrsten sinne des wortes: ent-täuscht = eine täuschung, ein popanz, ein märchen, ist jäh zu ende gegangen - okay... -

aber die botschaft bleibt - trotzdem wahr:

„rettet das klima!“
 



ampelaufschrift: grün kommt

„Die Leute müssen zurück aufs Land“

Der US-amerikanische Kultur­philosoph und Bestsellerautor Charles Eisenstein glaubt, unsere Lösungsansätze für die Klimakrise sind Teil des Problems. Er plädiert für eine andere Wahrnehmung der Welt






Endzeit­stimmung: Baustelle der Baihetan-Talsperre mit Wasserkraftwerk in der chinesischen Provinz Sichuan Foto: Xue Yubin/Xinhua/eyevine/laif



INTERVIEW LAURA SOPHIA JUNG | taz



 „Wir sollten heilen,
was wir 
beschädigt haben“

taz: Herr Eisenstein, Sie haben Philosophie und Mathematik studiert. Jetzt haben Sie ein Buch über die Klimakrise geschrieben. Warum?

Charles Eisenstein: Es war ein langer Weg von der Mathematik zum Klima. Ich habe immer versucht zu verstehen, was in der Welt falsch läuft. Unsere Zivilisation steht an einem Wendepunkt. Die Geschichten, die Paradigmen und Methodologien, die uns definieren – sie alle brechen gerade zusammen. Mein Buch soll eine Warnung sein. Unser Verständnis dafür, wie unser Planet funktioniert, ist zu begrenzt. Begrenzt durch diese alten Paradigmen: unseren Glauben an die Moderne, den Fortschritt, die Möglichkeit der Beherrschung der Natur. Wenn jetzt Lösungsansätze aus diesen Ideologien heraus entstehen, werden sie die Lage im Endeffekt verschlimmern.

Was ist daran schlecht, die Luftverschmutzung reduzieren zu wollen?

Wenn wir uns auf die CO2-Emissionen fokussieren, dann lassen wir alles außen vor, was nicht gemessen werden kann. Ein Beispiel: Wir bauen einen riesigen Damm, weil wir nachgerechnet haben, dass ein Wasserkraftwerk zwei Gigawatt Energie produziert und somit zehn Kohlekraftwerke ersetzen kann. Das spart x Tonnen CO2. Aber so viele Dinge sind in dieser Rechnung nicht inbegriffen: Für den Dammbau werden unberührte Ökosysteme überflutet und können kein CO2 mehr binden. Indigene Dorf­be­woh­ne­r*innen, die im Einklang mit der Natur lebten, verlieren ihre Heimat. Wahrscheinlich landen sie in Plattenbauten irgendwo in der Stadt, wo sie zu Kon­su­ment*innen werden. Wie messen wir diese Veränderungen? Vogelwanderungen werden unterbrochen, deshalb gelangen keine Nährstoffe mehr in die Wälder. Die Wälder werden krank, und niemand versteht, warum. Der Grund ist die ökologische Zerstörung durch den Dammbau – aber kommt das in der Rechnung vor?

Was ist die Alternative?

Wir müssen verstehen, dass die Erde ein lebendiger Organismus ist. Und ihre Gesundheit hängt von der Gesundheit ihrer Organe ab. Selbst wenn wir die Emissionen auf null reduzieren: Wenn wir weiter die Böden abtragen, Wälder roden, Wale töten, dann wird die Erde an Organversagen sterben.
Charles Eisenstein, geboren 1967,
lebt in Pennsylvania als freier Autor.
Er gilt als Vordenker der
Occupy-Bewegung. twitter.com



Charles Eisenstein, geboren 1967, lebt in Pennsylvania als freier Autor. Er gilt als Vordenker der Occupy-Bewegung.

Was sollten wir konkret tun?

Erstens: Wir sollten alle vorhandenen ursprünglichen Ökosysteme schützen und erhalten. Das sind schließlich die intakten Organe unseres lebendigen Planeten.
Zweitens: Wir sollten heilen, was wir beschädigt haben. Wiederaufforstung und regenerative Landwirtschaft sind der Schlüssel.
 Drittens: Wir müssen aufhören, Pestizide, Herbizide, Insektizide, Fungizide, all den giftigen und radioaktiven Abfall in der Natur abzuladen. Denn diese Gifte greifen das Gewebe unseres Planeten an.
Die Emissionen durch fossile Brennstoffe zu reduzieren, wäre dann der vierte Punkt. Aber wenn wir die ersten drei Punkte beachten, dann ergibt sich das sowieso.

Denn wenn wir jeden Ort, jedes Ökosystem als heilig erachten, heilen und schützen, dann können wir nicht weiter nach Öl bohren oder Kohle abbauen.

Wer hat die Möglichkeit, diese Prioritäten durchzusetzen: die Streikenden oder die Po­litiker*innen?

Ich glaube, es muss Hand in Hand gehen. Das Problem ist, dass viele Menschen überhaupt nicht 
wissen, was sie genau tun sollen. Der Verzicht auf fossile Brennstoffe ist bei unserem aktuellen Lebensstil quasi nicht machbar. Ein Wechsel zu regenerativer Landwirtschaft und zu echtem Umweltschutz hingegen schon. Was es da bräuchte, sind staatliche Subventionen. Ökologische Landwirtschaft ist außer­dem arbeitsintensiv. Das heißt: Leute müssen zurück aufs Land – nicht zwingend als Bäue­r*in­nen, ein eigener Garten wäre auch schon ein wichtiger Schritt. Aktuell arbeiten etwa ein Prozent der Menschen in den USA in der Landwirtschaft. Das ist viel zu wenig. Landwirtschaft muss lokaler werden. Außerdem müssen wir verstehen: Die Gesundheit des Bodens ist unsere Gesundheit. Wenn wir das Land besser behandeln, wird es auch uns besser gehen. Wir stecken da alle mit drin.

