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Auktion: Biblia latina

Bibel aus Gutenbergs Zeiten wird versteigert

Der Schätzpreis für das das sehr seltene zweibändige Exemplar liegt bei einer Million.

Hamburg (KNA). Eine wertvolle Bibel aus der Druckpresse Johannes Gutenbergs (um 1400–1468) kommt am Montag in Hamburg unter den Hammer. Der Schätzpreis liegt bei einer Million Euro, wie das Auktionshaus Ketterer Kunst mitteilte. Experten rechnen mit einem deutlich höheren Erlös.

Die zweibändige „Biblia latina“ wurde den Angaben nach 1462, also noch zu Lebzeiten Gutenbergs, von dessen Nachfolgern Johannes Fust und Peter Schöffer hergestellt. Von einst über 200 solcher Fust-Schöffer-Bibeln seien heute noch gut 20 vollständig erhalten.

Das äußerst seltene, vollständige, ganz auf Pergament gedruckte und wunderschön illuminierte Exemplar sei in seiner Kunstfertigkeit auf direkter Augenhöhe mit der Gutenbergbibel zu sehen und werde sicherlich vor allem in Sammlerkreisen sehr gefragt sein, so das Auktionshaus. Es befinde sich in Privatbesitz. Johannes Gutenberg gilt als Erfinder des Buchdrucks. Er revolutionierte die Methode der Buchproduktion mit beweglichen Metalllettern.

Text aus: NEUE WESTFÄLISCHE, 22. November 2019, Kultur/Medien, S.20

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es ist auf der nw-kulturseite nur eine etwas unscheinbare randnotiz - aber als gelernter schriftsetzer, noch so richtig mit den ollen bleilettern, weckte diese nachricht meine spontane aufmerksamkeit - und ich ergoogelte mir das genannte kunsthaus und fand dann ein schönes pdf-exposé vor zu dieser auktion am montag, das ich dir hier zur alltags-prophylaxe weitergeben möchte - du musst nur oben auf den streifen klicken - und dann blättern und scrollen.

diese schönheit auf pergament, gesetzt aus eigens auf spaltenbreite zurechtgezirkelten bleilettern, die z.t. als einzel-buchstaben aus einer bleilegierung gegossen werden mussten, verbindet eine einzigartige diffizile und gleichzeitig "grobe" holzschnittartige technik, wo handwerk und werkstoffwissen und grafik und ein umfassender kreativitätsprozess als einzigartiges unterschiedliches zutatenkonglomerat in das licht des zweiten jahrtausends traten - und das alltagsleben geradezu revolutionierten und "volkstümlich" machten (lesen für jedermann, bibeln, flugblätter, zeitungen, medien, werbung).

der olle gutenberg

gutenberg erfand den buchdruck durch verbesserung und entwicklung der damals bereits bekannten reproduktions- und druckverfahren (das arbeiten mit holzblöcken, modeln und druckplatten oder stempeln) zu einem gesamtsystem. der kern der entwicklungen gutenbergs waren das handgießinstrument, mit dessen hilfe eben diese nun irgendwie vernormten drucklettern einzeln, schneller und feiner gegossen werden konnten, die erfindung der druckerpresse und eine verbesserte druckfarbe.

nur über diese zwischenschritte der entwicklung konnte sich in unserer zeit dann aus der analogen technik und "logik" die digitale fertigungskultur entwickeln, in der viele logikprozesse des ollen gutenberg immer noch mit eingeschmolzen ruhen. 

ohne ihn eben auch kein pc und keine ki - will ich mal behaupten. und den zeitgenossen von gutenberg, fust und schöffer müsste die heutige digitale "on-demand"-buchfertigung wie magie und zauberei vorkommen.

zurück zur auktion der zweibändigen fust/schöffer-bibel: wenn man viele millionen ausgibt für "vorübergehende" top-sportler, die vielleicht 10 jahre topleistungen bringen und beim fußball z.b. nur im verbund mit anderen ("die mannschaft"), ist eine schätzsumme von einer million für diese bibel durchaus angemessen und eher bewusst zu niedrig angesetzt, um die gebote in die höhe zu treiben.

es ist ein echtes äußerst fein ziseliertes kunstwerk von ewig bleibendem wert. schade nur, dass ich nicht im entfernsten mit solchen summen mithalten könnte - und so ein betrachtenswertes kulturelles allgemeingut der menschheit nun vielleicht in einem banksafe zur aufbewahrung kommt - als anlageobjekt bis zur nächsten gelddruck-auktion in ein paar jahren.


geschichtsdesign, -performance und -choreografie

der "spiegel" schreibt in einem artikel über alexander von humboldt: "Der gute Deutsche - wirklich?":
"Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und ihr Kollege David Blankenstein bereiten für das Deutsche Historische Museum – schräg gegenüber der Schlossbaustelle – eine Ausstellung über die Brüder Humboldt vor, im November soll sie eröffnet werden, und sie wird Diskussionsstoff bieten. 
Savoy war 2017 aus dem Beirat des Humboldt Forums ausgetreten, weil sie den Eindruck hatte, im künftigen Schloss solle mit der unkritischen Präsentation ethnologischer Objekte deutsche Kolonialgeschichte beschönigt werden. Sie löste mit ihren Einwänden eine internationale und in Berlin noch nicht verwundene Debatte aus.
Vielen gilt sie seither als Rebellin, vor allem ist die gebürtige Französin aber eine viel beschäftigte Professorin, sie lehrt in Paris und Berlin. Die Einladung des Deutschen Historischen Museums, mit Blankenstein diese Ausstellung zu gestalten, nahm sie dennoch an. Zu verlockend erschien beiden Experten die Möglichkeit, "historische Zusammenhänge, Tatsachen zu repräsentieren und nicht das, was daraus gemacht wurde".
Denn jede Epoche stülpte ihre eigenen Deutungen und Umdeutungen über die Humboldts – die beiden Kunsthistoriker nennen das "Geschichtsdesign". Und sie möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, wie es gelingen könnte, sich von diesen Interpretationen zu emanzipieren." ...

