"
Posts mit dem Label taz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label taz werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

freund & helfer - immer wieder gern



Das Erbe des Verbrechens: Deutsche Polizisten regeln im Oktober 1940 in Gailingen die Deportationen von Juden Foto: BPK - TAZ v. 18.07.2019 (click here)

VON SVEN DEPPISCH

Die junge Polizistin ist den Tränen nah, als sie im Unterricht für Polizeigeschichte erfährt, dass ihre Vorgänger in Uniform massenhaft Zivilisten umgebracht haben. Die Klasse mit 30 angehenden Kommissaren des bayerischen Staates bekommt hier in ihrer Ausbildungsstätte im oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg zum ersten Mal Dinge zu hören, die seit Langem bekannt, aber nicht Allgemeinwissen sind: Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begannen Polizisten, mit polizeilichen Methoden systematisch wehrlose Menschen zu töten. Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis: Die uniformierte Staatsgewalt beteiligte sich an der Ermordung von über zwei Dritteln aller jüdischen Opfer, wobei sie selbst etwa eine Million Menschen direkt erschoss. Ohne die Polizei wäre der Holocaust nicht möglich gewesen.


Quelle: Deutsches Historisches Museum DHM | DIE WELT 2011 - Requist aus der Ausstellung "Ordnung und Vernichtung - Die Polizei im NS - Staat" vom 1. April bis zum 31. Juli 2011 im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen.


Dieser erschütternde Befund zur Rolle der Polizei im „Dritten Reich“ scheint all jene zu bestätigen, die glauben, dass der „Freund und Helfer“ heute noch auf dem „rechten Auge“ blind sei. Skandale der jüngsten Vergangenheit geben ihnen anscheinend recht: So wird ein Frankfurter Polizist verdächtigt, 2018 einer türkischstämmigen Rechtsanwältin in der Mainmetropole Drohfaxe geschickt zu haben, von denen zumindest eines mit „NSU 2.0“ unterschrieben war. Mit Kollegen soll er sich auch in einer Chatgruppe befunden haben, in der Hitlerbilder und Hakenkreuze kursierten. Wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus wird allein in Hessen gegen insgesamt 38 Beamte ermittelt. Auch mehrere Münchner Polizisten machten im März 2019 von sich reden, weil sie über WhatsApp antisemitische Videos geteilt hatten. Eine Gruppe von ehemaligen und aktiven Elitebeamten aus Mecklenburg-Vorpommern hortete Unmengen an Munition aus den Beständen des Landeskriminalamts. Sie erstellten Listen mit unliebsamen Politikern, die sie offenbar bei einer Staatskrise am „Tag X“ liquidieren wollten.

Polizeiposten - Illustrierendes Symbolfoto aus: "Erna's Story" - Euthanasiemord Erna Kronshage


Für solche besorgniserregenden Zustände werden allerhand Gründe ins Feld geführt: eine tendenziell eher konservativere Grundhaltung von Polizeibeamten, Überforderung durch viele Überstunden und Personalmangel, negative Erfahrungen mit Ausländern, steigende Gewalt gegenüber Polizisten. Doch damit lassen sich derartige Auswüchse nicht erklären – und rechtfertigen schon gleich gar nicht. Zusammen mit weiteren Missständen, Einsatz- und Ermittlungspannen legen die oben genannten Vorfälle eher den Schluss nahe, dass etwas mit dem Geist in der deutschen Polizei nicht stimmt. Befinden sich aber deshalb gleich alle rund 300.000 Beamten bundesweit in einer politisch-moralischen Krise? Keineswegs!

Ein Blick in die Vergangenheit

Als Dozent für Polizeigeschichte spreche ich mit den angehenden bayerischen Kommissaren auch über aktuelle Skandale in der Polizei und stelle sie in einen historischen Kontext – soweit es die knapp bemessene Zeit zulässt. Die Reaktionen zeigen, dass das Verhalten ihrer Berufsgenossen auch für sie unfassbar ist. Von der Weimarer Demokratie bis in die Bundesrepublik liefert der Unterricht einen Überblick über die häufig unrühmliche Geschichte der deutschen Polizei – seit Frühjahr 2018 ein Novum im Freistaat. Im Zentrum steht die Rolle der Polizei im Natio­nalsozialismus. Dabei spielen sich in jedem Semester nahezu die gleichen Szenen ab: In meinen Klassen sitzen etliche Studenten, die anfangs recht amüsiert sind und kichernd miteinander tuscheln. Wahrscheinlich denken sie sich: „Jetzt will ausgerechnet ein Historiker uns Polizisten etwas über die Polizei erzählen!?“

Dementsprechend nehmen einzelne die Lehrveranstaltung zunächst auf die leichte Schulter, während die Mehrheit ihrer Kommilitonen gespannt ist, was auf sie zukommt. Es ist ein Rendezvous mit der Vergangenheit ihrer eigenen Institution. Deren Beteiligung am Holocaust ist ein elementarer Teil des Unterrichts. Dieser zielt aber keineswegs darauf ab, den künftigen Führungskräften der Polizei einen Kulturschock zu verpassen. Er wirft schlicht wichtige Fragen auf: Wie wurde die Polizei zu dem, was sie heute ist? Welche Lehren kann ich aus der Geschichte ziehen? Ist das alles längst vergangen oder hat das auch etwas mit mir zu tun? Wie hätte ich mich in der jeweiligen Situation verhalten? Hätte ich mitgeschossen oder mich dagegen entschieden?

In der Theorie ist jeder Polizist ein Musterdemokrat – zumindest, wenn es nach der Exekutive selbst geht

Als Polizeihistoriker befasse ich mich schon seit vielen Jahren mit Fragen rund um die dunkle Vergangenheit der deutschen Staatsgewalt. In meiner Doktorarbeit untersuchte ich anhand der Polizeischule Fürstenfeldbruck, an der ich heute ebenfalls unterrichte, wie die Nationalsozialisten die Führungskräfte der Ordnungspolizei ausbildeten und welche Folgen das hatte. Hunderte Männer aus ganz Deutschland und Österreich besuchten in der oberbayerischen Bildungsstätte spezielle Lehrgänge, aus denen sie als Polizeioffiziere hervorgehen sollten. Diese Kurse zielten besonders darauf ab, sie auf ihren Kriegseinsatz und vor allem auf den Kampf gegen „Banden“ vorzubereiten. Erschreckend viele Schüler, aber auch Lehrer und sogar Schul­leiter verübten in den besetzten Gebieten zahlreiche Gräueltaten an Juden und anderen Opfern. Ihre Taten reichten von Massenerschießungen über Sexualverbrechen an Kindern bis zur Vernichtung ganzer Dörfer.

Radikalisierung in Grüppchen

Für meine Studenten ist das kein leicht verdaulicher Lehrstoff; und sie reagieren ganz unterschiedlich. Die einen lassen den Unterricht über sich er­gehen, verfolgen ihn teilnahmslos und fragen sich wohl bis zum Schluss, was ihnen das eigentlich bringen soll. Andere zeigen sich deutlich interessierter: durch aktive Mitarbeit, Wortbeiträge und Nachfragen. Mehrfach kamen einzelne auf mich zu, um mir für den Unterricht zu danken. Junge Polizisten reagieren also durchaus engagiert, wenn sie von der mörderischen Historie ihres Dienstherrn erfahren – und das ist keineswegs selbstverständlich. Denn schließlich sind sie Nachfolger der einst eben hier im nationalsozialistischen Ungeist unterrichteten Offiziersanwärter. Seither hat sich die Mentalität innerhalb der Polizei enorm zum Guten gewandelt. Sie bemüht sich sehr darum, ihren Angehörigen demokratische Werte zu vermitteln. In der Theorie ist jeder Polizist ein Muster­demokrat – zumindest, wenn es nach der Exekutive selbst geht. Für die absolute Mehrheit der uniformierten Staatsdiener trifft das auch zu.

Die Praxis zeigt jedoch auch, dass sich einzelne Beamte nicht so verhalten, wie man es von Demokraten in Uniform erwarten muss. Im Gegensatz zu den von ihrer Institution vorgegebenen Normen pflegen sie eine inoffizielle Polizistenkultur, die wesentlich durch eigene Erfahrungen im Einsatz und die Kameradschaft geprägt wird. Schlimmstenfalls bilden sich so Grüppchen innerhalb der Polizei, die sich gemeinsam radikalisieren und ein übersteigertes Freund-Feind-Denken entwickeln. Werden einzelne meiner Studenten irgendwann einmal auch zu ihnen zählen? Obwohl ich es mir nur schwer vorstellen kann, wird es die Zeit zeigen. Als angehende Führungskräfte der bayerischen Polizei werden sie nicht zuletzt für das Befinden ihrer Untergebenen verantwortlich sein und solche Vorgänge zu verhindern haben. Jeder von ihnen hat es in der Hand, an den künftigen Kapiteln der Polizeigeschichte mitzuschreiben. Im Rahmen seiner Möglichkeiten kann jeder Einzelne für sich bestimmen, wie diese aussehen sollen. Die Vergangenheit zeigt, welche katastrophalen Folgen es haben kann, wenn Polizisten ihre Macht missbrauchen, Befehle blindlings befolgen und ihre Karriere über Menschenleben stellen. Dahingehend müssen die Gesetzeshüter von heute und morgen sensibilisiert werden.

Quelle: Deutsches Historisches Museum DHM | DIE WELT 2011 - Requist aus der Ausstellung "Ordnung und Vernichtung - Die Polizei im NS - Staat" vom 1. April bis zum 31. Juli 2011 im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen.