Werden wir überleben?

Überleben ist kein Problem. Wir könnten in einer Zukunft leben, in der der ganze Planet ein riesiger Tagebau und Müllberg ist. Wir leben in Städten wie in Seifenblasen. Dort gibt es Maschinen, die CO2 absaugen. Wir bleichen den Himmel, um die Temperatur zu senken, und bauen unsere Nahrungsmittel in Fabriken an. Alle sind die ganze Zeit drinnen. Die Natur ist tot, aber wir haben riesige Bildschirme, auf denen wir in virtuellen Realitäten Natur erleben können – zur Erholung. Was ist, wenn das die Zukunft ist, auf die wir zusteuern? Das macht mir viel mehr Angst als ein mögliches Aussterben der Menschheit.

Das klingt ja furcht­bar.

Die Frage ist doch: Was muss sich ändern, damit wir die Verhaltensweisen ändern, die uns an diesen Punkt gebracht haben? Ich glaube, wir müssen die Erde anders sehen. Sie ist nicht einfach ein Haufen Ressourcen. Sie ist lebendig, heilig, ein bewusstes Wesen. Sie verdient unsere Verehrung und Liebe. Im Prinzip ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln der Menschheit. Wenn es uns gelingt, unsere Wahrnehmung zu ändern – unsere Wahrnehmung von der Welt, in der wir leben, aber auch von uns selbst – dann ist alles möglich. Auch eine Zukunft in einer lebendigen Welt.


  • Charles Eisenstein: „Klima. Eine neue Perspektive“. Europa Verlag, München 2019, 400 Seiten, 22 Euro


taz: Freitag, 15.11.2019 - kultur S. 15


ja - das ist unsere macke - bzw. die macke der globalökonomie und des neoliberalen kapitalismus: dass nämlich immer neues "wachstum"  entstehen müsse - um "fortschritt" zu generieren.

wir kennen ja alle diese kaffeesatzleserei und kristallkugelbetrachtung durch die - ich glaube es sind fünf - wirtschaftsweisen, die dann meistens zum herbst hin die prognosen und prophezeiungen von z.b. "1,2 auf 0,8 % 'wachstum'" der wirtschaft für das kommende jahr korrigieren.

unser aller mutter erde
und just da kommt charles eisenstein mit der alten "gaia"-idee um die ecke: der "blaue planet", unsere globale heimat "erde", müsse als ein lebendiges subjekt gesehen werden.

ein subjekt, was die schmerzen eines ungezügelten "ressourcen"abbaus genauso "fühlt" wie du und ich.

boden"schätze" sind keine "ressourcen", die erschlossen werden müssen, um sie als energielieferant auszubeuten und danach nutzlos als abfallschrott "auf halde" aufzuschütten.

nur auf co²-emissionen zu starren wie das kaninchen vor der schlange, das ist aus der abteilung "taschenspieler-tricks" der weltweiten zur zeit gängigen politik und ihrer akteure, die damit "legitimation" und aktionalismus und damit "wiederwahl" erhaschen wollen.

wobei ich glaube, dass politik und auch wissenschaft zwar den "ökologischen fußabdruck" grob berechnen können, aber all dessen vernetzungen und beeinflussungen mit den elementen untereinander auch in der "auseinandersetzung" und verschmelzungen mit dem auf die erde niedergehenden "sternenstaub" noch gar nicht fest erfassen können, wie ja auch die medizin nach 500 jahren sich ständig neu erfinden muss, um alte schulmedizinisch "wissenschaftlich fundierte" fakten über bord zu werfen - weil man einem irrglauben anhing (nur als ein beispiel: diese lange verleugnete fatale wechselwirkungen von diabetes 2 und insulininjektionen...)

"zurück aufs land" heißt aber auch von den mit-menschen demütig zu lernen, die man als "indigene restpopulation" an den "rändern unserer welt" bezeichnet - und manche sich überlegen fühlende "privilegierte" wollen sogar noch das attribut "primitiv" für diese menschen hinterdreinschicken...

dabei ist die einstellung zu natur und erde gerade dieser menschen vorbildhaft, weil sie uns ehrfurcht vor dem 'leben' offenbar machen - und nicht auf virtuelle flimmernde börsennachrichten starren, die mit der tatsächlichen natur und schöpfung nichts aber auch gar nichts zu tun haben, sondern im höchsten fall eine gigantische ablenkung vom eigentlichen "leben" darstellen.

dorothea buck - vor 5 wochen im 103. lebensjahr verstorben


sie war die kämpferin für eine humanere psychiatrie - denn sie war selbst überlebende als patiententin in verschiedenen nazi-anstalten - die allen einschlägig interessierten eine fülle von insider-informationen und aufschlüsse mit ihrem wachen geist bis zum schluss aus der zeit hinterlassen hat - die als betroffene den "bund der 'euthanasie'-geschädigten und zwangssterilisierten" mit begründet hat - und mit dem hamburger psychologen thomas bock sogenannte "trialogische psychoseseminare" entwickelte, bei denen betroffene, angehörige und profis zusammenkommen.

ich habe gestern erfahren, dass dorothea buck am 09.oktober 2019 im 103. lebensjahr verstorben ist.

zunächst lesen sie hier einen "nachruf" in der "taz" - und dann einen original-beitrag hier im blog kurz vor ihrem 102. geburtstag

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Nachruf auf Dorothea Buck

Den Schmerz verwandeln

Dorothea Buck wurde unter den Nazis zwangssterilisiert. Ihre Erfahrungen ließen sie zur Mitbegründerin einer menschlicheren Psychiatrie werden.





