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wolfs-leid - update




tja - also ich glaube ja nicht an zufälle: neulich habe ich einen artikel in meiner heimatzeitung zum wolfs-aufkommen in der senne hier eingestellt und kommentiert - und heute finde ich auf www.zeit.de quasi das update dazu, die traurige und die emotionale fortsetzung.

ich habe gelernt, dass es wohl nur 13 jahre lang keinen freilebenden wolf in deutschland gegeben hat - ansonsten war er wohl immer irgendwo vorhanden, so dass sich nicht nur aus dem "rotkäppchen" sein aktueller "ruf" entwickelte ... er war nicht etwa seit 200 jahren ausgerottet, wie allgemein angenommen - und besonders in der alten ddr tauchte er wohl mal immer wieder aus dem osten kommend auf ... - und überwand todesstreifen und den stacheldraht, der ja zwischen den staaten des warschauer paktes eben nach osten hin nicht so unüberwindlich gespannt war ...

und da fällt es mir tatsächlich wie schuppen von den augen: es herrscht ja schon seit geraumer zeit ein verbissener regelrechter "wolfs-krieg" von befürwortern gegen wolfsgegnern - und während die einen alles tun, um den wolf als wildtier hier wieder heimisch zu machen und ihn zu schützen und unsere natur auf ihn mit abzustimmen - sind maffiöse - ja verbissene - wolfsjägerzirkel dabei, ihn abermals vollständig auszurotten - koste es was es wolle...

das scheint auch inzwischen landsmannschaftlich und politisch ein unversöhnlicher krieg zu sein, denn mich erfasst beim lesen über die "wolfsjäger" gerade auch im osten deutschlands ein ungutes gefühl, dass es tatsächlich um tiefliegendere jahrtausendealte archaische und nun hochkommende abwehrhaltungen dabei geht - geheimnisvoll und mit eigenartigen riten umflort - wo ich unwillkürlich eher an die psychiatrie denken muss und an einen "wolfs-wahn" als um den vorgegaukelten vernünftigen tier-, mensch- und naturschutz.

dass schäfer beim stichwort "wolf" an ihre herden denken und ihr schutzinstinkt angesprochen wird, ist ja natürlich und auch für mich laienhaft nachvollziehbar - und dass man gegen übergriffe der wölfe maßnahmen einziehen möchte und dafür staatliche förderungen benötigt - ist klar ... -  aber wenn man wölfe bestialisch tötet und irgendwie in einer art kadaverfledderei "kunst"voll drapiert, dann ist das für mich jedenfalls in erster linie pathologisch zu bewerten ...

und wenn ich aber nach der lektüre des "zeit"-artikels den eindruck gewinne, als würden diese pathologischen nuancen gruppenmäßig oder landsmannschaftlich mafiös "gepflegt" und zelebriert - scheinbar infiziert durch eine art gruppenepidemie, dann denke ich an den kukluxklan in amerika mit ihren kapuzen und lodernden fackeln und muss annehmen, als wäre der wolf als "eindringling" nur ein ersatz und ein symbol für eigentlich weitergehend gemeinte rassistische ressentiments vielleicht auch gegen menschen, gegen nachbarn, die einem vermeintlich das "futter" mit streitig machen ... und die eigene "art & rasse" einengen und in konkurrenz "im eigenen revier" treten ...

aber das wären ja nicht nur pathologisch-psychiatrische entgleisungen, da kämen dann ja noch die tiefen animalischen anteile von ganz simplen und primitivem "futterneid" unterster schublade mit ins spiel ... ("erst kommt das fressen - dann die moral" ... - brecht)

okay - ich will mich hier nicht als lesender laie zu weit aus dem fenster lehnen: ich kenne keinen der einzelfälle, erst recht keinen, den es antreibt, wölfe rituell umzubringen und die kadaver besonders zu platzieren, und natürlich weiß ich nicht, was diese menschen in ihrer kindheit erlebt haben und-und-und ... 

