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Sichtbare Musik

aus: DIE ZEIT - CHRIST & WELT, Nr. 31 v. 23.Juli 2020 - unten mit Beethovens "Appassionata"-Musik -
gespielt von Igor Levit -



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Deutungen

Wie manch anderes Beethovensche Werk erfuhr die Appassionata seit ihrer Entstehung verschiedenste außermusikalische Deutungen. Die meisten bringen die „eruptiv herausbrechende Leidenschaft“ und „glanzvoll-dämonische musikalische Wirkung voll romantischer Virtuosität“ in Zusammenhang mit einem realen bzw. seelischen Sturm. Dabei berufen sie sich auf eine Bemerkung Beethovens zur Bedeutung von Op. 31/2 (Klaviersonate Der Sturm) und Op. 57 gegenüber seinem Sekretär und ersten Biographen Anton Schindler, in welcher dieser gesagt haben soll: „Lesen Sie nur Shakespeare’s ‚Sturm‘.“ Der Bezug zum Werk Shakespeares ist hierbei jedoch umstritten. Carl Czerny sieht ein im Meer bedrohtes Schiff, und Alfred Cortot sowie Joseph Pembaur sehen sogar Parallelen zwischen bestimmten Teilen der Sonate und einzelnen Figuren aus Shakespeares Theaterstück. Carl Reinecke, Vincent d’Indy, oder Ernst von Elterlein deuten das Werk psychologisch als einen „Seelensturm“, und bringen dies mit privaten unglücklichen Liebeserfahrungen Beethovens in Verbindung. Arnold Schering bringt die Sonate mit Teilen des Dramas Macbeth in Verbindung. Paul Badura-Skoda wiederum sieht in den „majestätischen Harmonien“ des zweiten Satzes eine Stimmung wie in Matthias Claudius Gedicht Der Tod und das Mädchen verwirklicht, während ihn die Coda des dritten Satzes an den Tanz auf der Heide von König Lear erinnert. Adolf Bernhard Marx interpretiert das Werk als „Aufschrei der Angst“ und „Sturm der Seele“, und Uhde schreibt:

  • „Unter den so verschiedenen Prozessen, die Beethovens Sonaten zum Inhalt haben, ist op. 57 die ‚Tragödie‘. Hier wird die Geschichte eines großen Willens geschrieben, der die bestehenden Verhältnisse verändern möchte, aber der Kampf führt nicht zur Befreiung.“


(aus: WIKIPEDIA "Kaviersonate Nr. 23 (Beethoven))


... und hier die gleiche Sonate in der Interpretation von Glenn Gould - mit einem wesentlich langsameren ersten Teil:

Generationale Abspaltungen

Das öffentliche und das private Gedenken unterscheiden sich stark, sagt Samuel Salzborn. FOTO: REUTERS



Antisemitismus und Erinnerungskultur

Die größte Lüge der Bundesrepublik

Die deutsche Erinnerungspolitik hält sich für vorbildlich. Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn erklärt die gelungene Aufarbeitung der NS-Verbrechen zum Mythos. 

VON CHRISTOPH DAVID PIORKOWSKI | TAGESSPIEGEL

Die Überzeugung, erinnerungspolitischer Weltmeister zu sein, ist ein zentrales Motiv der gegenwartsdeutschen Selbsterzählung. Zuweilen scheint es, als sei die einstige Wahnvorstellung rassischer Überlegenheit dem Glauben an eine moralische Überlegenheit gewichen. Die vermeintlich vorbildliche Vergangenheitsbewältigung legen sich Teile der deutschen Gesellschaft als Zeugnis kultureller Fortschrittlichkeit aus. 

Wie zuletzt der Essayist Max Czollek gezeigt hat, ist es dabei zur gängigen Praxis geworden, sich auf der vielbespielten Bühne des Erinnerungstheaters am Ritus kollektiver Läuterung zu laben.

Dass es mit dem Mythos einer schonungslosen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen nicht so weit her ist, wie es die einschlägigen Debatten nahelegen, unterstreicht der Berliner Politikwissenschaftler Samuel Salzborn nun mit seinem neuen Werk „Kollektive Unschuld. Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern“. 