"geschichtsdesign", das ist für mich das stichwort. ich meine das gar nicht despektierlich. und man könnte wohl auch das ganze dem menschen anheimfallende zeitgeschehen, in das er hineingeboren wird, und was ihm seine eltern  und ahnen transgenerational und vielleicht sogar spiegelneuronisch mitgeben und seine jeweilige anpassungen darauf, sein zurechtlegen eines individuellen "normativen lebens", auch als "geschichts-performance" bezeichnen, zu deren gelebter alltäglicher "choreografie-anforderung" er ja eine antwort finden muss - und oft eben ein mit-gehen und abwägen.


lebenslinie - sinedi.@rt


hier im blog habe ich in einem anderen zusammenhang schon einmal definiert: gerade "wir deutschen" - aber auch sicherlich all die "aus"-länder, die in den schrecken der kriege miteinbezogen wurden - haben sich wahrscheinlich alle mehr oder weniger in ihren beteiligten familiengeschichten auch mit "dunklen aspekten", mit schattenseiten, bewusst oder unbewusst auseinanderzusetzen. das problem ist, dass durch verschweigen, durch scham - und schlicht aus unwissenheit und unsensibilität - es oft zu einer vernünftigen aufarbeitung der eigenen herkunfts-familiengeschichte durch schonungslose recherche erst gar nicht kommt.


geschichte-tes - sinedi.@rt
von einem gestalttherapeuten erfuhr ich vor jahren bereits seine definition des wortes: "ge-schichte" gehört: 

  • ge-schichte ist das - wie das wort schon andeutet - in uns aufgetürmte, ge-schicht-ete selbst erfahrene und überkommene, vererbte, weitergegebene, erspürte erleben in uns, das sich als ureigene "erfahrung" wie jahresringe über- und durcheinander "schichtet", verstrickt und verkettet und uns individuell prägt und unser verhalten bestimmt - "bis ins 3. und 4. (generations)glied" - wie die bibel in "exodus 20" feststellt - eine zeitspanne, die in psychologischen studien zur "trans-generationalen übertragung" in den heutigen zeiten voll bestätigt wird (click = bundestags-drucksache der 'wissenschaftlichen dienste' zu diesem thema).


und auch nach dem grimm'schen wörterbuch gibt es noch im mittelhochdeutschen eine heute verloren gegangene bedeutung von "schicht" als synonym für "ge-schichte":
schicht, ableitung von ahd. scehan: sich schicken, fügen, ereignen, das ebenfalls einfach nicht vorhanden, aber in geschehen erhalten ist. In der bedeutung ist "schicht" synonym mit "geschichte" [...].
geschichte durchläuft also "phasen" des geschehens, die der mensch sich in seinem leben zu eigen machen muss - zumindest muss er sich aktiv damit auseinandersetzen - und sie "lagern sich ab" in seinem inneren erfahrungsschatz - und üben durch ihn ihre choreografie in und an ihm aus, als "designs" und "performances".


entscheidung treffen - sinedi.@rt
ich bin jetzt fast 73 jahre alt - und bin ja auch als "linksgrünversiffter" 68-er und als sohn eines diakons und einer haushaltsgehilfin, aber gleichzeitig väterlicherseits auch eines "wehrmachts"soldaten, aber auch als neffe eines mordopfers der ns-euthanasie (vor meiner zeit) - aber dann "bewusst" als zeitzeuge des kennedy-mordes, des vietnam-krieges, des berliner mauerbaus und des falls der gleichen mauer nach 28 jahren und allen fantastischen und unerhörten begleiterscheinungen dazu, und dem flüchtlingsdrama und der wahl von trump zum amerikanischen präsidenten - und der persönlichen ausübung in 7 (sieben) verschiedenen abgeschlossenen berufstätigkeiten in insgesamt fast 50 berufsjahren - (jeweils von der pieke auf) -  und und und... - schon oftmals sicherlich zu "pirouetten" und "purzelbäumen" und zur "schraube rückwärts" in meinem relativ überschaubaren "geschichtsdesign" gebracht worden. -

aber für jede verhaltens-entscheidung gibt es eben tausend andere möglichkeiten - die hat uns unsere uns eingeborene und mitgegebene "freiheit" eingeräumt - und da ist mein eingebautes und mir überkommenes "navi" für "moral" und "gut" und "schlecht" ein guter wegweiser - wenn wir seine inneren signale überhaupt wahrnehmen können - evtl auch als ad-hoc-"bauchentscheidung", wo ja das [!] "ge-schichte-te" eingelagert erscheint.

und da kommt dann unsere jeweilige "antwort" auf die geschehnisse in und um uns herum ins spiel - unsere "ver-antwort-ung" - ja, für mich auch "vor und mit gott"... - also quasi unsere gewählten bewegungsablauf- und entscheidungsantworten auf die jeweiligen situationen im äußeren und inneren uns prägenden hier und jetzt: ecce homo - siehe: ein mensch...

und ob die "zuschauer" im saal nun mehrheitlich nach jeder sequenz dazu beifall klatschen oder doch trampeln und pfeifen oder sich gar zum "standing ovation" aus ihren sesseln erheben für das jeweilig irgendwie aufgestülpte oder gewählte oder verantwortete "design" - und für die performance und die choreografie-"antwort" dazu - das sei mal dahingestellt.

aber wenn wir jetzt beim tödlichen attentat auf fritz von weizsäcker auch über die hintergründe der weizsäcker-familiengenerationen und ihren verstrickungen und lebens"lösungen" und -losungen in den jeweiligen epochen lesen - oder über die anbiederungen an die nationalsozialisten von emil nolde, auch um seiner verkaufsstrategien willen - den weg von herbert ernst karl frahm hin zu willy brandt - oder die balkan-verirrungen eines peter handke - den lebensweg von leonard cohen - und viele andere mehr - so sind das unter vielen anderen "aufführungen" und "darbietungen" unter den jeweiligen zeitlichen und überkommenen umständen eben "perfomances" im blickpunkt, im grellen licht des spots, eines öffenlichen interesses an einer gewissen allgemeinen "prominenz" - einer "elite", die genau beobachtet und bewertet wird und über sie berichtet wird.

und nicht umsonst spricht man ja bei unternehmen und behörden oft "körper-schaften", weil sie eben im großen und ganzen ebenso funktionieren und ticken wie einzelwesen - und sich, um zu überleben, auch kollektiv anpassen müssen an den jeweiligen zeitgeist (wir haben das gehört von bahlsen, krupp, benteler und anderen mehr - aber auch bethel sowie anderen "heilanstalten" von früher: denn "zeit = geld" - und ist der ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert...

aber wie der einzelmensch sollte auch die "körper-schaft" sich ihrer jeweiligen vergangenheit und verantwortung bewusst werden und schonungslos aufdecken und als feste "lebenserfahrung" integrieren in den heutigen werksalltag - die obligatorische gedenktafel - und dann den abspaltungs-haken dahinter - das ist da zu dürftig.