aber unter dem stichwort: "andere länder - andere sitten" kann ich das für mich innerlich auch nicht abhaken - es bewegt mich: da schießt mir plötzlich durch den kopf, dass man wohl irgendwo in asien auch hunde im speiselokal serviert bekommt - oder mir kommt das industrielle rudel-abschlachten von schweinen und rindern auf einem schlachthof in den sinn - und wie die meisten von uns ja genüsslich beim essen zulangen - und ich muss an die "campylobacter" im geflügelfleisch denken, wovon wohl bis zu 30 - 50 % des gekauften geflügelfleisches kontaminiert sind, wenn man es nicht "regelrecht" zubereitet ... - und dann bekommt man auch irgendwie "schiss" - und schaut die welt mit anderen augen an - aber ich hoffe das vergeht wieder - auch wenn ich es auch nur verdrängen aber nicht lösen kann ... - aber ich bleibe im kopf "pro wolf" eingestellt - das glaub ich aber ...

und trotzdem - nix für ungut - und chuat choan - 
und lies selbst:



Die Wolfsschädel hinter Glas © Thomas Victor für DIE ZEIT









Wölfe in Deutschland

Wie bei der Mafia

Seit es wieder Wölfe in Deutschland gibt, sind 35 von ihnen illegal getötet worden. Wer steckt dahinter?

Von Stefan Willeke

AUS DER
ZEIT NR. 01/2019


Über das, was in einer dieser warmen Frühsommernächte an einem See in der Lausitz passiert, wird es später kontroverse Ansichten geben. Der Landrat von Bautzen wird von einer "öffentlichen Hinrichtung" sprechen, der Staatsanwalt in Görlitz wird aus ermittlungstaktischen Gründen schweigen, und der Bürgermeister des sächsischen Städtchens Radibor wird "einen neuen militanten Zustand" feststellen. Wie alle Kriege ist auch dieser Krieg auf Interpretationen angewiesen, und so mischen sich Wahrheit und Unwahrheit auf unergründliche Weise. Waren es die Sorben?

Anfang Juni dieses Jahres, so viel steht fest, nähern sich unbekannte Täter Mortka, einem Straßendorf in der Lausitz mit 178 Bewohnern. Einige von ihnen, Angehörige einer slawischen Minderheit, sprechen noch heute Sorbisch. Mortkow heißt dieses Dorf in ihrer Sprache, was so viel bedeutet wie "Ort im sterbenden Wald". Daneben liegt ein kleiner See, das sogenannte Restloch, übrig geblieben aus der Zeit, als in dieser Gegend noch Braunkohle abgebaut wurde.

Im Morgengrauen des 10. Juni entdecken Spaziergänger, dass im Restloch eine Wasserleiche treibt, ein aufgedunsener Körper, völlig entstellt. Ein Mensch? Nein, an der Leiche haften noch Reste von Fell. Polizisten, die den Kadaver bergen, stecken ihn in einen Leichensack und schicken ihn zur Pathologin des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, wo der Körper in einen Computertomografen geschoben wird. Dann steht fest: Es ist ein Wolf, eine Tierart, die durch mehrere Gesetze streng geschützt ist. Der Körper des etwa einjährigen Wolfes wurde von Schrotkörnern durchsiebt, 40-fach, 80-fach, auch darüber gehen die Meinungen auseinander. Er muss aus nächster Nähe erschossen worden sein, sonst hätte ihn so viel Schrot nicht erwischt. Um den Bauch des Wolfes hatten die Täter einen Strick geschlungen, an den sie einen Betonklotz banden, bevor sie das Tier im See versenkten. Ein Verbrechen wie in einem Mafiafilm. Deswegen bekommt das Tier nun den Namen "Mafia-Wolf".

Sollte diese Tat wirklich unentdeckt bleiben? Die Leiche trieb nach wenigen Tagen auf, weil sich im verfaulenden Körper Gase gebildet hatten. Das hätten die Täter wissen können. Sie entschieden sich für ein flaches Gewässer, statt das Tier im Wald zu verscharren. Ging es ihnen um Aufmerksamkeit, um ein öffentliches Zeichen?