Öffentliche vs. private Erinnerung

In einem pointierten Essay bündelt Salzborn zentrale Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen und historischen Antisemitismusforschung. Ausgangsthese des Werks ist, dass sich der erinnerungspolitische Diskurs der Deutschen (und der Österreicher) durch eine einschneidende Kluft definiert: Hier das Gedenken im öffentlichen Raum, dort die Leugnung im Privaten.

Das Narrativ einer tatsächlichen Aufarbeitung des Holocaust sei nicht weniger als „die größte Lüge der Bundesrepublik“. Salzborn zufolge glaubt eine kleine, linksliberale Elite, ihr intellektueller Erinnerungsdiskurs durchdringe die Gesellschaft im Ganzen.

Tatsächlich aber bestimmten Schuldabwehr und oftmals latenter Antisemitismus den psychischen Haushalt des Tätervolks. Die Metastasen von verdrängter Schuld und verdrängtem Antisemitismus manifestieren sich in einer unversöhnlichen „Israelkritik“, die durch die aus der Antisemitismusforschung bekannten drei D’s – Dämonisierung, Delegitimierung und doppelte Standards – geprägt ist.

Verkappte Antisemiten aller politischen Richtungen und gesellschaftlichen Milieus könnten ihr verschwiemeltes Ressentiment so ins schmückende Gewand der Solidarität mit den Palästinensern kleiden.

Die Schuld der Vorfahren wird verdrängt

Das große Problem ist Salzborn zufolge, dass man in Deutschland zwar gemeinhin die Verbrechen der Nazis anerkennt, die eigenen Verwandten und die „gewöhnlichen Deutschen“ jedoch oftmals amnestiert werden. Diese Unschuldsvermutung aber offenbare sich aufgrund „der antisemitischen Täterschaft in so gut wie allen Familiengeschichten der Bundesrepublik“ bei näherer Betrachtung als Lügengespinst. 

So hat die Geschichtswissenschaft die tiefe Verstrickung weitester Teile der deutschen Gesellschaft in den Komplex der Enteignung, Entrechtung und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden schon lange umfänglich belegt.

Das Verdrängen familiärer Schuldhaftigkeit macht Salzborn dabei an diversen sozialwissenschaftlichen Studien aus Gegenwart und jüngerer Vergangenheit fest. Schon 2002 zeigte die familienbiografische Studie „Opa war kein Nazi“ von Harald Walzer, Sabine Müller und Karoline Tschungnall wie zahlreiche Deutsche ihre Tätervorfahren in Opfer oder Widerstandskämpfer umdefinieren.

Selbstviktimisierung

Den gängigen Schätzungen zufolge liegt der Anteil derjenigen, die potenziellen NS-Opfern geholfen haben bei 0,3 Prozent, was etwa 200 000 Menschen entspricht. Die Memo-Studie 2019 des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft zeigt jedoch, dass etwa 28,7 Prozent der Deutschen ihren Vorfahren eine Helfer-Vita andichten. 69,8 Prozent glauben, ihre Vorfahren seien nicht unter den Tätern gewesen. Und 35,9 Prozent erklären ihre Angehörigen gar zu Opfern.

Der psychische Abwehrmechanismus der „Selbstviktimisierung“, den Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 in ihrem bahnbrechenden Werk „Die Unfähigkeit zu trauern“ sezierten, setzte Salzborn zufolge in beiden deutschen Teilstaaten unmittelbar nach ihrer Gründung ein. 

In den oft jeden historischen Kontext verleugnenden Debatten um deutsche Flüchtlinge oder Bombenopfer in Dresden und in Filmen wie „Die Gustloff“ und „Der Untergang“ sieht Salzborn den Opfermythos nach wie vor am Werk. Dass etwa die späteren Flüchtlinge an der völkischen Germanisierungspolitik einen gehörigen Anteil hatten, und demnach nicht von ungefähr vertrieben wurden, werde häufig verleugnet. Die Shoah erscheine dabei im postmodernen Nebel einer allgemeinen Gewaltkritik als eine Katastrophe unter vielen.

Täter-Opfer-Umkehr

Juden wiederum wird vorgeworfen, den Finger konstant in die Wunde zu legen. Anstatt sich mit den konkreten Taten der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern zu befassen, werden die Opfer und ihre Nachfahren dafür gescholten, die Schuld-Erinnerung wachzuhalten. 