Dorothea Buck im Gespräch
Das Gespräch als Lebensnotwendigkeit: Dorothea Buck 2014 - sinedi-graphic nach einem Foto von Miguel Ferraz


HAMBURG taz | Man ging beschwingt aus den Treffen mit Dorothea Buck, es war, als gäbe sie einem ein kleines Stück ihrer Heiterkeit mit, ihrer Neugier und ihrer erstaunlichen Energie. Da war sie bereits über 90 Jahre alt und die Ikone einer Bewegung für eine menschlichere Psychia­trie: eine, in der Betroffene und Behandelnde auf Augenhöhe sind.

Sie selbst kam unter den Nationalsozialisten als junges Mädchen in die Psychiatrie, wo man sie zwangssterilisierte. Statt mit ihr zu sprechen, steckte man sie stundenlang in kalte Bäder. Diese Erfahrung, die für sie eine Demütigung war, hat sie nie vergessen. Sie hat sie zu einer leidenschaftlichen Kämpferin für eine Behandlung gemacht, in der erst einmal die Betroffenen die ExpertInnen sind. Sie sprechen – und die anderen hören zu.

Dorothea Buck war 19 Jahre alt, als sie den ersten von insgesamt fünf schizophrenen Schüben erlebte. Es war beim Wäschewaschen auf der Insel Wange­rooge, wo sie als viertes von fünf Kindern einer Pastorenfamilie aufwuchs.

Sie beschrieb das Erlebnis als eine dreifache Gewissheit: dass es Krieg geben werde, dass sie einmal etwas zu sagen haben würde und dass sie Braut Christi sei. Sie lachte, als sie es erzählte: „Braut Christi, das haben ja viele Betroffene, viele Verrückte haben religiöse Erfahrungen“. Und bei einem anderen Gespräch beschrieb sie ausführlich, wie sie sich danach aufs Bett legte und sich ausmalte, was das wohl konkret bedeuten könnte: sie, die ohnehin Kindergärtnerin werden wollte, würde sich um die Kinder kümmern und Jesus, dem sie eine gewisse Humorlosigkeit attestierte, um die Erwachsenen.

Ein koboldhafter Charme

Wenn Dorothea Buck erzählte, tat sie das mit einer erstaunlichen Gleichzeitigkeit von Heiterkeit und bodenständiger Sachlichkeit. In einer Sprache, die gleichermaßen anschaulich und formvollendet war. Sie hatte etwas von einem alterslosen Kind an sich, den Mut, sich nicht um das Erwartete zu scheren, den freien Blick und einen koboldhaften Charme.

Nach dem ersten Schub bringen ihre Eltern Dorothea auf Anraten des Hausarztes in die von Bodelschwingh’schen Anstalten nach Bethel. Dass sie mit ihrer Tochter nicht über deren Erfahrung sprachen, zumindest nicht eingehend, ist nach dem Empfinden einer Freundin, der Filmemacherin Alexandra Pohlmeier, „das einzige, womit sie sich nicht hat aussöhnen können“. Und vielleicht eine der Antriebskräfte für Bucks unbedingten Willen zum Gespräch.

Die Anstalten werden von einem Theologen geleitet; das gibt den Eltern Zutrauen. Tatsächlich sind den PatientInnen Gespräche untereinander verboten, es dauert ein Dreivierteljahr, bis die Ärzte mit Dorothea Buck sprechen. Von der Wahl, vor die ihre Eltern gestellt werden, eine Wahl, die den Namen nicht verdient, erfährt die Tochter nichts: Entweder soll sie sterilisiert werden oder bis zu ihrem 45. Lebensjahr in der Anstalt bleiben – danach gilt sie als nicht mehr gebärfähig. Der Vater bittet um Aufschub der Operation. Vergeblich. Bei dem Eingriff geben die Ärzte vor, dass es um eine Blinddarmbehandlung geht – dass sie sterilisiert wurde, erfährt Dorothea Buck später zufällig von einer Mitpatientin.

Die Sterilisation macht alles, was sie sich zuvor erträumt hatte, zunichte: den Beruf als Kindergärtnerin, eine Ehe, eigene Kinder. Unter den Nationalsozialisten durften Zwangssterilisierte keine sozialen Berufe ausüben und es war ihnen verboten, Nicht­sterilisierte zu ­heiraten.

Dorothea Buck ist es gelungen, das Grauenhafte, das ihr widerfuhr, in etwas Produktives zu verwandeln. Sie beschrieb es so: „Erst als mir der Gedanke des Selbstmords kam, konnte ich wieder Grund unter die Füße bekommen.“

In der Praxis sah es so aus, dass sie sich erst ein Jahr, dann zwei, dann fünf gibt, um ein neues Leben aufzubauen. Sie besucht eine private Kunstschule – und verschweigt dabei Psychiatrieaufenthalt und Sterilisierung – wird Bildhauerin und Lehrerin für Kunst und Werken an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg.