An ihren Lehranstalten dominieren jedoch andere Themen, die Geschichte ihrer Institution kommt in der Ausbildung viel zu kurz. Ein Allheilmittel ist sie nicht. Wer sich als Gesetzeshüter mit ihr auseinandersetzt, ist nicht davor gefeit, politisch abzudriften, selbst gegen das Gesetz zu verstoßen und eine Gefahr für Bürgerinnen und Bürger zu werden, statt sie zu schützen. Aber die Erinnerungskultur muss gerade innerhalb der Polizei intensiver gepflegt werden, um ihre Angehörigen und damit auch uns so gut wie nur möglich davor zu bewahren, selbst zum Gegenstand weiterer dunkler Kapitel ihrer Geschichte zu werden.

  • Sven Deppisch studierte Geschichte und Politische Wissenschaft an der LMU in München. Der promovierte Historiker arbeitet in den Bereichen Redaktion und Marketing und ist als Lehrbeauftragter an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern – Fachbereich Polizei tätig.

... und lies hier und hier

____________________________________

im sogenannten 3. reich war es ja nicht so ganz weit her mit der trennung von legislative, judikative und exekutive, wie es noch in der weimarer republik vielleicht gang und gäbe war. 

die polizei war rasch miteinbezogen in ss-operationen und als gestapo und fungierte bei der begleitung von deportationszügen und auch bei fingierten zwangseinweisungen - und fühlte sich auch bemüßigt bzw. hatte keine andere wahl als hier und da hand und pistole anzulegen bei liqudierungen in kz's und vernichtungsstätten oder bei der eindämmung von bevölkerungswiederständen in den besetzten gebieten. 

dieses mit-wirken im ns-staat ist bis heute in gänze noch längst nicht aufgearbeitet. und von einem angemessenen akt des bedauerns oder der gedenk- und erinnerungskultur des polizeiapparates, wie er zum beispiel bei ärzte-organisationen und kranken"pflege"personal und teilweise ja auch bei der wehrmacht hier und da aufblitzen und zum beispiel mit denk- und mahnmalen be-greifbar manifest werden, ist mir kein bleibendes ereignis in erinnerung - aber das alles wären sicherlich prophylaktische maßnahmen gegen eine ungute entwicklung, wie er sich hier und da bereits abzeichnet(e). 

dazu wären ja inzwischen neben den bundespolizeiapparaten hauptsächlich wohl maßnahmen der länderinneministerien und der landschaftsverbände vonnöten. und für mich würde dazu auch eine umfassende regional umgrenzte wissenschaftliche aufbereitung und auswertung der sogenannten "sozialakten" aus dieser zeit zählen, wie er sicherlich noch in vielen archiven unterschiedlicher provenienz und ebenen vorhanden ist - zumindest sollte man dafür entsprechende forschungsprojekte ausloben: es gibt noch viel zu tun ...



inge deutschkron: auschwitz-prozess 1963-1965

Ihre ganze Sympathie gilt den Zeuginnen und Zeugen des Holocaust

Inge Deutschkron ist eine leidenschaftliche Aufklärerin. Ihre Artikel über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963–1965 sind nun in sorgsam editierter Buchform erschienen

VON WILFRIED WEINKE | taz

Inge Deutschkron -
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Sie trug den gelben Stern und auch den Zwangsnamen Sara. Sie überlebte die Judenverfolgung in Berlin, mehr als zwei Jahre versteckt in der Illegalität, ständig von Denunziation und Deportation bedroht: Die Rede ist von der 96-jährigen Journalistin und Autorin Inge Deutschkron.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, ab 1946 in England lebend, nach Reisen auf dem indischen Subkontinent und Asien entschloss sie sich Mitte der fünfziger Jahre, nach Westdeutschland zurückzukehren und als Journalistin über und aus der Bonner Republik zu berichten. Jenem verstockten deutschen Obrigkeitsstaat, in dem die Forderung nach einem „Schlussstrich“ bereits als Fanfare einer breiten Öffentlichkeit erscholl, die sich ihrer verbrecherischen NS-Vergangenheit nicht zu stellen bereit war und wo Nazis erneut in führenden Positionen saßen.

Kann es erstaunen, dass Inge Deutschkron [click = wikipedia], die ausgegrenzte und verfolgte Jüdin, Hans Globke, den Mitverfasser und Kommentator der „Nürnberger Rassengesetze“, späteres CDU-Mitglied und damaligen Staatssekretär von Bundeskanzler Konrad Adenauer, öffentlich einen „Schweinehund“ nannte? Deutschkrons Rückkehr nach Bonn war, wie sie es selbst ausdrückte, eine „Reise zu meinem Beruf“. Zuerst als freie Journalistin arbeitend, schrieb sie bald auch als Korrespondentin der israelischen Zeitung Ma’ariv.

Für diese Tageszeitung berichtete sie von Oktober 1963 bis zum August 1965 vom Frankfurter Auschwitz-Prozess. Kontinuierlich nahm sie als Prozessbeobachterin an dem „Strafverfahren gegen Mulka u. a.“ teil, benannt nach dem Hamburger Export-Kaufmann Robert Mulka, Adjutant des Lager­kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß.Gebannt folgte sie den Verhandlungen, stenografierte ihre Beobachtungen, tippte ihre Texte in englischer Sprache in die Schreibmaschine, um sie nach Tel Aviv zu telegrafieren, wo sie ins Hebräische übersetzt wurden. Diese belastenden, unter enormem Zeitdruck verfassten Berichte erscheinen nun erstmals, aus dem Englischen übertragen und herausgegeben von der Historikerin Beate Kosmala, in Buchform.

Präzise Reportagen

Präzise und fast emotionslos versuchte Inge Deutschkron durch ihre Gerichtsreportagen einer israelischen Leserschaft die Geschehnisse in Auschwitz zu schildern. Erfüllt von der Hoffnung, dass der Frankfurter Prozess der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen in Auschwitz und der Bestrafung der Täter dienen werde, beschrieb sie detailliert das Verhalten der Verteidiger, allen voran deren Hauptprotagonisten Hans Laternser, den sie wegen seines Verhaltens gegenüber den Zeugen wiederholt und unverhohlen als „Nazi-Anwalt“ oder „Nazi-Juristen“ bezeichnete. Auch wenn ihre Aufzeichnungen kein Wortprotokoll darstellen, versuchte Inge Deutschkron, den Verlauf der Verhandlungstage durch dialogische Sequenzen wie szenische Skizzierung wiederzugeben. Mit den wissenschaftlichen Gutachten der Historiker vom Institut für Zeitgeschichte in München war sie ebenso unzufrieden wie der Korrespondent des Norddeutschen Rundfunks, Axel Eggebrecht; beide bemängelten, dass nur unzureichend die Bedeutung der IG Farben, die Rolle anderer deutscher Firmen und Profiteure bei der Ausbeutung der Auschwitz-Häftlinge aufgedeckt wurde.

Deutschkrons ganze Sympathie gilt den Hunderten Zeugen, die aus verschiedenen europäischen Ländern wie auch aus Israel ins Land ihrer Mörder und Peiniger gereist waren, um trotz aller Traumata und psychischen Belastungen vor Gericht auszusagen. Auch mit dem zeitlichen Abstand von mehr als 50 Jahren erschüttern diese Zeugenaussagen, versagt die Vorstellungskraft angesichts der immer und immer wieder geschilderten unmenschlichen Grausamkeiten im Lageralltag.



„Keiner von uns 
dürfte am Ende des Prozesses 
der gleiche Mensch gewesen sein“

Eine besondere Würdigung in ihren Berichten erfuhr der Vertreter der Nebenkläger, der aus Kassel stammende Henry Ormond, dessen Initiative es zu verdanken war, dass das Gericht im Dezember 1964 in Auschwitz eine Ortsbesichtigung vornahm, an der dann auch Inge Deutschkron teilnahm. Das Urteil des Frankfurter Gerichts vom August 1965 kommentierte sie mit Enttäuschung und kritisierte „die Unzulänglichkeit des deutschen Strafrechts, um Verbrechen, wie sie in Auschwitz verübt worden waren, adäquat zu bestrafen.“

Noch im selben Jahr veröffentlichte Inge Deutschkron ihr Buch „… denn ihrer war die Hölle“ über Kinder in Gettos und Lagern. Im Vorwort schrieb sie: „Keiner von uns Journalisten, der über einen längeren Zeitraum hinweg im Gerichtssaal von Frankfurt zugegen war, dürfte am Ende des Prozesses der gleiche Mensch geblieben … sein.“

Ihre jetzt von Beate Kosmala sorgsam edierten Prozessberichte stellen wichtige Zeitdokumente dar, geschrieben von einer couragierten Frau und leidenschaftlichen Aufklärerin.
  • Inge Deutschkron: „Auschwitz war nur ein Wort. Berichte über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963–1965“. Metropol Verlag, Berlin 2019, 328 S., 24 Euro
text: taz, donnerstag, 16. mai 2019, kultur, s. 17



gerade in dieser zeit ist es so wichtig, eine gut editierte buchausgabe der exakten reportagen des auchwitz-prozesses neu aufzulegen - ehe vielleicht mit den "zeitzeugen" auch noch die dünngesäte juristische aufarbeitung der nazi-zeit überhaupt in vergessenheit gerät und aus den gedächtnissen gänzlich getilgt wird.

der lyriker erich fried (1921-1988), ein jüdischer emigrant, der als 17-jähriger junger mann nach der ermordung seines vaters durch die gestapo aus österreich nach london floh, schrieb folgendes gedicht - dessen zeilen und aufforderungen zeitlos weiterleben:

Wegzeichen

Wo noch Lügen liegen
wie unbegrabene Leichen
dort ist der Weg der Wahrheit
nicht leicht zu erkennen
und einige sträuben sich noch 
oder finden ihn zu gefährlich
Die Wahrheit dringt vor
und schickt zugleich ihre Sucher
in die Geschichte zurück
und beginnt aufzuräumen
mit den Verleumdungen
und mit dem Totschweigen der Toten

Vieles wird wehtun
manches verlegen machen
aber die Wahrheit ist
der Weg der Notwendigkeit
wenn das Reich der Freiheit nicht wieder
nur ein leeres Wort bleiben soll
und nur ein Gespött
für Feinde und für Enttäuschte 

Erich Fried


leichenschänder

Medizinische Versuche mit NS-Opfern

Anatomie eines Leichenschänders

Hermann Stieve experimentierte mit Menschen, die von der NS-Justiz zum Tod verurteilt wurden. Ihre Gewebeproben werden nun bestattet.