Nach einer Studie der Anti-Defamation League von 2019 waren 42 Prozent der Deutschen der Meinung, Juden würden zu viel über den Holocaust sprechen. Solche Zahlen und die darin anklingenden Schlussstrichforderungen, zeigen wie wichtig dieses Sprechen doch ist. Folgt man Salborns Analyse, sind die revisionistischen Forderungen vieler AfD-Politiker und anderer Neo-Faschisten schließlich im Schoß einer Gesellschaft gewachsen, die sich ihre kollektive Unschuld erschwindelt.

  • Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld: Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern. Hentrich und Hentrich Verlag Berlin 2020, 136 Seiten, 15 Euro.
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Der sicherlich umstrittene Historiker Götz Aly hat schon 2013 in einem SPIEGEL-Gespräch aber sicherlich zutreffend errechnet, dass ungefähr jeder achte erwachsene Deutsche direkt mit Jemanden verwandt sei, der in die NS-Krankenmorde, der "Euthanasie", in irgendeinerweise verstrickt sei.

Und wenn man die angeheirateten Verwandten dazunehme, würde fast jeder in seiner Familie in den Generationen zurück jemand Beteiligten ausfindig machen können - seitens der Täter oder Opfer.

In den meisten Familien aber würde bis heute nicht darüber gesprochen - auch wenn immer mehr öffentliche Gedenkstätten und Erinnerunsorte und Stolpersteine zugänglich sind und offizielle Gedenkveranstaltungen dazu abgehalten werden.

Die Ermordeten sind in den Familien selbst oft schlichtweg vergessen - und ob jemand aktiv in die Krankenmorde mit involviert war, wird ausgeblendet und verdrängt und abgespalten.

(Das SPIEGEL-Gespräch mit Aly fand am 22.04.2013 statt.)

Diese Überlegungen zeigen, dass die oben im Artikel beschriebenen Verdrängungsmechanismen zur "Shoah" und zum "Holocaust" auch 1:1 übertragbar sind für auf die Aufarbeitung der NS-"Euthanasie"-Mordschicksale.

Solche Vorkommnisse in der eigenen Familie, sowohl bei (Mit-)Tätern und Opfern, werden verleugnet, ausgeblendet und immer noch - auch 80 Jahre danach - verdrängt, oder sind tatsächlich inzwischen "vergessen" und aus der Familien-"Gene" getilgt.

Und das war ja auch das Ziel der Rassenpolitik und all dieser darauf fußenden konzertierten Mord-Aktionen der allermeisten involvierten deutschen Nazis (9 Millionen waren aktive Mitglieder der NSDAP) und deren verblendete weit verbreitete Mitläufer in den Jahren 1933-1945:

"Das Vergessen der Vernichtung
 ist Teil 
 der Vernichtung selbst"

so hat es Harald Welzer in Anlehnung an Jean Baudrillard allerdings erst in unseren Tagen formuliert: Das Vergessen des Grauens ist von den Ideologen und Tätern im damaligen faschistischen System zumindest implizit mitgedacht und haargenau kalkuliert mit geplant und einkalkuliert worden - das war quasi Sinn der Vernichtungsaktionen: Vollständige und totale "Ausmerze" und konsequentes restloses "Niederführen" - diese faschistischen Unworte schließen ja eine endgültige "Tilgung" mit ein - zur erbbiologischen "Gesundung" des "deutschen Volkskörpers"...



Manchmal trifft die Zufallsstichprobe ins Schwarze

um die "dynamik" dieses artikels und des darin geschilderten ergebnisses richtig nachzuvollziehen - ist es vielleicht gut, sich mit den folgenden artikel-links zu beschäftigen:


Link zur Studie von Sylvia Wagnerhttp://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=42076 
Links zur NW-Berichterstattung zum Thema - ab 10/11 2016https://www.nw.de/lokal/bielefeld/gadderbaum/20953177_Medikamententests-an- 
Kindern-Bethel-aeussert-sich-heute-zum-Vorwurf.html 
https://www.nw.de/lokal/bielefeld/gadderbaum/20953575_Bethel-will-Arznei-Tests-an-Kindern-kritisch-aufarbeiten.html 
https://www.nw.de/lokal/bielefeld/gadderbaum/20953177_Medikamententests-an-Kindern-Bethel-aeussert-sich-heute-zum-Vorwurf.html 
https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/20954751_In-Bethel-gibt-es-noch-die-alten-Patientenakten.html 
https://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/20964689_Chefarzt-zu-Medikamententests-Alles-muss-transparent-gemacht-werden.html


Studie gibt Aufschluss über Medikamententests in Bethel an Minderjährigen

„Bedauern die Versäumnisse zutiefst“

Nach rund zweieinhalbjähriger intensiver Forschungsarbeit hat jetzt das Projekt zu Arzneimittelprüfungen in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel seinen Abschluss gefunden. Dabei ging es um die Frage, inwieweit und unter welchen Umständen zwischen 1949 und 1975 in Deutschland noch nicht zugelassene Medikamente (neu entwickelte BRD-Medikamente und importierte non-BRD-Medikamente) bei Kindern und Jugendlichen in Bethel angewendet worden sind. Anstoß für das Ende 2017 begonnene unabhängige Forschungsvorhaben war die Studie von Sylvia Wagner zu Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen in Heimen in Deutschland nach 1945. Unter anderen wurde in diesem Zusammenhang auch Bethel erwähnt. 

Die Medizinhistorikerin und Psychiaterin Prof. Dr. Maike Rotzoll (Heidelberg), der Kinderneurologe Prof. Dr. Dietz Rating (Heidelberg) und der Historiker Dr. Niklas Lenhard-Schramm (Münster) haben die Studie erarbeitet. Das Forschungsprojekt wurde von einem Beirat unter Vorsitz des Theologen Prof. Dr. Traugott Jähnichen von der Ruhr-Universität Bochum begleitet.


sinedi.mach@rtLab: jugendliches "versuchskaninchen": wenn es denn der forschung dient ...

Zufallsstichprobe

Im Ergebnis zeigt sich, dass bei den länger als sechs Monate in Bethel stationär behandelten Kindern und Jugendlichen in knapp einem Viertel der Fälle noch nicht in Deutschland zugelassene Medikamente, sogenannte Prüfpräparate und Import-Medikamente, zum Einsatz kamen. Im Untersuchungszeitraum wurden 2.741 junge Patienten in Bethel aufgenommen. Der Studie liegt eine Zufallsstichprobe von 265 jungen Patientinnen und Patienten zugrunde; bei 63 (23,8 %) von ihnen wurden Prüfpräparate verordnet. Bei zwei Dritteln ging es um Antiepileptika, bei einem Drittel um Psychopharmaka. Zur Gruppe der 63 Patienten und Patientinnen nennt Prof. Dr. Dietz Rating die Zahlen im Detail: „In den Akten der 265 zufällig ausgesuchten Patienten sind Arzneimittelprüfungen für neu entwickelte Antiepileptika und für neu entwickelte Psychopharmaka belegt. Prüfungen wurden an insgesamt 63 Patienten vorgenommen: 55 Prüfungen bei 44 Patienten mit einem oder zwei neuen Antiepileptika, 28 Prüfungen bei 23 Patienten mit neuen Psychopharmaka, darunter sechs Patienten, bei denen sowohl ein Antiepileptikum als auch ein Psychopharmakon untersucht wurde.“ Ferner sei bei weiteren zwei Patienten ein neues, noch nicht zugelassenes Tuberkulostatikum eingesetzt worden.

Für die Arzneimittelerprobungen oder die Anwendung in Deutschland nicht zugelassener Arzneimittel wurden in den Krankenakten keine schriftlichen Genehmigungen der Eltern oder eines Vormunds gefunden. In Einzelfällen gab es Hinweise auf eine indirekte oder mündliche Zustimmung durch Erziehungsberechtigte.

„Die Einwilligung in und die Aufklärung über Arzneimittelerprobungen waren auch zeitgenössisch rechtlich und ethisch geboten, allerdings kein Standard der klinischen Praxis. Bethel unterschied sich hier nicht von anderen Einrichtungen, in denen Arzneimittel erprobt wurden“, erklärt Dr. Niklas Lenhard-Schramm zur damaligen Behandlungspraxis in Bethel.