Es ist schwierig, ihre Mutter-Kind-Skulpturen zu sehen, ohne an ihre eigene Geschichte zu denken. Eine solche Arbeit hat Dorothea Buck der Berliner Charité gestiftet. Im Begleitbrief schrieb sie, dass die Plastik die Beziehung zwischen zwei Menschen ausdrücke und dass eben jene Beziehung in der gegenwärtigen Psychiatrie fehle. Weil dort nicht genügend gesprochen werde.

In den 80er-Jahren geht Dorothea Buck mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Sie besucht ein Seminar des Leiters der psychiatrischen Ambulanz der Uniklinik Hamburg, Thomas Bock. Der wird sie seine „ wichtigste Lehrerin“ nennen und erinnert sich daran, wie selbstbewusst sie dort auftrat, ungewöhnlich selbstbewusst für eine Psychiatrie, die Menschen mit Psychosen nahelegt, defizitär zu sein. Gemeinsam entwickeln sie das Konzept trialogischer Psychose-Seminare: einen gleichberechtigten Austausch zwischen Betroffenen, Angehörigen und den professionell in der Psychiatrie Tätigen. Das Modell macht bundesweit Schule.

Sich selbst, die eigene Erkrankung, begreift Dorothea Buck als Forschungsobjekt. Die Psychose erlebt sie früh als Möglichkeit, aus Impulsen heraus zu leben – und ist sich dabei bewusst, dass für andere Schizophrene der Kontrollverlust bedrohlich wirken kann. Sie beschreibt die Schübe als „verändertes Welterleben, man spürt überall Sinnzusammenhänge, ohne sie näher benennen zu können“. Aber erst nach dem letzten Schub Ende der 1950er-Jahre erkennt sie, dass er aus ihrem eigenen Unbewussten kommt. Psychosen deutet sie als Folge von Lebenskrisen, die gelöst werden wollen, es wäre für Buck fatal, sie mit Medikamenten zu unterdrücken.

Biografie unter Pseudonym

1990 veröffentlicht sie ihre Biografie „Auf der Spur des Morgensterns – Psychose als Selbstfindung“, zunächst noch unter dem Pseudonym Sophie Zerchin, einem Anagramm des Wortes Schizophrenie. Das Buch erscheint im Verlag ihrer Schwester und vielleicht kann man das als nachgeholtes Gespräch in der Familie deuten. Es wird ein Erfolg, man lädt sie zu Vorträgen ein, schließlich erscheint es unter ihrem eigentlichen Namen.

Die Psychiatrie der 90er-Jahre ist reif für eine Veränderung: 1992 begründet Buck den Bundesverband Psychatrieerfahrener mit, sie gründet eine eigene Stiftung, die Psychiatrieerfahrene zu GenesungsbegleiterInnen ausbildet. Es ist eine Zeit der Selbstermächtigung und Dorothea Buck, damals bereits über 70 Jahre alt, wird zu einer Ikone dieser Bewegung.

Gespräche statt Medikamente

Dorothea Buck sah die Fortschritte, sie warnte aber auch vor den PsychiaterInnen, die noch immer nur auf Medikamente setzen statt auf Gespräch. Und sie ließ nicht locker: Vor gut zwei Jahren, da war Dorothea Buck 99 Jahre alt, kam die Hamburger Gesundheitssenatorin zu ihr, um ihr die Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes zu verleihen. Buck freute sich über die Medaille. Zugleich freute sie sich über die Möglichkeit, eine Klinik anzuprangern, in der die PatientInnen besonders lange fixiert wurden.

Sie hat ihre letzten Jahre im Albertinen-Haus in Hamburg verbracht, wo sie früher einmal als grüne Dame die Kranken besucht hat. Sie wolle das Lesen „nachholen und ausruhen“, so hat sie ihr Leben dort beschrieben. Zu Ehren ihres 100-jährigen Geburtstags widmete man ihr ein Symposium mit 600 Gästen: „Auf der Spur des Morgensterns. Menschenwürde + Menschenrechte in der Psychiatrie“. Per Skype wurde sie selbst aus dem Albertinen-Haus dazugeschaltet.

Aber die Menschen kamen auch zu ihr, sie kamen so zahlreich, dass eine Freundin den Besucherstrom abstimmen musste. In Dorothea Bucks Zimmer hingen Briefe von PsychatriepatientInnen, die ihr dankten. Ihre Heiterkeit blieb unangefochten von ihrer körperlichen Hinfälligkeit. Sie kannte die Namen aller Pflegenden, sie fragte sie nach ihrem Leben und sie merkte sich, was sie ihr erzählten.

Als sie am 9. Oktober stirbt, „heulen die PflegerInnen Rotz und Wasser“, erzählt Alexandra Pohlmeier. Am 1. November wird Dorothea Bucks mit einer Trauerfeier in der Niendorfer Marktkirche gedacht.



Lebt heute in Hamburg: Dorothea Buck (fast 102), Überlebende der Nazi-Euthanasie -
S!|graphic nach einem Foto von Andrea Döring | NW



Kämpferin mit fast 102 Jahren


Porträt: Dorothea Buck wurde in Bethel zwangssterilisiert. Die Bundesverdienstkreuzträgerin stärkt
Patienten und entwickelt neue Psychiatriekonzepte

Von Andrea Döring

Bielefeld/Hamburg. Dorothea Buck, fast 102, Überlebende der Nazi-Psychiatrie, freut sich. Hellwach verfolgt sie das Tagesgeschehen. Die Tageszeitung liegt aufgeschlagen auf der Decke ihres Bettes in einem Hamburger Pflegeheim, das sie nur noch selten verlassen kann. Sie kann aber immer noch mitreden.