Von Klaus Hillenbrand | Leiter taz.eins | Link


Der Arzt Hermann Stieve Stieve bei einer Anatomie-Vorlesung - nachcoloriertes s/w-Foto: oH/SZ/prantl



An diesem Montag wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof zu Berlin eine ungewöhnliche Bestattung erfolgen. Sie findet mehr als 70 Jahre nach dem Tod dieser Menschen statt. Am Nachmittag werden dort Pfarrer der katholischen und evangelischen Kirche und der Rabbiner Andreas Nachama sprechen. Dann wird eine Gedenktafel enthüllt.

Auf ihr steht geschrieben:

„Im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee wurden während der nationalsozialistischen Diktatur mehr als 2.800 Menschen durch das Fallbeil oder den Strang ermordet. Die meisten von ihnen wurden danach im Anatomischen und Anatomisch-biologischen Institut der Berliner Universität zu Forschungs- und Lehrzwecken seziert. Mehr als 300 der dabei entstandenen mikroskopischen Präparate, zumeist von Frauen, wurden 2016 im Nachlass des Anatomen Hermann Stieve aufgefunden. Sie wurden hier am 13. Mai 2019 bestattet.“

Der Medizinprofessor Andreas Winkelmann beschreibt den Fund: „Es handelt sich um Objektträger, kleine rechteckige Glasplatten. Darauf befindet sich ein sehr kleines Teil eines Organs, ein hundertstel Millimeter dünn. Die Objektträger befinden sich in schwarzen Kisten.“

Enkel des 1952 verstorbenen Stieve hatten die Präparate in seinem Nachlass gefunden, berichtet Winkelmann. „Sie wollten das nicht unbedingt bei sich zu Hause lagern.“ Winkelmann, der seit 2015 in der Anatomie der Medizinischen Hochschule Brandenburg arbeitet, begann zu recherchieren, fand heraus, worum es sich handelte und von wem die Gewebeproben stammten. Er nahm Kontakt zu Angehörigen von Widerstandskämpfern auf, die in Plötzensee hingerichtet worden waren. Mit ihrem Einvernehmen findet nun die Bestattung statt, wobei man auf die Namensnennungen verzichtet, gleichwohl etwa 15 der Präparate entsprechend gekennzeichnet sind.

Bedenkenlose Nutzung

Wer aber war dieser Hermann Stieve? Das herauszufinden, hat sich der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, bemüht. Ende Mai erscheint sein Buch „Hinrichtungen im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee 1933–1945 und der Anatom Hermann Stieve“.

Tuchels Urteil ist eindeutig: Der Anatom, den das SED-Blatt Neues Deutschland 1952 als „großen deutschen Arzt und Wissenschaftler“ feierte, sei ein „Dienstleister der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz“ gewesen. Er „nutzte sämtliche Möglichkeiten, die ihm das nationalsozialistische System bot, bedenkenlos für seine eigenen Interessen“, schreibt Tuchel.

Stieve kam 1935 als Direktor der Anatomie an die Berliner Charité. Damals hatten die Scharfrichter im Deutschen Reich seit zwei Jahren wieder Arbeit, dank der Erneuerung der Todesstrafe durch die Nazis. Bis 1945 sollten unfassbare 16.560 zivile Todesurteile ergehen, der größte Teil davon im Krieg und in den allermeisten Fällen vollstreckt an NS-Gegnern. Bis 1937 geschah das mit dem Handbeil, danach mittels Guillotinen, aber bei politischen Gegnern auch durch Erhängen.

Das Reichsjustizministerium ermöglichte Anatomie-Medizinern in ganz Deutschland den Zugriff auf diese „frischen“ Leichen. Und Stieve, obwohl kein NSDAP-Mitglied, griff bedenkenlos zu. Er besorgte die Abholung der Opfer, stellte die Kosten der „Leichenkisten“ in Höhe von 17,50 Reichsmark in Rechnung, unternahm an Ausgewählten die Sektion, organisierte die Verbrennung aller im Krematorium und die Verbringung der Ascheurnen an anonymen Grabstätten.

Stieve machte vornehmlich an Frauen Experimente

Bei den Opfern des gescheiterten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 ließ Stieve die Ermordeten gar unmittelbar mit dem Lastwagen seines Instituts ohne Umweg zum Krematorium verfrachten – ein Arzt als Bestattungsunternehmer im Auftrag von Massenmördern. Die große Zahl an Leichen nannte er 1938 stolz „einen Werkstoff, wie ihn kein anderes Institut der Welt besitzt“.

Sein Interesse galt besonders Frauen im gebärfähigen Alter, denn Stieve forschte zu Fortpflanzungsorganen. Es sei ihm, so Andreas Winkelmann, dabei im Besonderen um den Nachweis des Eisprungs und den Einfluss des Nervensystems darauf gegangen. Stieves Ziel sei es gewesen, die Unzuverlässigkeit der Verhütungsmethode nach Hermann Knaus („Knaus-Ogino“) nachzuweisen. Tote junge Frauen lieferte die Hinrichtungsstätte Plötzensee reichlich: 334 der dort zwischen 1933 und 1945 Getöteten waren weiblich.

Winkelmanns Urteil über seinen Berufskollegen: Stieve habe „die Todesangst der Frauen vor ihrer Hinrichtung zum Faktor seiner Forschung gemacht“. Tatsächlich veröffentlichte Stieve 1942 eine Arbeit, in der von „Schreckblutungen“ „im unmittelbaren Anschluss an eine Nachricht, die die Frauen stark erregt hatte“, die Rede ist. Welche Nachricht das war, lässt sich nachvollziehen.

Der Nazi-Arzt wurde bis in die Neunziger geehrt

Nach der Befreiung aber machte Stieve sich erfolgreich zum Oppositionellen. „Während der Zeit seit 1933 bin ich dauernd von den Nationalsozialisten verfolgt und in meiner Arbeit behindert worden“, erklärte er im Juni 1945. Politische Opfer der Nazis habe er niemals seziert – eine Lüge, wie Tuchel nachweist.

Doch kam Stieve damit durch, auch weil Wissende ihre schützende Hand über ihn hielten und ihn als Lehrkraft behalten wollten. Noch bis in die neunziger Jahre stand in der Charité eine Stieve-Büste, berichtet Andreas Winkelmann, es habe auch einen „Stieve-Saal“ gegeben. Sein Bild hängt weiterhin in der Ahnengalerie der Direktoren – nun mit entsprechendem Kommentar versehen. Der Fall Hermann Stieve scheint aufgearbeitet, sowie die Präparate der Opfer eine würdige Ruhestätte erhalten – 74 Jahre nach der Niederschlagung des NS-Regimes.

_________________________________



alles hat seine zeit - alles dauert seine (machmal viel zu lange) zeit: da hat sich wieder einmal ein arzt bis zu seinem ableben mit einer großen lebenslüge durchs leben gewurschtelt, ohne selbst mal bei sich die mechanismen für sein eigenes innerseelisches lügengebäude in einem großen "wissenschaftlich" untermauerten selbstversuch - vielleicht mal mit hilfe seiner kollegen von der psychologie-psychiatrie - entsprechend offenzumachen und nachzugehen ...

er hat diese lebenslüge einfach mit ins grab genommen. "zum glück" hatten seine erben mit all den hinterlassenschaften ihre skrupel, um einfach zur tagesordnung überzugehen - und so konnten die präparate sortiert und geordnet werden - und nun - endlich - auch bestattet werden. 

und diese heerscharen an helfern und helfershelfern von solchen doch recht zweifelhaften heroen der medizinischen wissenschaft lassen tief blicken - bis in die 90er jahre ein großes schweigen und viel öffentliche verehrung ... 

auch hier nannte der arzt schon 1938 - also vor ausbruch des krieges (!) - die große zahl an ["frischen"] leichen „einen werkstoff, wie ihn kein anderes institut der welt besitzt“. zerschnittene teile von leichen wurden einfach zum "werkstoff", einhergehend mit der verdrängung, woher oder wodurch dieses "material gewonnen" wurde.

aber da er ja selber mit seinen hiwi's die leichen zum sezieren abholen ließ, war ihm der tatsächliche ursprung voll bewusst, den er ja später einfach verleugnete.

diese formen der "schul-wissenschaft", mit all den versuchen und doppel-blind-reihen an fragwürdig "gewonnenen" präparaten unterlegt, sind ja zumindest in diesem falle auch "moralisch" zu bewerten - und werfen einen schatten auf diese "hehre wissenschaft" ... - die ja das "sagen" im alltag unseres lebens hat ...