macht et jut - un nix für ungut - chuat choan...


hier geht's lang - sinedi.@rt




performancekunst . marina abramovic . die putzfrau

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kunst hat heutzutage nicht unbedingt mit ölfarbe, pinsel, spachtel, stift, widdelquast, leinwand oder papier und museum und auktion und agenten zu tun - inzwischen verwendet dazu die performance-künstlerin ausschließlich den eigenen körper mit allen sinnen aus dem innern und im außen als ausdrucks- und darstellungsmittel: da schießen dann ballettsequenzen ein oder meditation und innere bilder oder sprachloses reden mit und ohne pantomime-unterstreichung: mit den augen sprechen - aber da ist nicht nur eine friedvolle meditation, sondern da brüllt und schreit man auch und rennt sich brutal über den haufen - und ritzt die haut und kennt keinerlei tabus - weder oben noch unten.


ich habe früher mit dieser "selbstdarstellerischen" kunst immer meine probleme gehabt - und mich damals gefragt: was soll das??? - und habe das auf eine linie mit joseph beuys' "fettecke" gesetzt: nach mehreren jahren selbsterfahrungsübungen zumeist im bereich der kreativen gestaltarbeit- und gestaltberaterausbildung schaue ich mir das mit ganz anderen "augen" und allen weiteren sinnen an: und jedesmal kommt mir da als quintessenz dieser ausspruch von pontius pilatus in der verhandlung über jesu tod in den sinn: "ecce homo" - "siehe - ein mensch"...



marina abramovic - videostill-bearbeitung: sinedi


ja - denn mehr bedarf es nicht: keine tricks - keine täuschungen, kein "goldener schnitt" - nur einfach ein mensch mit allen sinnen und mit seinem bauchhirn und dem mikrobiom als helfershelfer und blut und exkrementen - und ansonsten heißt es in der "performance": sich profilieren, profil gewinnen, erfahren und erspüren und wahrnehmen - und das mit allen sinnen wahrgenommene in die eigene spontane körperinterpretation, in den eigenen "blues" konfigurieren - und in sich und in den anderen hineinkriechen - um sich gleich wieder zu öffnen - bis an die eigene schmerzgrenze gehen, ebenso wie ungezogenes brüllen, um dann wieder zu flüstern und lachen und wälzen und knutschen und streicheln, und ohren zu und augen auf und umgekehrt und tränen und glucksen und schluchzen - und spüren: wir alle sind aus dem gleichen sternenstaub gemacht - sind kleine "erdtrabanten" - und teil dieses alls mit allen seinen milliarden umlaufbahnen - 

danke - dass marina abramovic trotz allem teuren hype um ihr werk uns diese eigentlich banale wirklichkeit und natur wieder näherbringt - ganz auf uns selbst "zurückgeworfen"...



Ich lebe mein Leben und du lebst dein Leben.
Ich bin nicht auf dieser Welt, um deinen Erwartungen zu entsprechen –
und du bist nicht auf dieser Welt, um meinen Erwartungen zu entsprechen.
ICH BIN ich und DU BIST du –
und wenn wir uns zufällig treffen und finden, dann ist das schön,
wenn nicht, dann ist auch das gut so.

Fritz Perls


ich - du - er - sie - es - wir - ihr - sie - sinedi.art


der kunstmarkt - das bist du & ich...

Kunstmarkt

Schluss mit dem Kult der Exklusivität!

Die Kunstwelt muss endlich demokratisch werden. Ein Aufruf zum Neuanfang – für Künstler und Betrachter

Ein Gastbeitrag von Stefan Heidenreich und Magnus Resch

DIE AUTOREN
  • Stefan Heidenreich unterrichtet Medientheorie an der Universität Basel und lebt in Berlin.
  • Magnus Resch ist Gründer der Magnus-App, Professor für Kulturmanagement und lebt in New York .

Die Kunst ist in einer Sackgasse. Seit Jahren wächst die Abhängigkeit vom Markt und von den großen Sammlern. Und so bleiben im Grunde nur zwei Alternativen: Entweder die Kunst verliert sich in einem Kult leerer Exklusivität – oder aber sie wendet sich dem Publikum zu.



Damien Hirsts berühmter Diamantenschädel mit dem Titel "For the Love of God" © Reuters - ZEIT


Die Stimme der Betrachter ist in den letzten Jahrzehnten überall stärker geworden. Mittlerweile sind es alle gewohnt, sich den eigenen Kulturgebrauch jederzeit nach eigenen Vorlieben zusammenzustellen. Dass die vielen Stimmen sich äußern und wahrgenommen werden, hat viel mit sozialen Medien und Online-Plattformen zu tun. Wie nie zuvor wird kommentiert, bebildert, gelikt und geteilt.

Nur in der Kunst ist die neue Souveränität der Betrachter noch nicht angekommen. Sie lebt weiter in ihrer alten Welt, nach wie vor entscheiden allein Kuratoren, was in den Ausstellungen gezeigt wird. Wenn es hoch kommt, zählt man die Besucher. Ihre Ansichten interessieren nicht.

Hinzu kommt, dass die meisten Ausstellungen heute auf die Unterstützung von Galerien und von Sammlern angewiesen sind, sodass öffentliche Institutionen und Großevents wie Biennalen vieles von dem zeigen, was der Geldelite gefällt und von dieser gekauft wird. Manchmal kann es einem vorkommen, als seien die Museen zu einer Dauerwerbesendung für den Kult der großen Preise verkommen.

Dabei wäre es nicht schwierig, dem Publikum mehr Mitsprache einzuräumen. Sobald die Betrachter erst merken, dass sie nicht nur die Vermögenswerte anderer bestaunen sollen, sondern mit ihrer Stimme entscheiden können, was sie für sehenswert halten und was gezeigt werden soll, werden sie die Kunst wieder als ihr eigenes Anliegen wahrnehmen. Als eine Kulturform, an der sie selbst beteiligt sind, für die sie sprechen können, die auf ihre Stimme hört und die umgekehrt auch für sie spricht.