Beispielsweise über die Erste-Hilfe-Kurse für die Seele, die das Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI) in Zukunft anbieten will. Wie die Erste-Hilfe-Kurse für den Körper, die fast jeder mindestens einmal im Leben absolviert, soll das Angebot bewirken, dass Menschen ihren Angehörigen, Freunden oder Kollegen mit seelischen Problemen nicht mehr hilflos gegenüberstehen.

Die neue Idee findet Buck gut. „Wichtig ist es aber, in diesen Kursen auf die Psychose-Seminare hinzuweisen“, meint sie. In Psychose-Seminaren können drei Gruppen von Menschen in sogenannten trialogischen Gesprächen auf Augenhöhe voneinander lernen, die Erkrankten, Angehörigen von Kranken sowie Fachkräfte aus der Psychiatrie oder aus anderen sozialen Berufen.

Zusammen mit dem Hamburger Psychologie-Professor Thomas Bock hat Buck den Trialog und die Psychose-Seminare erfunden, die mittlerweile in ganz Deutschland verbreitet sind.

Die aktuellen Behandlungskonzepte sind weit von dem entfernt, was Buck in verschiedenen geschlossenen Anstalten zur Zeit des Nationalsozialismus erlebte. Mit Dauerbädern, nassen Packungen, Fesselungen und Insulinspritzen versuchte man damals die Symptome zu kurieren, die man als rein körperlich verstand, berichtet Buck. Bei der großen Wäsche überfiel sie eine Eingebung: „Ein ungeheuerlicher Krieg wird kommen, ich bin die Braut Christi und ich werde einmal etwas zu sagen haben, die Worte kommen ganzvon selbst“, schildert sie das Geschehen, das sie in die Psychiatrie bringt.

Mit der Diagnose Schizophrenie, die als unheilbar galt, kam sie 1936 in die von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld.
„Niemand sagte uns, wozu wir hier waren, und warum man uns gefangen hielt. Wir waren zur Untätigkeit gezwungen und ins Bett verbannt, obwohl wir körperlich gesund waren. Das löste die wildesten Ängste und Fantasien in mir aus“, schildert sie die Zeit in Bethel.



„Menschen, mit denen man nicht spricht, lernt man auch nicht kennen, nimmt man nicht als Menschen wahr. Die kann man töten“, analysiert sie scharfsinnig die Psychiatrie der Nazi-Zeit. Der Euthanasie entkommt sie, nicht jedoch der Zwangssterilisation. Nach dem Krieg arbeitet sie als Bildhauerin und Lehrerin für Kunst und Werken. Doch die Erfahrungen in der Psychiatrie, die auch später nur langsam überwunden werden, lässt sie nicht los, erzählt Bock in ihrem Arbeitszimmer voller Bücher.

An der Wand hängt ein Bild von einer Pusteblume. Auf ihrem Nachttisch steht ein Wasserglas mit zwei Löwenzahn-Blüten. Sie sind Buck wichtig. „Ist es nicht unglaublich? Hier im Glas entwickelt sich eine Pusteblume“, staunt sie über die Kraft der kleinen Pflanze, sich auszusäen. Ein gutes Bild auch dafür, wie Bucks Wirken die Psychiatrie verändert hat: „Das Wichtigste ist, dass man freundlich
miteinander redet, gerade mit den Menschen am Rande der Gesellschaft, den Psychose-Erfahrenen“, sagt Buck. „Man muss sie verstehen wollen. Sie haben etwas erfahren, was andere Menschen sich nicht einmal ausmalen können.“

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Bethels dunkle Geschichte
  • Die damals 19-jährige Dorothea Buck kam 1936 in eine geschlossene Abteilung Bethels. Sie wurde dort zwangssterilisiert.
  • So erging es auch mehr als 1.000 andere Patienten zwischen 1934 und 1945, die alle Opfer des Euthanasieprogramms der Nazizeit wurden.
  • Heute lebt Buck in Hamburg. Sie ist Ehrenvorsitzende des Bundesverbandes Psychiatrieerfahrener, einer deutschen Selbsthilfeorganisation.
  • 1997 erhielt sie für ihr Engagement für psychiatrieerfahrene Menschen das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

aus: NEUE WESTFÄLISCHE, Freitag 8.02.2019, Zwischen Weser und Rhein, S.5

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„Was nicht erinnert wird, kann jederzeit wieder geschehen, wenn die äußeren Lebensumstände sich entscheidend verschlechtern.“

am 27. januar 2017 wurde im bundestag an die opfer von „euthanasie“ und zwangssterilisation im ns-staat erinnert. in ihrer rede dazu sprach die autorin und "euthanasie"-forscherin sigrid falkenstein von dorothea buck und wiederholte das o.a. zitat.

dorothea buck ist mir in meiner erinnerungs-forschungsarbeit zum opferporträt meiner tante erna kronshage immer weiter anstoß und anschub, hat sie doch, sogar 5 jahre älter als erna, zwar nicht gleichzeitig aber nacheinander die gleichen schicksalsstationen durchlaufen, aber eben wie durch ein wunder die "euthanasie"-phasen überlebt mit selbstdisziplin, kreativität und power - und "glück" ...