"vogelschiss"-prozesse gegen "alte weiße männer": wenn es denn der wahrheitsfindung dient ...


Die letzten NS-Prozesse

Die Schuld der alten Männer

Abermals wird in Hamburg ein über 90-Jähriger wegen seiner Beteiligung an NS-Verbrechen angeklagt. Was ist es, was daran irritiert?





Oskar Gröning, der „Buchhalter von Auschwitz“, betritt das Gericht in Lüneburg. Er nahm den zur Vernichtung angelieferten Menschen die Wertgegenstände ab. Später war er einer der wenigen, die Reue zeigten. Gröning starb, bevor er seine Haftstrafe antreten musste.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Friederike Gräff | taz nord

HAMBURG taz | Die Männer, die jetzt wegen ihrer NS-Verbrechen vor Gericht gestellt werden, sind zwischen 92 und 95 Jahre alt. Schon wegen ihres jungen Alters zu Zeiten des NS-Regimes haben sie keine hohen Posten innegehabt. Viele sterben noch vor Antritt ihrer Strafe. Der Hamburger, gegen den jetzt Anklage erhoben wurde, hat als 17-Jähriger als Wachmann im Konzentrationslager Stutthof gearbeitet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum 5.320 fachen Mord vor. Man liest von dieser und ähnlichen Anklagen und fragt sich, woher das Ungenügen kommt, das einen dabei beschleicht. Warum stellt sich nicht nur Zufriedenheit ein angesichts einer Justiz, die ihre Arbeit tut?

Ich glaube nicht, dass es um Mitleid geht, weil die Angeklagten alt und gebrechlich sind. Es ist vielleicht ein erster Impuls, der aber schnell einem nüchterneren Blick weicht: wenn diese Männer Schuld auf sich geladen haben, wenn sie gemordet oder Beihilfe zum Mord geleistet haben, dann verjährt diese Schuld nicht. Nein, es ist kein Mitleid.

Und hätte man es gehabt, zerschellt es sehr schnell, sobald die Anklage ihre Abstraktion verliert. Und das schon im Zimmer des ersten Staatsanwalts, den man besucht, um ihn nach seinen Erfahrungen mit den späten NS-Prozessen zu fragen. An der Wand hängt dort eine Schautafel, auf die an der y-Achse die Zeit und an der x-Achse die Todesarten im Konzentrationslager Stutthof aufgezeichnet sind. Eine heißt „durch Hunde“ und eine „durch Elektrozaun“ und dort ist vermerkt, wann und wer dort hineingeworfen wurde. Es ist auch ein Säugling darunter.

Ein anderer Staatsanwalt, der sich ebenfalls mit NS-Verbrechen beschäftigt, sagt, dass ihm die Frage immer wieder gestellt werde, dass er sie sich selbst stellt, seitdem er mit der Arbeit begonnen hat: Was wollt ihr mit diesen alten Männern? Wozu dienen diese Prozesse gegen Menschen, die nicht mehr tun als sich auf den Tod vorzubereiten, die keine gesellschaftliche Relevanz mehr haben?

Mehrheit war für Verjährung

Die Antwort der Staatsanwälte ist eindeutig: Sie führen diese Prozesse, weil der Gesetzgeber sie dazu verpflichtet hat. Mord, zu dieser Entscheidung kam der Bundestag 1979, verjährt nicht. Es ist bemerkenswert, dass damals eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Verjährungsregel eintrat – damit wären die Verbrechen der NS-Zeit nicht mehr verfolgbar gewesen. Die Politik entschied anders und später ist dieser Moment als Sternstunde des Parlaments gefeiert worden.

Aber die Verfolgung der NS-Verbrechen war in der Praxis – und der politischen Begleitung – alles andere als umfassend. Die Verbrechen der Justiz selbst blieben weitestgehend ausgespart, kein Jurist hackte dem anderen ein Auge aus. Die Urteile gegen viele Täterinnen und Täter aus der Wehrmacht, den Vernichtungslagern und den Euthanasie-Tötungsanstalten fielen milde aus.

Wer überhaupt 
vor Gericht gestellt wurde, 
war oft dem Zufall überlassen

Häufig wurde nicht wegen Mordes, sondern wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Nach einer Novelle des Strafgesetzbuches von 1968 galt für solche Angeklagte, wenn nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie „niedrigen Motive“ der Haupttäter teilten, ein Strafrahmen von lediglich drei bis 15 Jahren.

Hinzu kam: wer überhaupt vor Gericht gestellt wurde, war oft dem Zufall überlassen. Der Ulmer Prozess wegen der Ermordung von 5.502 jüdischen Kindern, Frauen und Männern im litauisch-deutschen Grenzgebiet war einem Zufall zu verdanken: ein daran beteiligter SS-Mann hatte das Regierungspräsidium Nordwürttemberg auf Wiedereinstellung verklagt, nachdem er entlassen worden war, als aufflog, dass er bei seiner Einstellung falsche Daten angegeben hatte.

Als über den arbeitsrechtlichen Prozess in der Presse berichtet wurde, erkannte ein Zeitzeuge der Massaker den früheren SS-Mann. Die Urteile im dann folgenden Ulmer Prozess? Statt, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert wegen Mordes, wurden die Haupttäter wegen Beihilfe zum Mord verurteilt: zu Freiheitsstrafen zwischen drei und 15 Jahren.

Um die Zufälligkeit der Strafverfolgung wenn nicht zu beenden, so doch zu verringern, richtete man die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg ein. In den Anfangsjahren wurde sie geleitet von Erwin Schüle, der zurücktreten musste, als seine SA- und NSDAP-Mitgliedschaft bekannt wurde.

Kritische Stimmen sagen, dass mit Ludwigsburg eine Einrichtung geschaffen wurde, der die Politik durch die engen Kompetenzgrenzen nicht die Möglichkeit gab, ihre Aufgabe zu erfüllen: es ist eine reine Vorermittlungsstelle, die auf die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften angewiesen ist. Sie selbst darf keine Anklage erheben.

Das Jahr, in dem die Grundlage gelegt wurde für die späten NS-Prozesse, die jetzt geführt werden, ist 2011. Es ist das Jahr, in dem die Gerichte einen grundsätzlich anderen Maßstab an den notwendigen Tatnachweis etablierten. Mit John Demjanjuk wurde zum ersten Mal ein Angeklagter wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, ohne dass ihm eine konkrete Einzeltat nachgewiesen wurde.

Teil der Vernichtungsmaschinerie

Als Mitglied der SS-Hilfstruppen sei er Teil der Vernichtungsmaschinerie von Sobibor gewesen, so begründete sich die Anklage. 1969 wäre auf dieser Grundlage kein Urteil möglich gewesen. Damals musste das Gericht den Beschuldigten eine Einzeltat nachweisen. Was in der Praxis oft unmöglich war: zu ungenau waren die Erinnerungen vor allem der Opfer. Und von Täterseite war wenig Hilfe bei der Aufklärung zu erwarten.

Nun wird anders verfahren. Und eben das scheint mir der Kern der Irritation zu sein, die die Prozesse mit sich bringen. Es ist keine inhaltliche Irritation, etwa weil das Konzept der Zugehörigkeit zu einer Vernichtungsmaschinerie nicht überzeugte. Sondern eine grundsätzlichere, die einem zugestandenermaßen naiven Verständnis von Justiz geschuldet ist, nämlich dem, dass sie unwandelbar ist und unangefochten vom Zeitgeist.

Wie kann es sein, dass man innerhalb von zehn Jahren von der Auffassung, dass Mord verjährt, zur gegenteiligen Auffassung kommt? Wie kann es sein, dass der Einzeltatnachweis nicht mehr zwingend notwendig ist bei der Verurteilung von NS-Verbrechern – was einzelne Juristen mit Blick auf den Demjanjuk-Prozess noch für unmöglich gehalten hatten? Und dabei monierten, es gehe der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen nur um einen Achtungserfolg zum 50-jährigen Jubiläum.

Rechtsprechung gehört zum Zeitgeist

Recht ist wandelbar, und damit bekommt es den Ruch des Willkürlichen. Und diese Wandelbarkeit beschränkt sich nicht auf den fernen Saal, in dem die NS-Männer angeklagt werden. Recht bestimmt, wann Leben beginnt und wann es endet. Es bestimmt, was eine nicht strafbare Abtreibung und was strafbare Tötung ist, ob jemand lebendig oder tot ist. Rechtsprechung ist unentrinnbar Teil des Zeitgeistes, und dass kann je nach Sicht mutlos oder hoffnungsvoll machen.

Teil des Zeitgeistes war das Argument in der Verjährungsdebatte von 1965, demzufolge man wegen der vorzeitige Entlassung von NS-Tätern durch die Alliierten ohnehin schon mit Massenmördern lebe. Teil des Zeitgeistes ist heute die Auffassung, dass es von Bedeutung ist, den Opfern als Nebenklägern eine Stimme zu geben. Und daneben gibt es die blinden Flecken, die Ungereimtheiten, die man nicht erkennt, weil einem der Abstand dazu fehlt. Und solche, die man nicht benennt, weil einem der Mut fehlt, von der Mehrheitsmeinung abzuweichen.