Es gibt eine Expertin, die es wissen könnte, aber nichts verrät. Noch laufen die Ermittlungen, der Fall "Mafia-Wolf" ist nicht abgeschlossen. "Ein Kavaliersdelikt ist das nicht", sagt Anke Stroh. Eine Polizistin wie sie gibt es kein zweites Mal in Deutschland. Beim Landeskriminalamt (LKA) in Dresden beschäftigt sich die 48-Jährige mit den illegalen Tötungen von Wölfen. Sie nennt sich Sachbearbeiterin im Dezernat für Korruption und Sonderfälle, aber Anke Stroh ist so etwas wie die Soko Wolf. Seit sich im Jahr 2000 das erste Wolfsrudel wieder ansiedelte, sind bundesweit rund 280 Wölfe zu Tode gekommen, die meisten von ihnen bei Verkehrsunfällen. 35 Tiere wurden von Menschen umgebracht.

Zwei Wölfe wurden in Brandenburg enthauptet, die Leiche des einen Tieres wurde unter ein Naturschutzschild gelegt. Geköpft wurde noch ein anderer Wolf, am Ostufer der Neiße, in Polen. "Die Kadaver liegen dann da wie auf einem Präsentierteller", sagt Anke Stroh. Offenbar wollen die Täter eine Botschaft absetzen: Wenn der Staat uns nicht vor Gefahren schützt, dann zeigen wir diesem Staat unseren Hass. Vertreibt die Wölfe, sonst töten wir sie!

Geht es um Wölfe, dann geht es fast nie allein um Wölfe. Von Beginn an sind sie symbolisch überhöht worden, von ihren Beschützern und ihren Gegnern. Der Wolf im Tierpark ist ein Langweiler, der stumpf an einem Zaun entlangschnürt. Aber der frei lebende Wolf, der Schafe und Rehe reißt und sich manchmal Siedlungen nähert, ist ein dezisionistisches Wesen, ein Entweder-oder-Tier. Entweder du bist für ihn, oder du bist gegen ihn. Und wenn du für ihn sein solltest: Bist du dann einer dieser Wolfsversteher, einer dieser rot-grün versifften Großstadtromantiker, die ihren Caffè Latte in den hippen Bars von Hamburg, Berlin oder München trinken, sich flehentlich mit der Umwelt versöhnen wollen, sensibel zwischen Wölfinnen und Wölfen unterscheiden und mit jeder lausigen Fliege mehr Mitleid haben als mit den Opfern eines Gewaltverbrechens? Und wenn du gegen den Wolf sein solltest: Gehörst du dann zu diesem rechten Gesindel, das Schusswaffen ungleich stärker verehrt als die Instrumente der Demokratie, das in den Hinterzimmern verwahrloster Dorfkneipen gegen Raubtiere, Feministinnen und den Fluch der Moderne hetzt und das die Republik gegen Einwanderer abschotten will, gegen Flüchtlinge ebenso wie gegen Wölfe?

Der Wolf ist ein politisches Tier, politischer als jedes andere in Deutschland. Der Wolf stellt keine Fragen, aber er wird benutzt, um mit seiner Hilfe Menschen eine Frage zu stellen, eine ins Maßlose vergrößerte Frage: Wo stehst du?

Wer könnte das getan haben?

Mit Volker Löser, dem Fachmann für Waffen beim LKA, setzt sich die Ermittlerin Stroh an einem frostigen Morgen im Dezember in einen schwarzen VW Passat und fährt zu Orten in Sachsen, an denen Wölfe gefunden wurden, illegal getötete Tiere. Auf einem Feldweg steigen die Polizisten aus dem Auto und erzählen die Geschichte von einem sieben Monate alten Wolfswelpen, der in der Mitte der Wiese neben einem Weg abgelegt wurde. Eine junge Spaziergängerin mit einem Kind entdeckte frühmorgens den Kadaver. Auf einem Foto sieht man, dass ein Kinderwagen neben der Leiche des Tieres stand. Nicht weit entfernt liegt das Dorf Mortka. In einem nahe gelegenen Wald wurde bereits ein anderer Wolf von Menschen zu Tode gehetzt. Das war an den Reifenabdrücken eines Autos und den Schrittlängen der Fährte zu erkennen, den Fußspuren eines extrem schnell rennenden Wolfes, auch daran, dass das Tier von hinten erfasst wurde und nicht – wie gewöhnlich bei einem Unfall – von der Seite. Wer könnte das getan haben?