dorothea bucks psychotische störungen äußerten sich in verschieden intensiven "schüben" - wo sie zwischendurch auch dank der obacht und aufsicht der sich kümmernden eltern (dorothea buck war das 4. von 5 kindern einer pfarrersfamilie) immer wieder entlassen werden konnte, eben weil sich ihr zustand jeweils wieder vollständig aufgeklart hatte.

aber so lernte sie 1946 bei einer erneuten psychose sogar die in ganz europa bekannte vielgerühmte von direktor dr. hermann simon entwickelte "arbeitstherapie" in der heilanstalt gütersloh kennen, in der ja auch erna von herbst 1942 bis herbst 1943 mit gartenarbeit und kartoffelschälen "betreut" wurde, und ehe sie von dort dann in den deportationszug ende 1943 - in den tod 100 tage später - aussortiert wurde...

frau buck fühlte sich in der arbeitstherapie wohler, weil der tag verging durch leichte aufgabenstellungen im haus oder in feld und flur. die in bethel hauptsächlich verordnete bettruhe und die behandlung als "kranke" behagte ihr überhaupt nicht - ihr kreativer geist suchte betätigung und anregung.

dorothea buck kam dank ihrer schubweisen psychotischen zustände an diesen auswahlverfahren zur deportation in den unweigerlichen gewaltsamen tod in einer der speziell ausgestatteten tötungsanstalten vorbei - doch nach ihrer vollständigen genesung engagiert sie sich nach dem krieg lebenslang für all die "euthanasie"-opfer, und beteiligt sich an der aufklärung dieser ca. 300.000-fachen massenmorde als authentische zeitzeugin der heute zweifelhaften behandlungsmethoden in der damaligen ns-psychiatrie.

diese lebensleistung bis heute insgesamt sowie ihre detaillierten einblicke als insiderin in die abläufe und oft abfälligen und unmenschlichen behandlungsmethoden in den psychiatrien jener zeit sind für die erforschung von einzelschicksalen von unschätzbarem wert.

was dorothea buck an von insulin-injektionen ausgelösten epileptischen schockanfällen als "therapie" der schizophrenie durchmachen musste, und was sie dazu erinnert, ist ja zeitgleich vom "therapeutischen nutzen" her übertragbar auf die damals schon etwas "moderneren" von "cardiazol"-injektionen [einem synthetisch hergestelltenen kampfer-medikament] ausgelösten krampfanfalls-serien, die an erna kronshage "zur beruhigung" angewandt wurden.

dorothea buck konnte darauf hinweisen, dass hier zumeist keine wissenschaftlichen erkenntnisse eine solche schockbehandlung anzeigten - man nahm ja "wissenschaftlich" nur an, dass ein "innerer spannungsabbau", als reaktion auf die schocks, sich gut und entlastend auf die akuten "schizophrenie-'zustände'" auswirkten - sondern dass es sich meist dabei ganz simpel um disziplinarische, oft von genervten stationsschwestern dem arzt vorgeschlagene maßnahmen handelte, um so auch den letzten individuell persönlichen selbstbehauptungs- und widerstandskern vollends zu brechen ...

während der epileptischen krämpfe erlebten die "behandelten", zumeist gegen ihren willen angeschnallt auf ihrer anfallsliege, unvorstellbare todesängste und traumatische erlebnisse und lichtblitze und andere nervliche "sensationen", die so gravierend waren, dass man sich rasch einer solchen "folter" entziehen wollte - oder unbedingt zu meiden suchte ...

ein damaliger sationsarzt brachte das auf den punkt: "wenn sie [die patienten] bockten, mussten wir schocken" ...

all diese erkenntnisse verdanken wir dorothea buck, die das alles ja mit wachem geist durchlebt und durchlitten hat und heute noch zum glück als betroffene mit fast 102 jahren erinnern und reproduzieren - und auch zu protokoll geben kann !!! - so tiefgreifend waren diese lebenseinschnitte ...

ich möchte dafür ganz schlicht "danke" sagen ...


über das "verrücken"



Film „Küchenpsychologie“

Paddeln mit den Dämonen

Die Künstlerin Marie Weil hat einen Film über die Bewältigung ihrer Psychose gedreht. Er läuft auf den Hofer Filmtagen.

Von Barbara Dribbusch | taz - Soziales & Gesellschaft - Inland (click)

Vielleicht ist am Ende doch alles gut – wenn die Freundinnen und Freunde durch den Wald gehen, im Gänsemarsch, jeder trägt eine Schüssel oder einen Teller mit Salat, Früchten, Gemüse, Kuchen. Die Gruppe singt im Kanon ein Kinderlied: „Finster, finster, finster, finster, nur der Glühwurm glüht im Ginster, und der Uhu ruft im Grunde. Geisterstunde.“

Man könnte eine Psychose als Geisterstunde bezeichnen, als ein Hineingeworfensein in einen vor- und frühsprachlichen Raum, wenn Dinge, Bilder, Personen, Stimmen mit neuen Bedeutungen, Verbindungen aufgeladen werden, die andere Menschen nicht nachvollziehen können. Die Berliner Künstlerin Marie Johanna Weil hat solche Phasen durchlebt und über ihren Selbstheilungsversuch einen Film gedreht, der auf den Hofer Filmtagen am vergangenen Mittwoch Premiere hatte und dort auch am Samstag und Sonntag zu sehen ist.