Es ist kaum möglich, das Zusammenspiel von juristischer Praxis und Zeitgeist nachzuzeichnen. Fragt man Juristinnen und Juristen danach, so sagen sie gleichermaßen lapidar und schlüssig, dass in den Urteilsbegründungen nichts stehe, was über das Juristische hinausginge. Von daher ist also kein Aufschluss zu erwarten.

Und fragt man, wie es zum Urteil gegen John Demjanjuk kommen konnte, dann heißt es, dass das Interesse und die Hartnäckigkeit einzelner StaatsanwältInnen dafür gesorgt habe. Wie aber auch die Prozesse gegen die Zuträger der Anschläge von 9. 11., die den Blick für die Arbeitsteiligkeit beim Verüben großer Verbrechen geschärft hätten. Die Einflüsse mischen sich, individuelle, strukturelle und vermutlich steht man bei ihrer Betrachtung noch viel zu nah vor dem Bild, um etwas über seine Komposition sagen zu können.

Es spielt keine Rolle, 
wie viele Leute 
im Zuschauerraum sitzen

Die Medien haben groß über den Prozess gegen John Demjanjuk und fünf Jahre später über den gegen Oskar Gröning in Lüneburg berichtet. Vielleicht ist die Pressekarawane jetzt weitergezogen und die letzten Prozesse finden vor allem das Interesse einer kleinen Gruppe von Juristen – so empfinden es zumindest einige der Beteiligten. Die in ihrem Bekanntenkreis gelegentlich gefragt werden, ob hier nicht Energie und Steuergelder verschwendet würden. Aber, und das ist die Stelle, an der die Justiz in beruhigender Weise der Gesellschaft enthoben ist, es spielt eben keine Rolle, wer und wie viele Leute im Zuschauerraum sitzen.

Wer die Verfahren verfolgt, erhält eine Lehrstunde darin, das auszuhalten, was die Juristen „Keine Gleichheit im Unrecht“ nennen – nur weil A. der gerechten Strafe entging, hat das keine Bedeutung für B.s Strafe. Wie kann es sein, dass der Kommandant von Stutthof 1957 zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt und daraus nach drei Jahren entlassen wurde? Ungefähr das hat der nun angeklagte frühere Wachmann aus Stutthof einen Staatsanwalt gefragt. Wenn es nach mir ginge, wäre er für den Rest seines Lebens in Haft gewesen, antwortete der Staatsanwalt.

Diese Prozesse bieten einen Anlass, darüber nachzudenken, warum und dass es keiner Gesellschaft zu gelingen scheint, eine kollektive Schuld dann abzutragen, wenn es wirklich weh tut: unmittelbar danach, wenn die Angeklagten verhandlungsfähig sind und die Beweislage gut. Dann, wenn die Mitte der Gesellschaft die Folgen spürt, ganz hautnah, weil es die Mitte der Gesellschaft ist, gegen die verhandelt wird. Die 6.500 Wachleute von Auschwitz nach 1945 vor Gericht hätte etwas anderes bedeutet, als heute 30 zu belangen.

Wo bin ich Teil eines Systems, das Unrecht tut?

Kann man überhaupt Schlüsse ziehen aus den späten Prozessen für die Gegenwart? Muss man es? Prozesse als politische Bildungsarbeit sozusagen, die fragen lassen, wo stehe ich heute, wo bin ich Teil eines Systems, das Unrecht tut?

Die Juristen reagieren darauf sehr zurückhaltend. Wie immer man zur Not der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer stehe, sagt einer, es sei eine andere Dimension als die Vernichtung durch das NS-Regime. Man kann die Prozesse zum Anlass nehmen, zu fragen, wo man Ähnlichkeit mit den Angeklagten hat. Menschen, die, so sagt es einer der Staatsanwälte, in der Öffentlichkeit zunehmend wenig diabolisiert würden. Es sind nicht mehr die fernen Monster, deren Untiefen nichts mit den eigenen zu tun haben. Man kann den Erörterungen folgen, welche Angst berechtigt war, welcher Widerstand in einem Maß zu erwarten ist, dass man sich strafbar macht, wenn man passiv bleibt.

Die Gerichte entscheiden darüber und es ist keine Aufgabe, um die man sie beneiden würde. Sie tun ihre Arbeit in der Zeitverhaftetheit, in der wir alle leben. Wir können ihr kaum entkommen, aber wir sollten um sie wissen.

_________________________________

ich spüre dieses unbehagen der frau gräff, die diesen taz-artikel formuliert hat, auch in mir - obwohl oder weil ich mich ja fast die hälfte meines bisherigen lebens mit der aufarbeitung der ns-euthanasie-ermordung meiner tante erna kronshage beschäftigt habe.

und in diesem fall kann ich exemplarisch sehen, wie schwer es ist, "einzel"täter für eine solche tat zu ermitteln und anzuklagen.

natürlich - in den 50er/60er jahren wäre das besser gegangen als heutzutage.

aber es kommt mir auch so vor, als würde sich gleichzeitig die tätergeneration und all ihre nachkommen insgesamt mit diesen späten unpräzisen "alte-weiße-männer"-prozessen gegen einzelne - längst jenseits von gut & böse - entlasten und eben bis auf so ein paar vorzeige- und möchtegern-(mit!-)täter, die ja mit 90 - 100 jahren sooo viel älter wohl nicht mehr werden, als würden sie sich damit mit "frei"sprechen wollen.

diese junge clique von staatsanwälten, die da jetzt die allerletzten viel zu späten ns-verbrechen aburteilen will sind sehr verschämte feigenblatt-kulissen für eine ganze nation, die millionenfaches unrecht "mit"getan hat - und zur "mit"täterschaft verdonnert wurde - oder eben aus zeitgeist-überlegungen bereitwillig daran gern teilnahm.

ich kenne ja inzwischen die namen der ärzte, die meiner tante erna die tödliche aber wahrscheinlich vorschnelle diagnose "schizophrenie" stellten, ich kenne auch den namen der sekretärin des anstaltsdirektors, die wahrscheinlich seinerzeit die entscheidenden anträge tippen musste - und die die deportationen mit ihren bürotätigkeiten präzise flankierte.

ich weiß den namen des "gekrat"-mitarbeiters, der busse und den sonderzug für den punktgenauen deportationstransport organisierte und koordinierte - in kriegszeiten bei luftangriffen bestimmt keine leichte aufgabe ... wahrscheinlich erhielte man auch bei nachforschungen die namen der rigorosen begleitschwestern des deportationstransportes, die sich gegen den ja irgendwie sicherlich aufkommenden widerstand der deportierten durchsetzen mussten, weil die patienten ihr bevorstehendes ende ja förmlich erahnten.

und auch die namen der ärzte der industriell und arbeitsteilig organisierten tötungsmaschinerie sind bekannt - und die namen der vorgesetzten und helfer und helfershelfer usw.

und fast niemand davon wurde zu lebzeiten zur rechenschaft gezogen - bzw. war bei einer eventuellen anklageerhebung per gefälligkeitsattest verhandlungsunfähig geschrieben worden (eine krähe hackt der anderen...). 

an der ermordung meiner tante waren bestimmt insgesamt 60 - 80 personen unmittelbar beteiligt, von denen aber niemand als "einzel"-täter*in (man beachte das gender*sternchen: es gab nicht nur diese "alten männer" als täter ...) hätte zur anklage kommen können: erna kronshage ist vom damaligen zeit- und ungeist einer verirrten gesellschaft umgebracht - ermordet - worden ...

und diese aufarbeitung und diese anklage gegen die zig millionenfachen einzelverstrickungen der altvorderen in den familien steht immer noch aus - die nachträglichen "virtuell" vorgetragenen anklagen gegen die damaligen "mit"-schuldigen ..., weil sie vielleicht längst verstorben sind.

all diese millionenfachen einzelschicksale all der täter und all der opfer bilden diesen "vogelschiss", wie ja der afd-chef gauland dieses konglomerat bezeichnet hat: natürlich will er das vergessen machen und abtun, wie so viele aus unserem "volk der dichter & denker" mit der ethik des "christlich-(jüdischen) abendlandes" ...

aber - es bleibt noch viel zu tun in dieser hinsicht - und dieser "vogelschiss" ist längst noch nicht abgearbeitet und weggewischt oder vergraben ... = mindestens "bis ins 3. und 4. (generations-)glied" werden wir daran zu tun haben und uns abarbeiten müssen - wie die bibel das in ihrer weisen vorausschau so treffend sah ...

aber nicht etwa mit so ein paar nachzügler-prozessen gegen "alte weiße männer", damit all die anderen um so besser weiterschlafen und sich wieder umdehen können ... - aber vielleicht mit den worten des alt-bundespräsidenten roman herzog: "es muss ein ruck durch deutschland gehen": 

“Die Vergangenheit ist vorbei, und doch tragen wir im Jetzt unseres Seins vieles aus der Vergangenheit mit uns, doch nur soweit wir unerledigte Situationen haben. Was in der Vergangenheit geschah, wurde entweder assimiliert und zu einem Teil von uns, oder wir tragen es als unerledigte Situation, als unvollendete Gestalt mit uns herum” - formulierte der vater der gestalttherapie fritz perls 1969 ---

und william faulkner meinte schon 1951 - 6 jahre nach dem krieg: 
"Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen."

fotodokument der zeitgeschichte - eine zensur findet nicht statt ...