Eltern nicht gefragt

Prof. Dr. Maike Rotzoll führt dazu weiter aus: „Arzneimittelprüfungen an Kindern und Jugendlichen wurden bekanntlich in zahlreichen Heimen und Psychiatrien durchgeführt. Um aber die vielschichtigen Motivationen zu verstehen, aus denen auch und gerade in Bethel Arzneimittelprüfungen stattfanden, muss man den historischen Kontext berücksichtigen. So war Bethel eine der größten und traditionsreichsten Einrichtungen, die Menschen mit Epilepsie aufnahmen und häufig langfristig versorgten. Bis Ende des 2. Weltkrieges gab es wenig wirksame Medikamente gegen Epilepsie, so dass ein großes Interesse an neuen Arzneimitteln bestand. Dies traf sich mit dem Interesse Bethels, sich auch als Forschungsinstitution, ähnlich einer Universitätsklinik, zu etablieren.“

Der Beiratsvorsitzende Prof. Dr. Traugott Jähnichen unterstreicht diese Triebfeder für den Arzneimittel-Einsatz: „Vor dem Hintergrund der Aufnahme vieler schwerster Fälle von Epilepsie-Erkrankungen hat sich Bethel auch in der klinischen Forschung engagiert, um die Möglichkeiten medikamentöser Therapien zu verbessern. Der Bericht leuchtet in diesem Zusammenhang gut die Verbindung der alltäglichen pflegerischen und therapeutischen Herausforderungen mit der Erprobung von Medikamenten aus.“

Das zeige sich auch in den Ausführungen zu sogenannten Importmedikamenten, die in anderen Ländern bereits zugelassen gewesen seien und um deren Einsatz in der Behandlung sich Bethel mit Nachdruck bemüht habe.

Jähnichen resümiert: „Mit der jetzt vorliegenden, von unabhängigen Experten verfassten Studie tragen die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel erheblich zur Versachlichung und Klärung der Arzneimittelprüfungen an Kindern und Jugendlichen in der Zeit seit Mitte der 1950er- bis zu Beginn der 1970er-Jahre bei.“

Bethel-Vorstand Pastorin Dr. Johanna Will-Armstrong unterstreicht die Bedeutung der Studie für die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel: „Auch wenn hier ein längst abgeschlossenes historisches Kapitel aufgearbeitet wurde, nehmen wir die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich wahr und bedauern sie zutiefst. Dass in der Studie auf der Grundlage der untersuchten Krankenakten kein unmittelbarer Zusammenhang gefunden werden konnte zwischen einer möglichen Schädigung von Bewohnern und der Arzneimittelerprobung erleichtert mich sehr.“ Es bleibe aber dabei, man hätte die Eltern über die Arzneimittelerprobungen aufklären und ihre Zustimmung einholen müssen, so Dr. Will-Armstrong.

Symposium geplant

„Diese Praxis, die der zeitgenössische Kontext erklärt, aber nicht entschuldigt, gehört lange der Vergangenheit an“, ergänzt Bethel-Vorstand Prof. Dr. Ingmar Steinhart. Er weist darauf hin, dass die Studie in den Gesamtzusammenhang der kritischen Auseinandersetzung Bethels mit seiner Geschichte einzuordnen ist: „Wir arbeiten traditionell auch die problematischen Phasen und Ereignisse unserer inzwischen über 150-jährigen Geschichte auf und haben damit mehrfach schon Diakonie-Geschichte geschrieben.“

Den drei Wissenschaftlern gilt der besondere Dank des Bethel-Vorstandes für ihre akribische und professionelle Arbeit. Bethel will die Ergebnisse des Forschungsprojekts auch in einem Symposium voraussichtlich im Oktober dieses Jahres (abhängig von der Corona-Entwicklung) in der Fachöffentlichkeit zur Diskussion stellen. Dafür wurde u.a. bereits der renommierte Medizinhistoriker Prof. Dr. Cornelius Borck/Kiel gewonnen. 

Die gut 200 Seiten starke Studie ist im Internet nachzulesen über Links auf:: www.bethel.de/arzneimittelpruefungen.