Diese Frage hat sich die Polizistin Stroh oft gestellt, sie aber nie beantworten können. Als ein getöteter Wolf in der Nähe des sächsischen Dorfes Vierkirchen neben einen Waldweg gelegt wurde, hoffte Anke Stroh, dass es diesmal klappen werde. Reifenspuren eines Autos wurden gefunden, außerdem Blutstropfen auf einem Weg. Anke Stroh rief einen Hundeführer an, der zwei Hannoversche Schweißhunde mitbrachte, spezialisiert auf den Geruch wilder Tiere. Die Hunde verfolgten die Blutspur des Wolfes über eine Autobahnbrücke bis zu einem offenen Feld nahe der Quelle der Schwarzen Elster. Der tote Wolf war am Hals verletzt, wahrscheinlich war er an ein Auto gekettet und mitgeschleift worden. Belgische Schäferhunde, die sonst Rauschgift aufspüren, durchkämmten die Wiese – vergebens.

Der Waffenexperte Löser fand heraus, dass Patronen vom Kaliber 7,62 verwendet wurden, Allerweltsmunition wie etwa beim Schnellfeuergewehr G3 der Bundeswehr oder einer Kalaschnikow. Anke Stroh ließ Plakate mit dem Foto eines Wolfes drucken, sie hoffte auf Hinweise aus der Bevölkerung. Die Plakate wurden an Schulen, Bushaltestellen und auf Ämtern ausgehängt. Naturschützer setzten – wieder einmal – eine Prämie aus. Anke Stroh befragte 60 Zeugen, Woche für Woche zwei bis drei Menschen. Doch das Wort Zeuge trifft es nicht ganz. Denn keiner der Befragten hat irgendetwas Verdächtiges bemerkt.

Diese Täter müssen ihr Handwerk verstehen. Ein Laie ist kaum in der Lage, einen Wolf zu erschießen. Er müsste das Tier erst einmal sehen. Gewöhnlich ist ein Wolf sehr scheu. Es kann Monate dauern, bis selbst ein ortskundiger Beobachter auf einen Wolf stößt. Die Polizistin Stroh sagt: "Einen lebenden Wolf habe ich noch nie gesehen, obwohl ich in der Freizeit oft durch die Natur wandere."

Wird ein Wolf von Menschen gefüttert und gewöhnt sich an sie oder entdeckt er leichte Beute, eine Herde Schafe etwa, dann verliert sich manchmal seine Vorsicht. Dann kann es sogar passieren, dass er seelenruhig durch ein Dorf spaziert. Aber das geschieht selten.

Man kann im Internet zwar Gebrauchsanweisungen für das Töten von Wölfen studieren. Aber sich am Morgen vorzunehmen, bis zum Abend einen Wolf abzuknallen, wäre ein absurder Plan. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass die Täter ohnehin oft mit Waffen durch die Natur streifen, dort zufällig auf Wölfe stoßen – und abdrücken.

Anke Stroh ließ sich vom Landratsamt in Bautzen sagen, welche Bewohner eine Waffenbesitzkarte haben und wer die Jagdreviere in der Region gepachtet hat. Jäger mussten ihre Waffenschränke aufschließen und ihre Munition zeigen. Anke Stroh sagt: "Ich gehe immer systematisch vor." Aber keiner ihrer Fälle wurde gelöst. Am Ende, nachdem die getöteten Wölfe in der Forensik untersucht wurden und nur Knochen von ihnen übrig sind, landen sie in einer Dachkammer des Senckenberg-Instituts in Görlitz. Maria Jähde, eine Doktorandin, präpariert die Reste und archiviert sie. Vielleicht will ja mal ein Museum eine Ausstellung über Wölfe machen.

Zur Sammlung gehört auch der Schädel einer Wölfin, die man "Einauge" nannte. Die halb blinde Wölfin brachte 38 Welpen auf die Welt, sie war die Urmutter der Lausitzer Wölfe und wurde zwölf Jahre alt. Am Ende töteten Artgenossen sie. Bei der Untersuchung des Kadavers stellte sich heraus, dass mehrfach auf sie geschossen worden war. Davon zeugten eingewachsene Schrotkugeln. Auch in den Leichen anderer Wölfe, die mit Autos zusammengeprallt waren, wurden Partikel von Geschossen gefunden.