Unternehmen wir also den Versuch, die öffentlichen Institutionen der Kunst demokratischer zu gestalten. Wir fordern:

Besucher, wählt aus, was sehenswert ist! 
Der erste Aufruf richtet sich an alle, die gerne Kunst anschauen und gemeinsam entscheiden wollen, was ausgestellt wird. Sucht Gleichgesinnte, und entscheidet mit, was ihr für sehenswert haltet! Die Demokratie der Kunst muss nicht auf eine Diktatur der Mehrheit hinauslaufen. Wir können viele verschiedene Kunstformen von vielen verschiedenen Betrachtern auswählen lassen. Nur so wird Kunst wieder zu etwas, das nicht dem Markt dient, sondern unsere eigenen Interessen abbildet und wiedergibt. 
Künstler, mobilisiert eure Fans! 
Der zweite Aufruf geht an die Künstler: Verlasst die Sackgasse des Marktes. Verweigert dem Kult der Exklusivität euren Dienst. Wartet nicht darauf, "entdeckt" zu werden. Wendet euch den Betrachtern zu. Löst euch von den Formzwängen der Moderne: Wir brauchen keine Werke, die es nur einmal gibt. Vergesst die Aura, diese jämmerliche Marketing-Lüge des Exklusiven. Macht Kopien, ahmt nach, mischt neu, sampelt. All das, was in der Musik längst geht, steht auch Künstlern frei. Nutzt die Freiheiten der Kunst! Sie sind ein Recht, das es zu verteidigen gilt. 
Kuratoren, belebt eure leeren weißen Kuben! 
Werdet Teil eines institutionellen Ökosystems, in dem Betrachter der Kunst Bedeutung geben. Belebt wird Kunst nicht durch Vermittler, Experten und Sammler, sondern durch die vielen Stimmen, die dazu etwas sagen wollen. Hört auf sie! Gebt ihnen ein Echo! Gebt ihnen Raum! 
Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt! 
Die große Menge möglicher Käufer wird vom Kult des Exklusiven vor den Kopf gestoßen. Und um diese vielen kleinen Sammler können sich die Galeristen in ihrem nomadischen Gehetze von Messe zu Messe nicht kümmern. Diese Kunstliebhaber, die Kunst nicht als Investment, sondern aus Begeisterung kaufen, müssen wir erreichen, an neuen Orten, mit Apps und Plattformen. Kunst ist keine Geldanlage, Kunst ist erschwinglich. Wir brauchen einen Kunstmarkt für die vielen und nicht nur für einige wenige.
Ob das der Kunst guttut? Aus Sicht der herrschenden Experten wohl kaum, denn das Urteil der vielen wird mit ihrem eigenen nicht unbedingt übereinstimmen. Zu Recht fürchten sich Künstler, die Jahrzehnte in Netzwerke von Sammlern und Kuratoren investiert haben, vor dem Publikum. Kuratoren schrecken vor dem Kontrollverlust zurück, wenn in ihren Räumen plötzlich Betrachter mitreden sollen.

Wir werden eine ganz andere Kunst bekommen, weil sie sich an ganz andere Bedürfnisse richtet und ihre Anerkennung im Publikum sucht. Sollte es gelingen, die Kunst demokratisch neu zu beleben, werden am Ende alle etwas davon haben. Die Betrachter, die mit den Werken wieder etwas anfangen können. Die Künstler, die wieder Anerkennung finden, auch außerhalb der kleinen Szene, auf die sie jetzt zurückgeworfen sind. Die Sammler, die wieder Dinge von Bedeutung erwerben können. Wir glauben an die Kraft der Kunst. Befreien wir sie vom Kult des Exklusiven und öffnen sie den vielen, die Kunst lieben.

Quelle: click here 

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Kunstmarkt

Kunst für alle? Ja, aber nicht so!

Eine Erwiderung

Ein Kommentar von Christian Kaspar Schwarm


  • CHRISTIAN KASPAR SCHWARM ist Gründer der Online-Plattform Independent Collectors und wurde dafür 2019 mit dem Art Cologne-Preis für Kunstvermittlung ausgezeichnet. Er lebt in Berlin.

Vorige Woche erschien in diesem Feuilleton ein Appell: Unter dem Titel "Schluss mit dem Kult der Exklusivität!" riefen Stefan Heidenreich und Magnus Resch die Kunstwelt dazu auf, "endlich demokratisch" zu werden. Ich entgegne: Unbedingt, aber nicht so!



Die Kunstwelt hat sich doch längst auf Publikumswünsche eingestellt. Zum Beispiel mit Werken von Olafur Eliasson. © Timothy A. Clary/​AFP/​Getty Images - ZEIT

Die beiden Autoren beschreiben einen Kunstmarkt, der immer abhängiger wird von sehr wenigen Sammlern, Händlern und Strippenziehern. Und es stimmt, der globale Kunstmarkt befindet sich in einer unguten Konzentrationsbewegung, immer mehr Macht bündelt sich in den Händen immer weniger Akteure. Doch was folgt daraus?

Resch und Heidenreich fordern, das Publikum solle künftig auswählen, was in den Museen gezeigt wird. Keine Elitenkunst mehr, dafür das, was die "eigenen Interessen abbildet und wiedergibt". Diese Forderung ist schon deshalb erstaunlich, weil sie vielerorts längst umgesetzt wird: Kaum ein Museum erlaubt sich heute noch, Ausstellungen zu konzipieren, ohne auf die erwarteten und tatsächlich erzielten Besucherzahlen zu schielen. Im Fernsehen nennt man das "die Quote", und die allgemeine Quotenhörigkeit hat keineswegs dazu geführt, dass das TV-Programm in den letzten Jahrzehnten besser wurde. Es ist, ganz im Gegenteil, so fad, dass sich innovative Streamingdienste wie zum Beispiel Netflix den größten Teil der jungen Zielgruppe wegschnappen – durch inhaltliche Qualität.

Auch die Forderung, die Künstler sollten endlich das große Publikum für sich erschließen – "Wendet euch den Betrachtern zu" –, kommt mir einigermaßen absurd vor. Wer wartet denn heute noch im stillen Kämmerlein darauf, "entdeckt" zu werden. Fast alle Künstler präsentieren sich auf eigenen Websites und in den sozialen Medien. Auch hier nicht nur mit guten Folgen, schließlich weist die Anzahl der erzielten Likes nicht zwingend den Weg zu einer erfolgreichen Kunstproduktion.

Ähnliches gilt für die Kuratoren, auch sie verschließen sich nicht in elitären Zirkeln, sondern suchen das große Echo: Ich entdecke auf meinen Reisen immer mehr interaktive Formate und ausgesprochen zugängliche Formen der Kunstvermittlung.

Wenn man sich also in der Kunstwelt umschaut, erkennt man rasch, dass sie keineswegs so selbstbezogen ist, wie Heidenreich und Resch es darstellen. Im Gegenteil, sie versucht das Publikum einzubinden, Partizipation wird in den meisten Museen groß geschrieben. Die Frage ist nur, was das eigentlich bringt.