Der Film „Küchenpsychologie – über das Verrücken“ arbeitet mit der Spannung zwischen Bildern, Erzählerinstimme und Experteninterviews. Aus dem Off berichtet die 42-jährige Autorin in ruhigem Ton von ihrer Einweisung in die Psychia­trie. Ihre Hände basteln derweil aus einem Schuhkarton eine Art Puppenhaus und stellen Betten aus Pappe hinein. Bunte Bonbons werden hineingekippt, das sind die Psychopharmaka. Die Psychia­trie ist nicht das durchgängig Böse, aber eben auch nicht besonders hilfreich. Eindeutige Schuldzuweisungen an die Psychia­trie, die Familie, die Gesellschaft, die Biochemie gibt es in dem Film nicht, insofern unterscheidet sich der Film von anderen Dokumentationen über die Psychiatrie und Psychosekranke.


Verrückte Urgroßmutter

Als sie aus der Klinik heraus ist, beginnen die Heilungsversuche. Weil, die an der Universität der Künste in Berlin bildende Kunst studiert hat, baut aus Ton große, klobige Tonfiguren mit groben Gesichtern, einige mit Haaren, andere ohne. Die Figuren sollen Alter Egos von ihr sein und Verwandte. Die eine, die größte, stellt die Urgroßmutter dar. Die Urgroßmutter trug einmal frisch gekochtes Essen nicht zu Tisch, sondern kippte es direkt ins Klo mit der Aussage, da würde es später ohnehin landen. Fortan galt sie als verrückt.

Ist das Genetik, das mit dem Verrücktwerden? Es gibt etwas erhöhte Risiken, wenn in der Verwandtschaft schon Leute betroffen sind, sagt Stephan Ripke, Genetiker und einer der im Film interviewten Experten. Aber: „Die meisten Sachen sind unklar.“


DER FILM„Küchenpsychologie – über das Verrücken“. Regie: Marie Johanna Weil. Deutschland 2019, 50 Minuten.
Hilfreicher als unbewiesene Theorien ist eine gewisse Akzeptanz. Weil ordnet die Tonfiguren immer ein wenig anders an, fährt sie in der Schubkarre herum, legt sie auf den Komposthaufen, begießt sie, nimmt sie auseinander und füllt ihre Hohlräume mit Erde, in die sie Pflanzen setzt. Eine Tonfigur steht im Bug des Kanus, als sie durch ein Fließ paddelt. Es ist besser, die Dämonen ein bisschen herumzuschippern, als sie verjagen zu wollen.

Von ihren konkreten Wahn­inhalten in der Krise spricht Weil nicht, um keinen Voyeurismus zu bedienen, wie sie später im Interview sagt. Aber von dem Gefühl, neben sich zu stehen, nicht im Körper zu sein, die Seinsgewissheit, die „ontologische Sicherheit“ nicht zu haben, davon erzählt sie. Die ­Vernichtungsangst, wenn ­außen und innen ineinanderstürzen, die können vielleicht auch Nichtbetroffene ahnen. „Es ging mir darum, Verbindung herzustellen, Gemeinsames zu zeigen“, sagt Weil.

Sich erden in der Krise

Die Natur, das Ländliche, die Nahrung, das Essen, FreundInnen, die dableiben, auch wenn es mal schwierig wird – das ist die heilende Bildsprache im Film. Da werden Tomaten gepflanzt, Kartoffeln ausgegraben, Möhren geschält, es wird Teig angerührt. Weils FreundInnen sind in einer großen Landküche mit der Vorbereitung eines Festmahls zugange.

Weil erzählt unterdessen aus dem Off von Existenzängsten der Vorfahren, dem Weltbild der Aufklärung, das die Mystik ausschloss, dem Wunsch, zwei Identitäten haben zu können, eine, die beobachtet, distanziert und absichert, und eine, die sich mitten hineinbegibt in eine eigene, mystische Welterfahrung. Die Küchenszene signalisiert: Man kann sich auch im „Verrücken“ erden, sich vergemeinschaften.

Nachdem der Kanon von der Finsternis gesungen ist, sitzt die Gruppe auf einer Wiese unter freiem Himmel um einen Tisch und verspeist das Selbstgekochte. Eine Psychoanalytikerin ist dabei, ein selbst ernannter Schamane, der Genetiker. Sie alle hatten im Film etwas zum „Verrücken“ gesagt, aus ihren unterschiedlichen Perspektiven, von denen keine den Anspruch erhebt, die einzig wahre zu sein. „Die Wahrheit weiß keiner“, hatte Ripke erklärt. Vielleicht könnten im Umgang mit dem Wahn diese Vielfalt der Sichtweisen, die Akzeptanz des Rätsels und ein gewisser Pragmatismus ein Fortschritt sein, der wirklich hilfreich ist.

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wenn etwas aus der balance gerät - aus dem ruder läuft - plötzlich einen neuen standort hat oder plötzlich ein standpunkt verleugnet wird - wenn die arithmetik der alltäglichkeit massive brüche bekommt: dann ist etwas ver-rückt (ge)worden... dann löst sich der gedankenknoten, an dem man spinnt, plötzlich nicht mehr auf und man findet das pack-ende nicht mehr... und das innere eingebaute navi muss zurückgesetzt und ganz neu aufgespielt und kalibriert werden mit neuer software.


in meiner beruflichen tätigkeit bis vor 10 jahren bin ich immer wieder menschen begegnet, die unter einer solchen momentanen oder längerfristigen unpässlichkeit, einer verrückung im inneren wie im äußeren litten oder gelitten hatten oder auch nicht litten und sich "eingerichtet" hatten, aber danach immer noch begleitung und halt suchten.