Die Doktorandin Maria Jähde ist verblüfft, "wie krass Wölfe inzwischen politisiert sind". Seit Jahren wird die Nachricht gestreut, die Wölfe in Sachsen seien keine reinrassigen Wölfe, sondern Mischlinge, die auch von streunenden Hunden abstammen. Wolfsgegnern dient diese Vermutung als gerissenes Argument dafür, dass diese Tiere zu töten sind – um die Art Wolf zu schützen. Wissenschaftlern wird deshalb vorgeworfen, die wahre Zahl der Hybriden zu verheimlichen.

Die drei S

Mal tritt der sächsische Verein "Sicherheit und Artenschutz" in Aktion, der finnische Wolfsgegner einfliegen lässt und sie zu Experten deklariert, die dann den Wolf vor lauter Hybriden nicht mehr sehen. Mal greifen Politiker der AfD solche Manöver auf und stellen im Parlament Anträge. Mal
Wild und Hund - Titelseite
fragt die Jägerzeitschrift Wild und Hund auf ihrer Titelseite: "Bastarde in Deutschland – Hunde im Wolfspelz?" Mal mischt die Initiative "Wolf – nein, danke" mit, nicht zu verwechseln mit der Facebook-Gruppe "Wolf – nein, danke", und beide wenden sich gegen die Vereinigung "Wolf ja, bitte. Ein Herz für Wölfe". Mal werden auf Dörfern in der Lausitz 12.000 Unterschriften gesammelt, mal 18.000, um gegen die Ausbreitung der Wölfe zu protestieren. Mal landen anonyme Schreiben bei den Wolfsforscherinnen des sächsischen Instituts Lupus: "Erst knallen wir die Wolfsfähen ab, dann die Wolfsweiber." Mal werden Wolfs-Mahnfeuer entfacht, zuletzt im September.

Auch Vinzenz Baberschke, der Bürgermeister der Gemeinde Radibor, gesellte sich zu den Protestierenden. Aber anders als viele dieser Aktivisten ist er bereit, sich mit Journalisten zu treffen. Er werde, sagte er am Telefon, im Steakhaus Longhorn in der Stadt Bautzen warten. Dort sitzt er dann an einem Tisch, an der Wand hinter ihm hängen Poster mit Revolverhelden. Auf einem Plakat steht: "How to be Texan". Aber der Bürgermeister ist kein Extremist, er sagt: "Auf beiden Seiten sehe ich Ideologen." Während des Mahnfeuers verlangte er von den anderen: "Bleibt sachlich." Wölfe, sagt er, wurden schon in der DDR geschossen, auf Geheiß der Staatsführung. Es stimmt nicht, was Umweltschützer des Verbandes Nabu ("Willkommen, Wolf") offiziell verkünden. Wölfe waren nicht 150 Jahre lang ausgerottet. In die DDR wanderten immer wieder Wölfe aus Polen ein. Auch tief im Westen, am Rande der Lüneburger Heide, wurde 1948 ein Wolf erlegt, der sogenannte Würger vom
Inschrift des Wolfsteins
für den "Würger vom
Lichtenmoor"in der 
Schotenheide bei
Ahlden (Aller) (Wiki)

Lichtenmoor. Für ihn wurde ein Gedenkstein errichtet. Genau genommen, waren Wölfe 13 Jahre lang verschwunden – zwischen 1987, dem Jahr des letzten dokumentierten Wolfsabschusses in der DDR, und dem Jahr 2000, als ein Rudel in der Lausitz heimisch wurde.

Unwahr ist auch die bei Wolfsfreunden beliebte Behauptung, in der Bundesrepublik sei nie ein Mensch von einem Wolf getötet worden. Im Jahr 1977 – dies belegen Archivunterlagen und Aussagen eines pensionierten Polizisten – griff ein Wolf in der Nähe von Bremen ein Kind an. Das Tier, das zu einem Privatzoo gebracht werden sollte, konnte sich aus seinem Käfig befreien und sprang vom Transporter. Danach biss der Wolf einen siebenjährigen Jungen tot, der im Wald spielte. Man muss diese vereinzelten Vorfälle nicht aufbauschen, aber genauso absurd wäre es, zu unterstellen, Wölfe seien so harmlos wie Rehe. "Angst vor Wölfen braucht niemand zu haben", erklärt der Naturschutzverband BUND.