Leider wird ja die Kunst kein bisschen demokratischer, wenn wir ihre Inhalte verallgemeinern. Sie wird nur eines: flacher. Übertragen auf unser Bildungssystem, hieße das, was Heidenreich und Resch planen, einfach die Bildungsstandards radikal zu senken, um endlich mehr Menschen ein Abitur oder einen Hochschulabschluss zu ermöglichen. Das aber sähe nur vordergründig nach mehr Demokratie aus, denn die Wohlhabenden einer Gesellschaft fänden gewiss immer Wege, sich weiterhin hochklassig auszubilden. Statt die Kluft zwischen den unterschiedlichen Milieus zu verkleinern, wäre sie am Ende nur noch größer – und noch zementierter.

Das Gleiche droht, wenn wir den Vorschlägen von Heidenreich und Resch für die Kunstwelt folgen. Es würde gerade nicht dazu führen, dass die Masse der Kunstmarkt-Elite eine wie auch immer geartete, "volksnähere" Kunst aufzwingen könnte. Vielmehr würden sich die Ungleichheiten noch verstärken.

In der Bildung wie in der Kunst muss die Lösung darin liegen, mehr und mehr Menschen für die lohnende Herausforderung zu begeistern, sich auch mit anspruchsvolleren Inhalten auseinanderzusetzen. Aktive, persönliche Beschäftigung mit Kunst darf dabei nicht – wie von Resch und Heidenreich getan – auf reines Konsumverhalten heruntergebrochen werden. Sie gleicht vielmehr dem Erlernen eines Instruments: Die Freude entsteht beim Spielen. Und es ist doch das Neue, das Unbekannte, das noch Ungelernte, das uns Menschen wachsen lässt. Das ist es, was wir all jenen erzählen müssen, die noch gar nicht ahnen, was gute Kunst mit ihrem Seelenleben anstellen kann. Ich fürchte, Stefan Heidenreich und Magnus Resch zählen dazu.

Quelle: click here 


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ach - wer bin ich denn, dass ich mich hier mit diesem thema zum schiedsichter aufplustern würde. das ist so wie der volksmund sagt: die einen sagen so, die anderen sagen so: resch & heidenreich sagen so, und schwarm sagt so - und beide parteien betreiben eine "app" oder eine "online-plattform" und schreiben sicherlich auch zu diesem thema, um sich clicks abzuholen - also nur bedingt selbstlos... - und unrecht haben ja beide nicht.

insofern sind beide aufsätze sicherlich auch "ein stück weit" pr-arbeit in eigener sache...

ich war vor ein paar tagen in münster im dortigen lwl-museum, und habe mir nach dem obligatorischen geduldsfaden in der warteschlange die dortige turner-ausstellung angeschaut: joseph mallord william turner (1775-1851) "horror and delight", mit seinen flauschig-wattigen licht-schatten-landschaften wie auf schwülstig-alten theater-bühnenbildern, wie extra betonte kulisse: oftmals "riesen-schinken" - aber dann auch wieder kleine exquisite aquarelle unter gedämpfter beleuchtung - eine ausstellung in kooperation mit der "tate"-gallery im brexit-erwartungsland.



licht und farbe (goethes farblehre) -
der morgen nach der sintflut -
mose schreibt das buch genesis -
j.m.w. turner, 1843 . (handyfoto von sinedi in münster)
von daher war es schon auch etwas besonderes, hier auf dem europäischen festland diese kunst zu schauen - wer weiß wann und ob das wieder einmal geht.

und als kunstbanause hätte ich mir vor allem bei den "see-stücken" oft einen vergleich gewünscht - ein gegenüber - vielleicht mit dem hier in ungnade gefallenen expressionisten emil nolde, der hier im norden deutschlands 100 jahre später mit wesentlich kräftigerer palette und grober und abgehackter sein innerstes expressionistisch auf die leinwand bannte.

und während der "romantiker" turner schon von jugend auf mit der "royal academy" auf du und du stand, musste nolde ja 100 jahre später immer um die gunst der jeweils auch regional "herrschenden" und des publikums rundherum buhlen - und musste sich dazu anbiedern und seine biographie je nach gusto verknoten und verschränken...

in der ländlichen heimatgegend von nordfriesland und süddänemark gab es
emil nolde: brecher, 1936 - das abgehängte bild aus dem
kanzlerin-büro
nach kunst von haubarg zu haubarg wenig nachfrage - und deshalb suchte nolde anschluss an die salons und galerien in berlin und hamburg.


und doch haben beide künstler immer auf ihre art und weise landschaft und (un)wetter und sturm und sonnenuntergang und sonnaufgang prachtvoll festgehalten - jeder auf seine "art" - jeder in seiner "kunst"...

ja - warum will ich die beiden gegenüberstellen: mir ging es in der turner-ausstellung zu "schön" und zu "geleckt" zu, alles war fast photographisch korrekt in gedeckten farben und ganz hauchzart hingetupft und wie in einem bebilderten tagebuch festgehalten. hinzu kamen zwar auch ein paar "ungegenständliche" nuancen oder wirbel und strömungen, die wohl eher der psyche des mr. turner geschuldet waren, vielleicht war es aber auch schon zu der zeit sein "verkaufs-gag", seine "marke", die er setzte.

nolde hatte da ja eher einen groben pastös grellen farbaufstrich - und trotz seiner
sinedi.art: venedig
anbiederei an den nationalsozialismus geriet er damit auf das abstellgleis und wurde als "entartet" aussortiert - und bekam auch vielleicht tatsächlich ein "malverbot" aufgebrummt - vielleicht war das aber auch nur eine "vertelleken" für die verkaufserlöse nach dem krieg und der nazi-zeit gut ausgedacht...


in der diskussion von oben war turner wohl eher der publikumsabgehobene, darüber hinwegschwebende selbstbezogene "royal-academy"-künstler, mit verbindungen zur "national-gallery" und den feinen top-museen - während noldes kunstproduktion wohl eher bodenständig ja mit kleinen postkarten anfing und dem dazugehörenden "klinkenputzen" vor ort - und dann rasch da oben im norden für das rauhe nordseeklima seinen unverwechselbaren stil entwickelte, aus dem noch kräftig die ölfarben nachdampften - und der die kunstsammler in den metropolen verblüffte mit seiner holzschnittartigen farbigkeit.