studierte ärzte verschrieben und verschreiben dann zumeist aus lauter zeitnot und überforderung heraus irgendwelche psychopharmaka zu ihrer selbst- und der patienten fremdberuhigung und stellen bandwurm-diagnosen oder benennen allerwelts-pseudo-zustände mit festgelegten icd-verschlüsselungen für die ad-hoc-krankenkassen-abrechnung, die innerhalb von 24 stunden nach der einweisung eine diagnose verlangt, und die ab dann den patienten für immer abstempelt und einordnet - und sie zelebrieren manchmal hochnäsigkeit und überlegenheit und pseudo-wissen - denn die einen sagen so und die anderen sagen so...

das amerikanische psychiatrie-manual zur benennung der diagnosen (z.b. das dsm-5) erweitert sich jedes jahr um viele neu hinzudifferenzierte bezeichnungen und diagnosen: ungeahnte wortschöpfungen ohne jeden belang.

in wirklichkeit gibt es so viele innere ordnungssysteme und deren ganz individuelle "ver-rückungen" wie es menschen gibt - das wenigstens ist meine quintessenz aus meinen direkten begegnungen und meiner begleitung mit den zeitweise verirrten und irrenden menschen, die froh waren, wenn sie einen "scout" fanden und anschluss fanden, womit sie dann gemeinsam ihr navi neu programmieren lernten.

dabei wusste auch der ausgebildete "scout" nicht immer, wo es langging: das war ein gegenseitiges voneinander lernen und verwerfen und annehmen und ringen und akzeptieren.

verrückte tante ?

durch die inzwischen jahrelange beschäftigung und recherche zum leidensporträt meiner tante erna kronshage und ihrer freiwilligen selbsteinweisung in die provinzialheilanstalt gütersloh 1942 habe ich oft versucht, mich in sie und in ihr umfeld hineinzuversetzen - wie sie versuchte, ihren "burn-out" und die kriegstraumatas in den griff zu bekommen, wie sie ihre körperlichen überforderungen und ihre intellektuellen unterforderungen versucht hat zu kompensieren, einhergehend mit der versuchten allmählichen loslösung von ihren eltern, und als junge frau "vom lande" doch tatsächlich geglaubt hatte, in einer so genannten "heil"anstalt und von studierten menschen könne man auch seelisch-körperliche "heilung" erfahren, um ihren inneren kompass wieder einzunorden.

verheddert
aber dabei geriet sie gesellschaftlich auf einen äußerst unguten, ja tödlichen zeitstrahl, der rutschig und seifig steil nach unten führte.

und auf dieser schiefen ebene kam dann in 484 tagen eins zum anderen - und es gab dann keinen halt mehr - und das so oft in dieser zeit deklamierte "heil" blieb für sie aus und ohne jeden widerhall. sie hatte sich ebenso wie das "deutsche volk" verrannt und verzockt.

sie wurde dann nach ihrer zwangssterilisation (august 1943) am 20. februar 1944 in einer vernichtungsanstalt vom dortigen "pflegepersonal" arbeitsteilig bis aufs letzte logistisch durchorganisiert - ganz allmählich in 100 tagen ermordet... - mit einem eigens dazu vom medizinprofessor nitsche entwickelten genau abgestimmten in kleinen dosen verabreichten gift- und nahrungsentzugs-cocktail. 

wenn - ja wenn ihre landwirtschaftliche betätigung zuhause und dann auch als "arbeitstherapie" und "schizophrenie"-behandlung in gütersloh mit etwas mehr phantasie und langmut und kreativität und auch sicherlich heilsamen und "spinnerten" beschwörungsritualen, wie sie da im film von marie johanna weil - wenigstens im trailer - angedeutet werden, und ohne jeden äußeren drill, damit sich so vielleicht ein pharma- und schocktherapiefreier müßiggang eingestellt hätte - mit dem von erna tatsächlich sicherlich gesuchten und erwarteten "erholungseffekt" - dann - ja dann hätte sie das alles vielleicht auch ohne schaden überwinden können. 

hätte - hätte ...

erna kronshage ist meine tante - die schwester meiner mutter - und damit wird diese vermeintliche psychiatrische "verrückung" und entgleisung auch direkt unserer familie wenigstens teilweise im nachhinein mit vor die füße geworfen und hier auch nach allgemeiner tiefsitzender und überkommener und inzwischen neu belebter "volkes"meinung mit dem prädikat "risikobehaftet" verortet, mit all dem eugenisch-psychiatrischen gelalle und gestammel jahrzehntelanger genetischer und medizinischer "wissenschaftlichkeit".

und ich schreibe hier von daher sicherlich auch wütend aber auch um mich zu schützen - aber ich schreibe zum glück auch "heutzutage" - im hier & jetzt.

vor 80 jahren stand dieses land und alle menschen, die hier lebten - unsere direkten nächsten vorfahren und ahnen eingeschlossen - in einem aus einem kollektiv nationalistischen erbgesundheits-wahn entfachten mehrfronten-krieg - in einem krieg nach innen und nach außen - und damals hat dann diese völlig missverstandene genetik-lehre erna wahrscheinlich falsch einsortiert und so ihr - damals "nach bestem wissen und gewissen" - endgültig den rest geben müssen... - und noch heute wispern ja aus allen ecken dazu irgendwelche selbstzweifler und üben vertuschung und sehnen sich zurück - von wegen: "vogelschiss", herr gauland...

vorm winter muss ich nochmal erna's stolperstein blankputzen mit sidol...