Textquelle: WESTFALEN-BLATT Bielefeld v. 21.07.2020

es ist geschafft: bethel gibt gravierende fehler zu in der behandlung seiner "lieben" patienten in all den jahren, während ja bisher zumeist ähnliche und manchmal gravierendere anwürfe zumeist ausgesessen oder unaufbereitet blieben, führte hier sogar eine selbst von bethel in auftrag gegebene studie zu ergebnissen, die aufhorchen lassen.

und während nun von einer rund "zweieinhalbjährigen 'intensiven' forschungsarbeit" die rede ist - darf man nicht übersehen, dass die ersten artikel dazu zumindest in der "neuen westfälischen" in bielefeld aus 10/11-2016 (siehe die artikel-links oben!!!) stammen - also so flott war man nun mit der aufarbeitung auch nicht, denn das liegt ja nun bald vier jahre zurück - und dabei war nun nicht "corona" schuld. 

gerade die selbst in auftrag gegebenen studien sollen ja oft von der "eigenen schuld reinwaschen" - und zumindest implizit schwingt ja bei den auftragsannehmenden wissenschaftlern oft der einstellungskern: "wess brot ich ess - dess lied ich pfeif" bei solchen heiklen themen mit.

nun habe ich die stiftungen bethel in verschiedenen pflegehäusern aus eigener anschauung schon ab meinem eintritt als als zivildienstleistender am ende des untersuchten zeitraums, nämlich ab anfang der 70er jahre, kennengelernt - und sehe noch die weißen packungen mit nummernaufdrucken vor mir - beispielsweise wie "DX-3704" oder ähnliches - die nicht in einer verkauften grafisch designten arzneimittelpackung zur verfügung standen beim medizinstellen für die täglichen patientenrationen.

die waren eben vom arzt angeordnet - und basta. - und diese anordnungen wurden nach meinen beobachtungen damals auch von den durchaus auch manchmal kritischen eltern so mitgetragen, die manchmal verzweifelt nach pharmazeutischen hilfen suchten für die oft damals noch verheerenden anfallshäufungen ihrer kinder - und die dazu ein großes vertrauen zu den ärzten aufbrachten, die da "alles menschenmögliche" taten, um "zu helfen" - in bethel (!) ...

epilepsie war und ist wahrscheinlich heute noch beileibe nicht eine medizinisch voll beherrschte oder beherrschbare nervenerkrankung und hirnentladung. ich glaube sogar, dass eine herzverpflanzung heutzutage in den zuständigen fachkliniken routinierter von der industriell organisierten und digital augestatteten leistungsmedizin-teams bewältigt wird, als etwa ein kompliziertes epileptisches anfallsleiden gar mit individuellen psychosomatischen auslösern (über)lebensfähig "in den griff" zu bekommen und dauerhaft stabil für eine gute lebensqualität einzustellen.

dass allerdings diese quasi ständig selbst in medizinischen versuchsstadien experimentierenden epileptologen noch in die eigene tasche bei den großen arzneimittelkonzernen abrechneten, ist natürlich verwerflich - da hätte man zumindest die angehörigen und die patienten selbst umfassend aufklären und mitbeteiligen sollen - sie hätten es tatsächlich "verdient" gehabt...

zum produktionskalkül der parmakonzerne sei noch hinzugefügt: für vielleicht nur 200 in genau dieser einen konsistenz bedürftige epilepsiepatienten wird nirgendwo auf der welt eine serienproduktion in angriff genommen: es muss sich eben "rechnen" ...

Mail aus Dziekanka/Gniezno


Ab und zu frage ich in der heutigen Psychiatrischen Klinik "Dziekanka" nach, ob authentische Unterlagen zu meiner Tante Erna Kronshage entdeckt worden sind, denn alle einschlägigen und aussagekräftigen Krankenunterlagen und Akten scheinen tatsächlich vernichtet worden zu sein. 

(siehe dazu ausführlich --> hier und hier  - sowie hier und hier...)