sinedi.art: eine lese meiner "werke" (= jeder ist künstler)
click here
wie gesagt - die diskussion oben, wie man heute "kunst" am besten und am zeitgemäßesten etabliert, damit das publikum davon auch etwas hat, ist für mich einfach "unentscheidbar"... - "jeder nach seiner facon"... - und noldes kraft-protz-bilder bilden sich in mir eher ab als turners photo-wisch im gewitter-blitz, wie ein kurzes blitzlicht - und dann wieder dunkelheit und grollen...

am besten aber geht es mir damit, wenn ich selber kreativ werde nach der methode "beuys": "jeder ist künstler" - "alles ist kunst"... - dann brauch ich kein museum, keine agentur, keinen kurator dann muss ich auch nicht auf preise schielen, dann entscheidet ganz still der betrachter in meiner sinedi-gallery vorm pc oder auf dem smartphone was er mag oder nicht mag - was er herunterlädt für seine wand oder weiterverschickt an freunde und bekannte...

und "barrierefrei" und "kostenlos" sind auch ein hohes gut in dieser zeit: ganz natürlich und urmenschlich...

knips im gartencenter




nee - das ist nicht "science-fiction" - ich war heute nur mal mit dem smartphone im gartencenter - knips...

das große (z)erbrechen: mach kaputt was dich kaputtmacht

sinedi.art: ein bild sagt mehr als 1000 worte
digitale skulpturcollage mit fundstück und holzschnitt-motivnach otto pankok,1950




mit den besten grüßen und wünschen an akk:
mach kaputt, was dich kaputtmacht


click to wikipedia:
otto pankok

ausgeblendet

Beschwerdebrief des Ministerpräsidenten

Polen wirft Netflix historische Fehler vor

Die Dokuserie "Der Teufel wohnt nebenan" handelt von dem Kriegsverbrecher John Demjanjuk. Die NS-Konzentrationslager würden in der Netflix-Produktion auf historisch falschen Karten gezeigt, kritisiert Warschau.

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hat sich in einem Brief bei Netflix-Chef Reed Hastings über Fehler in der Serie "Der Teufel wohnt nebenan" (Originaltitel "The Devil Next Door") beschwert.

Am Montag begründete der nationalkonservative Politiker auf Facebook selbst diesen Schritt: Historische Darstellungsfehler in solchen Filmproduktionen seien "für deren Schöpfer vielleicht nur unwichtige Irrtümer, aber für Polen sind sie sehr schädlich, deshalb ist es unsere Aufgabe entschlossen zu reagieren". Ein Netflix-Sprecher erklärte, man prüfe den Sachverhalt mit Dringlichkeit.


In der Dokumentarserie über NS-Konzentrationslager und die Suche nach dem Kriegsverbrecher John Demjanjuk sei insbesondere durch historisch falsche Landkarten der Eindruck entstanden, Polen sei für Konzentrationslager und darin begangene Verbrechen verantwortlich gewesen, kritisierte Morawiecki in einem Brief, den er auf seiner Facebookseite veröffentlichte.

Tatsächlich aber habe Polen während des Zweiten Weltkriegs gar nicht als Staat existiert, sondern habe unter der deutschen Besatzung und Gewaltherrschaft gelitten. Viele polnische Bürger seien ermordet worden, weil sie versucht hatten, ihre jüdischen Nachbarn zu retten.

Zuvor hatte bereits das polnische Außenministerium via Twitter kritisiert, die in der Serie genutzte Karte zeige nicht historisch korrekte Grenzen.



Die polnische Regierung achtet streng darauf, dass beispielsweise deutsche Konzentrationslager auf heute polnischem Gebiet nicht als "polnisch" bezeichnet werden. Dies ist durch ein eigenes Gesetz ausdrücklich verboten. Vor allem Vertreter Israels kritisierten in der Vergangenheit wiederholt, das Gesetz könnte auch dazu missbraucht werden, jede Mittäterschaft von Polinnen und Polen an NS-Verbrechen zu leugnen.

Die von den israelischen Regisseuren Yossi Bloch und Daniel Sivan gedrehte fünfteilige Serie "Der Teufel wohnt nebenan", die unter anderem die Prozesse gegen John Demjanjuk in Israel und Deutschland nachzeichnet, wurde bisher überwiegend positiv rezensiert. So konnte sich das "Wall Street Journal" kaum "lohnendere fünf Stunden Fernsehen" vorstellen.

Auch die Betreiber der Auschwitz-Gedenkstätte würdigten auf Twitter, dass "Der Teufel wohnt nebenan" eine wichtige Geschichte erzähle. Allerdings könne man mehr Genauigkeit von einer solchen Produktion erwarten.



Text und Bildmaterial: SPIEGELonline

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also - da hat polen nach meiner meinung eine "minderwertigkeits"- vielleicht auch eine "vertuschungs"-macke im geschichtlichen selbstverständnis und bewusstsein - und mit dem allseits modernen "political-correctness" - ja und mit begriffs- und sprachverwirrung... 

gerade in der "oder-neiße-linie"-debatte früher in meinen ganz jungen jahren in der nachkriegszeit wies polen jeden deutschtümelnden anspruch der landsmannschaften auf gebiete östlich von oder und neiße strikt von sich und beharrte auf "ur-polnisches" gebiet dort.

und heute, wenn es opportun erscheint, radiert man sich von 1939-1945 mal einfach just von der landkarte, um sich ganz klein zu machen und jeden hauch von mittäterschaft oder gar kollaboration von "polnischen bürgern" mit ns-deutschlands truppen zu leugnen und wegzudiskutieren durch eine "nichtexistenz" polens in jener zeit auf diesem gebiet - mit der intention, dass kein pole jemals am holocaust auf der täterseite mitbeteiligt war.

mich erinnert das an früher - an die jahre vor 1989 - als man sich hier in der brd fragte, ob es opportun sei, von der ddr als staat zu sprechen, oder ob man das kürzel doch lieber in anführungsstriche versetzte: "ddr" - oder von der "sogenannten ddr" sprach, oder doch lieber von "ostzone" oder "ostdeutschland" - und der heutige "ossi"/"wessi"-kladeradatsch wirkt darin immer noch fort.

als mitte 2018 das jugendvolxtheater in bethel ein stück spielte auf dem hintergrund des euthanasie-opferschicksals meiner tante erna kronshage, kam ganz am rande diese diskussion um polen oder nicht-polen auch auf, wurde erna doch in der heute polnischen stadt gniezno (deutsch: gnesen) in der dort bestehenden dziekanka-psychiatrieanstalt ermordet, die die deutsche besatzung damals in eine tötungsanstalt namens "tiegenhof" verwandelt hatte.