Vinzenz Baberschke, der Bürgermeister von Radibor, fragt sich manchmal, wie er Bürgern erklären soll, dass sie ihre Hunde im Dorf anleinen müssen, Wölfe aber unbehelligt über die Straße laufen dürfen. In einigen Ortsteilen tun Wölfe das, sehr selten, aber es kommt vor. Der Bürgermeister fragt sich auch, warum in den endlosen Weiten Mecklenburg-Vorpommerns nur wenige Wölfe zu finden sind. "Ich habe eine Vermutung", sagt er, "diese Norddeutschen reden nicht über das, was sie mit ihnen tun."

An einem Abend im Dezember schlägt das Wetter um, und auf den Feldern rund um Bautzen bleibt der erste Schnee liegen. In einem Raum des Hotels Residence versammeln sich sechs angesehene Jäger. Der ehemalige "Aktionskreis Wolf" wird gleich tagen – ein Gremium, das sich in die "Arbeitsgruppe Wolf" des Landesjagdverbandes umbenannt hat. Arbeitsgruppe, das klingt ziviler, mehr nach Reden als nach Handeln. Die Jäger haben sich beraten, ausnahmsweise darf die ZEIT dabei sein.

Märkische Allgemeine - 
Das Warnschild vor Wölfen 
hängt am Ortsrand 
von Krahne (Potsdam-Mittelmark)
Da sitzen sie nun um einen Tisch, ein Professor mit dem Fachgebiet Landmaschinen, ausgezeichnet mit der goldenen Verdienstnadel des Deutschen Jagdverbandes, ein Pensionär aus dem Jagdverband Oberlausitz, ein Wildhändler von der CDU Niederschlesien, der Vorsitzende des Jagdverbandes Niederschlesische Oberlausitz, ein Mitglied des Präsidiums der sächsischen Landesjäger. Als der ehemalige Landarzt Adolf With, der Vorsitzende der kleinen Versammlung, das Wort ergreift, macht sich der Professor Notizen auf kariertem Papier mit Wildschwein-Motiven. Er reicht ein Foto herum, das auf einem Waldweg in der Lausitz aufgenommen wurde. Auf einem offiziellen Schild steht: "Achtung! WÖLFE! Kinder an die Hand nehmen, Hunde anleinen". Der Landrat von Bautzen hat erklärt: "Der Artenschutz richtet sich inzwischen gegen Menschen. Oder sollen wir bald auch Bären ansiedeln?"

"Wir sind keine Salonbiologen", sagt der Jäger im Tagungsraum. Ein anderer, der sich auf seinem Tablet Fotos toter Tiere anschaut, sagt: "Ich habe meinen letzten Schuss im Juni abgegeben." Wölfe hätten das Wild vertrieben. "Die Betroffenen wehren sich", sagt ein Dritter, bevor ein Vierter meint: "Es ist ein Krieg ausgebrochen zwischen Befürwortern und Gegnern. Der Wolf nimmt sich ungestraft, was er will. Meine Jagdkameraden in Polen erzählen mir: Wen interessiert der Wolf? Wir regeln das schon allein."

Ein Jäger zitiert Artikel 14 des Grundgesetzes, "Schutz des Eigentums". Sein Tischnachbar fragt: "Wer im Staat spricht endlich das Machtwort?" Kaum jemand kennt die Wälder besser als diese Jäger, die mitbekommen, wer sich wann in welchem Revier bewegt. Aber einen Wolfskiller? Nein, nie gesehen. Ausdruckslos schauen die Männer einander an. Dann fragt einer: "Sie kennen doch die drei S, oder?" Jeder in der Gegend kennt die drei S. Schießen, schaufeln, schweigen.



Kadaverstrecke toter Wölfe - Google-Bilder - Suchbegriff: "Toter Wolf"

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