In aller Unschuld

Die „New York Times“ steht unter Druck, weil sie ein Foto veröffentlichte von den Opfern der jüngsten Terrorattacke in Nairobi. Der Vorwurf: Wären die Betroffenen Weiße, wäre das Foto nicht gezeigt worden

von Bettina Gaus - politische Korrespondentin der taz


Das Foto verstört. Leichen sind darauf zu sehen, zusammengesunken auf den Stühlen eines Cafés. Auf dem Tisch vor einem der Toten steht ein aufgeklappter Laptop. „Aus dem Leben gerissen“: Die abgedroschene Formulierung kommt mir plötzlich gar nicht mehr so abgedroschen vor.

Die Ermordeten sind Opfer der jüngsten Terrorattacke in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Bei dem Angriff der islamistischen Al-Shabaab-Miliz auf einen Hotel-und Bürokomplex starben bisherigen Angaben zufolge mindestens 26 Menschen, darunter 5 Terroristen.

Tragen Fotos der Toten, veröffentlicht von der New York Times, irgend etwas zum Erkenntnisgewinn bei? Viele Kenianerinnen und Kenianer finden: Nein. Über eine der angesehensten Tageszeitungen der Welt bricht Protest herein.

Respektlos gegenüber den Angehörigen sei die Veröffentlichung des Bildes. Wären die Opfer weiß gewesen, hätte es sich um Europäer oder US-Amerikaner gehandelt, dann wäre das Foto nicht erschienen. Inzwischen hat der kenianische Medienrat eine Entfernung des Bildes gefordert, außerdem eine Entschuldigung und mit einem Entzug der Akkreditierung für die Bürochefin der New York Times in Nairobi gedroht.

Als ich von den Protesten hörte, war ich begeistert. Endlich, endlich, endlich können sich Betroffene gegen doppelte Maßstäbe wehren, so mein erster Gedanke. Dem Internet sei Dank! Auch Afrikanerinnen und Afrikaner müssen nicht mehr hinnehmen, was und wie über sie berichtet wird.

Der Protest war nicht bestellt. Wenige Stunden nach den ersten Meldungen über den Angriff telefonierte ich mit einem engen Freund in Kenia. Er war nur tief traurig. Und sagte dann, fast sofort: „Die New York Times postet Fotos der Opfer. Hast du das gesehen?“ Seine Wut war spürbar.

Also war ich darauf vorbereitet, das Foto bestenfalls überflüssig, vielleicht sogar rassistisch zu finden. Meine spontane Sympathie galt denjenigen, die dagegen protestierten. Dann habe ich mir das Bild aus dem Netz herausgesucht. Und hatte ein Problem.

Ich fand und finde es nämlich gut. Hätte ich zu entscheiden gehabt – ich hätte es auch veröffentlicht. Die Gesichter der Toten sind darauf nicht zu sehen. Was hingegen zu sehen ist: arg-und wehrlose Menschen in einer friedlichen Umgebung, die Opfer wurden. Zufällig, ganz und gar zufällig.

Was können und sollen Fotos erreichen? Im Regelfall sprechen sie Gefühle an. Niemals sollen und können sie eine politische Analyse ersetzen. Das Foto der New York Times unterfüttert eine nüchterne Nachricht emotional.

Die Zeitung wurde erkennbar kalt erwischt von dem Shitstorm, der über sie hereinbrach. Sie hat nun ein Interview mit zwei Verantwortlichen veröffentlicht, das vor allem etwas deutlich macht: Hilflosigkeit. Einerseits haben alle alles richtig gemacht, andererseits soll ein Gremium gebildet werden, das dafür sorgt, dass künftig alles noch richtiger gemacht wird.

Hm. Es gibt ja gute Gründe dafür, dass „richtig“ nicht steigerbar ist. Richtiger geht nicht.

Die Foto-Diskussion nach dem jüngsten Anschlag in Nairobi zeigt zweierlei: Medien haben auch in den vermeintlich führenden Mächten dieser Welt nicht mehr die alleinige Deutungshoheit.

Toll. Das bedeutet aber andererseits auch, dass vormals Ohnmächtige, die plötzlich eine Stimme haben, sich an Kritik gewöhnen müssen. Und dass es möglich sein muss zu sagen: Auch Unterprivilegierte haben nicht immer recht.

Die Welle der Wut gegen die New York Times bedroht die Pressefreiheit.


aus: taz am wochenende, 19./20.01.2019 - S. 1
......................................................................................

ich bin bei google fündig geworden: dies ist das Foto, das diesen shitstorm gegenüber der new york times auslöste - foto von khalil senosi / associated press
zum original nyt-beitrag →click here

ich wollte mich nicht an irgendeiner form von sensationslüsterner leichenfledderei beteiligen, beim suchen nach diesem beanstandeten foto bei google, das ich schließlich dann auch aufgetan habe - das internet vergisst ja nichts ...

ich denke mir - wir schauen viel zu oft weg - oder gar nicht erst hin, wir spalten ab, verdrängen, verschweigen ... am leben teilnehmen und auch anteil nehmen heißt auch: nicht den blick abzuwenden sondern auch das elend zu fixieren und dagegen anzugehen - wir dürfen uns mit der hölle auf erden nicht abfinden und all dem gagaesken zeitgeist-gedölmer ...

es geht mir um die "moralische" bewertung dieses kontrovers beurteilten fotos - für mich ist es ein fotodokument der zeitgeschichte - und es geht mir um das, was mir beim anblick dazu durch den kopf geht ... 

afrikaner*innen sind ja wohl oft der meinung, dass die übrige welt ihre problematiken und ihren alltag gar nicht recht wahrnimmt, weil diese übrige welt eben in einer völlig diametralen ereignis-blase verhaftet ist, und die afrika dabei mit seinen lebensbedingungen einfach ausblendet: "was ich nicht weiß - macht mich nicht heiß" ... 

und man wirft dabei der nichtafrikanischen welt oft moralisch oder "innerpsychisch" vor, hier einfach zu verdrängrn und abzuspalten - dieses ausblenden geschehe aus altem scham, aus schlechtem gewissen gegenüber dem von weißen kolonialmächten ausgebeuteten kontinent und dessen nachfahren heutzutage - wo diese schwarzafrikanischen staaten doch längst die souveränität erhalten oder erkämpft haben ...

doch gerade in einer globalen wirtschaftswelt setzen sich die längst überwunden geglaubten abhängigkeiten zumindest ideell und gefühlt weiter durch: nichtafrikaner sind die globalplayer und bestimmen die weltwirtschaft und beuten weiterhin - aber subtiler - aus - und afrika darf bestenfalls beispielsweise den elektronik- und computerschrott der europäer entsorgen und ausschlachten auf der suche nach ein paar gramm receycelbarem edelmetallschrott etc., was unter großen gesundheitlichen gefährdungen und ohne die erforderlichen schutzmaßnahmen oft von kindern für ein paar cent bewerkstelligt wird. 

und hinzu kommen die clans und banden - oft als familienersatz - und manchmal korrupte herrscherhäuser, die in den afrikanischen staaten mit zum teil gefälschtem mehrheitswahlrecht das sagen haben und sich das sagen erkaufen ... - und als abklatsch der alten kolonialherren oftmals weiterhin ihr jeweiliges volk ausbeuten und knechten ... - hinzu kommen eben schwadronierende "glaubens"banden allerlei couleur, die marodierend und mordend durch das jeweilige land ziehen - und kindersoldaten heranziehen und etwas "geborgenheit" gewährleisten, wenn diese kinder dann lernen, rasch mitzumorden - oftmals ohne jeden sinn und verstand oder irgendeiner strategie - einfach so - fast aus so etwas wie langeweile ...

und das berührt mich an diesem foto - genau diese sinnlosigkeit - und diese tödliche ohnmacht der menschen dort, die auch mich betroffen macht in meiner ohnmacht - und dieses foto fordert mich auf zur anteilnahme und zieht mich da hinein: da rennen zuvor wahrscheinlich 2-3 bewaffnete männer direkt vor die veranda, auf der die gäste sitzen - und dann gibt es kurz und trocken ohne vorwarnung ein-zwei todbringende salven aus automatischen schnellfeuerwaffen - die waffen oftmals letztlich vielleicht sogar deutscher herkunft - über dunkle kanäle und schwarzmärkte und internationalen waffenschieberkolonnen ...

das alles lese ich aus diesem bild - dieses vor-sich-hin-dumpfen - und die perspektivlosigkeit ohne horizont: wobei es ja scheinbar einige sogar zum eigenen oder ausgeliehenen laptop und dessen handhabung gebracht haben - und vielleicht nach einer route fahnden, endlich außer landes zu kommen - in sicherere gefilde --- aber wo das internet auch nur zurückspiegelt, wie gefährlich der weg aus afrika nach europa geworden ist - und wieviel eine schlepperbande pro kopf verlangt, um den "passagier" dann mit einem abgetakelten morschen seeuntüchtigen schiffchen vielleicht überzusetzen nach malta oder italien oder spanien - oder ob es noch einigermaßen begehbare wege über israel gibt oder doch noch über libyen ...

und bei diesen planungen und tagträumen springen dann plötzlich bewaffnete freischärler auf den rasen direkt vor die sitz-veranda dieses was auf mich wie ein einfaches nairobi-"internet"-café wirkt - und es knallt und mündungsfeuer blitzen auf und schreie und blut - 

und dann hat es sich mit der zukunft und den plänen und den träumen ...

________________________
p.s.: und in deutschland schreibt die presse heute, dass friedrich merz nach kurzem ausflug in die cdu-parteipolitik jetzt doch wieder als top-lobbyist zum finanzdienstleister "blackrock" zurückkehrt - und harald schmidt gibt in seiner video-kolumne tipps, wie "geld bei ihnen in den speicher regnet" ... - und in china fällt der berühmte sack reis um ...

und mein obligatorisches "nix für ungut - chuat choan" lass ich lieber mal beim anblick dieses fotos weg ...