und als in einem text zur vorstellung des stückes dann eine "vernichtungsanstalt" im "heutigen polen" mit benannt wurde, gab es prompt protest, ganz im sinne des polnischen regierungschefs mateusz morawiecki - obwohl eigentlich jeder einigermaßen geschichtlich informierte zeitgenosse weiß, dass es eine von ns-schergen betriebene tötungsanstalt in der deutschen besatzungszeit polens zwischen 1939-1945 war - allerdings muss man hier durchaus "political correct" auch festhalten, dass neben deutschem personal durchaus auch polnisches "pflege"-personal mitbeteiligt war - und der ärztliche direktor dr. victor ratka sich als sogenannter "volksdeutscher" rasch nach der okkupation den deutschen besatzern anbiederte, weiterhin als direktor zu fungieren, und sich hochkollaborierte bis zum "tötungs-facharzt" in der euthanasie-zentrale "tiergartenstraße 4" in berlin.

er starb in den 60er jahren im sonnigen breisgau als "deutscher" beamter mit pensionsberechtigung - zwei anklagen wegen seiner tätigkeiten als ns-mordarzt wurden wegen "verhandlungsunfähigkeit" eingestellt. hört-hört!

ich habe aber auch den eindruck, als verfahre man in der polnischen klinik dziekanka in gniezno und nicht nur dort auch in der historischen aufarbeitung der zeit von 39-45 in ähnlicher weise des ausblendens und kopf-in-den-sand-stecken - nach dem motto "da haben wir doch nichts mit zu tun": ob alle akten und unterlagen bis in die letzten verwinkelten kellerräume tatsächlich gesichtet, systematisiert und ausgewertet und ggf. "an den absender zurück" überstellt worden sind, oder auch nur der hauch einer durchgehenden übergeordneten systematik darin entwickelt wurde, möchte ich mal bezweifeln. 

da wird dann oft etwas verwinkelt abseits ein raum hergerichtet zur "historie" der einrichtung - und auch aus dieser zeit zeigt man dabei ein paar exponate - aber es ist mehr ein vorzeige-privatmuseum als ein offenes archiv zur aufarbeitung - und schwupps: schon bekommt "psychiatrie" wieder diesen geheimnisvollen verschwiegenen gediegenen touch - dabei will man doch da auch gegensteuern und sich "in der mitte der gesellschaft" zeigen, versteckt sich aber gern hinter "datenschutz" und "persönlichkeitsrechte" und "ärztlicher schweigepflicht".

aber das kann ich nicht einmal allein der polnischen klinik anlasten: auch in deutschland liegt in dieser hinsicht vieles im argen - und auch hier glaubt man, mit einem angemessen seriös gestalteten "gedenk- und erinnerungsort" habe man in dieser hinsicht seine "verdammte" pflicht getan -  

"nun lasst es endlich auch mal gutt sein" - und der schäbige rest muss auch aus irgendwelchen schutzbedürfnis-aspekten und -interessen einfach mal "vertuscht" werden - wie hochoffizielle akten ja auch gern mal "geschwärzt" werden...



ampelaufschrift: grün kommt

„Die Leute müssen zurück aufs Land“

Der US-amerikanische Kultur­philosoph und Bestsellerautor Charles Eisenstein glaubt, unsere Lösungsansätze für die Klimakrise sind Teil des Problems. Er plädiert für eine andere Wahrnehmung der Welt






Endzeit­stimmung: Baustelle der Baihetan-Talsperre mit Wasserkraftwerk in der chinesischen Provinz Sichuan Foto: Xue Yubin/Xinhua/eyevine/laif



INTERVIEW LAURA SOPHIA JUNG | taz



 „Wir sollten heilen,
was wir 
beschädigt haben“

taz: Herr Eisenstein, Sie haben Philosophie und Mathematik studiert. Jetzt haben Sie ein Buch über die Klimakrise geschrieben. Warum?

Charles Eisenstein: Es war ein langer Weg von der Mathematik zum Klima. Ich habe immer versucht zu verstehen, was in der Welt falsch läuft. Unsere Zivilisation steht an einem Wendepunkt. Die Geschichten, die Paradigmen und Methodologien, die uns definieren – sie alle brechen gerade zusammen. Mein Buch soll eine Warnung sein. Unser Verständnis dafür, wie unser Planet funktioniert, ist zu begrenzt. Begrenzt durch diese alten Paradigmen: unseren Glauben an die Moderne, den Fortschritt, die Möglichkeit der Beherrschung der Natur. Wenn jetzt Lösungsansätze aus diesen Ideologien heraus entstehen, werden sie die Lage im Endeffekt verschlimmern.

Was ist daran schlecht, die Luftverschmutzung reduzieren zu wollen?

Wenn wir uns auf die CO2-Emissionen fokussieren, dann lassen wir alles außen vor, was nicht gemessen werden kann. Ein Beispiel: Wir bauen einen riesigen Damm, weil wir nachgerechnet haben, dass ein Wasserkraftwerk zwei Gigawatt Energie produziert und somit zehn Kohlekraftwerke ersetzen kann. Das spart x Tonnen CO2. Aber so viele Dinge sind in dieser Rechnung nicht inbegriffen: Für den Dammbau werden unberührte Ökosysteme überflutet und können kein CO2 mehr binden. Indigene Dorf­be­woh­ne­r*innen, die im Einklang mit der Natur lebten, verlieren ihre Heimat. Wahrscheinlich landen sie in Plattenbauten irgendwo in der Stadt, wo sie zu Kon­su­ment*innen werden. Wie messen wir diese Veränderungen? Vogelwanderungen werden unterbrochen, deshalb gelangen keine Nährstoffe mehr in die Wälder. Die Wälder werden krank, und niemand versteht, warum. Der Grund ist die ökologische Zerstörung durch den Dammbau – aber kommt das in der Rechnung vor?

Was ist die Alternative?

Wir müssen verstehen, dass die Erde ein lebendiger Organismus ist. Und ihre Gesundheit hängt von der Gesundheit ihrer Organe ab. Selbst wenn wir die Emissionen auf null reduzieren: Wenn wir weiter die Böden abtragen, Wälder roden, Wale töten, dann wird die Erde an Organversagen sterben.
Charles Eisenstein, geboren 1967,
lebt in Pennsylvania als freier Autor.
Er gilt als Vordenker der
Occupy-Bewegung. twitter.com



Charles Eisenstein, geboren 1967, lebt in Pennsylvania als freier Autor. Er gilt als Vordenker der Occupy-Bewegung.

Was sollten wir konkret tun?