Und nun bekam ich dieser Tage dazu folgende Mail aus Dziekanka:


Guten Morgen, 
Leider sind die uns vorliegenden Dokumente aus der Kriegszeit nur das Hauptbuch und das Totenbuch. 
Erna Kronshage war vom 13.11.1943 an im Krankenhaus, sie starb am 20.02.1944. 
In der Anlage sende ich Ihnen ein Foto des Totenbuchs mit der Position Ihrer Tante:

--
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
Leiter der Abteilung Statistik
und medizinische Berichte
Diese Nachricht ist Eigentum des SPZOZ Wojewódzki Szpital dla Nerwowo i Psychicznie Chorych "DZIEKANKA" in Gniezno und kann vertrauliche oder rechtlich geschützte Informationen enthalten. 
Übersetzt aus dem Polnischen mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)



  • "Dziekanka" trug in der deutschen Besatzungszeit 1939 - 1945 den deutschen Namen "Tiegenhof", und wurde damals zu einer deutschen "Euthanasie"-Mordanstalt umorganisiert.
  • Ca. 5000 Menschen, Polen und Patienten aus dem deutschen Reichsgebiet, wurden hier gezielt ermordet.

Enthüllungen mit Fehlfarben



Münchener Strafjustizzentrum

Relief zum NSU-Prozess enthüllt

Künstler Sebastian Jung hat am Strafjustizzentrum in München ein Werk enthüllt: Das Relief setzt sich mit dem NSU-Prozess auseinander und basiert auf Zeichnungen, die der Künstler im Gerichtssaal machte.

youtube-Video & Text: faz.net

na klar - über "kunst" lässt sich bekanntlich streiten: das ganze sieht für mich aus wie eine brave abschlussarbeit im werkunterricht der 8. jahrgangsstufe: unspektakuläre geistersilhouetten in- und aufeinandereinander angedeutet: die versammlung einer geisterstunde vielleicht -

und ich bekomme eine geruchsassoziation nicht aus meinem riechsinn, die für mich über diese szene sanft dahinzuwogen scheint: der blaue duft kubanischer zigarren der teureren sorte: die, die einzeln in silbernen alu-schraub- oder steckröhrchen angeboten werden - und die gerhard schröder immer von der gazprom als lobbyistengeschenk mitgebracht hat - wenn du verstehst was ich meine ...

und irgendwie hat man hier die erst heute gängigen mundnasen-abdeckmasken zur derzeitigen coronakrise wie von selbst gleich mit eingearbeitet, wenigstens verlieren sich die angedeuteten geistergesichter unter den beiden augenpunkteinbohrungen jeweils im nichts - wie in einer karikatur ... - und wie heutzutage eben in jedem kaufhaus und wahrscheinlich auch in jedem gerichtssaal: beim nach dem seuchengesetz angeordneten "masketragen".

aber dieses in diesem werk angedeutete "masketragen" wiederum führt dann die gesamtaussage dieses reliefs tatsächlich doch noch auf den bodensatz einer tiefgründigeren  bedeutungsschwangeren aussage-ebene: ja - genauso - wie hinter mund-/nasenmasken fand dieser nsu-prozess all die jahre seiner unendlichen zähen dauer statt - mit seinem langatmigen "auf-die-stelle-treten" führt er hier für mich zur wahrscheinlich ungewollt in szene gebrachten abstraktion der jeweiligen prozess-teilnehmerfiguren, denn jedes be-maskierte geistergesicht fasst irgendwie auch diese altbekannten aussageattribute der berühmten "drei affen"
zusammen, die sich jeweils augen, ohren und mund zuhalten und bedecken: nichts hören, nichts sagen, nichts sehen: der prozess der stummen und tauben und blinden geister, die ziellos den jeweiligen betrachter fixieren - und auch zum beschweigen, erblinden und ertauben bringen.

ich weiß nicht, ob ich das unter diesen umständen tatsächlich richtig sehe: aber das relief-material scheint im video wie eine preiswertere grobstrukturierte holzspanplatte - und wenn das tatsächlich so ist, wird sie nicht mal die zeitdauerdistanz des prozesses überstehen und an ihn erinnern können - und schon vorher dann an altersschwäche zergehen. 

aber gut, dass wir mal wieder - nichtssagend - "deutsche erinnerungskultur" so gekonnt in szene gesetzt haben - und sogar im f.a.z.-feuilleton: das ist ja schon fast der gipfel ...