Takis Würgers „Stella“

Takis Würgers „Stella“

Ein Fall von literarischer Hochstapelei

von Carsten Otte | taz
Takis Würger erzählt in „Stella“ von einer Jüdin, die zu NS-Zeiten viele hundert Menschen verriet. So bestürzend die Geschichte, so hilflos das Buch.
Was für eine Geschichte! Die Jüdin Stella Goldschlag überlebte den Naziterror, indem sie andere Juden verriet. Erst ließ sie sich mit der Gestapo ein, weil sie versuchte, die Eltern vor der Deportation nach Auschwitz zu bewahren. Aber auch als sie später erfuhr, dass Mutter und Vater nicht mehr zu retten waren, kollaborierte sie mit dem SS-Hauptscharführer Walter Dobberke und spürte als sogenannte Greiferin viele hundert untergetauchte Juden auf. Zu ihrer perfiden Methode gehörte es, auf Beerdigungen aufzutauchen und Juden, die durch den Tod des „arischen Partners“ vogelfrei waren, den Mördern in Uniform auszuliefern.

Diese Geschichte wurde von Peter Weyden, einem ehemaligen Mitschüler Stellas, Anfang der 1990er Jahre in einem Sachbuch ausführlich dargestellt. Es gab eine mehrteilige Spiegel-Geschichte, die ebenfalls von Weyden stammte. Es wurden Dokumentarfilme und Spielfilme über Stella Goldschlag gedreht, auch eine Doku mit Spielszenen, sogar ein Musical mit dem Titel „Stella – Das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“. Zudem hat sich die Wissenschaft mit den jüdischen Kollaborateuren eingehend befasst. Nur einen Roman gab es bislang nicht.

Der Schriftsteller und Spiegel-Redakteur Takis Würger, so verrät es eine kleine, aber sehr aufschlussreiche Werbebroschüre, habe von der Geschichte zufällig gehört und sofort wissen wollen, ob die Geschichte schon, so nennt man das wohl, „literarisiert“ worden sei. „Ich habe es sofort nachgeschlagen. Am nächsten Tag habe ich die Arbeit am Roman begonnen.“ Reporter müssen schnell sein. Herausgekommen ist schließlich ein schmales Buch, das im Jahre 1942 spielt und formal betrachtet aus drei Textsorten besteht.

Geprügelt. Takis Würger. Foto: S. Döring/Hanser - taz


Neben historischen Ereignissen und Zitaten, die clever kompiliert sind und einen Überblick über die politischen Geschehnisse geben, aber auch so wichtige Informationen wie die Geburt Wolfgang Schäubles vermerken, tauchen in regelmäßigen Abständen kurze Auszüge aus Gerichtsakten auf, die von den Vergehen der Angeklagten Goldschlag berichten. Nach dem Krieg wurde sie nämlich von den Sowjets zu mehreren Jahren Lagerhaft, 1957 in Westberlin noch einmal zu zehn Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord und Freiheitsberaubung verurteilt. So weit, so journalistisch.

Unfreiwillig komisch

Um die Geschichte nun als emotionales Drama zu verwerten, erfindet Takis Würger einen 20-jährigen Schweizer namens Friedrich, aus dessen Perspektive der nicht gerade originelle Plot erzählt wird: Aufgewachsen in betuchten Verhältnissen, möchte der junge Mann, der nicht nur naiv, sondern leider auch farbenblind ist, ins nationalsozialistische Berlin zu reisen, um dort Zeichenunterricht zu nehmen und nebenbei herauszufinden, ob was dran sei an den schlimmen Gerüchten über die Nazis.

Der Vater, ein polyglotter Samthändler, hält nicht viel von den Plänen des Sohns. Die Mutter, eine daueralkoholisierte Nazisse, ist zumindest froh, dass der Spross in Deutschland weilt. Kaum in der Hauptstadt angekommen, freundet sich Friedrich mit dem blonden und etwas molligen Nacktmodell Kristin an, die er nicht nur beim Aktzeichnen bewundert, sondern auch in geheimen Musikkneipen, wenn sie dort auf der Bühne steht.

Er verliebt sich in die frivole Berlinerin, genießt bald auch die Freundschaft eines Deutschen, der zwar SS-Mann ist, sich aber für gutes Essen interessiert. Friedrich ist erst erschüttert, als herauskommt, dass die Angebetete nicht nur anders heißt, sondern grauenhafte Dinge tut, nämlich „Juden jagen“. Kristin ist eben jene Stella Goldschlag.

Takis Würger orientiert sich am biografischen Material, nimmt sich ein paar erzählerische Freiheiten und bleibt einem Erzählton verhaftet, der zwischen Reportage und einem etwas übersteuerten Sound changiert, der wohl zeigen soll, dass es sich um Literatur handelt. Dabei fallen nicht wenige Sätze auf, die unfreiwillig komisch sind, weil sie etwas zu pathetisch daherkommen, in einem ansonsten biederen Textumfeld geradezu herausstechen und weil sie auf seltsame Weise Symbolcharakter haben: „Jemand musste die Gerüchte von der Wirklichkeit trennen.“

Semifiktionale Collage

Man muss nicht besonders pingelig sein, um die Frage zu stellen, ob Gerüchte nicht eben auch eine „Wirklichkeit“ besitzen, aber auf sprachliche Genauigkeit kommt es in „Stella“ ohnehin nicht an, und so spielt es vielleicht auch nur eine marginale Rolle, ob nun doch die „Wahrheit“ und nicht die „Wirklichkeit“ gemeint ist. Die Wirkmacht der Lüge wiederum war und ist seit Wochen ein großes Thema nicht nur im Feuilleton, sondern in einer breiteren Öffentlichkeit, die zunehmend gereizt reagiert, wenn wieder ein neuer publizistischer Fake bekannt wird.
DAS BUCH
Takis Würger: „Stella“. Hanser, München 2019, 224 Seiten, 22 Euro.
Auch bei „Stella“ handelt es sich um eine Art Täuschung, nämlich um eine literarische Hochstapelei. Das Buch wird als „Roman“ verkauft, es ist jedoch schwierig zu bestimmen, worum es sich wirklich handelt, um eine semifiktionale Collage vielleicht, ein schlampig gemachtes Stück Histotainment gewiss. Der Text liest sich wie ein ausführliches Treatment für ein Filmdrehbuch. Es ist ein Funktionstext in einer Funktionssprache, mit emotionalen Ausrufezeichen, die vielleicht nötig sind für eine verdichtete Version auf der Leinwand. Was bei einem solchen Arbeitspapier nur eine untergeordnete Rolle spielt, nämlich der Stil der Prosa, sollte allerdings die einzige Maßgabe für einen Roman sein. Würger aber scheitert auf allen ästhetischen und auch ethischen Ebenen.

So ungebrochen naiv die Erzählerperspektive, so simpel gestrickt und klischiert die Figuren in ihrer ausgestellten Doppelbödigkeit, so hölzern und mit einfachsten Mitteln wie Dialektwürze und Derbheit versetzt die banalen Dialoge. Immer wieder stolpert man über Formulierungen im nicht andeutungsweise ironisierten Kitschmodus.

Der Ich-Erzähler, der Schlimmes über seine Kindheit zu berichten weiß, räsoniert mit einer gerade noch unterdrückten Träne: „Schweigen wurde meine Art zu weinen.“ Der Berliner SS-Mann Tristan von Appen darf, kaum hat er Friedrich kennengelernt, über das vom Schweizer Ehrenmann angehimmelte Weibsbild mal so richtig vom Leder ziehen: „Die hat Titten, da kannst du Mäuse drauf kacken.“ Und Stella, ganz Berlinerin, sagt auch nicht gerade selten: „Mein lieber Scholli.“

Erschütternd unterkomplex

Damit auch wirklich alle begreifen, worum es in dem Buch geht, muss der etwas einfältige und immer treuherzige Friedrich wirklich alles aussprechen, was gerade verhandelt wird, sodass selbst der nicht wirklich verborgene Glutkern der Geschichte zur Phrase verkommt: „Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten.“ Ach wirklich?

Man könnte eine lange Liste der überflüssigsten Dialogfragen anfertigen: „Warum tun wir, was wir tun, meine Liebe?“, heißt es an natürlich entscheidender Stelle. In „Stella“ bleibt vom Wahrheitsanspruch schließlich nur eine entmoralisierter und sinnentleerter Klippschuldefätismus: „Das Leben formt uns zu Lügnern“, lautet Friedrichs dürftiges Resümee. Was auch immer er mit dem „Leben“ meint, was auch immer das Verb „formen“ hier ausdrücken soll, aber wenn sich in diesem Satz eine Lüge offenbart, steckt sie im gewissenlosen Geraune des Autors.

In solchen Sentenzen, die ganz nebenbei die Frage nach Schuld und Verantwortung in einem Kalenderspruch auflöst, zeigt sich nämlich die moralisierende Amoralität des Textes, der sich nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich völlig unreflektiert und erschütternd unterkomplex einem äußerst komplexen Thema nähert.