Erstens: Wir sollten alle vorhandenen ursprünglichen Ökosysteme schützen und erhalten. Das sind schließlich die intakten Organe unseres lebendigen Planeten.
Zweitens: Wir sollten heilen, was wir beschädigt haben. Wiederaufforstung und regenerative Landwirtschaft sind der Schlüssel.
 Drittens: Wir müssen aufhören, Pestizide, Herbizide, Insektizide, Fungizide, all den giftigen und radioaktiven Abfall in der Natur abzuladen. Denn diese Gifte greifen das Gewebe unseres Planeten an.
Die Emissionen durch fossile Brennstoffe zu reduzieren, wäre dann der vierte Punkt. Aber wenn wir die ersten drei Punkte beachten, dann ergibt sich das sowieso.

Denn wenn wir jeden Ort, jedes Ökosystem als heilig erachten, heilen und schützen, dann können wir nicht weiter nach Öl bohren oder Kohle abbauen.

Wer hat die Möglichkeit, diese Prioritäten durchzusetzen: die Streikenden oder die Po­litiker*innen?

Ich glaube, es muss Hand in Hand gehen. Das Problem ist, dass viele Menschen überhaupt nicht 
wissen, was sie genau tun sollen. Der Verzicht auf fossile Brennstoffe ist bei unserem aktuellen Lebensstil quasi nicht machbar. Ein Wechsel zu regenerativer Landwirtschaft und zu echtem Umweltschutz hingegen schon. Was es da bräuchte, sind staatliche Subventionen. Ökologische Landwirtschaft ist außer­dem arbeitsintensiv. Das heißt: Leute müssen zurück aufs Land – nicht zwingend als Bäue­r*in­nen, ein eigener Garten wäre auch schon ein wichtiger Schritt. Aktuell arbeiten etwa ein Prozent der Menschen in den USA in der Landwirtschaft. Das ist viel zu wenig. Landwirtschaft muss lokaler werden. Außerdem müssen wir verstehen: Die Gesundheit des Bodens ist unsere Gesundheit. Wenn wir das Land besser behandeln, wird es auch uns besser gehen. Wir stecken da alle mit drin.

Werden wir überleben?

Überleben ist kein Problem. Wir könnten in einer Zukunft leben, in der der ganze Planet ein riesiger Tagebau und Müllberg ist. Wir leben in Städten wie in Seifenblasen. Dort gibt es Maschinen, die CO2 absaugen. Wir bleichen den Himmel, um die Temperatur zu senken, und bauen unsere Nahrungsmittel in Fabriken an. Alle sind die ganze Zeit drinnen. Die Natur ist tot, aber wir haben riesige Bildschirme, auf denen wir in virtuellen Realitäten Natur erleben können – zur Erholung. Was ist, wenn das die Zukunft ist, auf die wir zusteuern? Das macht mir viel mehr Angst als ein mögliches Aussterben der Menschheit.

Das klingt ja furcht­bar.

Die Frage ist doch: Was muss sich ändern, damit wir die Verhaltensweisen ändern, die uns an diesen Punkt gebracht haben? Ich glaube, wir müssen die Erde anders sehen. Sie ist nicht einfach ein Haufen Ressourcen. Sie ist lebendig, heilig, ein bewusstes Wesen. Sie verdient unsere Verehrung und Liebe. Im Prinzip ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln der Menschheit. Wenn es uns gelingt, unsere Wahrnehmung zu ändern – unsere Wahrnehmung von der Welt, in der wir leben, aber auch von uns selbst – dann ist alles möglich. Auch eine Zukunft in einer lebendigen Welt.


  • Charles Eisenstein: „Klima. Eine neue Perspektive“. Europa Verlag, München 2019, 400 Seiten, 22 Euro


taz: Freitag, 15.11.2019 - kultur S. 15


ja - das ist unsere macke - bzw. die macke der globalökonomie und des neoliberalen kapitalismus: dass nämlich immer neues "wachstum"  entstehen müsse - um "fortschritt" zu generieren.

wir kennen ja alle diese kaffeesatzleserei und kristallkugelbetrachtung durch die - ich glaube es sind fünf - wirtschaftsweisen, die dann meistens zum herbst hin die prognosen und prophezeiungen von z.b. "1,2 auf 0,8 % 'wachstum'" der wirtschaft für das kommende jahr korrigieren.

unser aller mutter erde
und just da kommt charles eisenstein mit der alten "gaia"-idee um die ecke: der "blaue planet", unsere globale heimat "erde", müsse als ein lebendiges subjekt gesehen werden.

ein subjekt, was die schmerzen eines ungezügelten "ressourcen"abbaus genauso "fühlt" wie du und ich.

boden"schätze" sind keine "ressourcen", die erschlossen werden müssen, um sie als energielieferant auszubeuten und danach nutzlos als abfallschrott "auf halde" aufzuschütten.

nur auf co²-emissionen zu starren wie das kaninchen vor der schlange, das ist aus der abteilung "taschenspieler-tricks" der weltweiten zur zeit gängigen politik und ihrer akteure, die damit "legitimation" und aktionalismus und damit "wiederwahl" erhaschen wollen.

wobei ich glaube, dass politik und auch wissenschaft zwar den "ökologischen fußabdruck" grob berechnen können, aber all dessen vernetzungen und beeinflussungen mit den elementen untereinander auch in der "auseinandersetzung" und verschmelzungen mit dem auf die erde niedergehenden "sternenstaub" noch gar nicht fest erfassen können, wie ja auch die medizin nach 500 jahren sich ständig neu erfinden muss, um alte schulmedizinisch "wissenschaftlich fundierte" fakten über bord zu werfen - weil man einem irrglauben anhing (nur als ein beispiel: diese lange verleugnete fatale wechselwirkungen von diabetes 2 und insulininjektionen...)

"zurück aufs land" heißt aber auch von den mit-menschen demütig zu lernen, die man als "indigene restpopulation" an den "rändern unserer welt" bezeichnet - und manche sich überlegen fühlende "privilegierte" wollen sogar noch das attribut "primitiv" für diese menschen hinterdreinschicken...

dabei ist die einstellung zu natur und erde gerade dieser menschen vorbildhaft, weil sie uns ehrfurcht vor dem 'leben' offenbar machen - und nicht auf virtuelle flimmernde börsennachrichten starren, die mit der tatsächlichen natur und schöpfung nichts aber auch gar nichts zu tun haben, sondern im höchsten fall eine gigantische ablenkung vom eigentlichen "leben" darstellen.