Der Hanser-Verlag sollte sich zumindest die Frage gefallen lassen, ob es sinnvoll ist, für diesen Roman ausgerechnet mit einem Satz von Daniel Kehlmann zu werben, der die Latte nicht nur hoch hängt, sondern literaturhistorischen Unsinn verbreitet: „Takis Würger hat sich etwas Aberwitziges vorgenommen: das Unerzählbare zu erzählen.“

Es handelt sich keineswegs um etwas „Unerzählbares“

„Stella“ erzählt garantiert nicht das „Unerzählbare“, also die Massenvernichtung der Juden. Es geht Takis Würger eher um die Blindheit der Liebe (oder so ähnlich) und den Willen zum Überleben auch auf Kosten der anderen – die Bedingungen und Gründe für den Genozid sind nicht Thema des Buchs.

Die Formulierung ist ohnehin Quatsch, weil es zahlreiche Romane, Sachbücher, Gedichte und auch filmische Dokumentationen über die Schoah gibt, die genau das ausführen, was Takis Würger nur am Rande streift.

Insofern handelt es sich keineswegs um etwas „Unerzählbares“. Vielleicht sollten sich Würger und Kehlmann noch mal den „Roman eines Schicksallosen“ von Nobelpreisträger Imre Kertész anschauen. Oder die Arbeiten von Claude Lanzmann. Eine verkaufsfördernde Debatte sollte es um „Stella“ nicht geben. Dafür bietet dieses in so vielerlei Hinsicht schwache Buch keine angemessene Grundlage.

taz - Dienstag, 15.01.2019, S17 - kultur


______________________________________________________


Furor, Fakten, Fiktion

Takis Würgers Roman „Stella“ und die Kritik

Seit einiger Zeit wird den deutschen Feuilletons gerne nachgesagt, sie seien handzahm geworden. Bücher, Filme, Premieren allerorten - und keine Verrisse mehr. Es wird nur noch gekrittelt, nicht mehr kritisiert, so der Vorwurf. Jetzt dürften diese Stimmen verstummen, denn die Rezensionen zu dem bei Hanser erschienenen Roman „Stella“ von Takis Würger über die jüdische Gestapo-Agentin und Verräterin Stella Goldschlag fallen nicht nur kontrovers aus (positiv: „Welt“, „Tagesspiegel“, negativ: „Süddeutsche“, „FAZ“,  „Zeit“-online), sondern auch derart harsch, dass man sich an den Furor eines Marcel Reich-Ranicki erinnert fühlt.

Von „Schund, der noch nicht mal als Parodie durchgeht“ ist die Rede, von „Ärgernis, Beleidigung, oder einem richtigen Vergehen“, von „Gräueln im Kinderbuchstil“ und „Nazischnurre mit Fertigfiguren“. Das ist heftig, wütend, wüst.

Es geht im Wesentlichen um die Frage, ob ein Roman über den Holocaust mit einer authentischen Figur als Titelheldin auch unterhaltsam sein darf, flott, leicht konsumierbar, etwas zum Verschlingen. Es geht um Moral und Wahrhaftigkeit, um Realität, Fantasie und Ausbeutung der Wirklichkeit, um die Freiheit der Literatur und die Grenzen dieser Freiheit.

"Mein lieber Scholli." Stella Goldschlag im Gerichtssaal 1957, Ullstein-Foto | taz



Vor zwei Jahren reüssierte der Stoff als Musical an der Neuköllner Oper und stieß auf positive Resonanz - als wahrlich leichte Muse. Und der Holocaust ist längst Vor- und Grundlage für alle möglichen Sorten von Bestseller-Literatur und Kinomelodramen, von der gerade wieder aufgeführten TV-Serie „Holocaust“ über den „Jungen im gestreiften Pyjama“ bis zu Bernhard Schlinks mit Kate Winslet verfilmtem Roman „Der Vorleser“.

Es ist klar, dass sich die Aufregung vor allem aus den jüngsten Auseinandersetzungen um den „Spiegel“-Reporter und Ex-Kollegen von Takis Würger, Claas Relotius, speist, der Reportagen erfunden hat. Und aus dem Streit um den österreichischen Schriftsteller Robert Menasse, der dem Europapolitiker Walter Hallstein Zitate in den Mund gelegt hat, nicht nur in seinem Brüssel-Roman „Die Hauptstadt“, sondern auch in Reden und Essays. Seit der Causa Relotius ist die Medienöffentlichkeit in Sachen Fakt und Fiktion sensibilisiert. Und auch hysterisiert.

Die „FAZ“ stellt in ihrer „Stella“-Rezension jedenfalls einen direkten Zusammenhang her. „Relotius reloaded: Hanser blamiert sich mit einem kitschigen Roman“, heißt es da. Die „Süddeutsche“ nennt den Roman das „Symbol einer Branche, die jeden ethischen und ästhetischen Maßstab verloren zu haben scheint“. Interessant wäre die Frage, ob die grundverschiedenen Genres von Belletristik und literarischer Reportage auch einer jeweils eigenen oder doch ähnlichen Moral gehorchen. Dass bei Journalismus und Literatur andere Regeln gelten, ist eine Binsenweisheit. Wird sie nun obsolet?

Die besonders reißerischen Berichte über den Fall „Stella“ weisen neben der Tatsache, dass Würger einen - nicht näher bezifferten - hohen Vorschuss erhalten habe, auch darauf hin, dass Hanser-Verleger Jo Lendle persönlich das Buch lektoriert habe. Nun versteht es sich bei Spitzen-Titeln eines Verlags von selbst, dass der Chef persönlich beteiligt ist, alles andere wäre verantwortungslos.

Lektor Florian Kessler, der ebenfalls an dem Buch mitgearbeitet hat, reagierte detailliert auf die Vorwürfe der ersten Kritiker - auch ein eher ungewöhnlicher Vorgang. „Au Backe“: Er plädiert gegen einen Bannfluch. Letzten Sommer habe ihm ein Literaturredakteur vor jeglicher Lektüre von „Stella“ gesagt, dass er das Buch verreißen werde. Kessler wirbt für eine offene Diskussion über Bücher, die versuchen, in „moralische Komplexionen“ hineinzuführen, über die Vielfalt von Erzählweisen.

Der Streit um die Wahrheit von Geschriebenem in Zeiten einer sich immer schneller drehenden Medienwelt muss unbedingt weiter geführt werden. Nur Hysterie ist nicht hilfreich. Christiane Peitz

TAGESSPIEGEL, 15.01.2019, S. 23 - Kultur

____________________________________

gleich vorweggeschickt: ich habe weder das buch gelesen noch vorher jemals von stella goldschlag gehört. wahrscheinlich ist das eine nie wiedergutzumachende lücke in meiner allgemeinbildung - aber deshalb wusste ich bis dato auch nicht, dass es auch jüdische kollaborateurinnen gab, sogenannte "greiferinnen" (hab ich erst jetzt in diesem zusammenhang als bezeichnung dafür wahrgenommen), die gemeinsame sache mit den nazis machten.

aber vielleicht hatten sie ja einen - heutzutage würde man sagen - "deal", der ihr das überleben zusicherte bei denunziation - und dann bewegt sich ja der kern der geschichte um stella goldschlag (unbedingt dazu den "neutralen" wiki-eintrag lesen ...) auf einem recht zweischneidigen schwert (= so etwas wie "verrat aus notwehr") ...

und wenn eine solche zweischneidige angelegenheit dann einem "roman" unterlegt ist, setzt sich diese ambivalenz dann höchstwahrscheinlich auch fort - und kommt auch bei den rezensenten - je nach gusto - ebenso zweischneidig an - wie oben beschrieben: die einen schreiben so ("welt" und "tagesspiegel" usw.) - die anderen so („süddeutsche“, „faz“, "taz", „zeit“-online usw.) ... 

und mein böser verdacht flammt dann auf: die einen schreiben als pr-kampagne gegen knete vom hanser-verlag - die anderen hatten nur ein beleg-exemplar zur rezension ohne weitere pr-absprachen oder konto-überweisungen im hintergrund ...

und: der autor takis würger arbeitet ja als redakteur beim "spiegel" - ausgerechnet in der seit dem "relotius-skandal" stark umwölkten "gesellschafts"-redaktion - - und das vorgelegte buch hat ja deshalb schon ein gewisses "gschmäckle".

und da wird dann auch noch einmal zwischen "kollegen" und "konkurrenten" jeweils um auflagenhöhe und clicks ganz besonders ausgewertet und "verrissen" oder "goutiert", auch je nachdem auf welcher journalisten-kaderschmiede man seine schreibe "erlernt" hat, und wer neben wem am tisch der ausbildungsstätte gesessen hat ... - 

dann die knallharte konkurrenz unter den buchverlagen um auflagenhöhe, preise, zeitgeist, politische ausrichtung, film- und übersetzungsrechte usw. usf.

und weiterhin: ist es ein rezensent oder eine rezensentin? - wo ja die protagonistin eine schillernde weibliche persönlichkeit war - und dann noch jüdin - und dann auch noch nach der jeweiligen heirat mit insgesamt 5 männern letztlich 1994 im suizid mit einem sprung aus dem fenster endete ... - verzwickter kann also der wust an interessenlagen in abscheu und sympathie zu diesem werk gar nicht sein - und insgesamt auch schon wieder der stoff eines plots für eine neue durchaus beschreibbare und verfilmbare geschichte ...

wahrscheinlich muss ich das buch erst tatsächlich selbst lesen - und lass es auf mich wirken - und bewerte erst danach - ich muss es ja nicht gleich kaufen: in meiner ausleih-bibliothek gibt es die neuerscheinungen jeweils gegen eine gebühr von 2,00 uro - und bei bedarf - wenn es denn über gebühr in mir nachwirkt - kann ich es immer noch kaufen ... - und - nix für ungut - chuat choan